Telefonterror
Ich schreibe dir solange nicht, bis du mich endlich anrufst. So, oder so ähnlich klang die letzte SMS die sie von ihm bekam.
Man sollte meinen, dass ein Anruf bei jemandem mit dem man bereits über 2 Jahre in Kontakt ist, das Einfachste auf der Welt wäre. Den Knopf mit dem kleinen stilisierten Telefonhörer drücken, abwarten bis er ranging und einfach Hallo sagen, oder auch nur Hi. Fertig! Sie war es ihm irgendwie schuldig und sie kannte seine Stimme bereits – und mochte sie auch sehr. Doch sie konnte ihn nicht anrufen. Luxusprobleme. Warum eigentlich nicht? Wollte sie es vielleicht doch nicht? Was hielt sie zurück? Jedes Mal, wenn er versuchte sie anzurufen erschrak sie so sehr, dass sie das Gefühl hatte, ihr Herz würde stehen bleiben. Sie legte dann das Telefon auf die Seite, stand auf und verschwand aus dem Raum um irgendwelchen Hausarbeiten nachzugehen, die sie seit Tagen vor sich herschob. Tut mir leid ich habe das Telefon nicht gehört. Tut mir leid ich musste Abwasch machen. Schrieb sie dann immer zurück. Lügen! Dachte sie bei sich. Nichts als Lügen! Lügnerin! Ja, wie recht ihre innere Stimme doch hatte. Sie hat gelogen, sich aus der Affäre gezogen. Aber er war nicht dumm, natürlich wusste er dass sie log. Das machte die Angelegenheit nicht einfacher. Er versuchte so oft sie anzurufen. Hat monatelang nicht aufgegeben. Bis sogar ihm der Geduldsfaden riss. Warum provozierte sie das? Sie wusste, dass sie ihm unrecht tat, dass sie ihn nervte. Er verlangte ja nicht viel. Warum als konnte sie nicht einfach rangehen?
Sie hat sich bereits einmal überwunden abzuheben und ihm einen Guten Morgen zu wünschen. Doch irgendwas stimmte mit dem Telefon nicht, denn er hörte sie, sie hörte ihn aber nicht. Doch das ist bereits lange her, darauf konnte sie sich nicht ausruhen. Das wusste sie.
Heute tue ich es. Sagt sie sich nun seit einer Woche. Seit seiner letzten SMS. Und doch hatte sie es immer noch nicht getan. Immer wenn ihr Daumen über der Wählen-Taste schwebte hält sie etwas in ihrem inneren zurück, die letzten Millimeter mit ihrem Daumen zurückzulegen. Wenn sie doch mal die Wählen-Taste berührte, legte sie nach dem ersten klingeln wieder auf.
Sie wusste, dass das nicht so weitergehen konnte. Das ging schließlich schon ewig so. Tag ein Tag aus hatte sie das noch ausstehende Telefonat im Kopf. Sie wollte nicht, dass er sich als der Freund der er für sie geworden ist, von ihr entfernte. Sie wollte ihn nicht enttäuschen oder verletzen. Der Terror musste endlich aufhören. Heute mache ich es!
Wirklich