Was ist neu

Modell C

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20.01.2015
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Modell C

Johansson starrte auf das Bild. Altmodisch und regungslos hing es vor ihm an der leicht lumineszierenden Wand, Tinte auf Papier, schwarzweiß, in Holz gerahmt. So etwas sah man nicht mehr allzu oft. Auch das Motiv war ganz und gar unmodern, von der fehlenden Animation mal abgesehen: Es zeigte einen Fluss, der sich seinen stetig gehöhlten Weg durch einen Felsen bahnte. Johansson kannte diese Bilder, schrecklicher Kitsch, den sich nur noch wenige Menschen freiwillig an die Wand hängten. Und darunter, selbstverständlich, ein banaler Sinnspruch. Nur war dieser im Fall dieses Bildes nicht zu entziffern, zumindest nicht für ihn, obwohl er seine Brille trug. Um was für eine Schrift handelte es sich hier? Er vermutete irgendetwas Altertümliches aus dem asiatischen Raum, das würde auch den esoterischen Charakter des Bildes unterstreichen. Johansson kniff die Augen zusammen.
„Alles was manifest ist, kann zerstört werden, aber was nicht manifest ist, existiert außerhalb der Zeit.“ Er zuckte zusammen.
„Verzeihung, Herr Johansson. Ich wollte Sie nicht erschrecken.“
Johansson drehte sich um. Hinter ihm stand die OP-Schwester, eine durchsichtige Box aus Kunststoff in den Händen.
Er lachte verlegen. „Ach, nein, schon gut… Ich habe Sie wohl nicht bemerkt.“
Die junge Frau erwiderte höflich sein Lachen, und deutete dann mit dem Kopf auf das Bild. „Sie sind nicht der Erste, der versucht, den Spruch zu entschlüsseln. Machen Sie sich nichts draus, das ist Sanskrit. Das hätte selbst damals, als man es noch benutzt hat, kaum jemand lesen können.“
Johansson nickte. Seine Vermutung hatte sich bestätigt. Esoterischer Blödsinn.
„Wenn Sie dann fertig mit Smalltalk sind, könnten Sie sich gerne darum kümmern, dass es hier ein bisschen schneller voran geht.“ Esthers Stimme war kalt. Johansson blickte über die Schulter der Schwester, die sich nun seiner Frau zugewandt hatte. Esther saß am Rand der gepolsterten Liege, ihre Kleidung feinsäuberlich zusammengefaltet neben ihr. Das leicht bläuliche Licht im Raum ließ ihren nackten Körper noch älter und verbrauchter aussehen, als er es ohnehin schon war. Johansson erschauderte mittlerweile jedes Mal, wenn er sah, was die Jahre aus seiner Frau gemacht hatten. Aber immerhin war das bald vorbei.
„Natürlich, Frau Johansson. Entschuldigung.“ Die Schwester trat nach vorne und begann hastig, die Kleidungsstücke in die Plastikkiste zu packen. „Hat man Sie über unsere Policy zur Lagerung von Wertgegenständen aufgeklärt? Sie können...“ - „Ja, ja.“, Esther unterbrach die junge Frau barsch. „Hat man. Mehrmals. Wir brauchen keine teuren Zusatzversicherungen. Sperren Sie meine Sachen mit denen meines Mannes zusammen weg. Oder hauen Sie sie in die Verbrennungsanlage. Hauptsache, Sie sorgen dafür, dass es hier etwas schneller geht.“
Johansson schämte sich für die Unfreundlichkeit seiner Frau, aber er wusste, dass auch sie sich schämte. Esther hasste ihren Körper wahrscheinlich noch mehr, als er es tat, und nun saß sie hier wie auf dem Präsentierteller vor einer deutlich jüngeren, attraktiveren Frau. Vermutlich würde es ihm in ein paar Stunden ähnlich ergehen - mit seinen 92 Jahren hatte auch er schon deutlich bessere Zeiten gesehen. Aber selbst die hübsche blonde Frau im Kittel würde das hier irgendwann noch durchmachen müssen. Johansson sah sie an. Vielleicht hatte sie es sogar schon.
„Keine Sorge, Frau Johansson, wir wären dann so weit. Wenn Sie sich hinlegen, kann ich die I.V. vorbereiten.“ Esther nickte und begann mühsam, sich in die Liegeposition zu begeben. Johansson eilte zu ihr, um sie zu stützen.
„Danke dir, Schatz.“ Sie lächelte. Die Kälte in der Stimme war verflogen, dafür war da nun etwas anderes. Angst.
Johansson hielt ihre Hand und erwiderte das Lächeln. „Mach dir keine Sorgen, Esther. Bald ist es vorbei. Das vergeht wie im Flug. Mach einfach die Augen zu. Der Rest erledigt sich von allein.“
Esther schloss die Augen. Sie zitterte. „Kein Eisberg?“ Johansson lachte. „Nein, Esther. Kein Eisberg.“
Die Schwester räusperte sich verlegen. „Es tut mir leid, Herr Johansson, aber Sie müssen Ihre Frau jetzt alleine lassen.“ Johansson nickte, drückte die Hand seiner Frau ein letztes Mal und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Als er den Raum verlassen hatte, war Esther bereits eingeschlafen.

***

Der Summer ertönte eine Minute zu früh. Veit fluchte leise und spuckte die Bleachingstreifen in den Papierkorb zu seinen Füßen.
Diesmal also kein hundertprozentig strahlend weißes Verkäuferlächeln. Aber das konnte Veit ausgleichen. Er drückte auf den Knopf auf seinem Schreibtisch und erhob sich, während sich ihm gegenüber leise summend die Tür zu seinem Büro öffnete.
Seine Kunden traten ein. Veit setzte sein breitestes Grinsen auf und stakste den beiden mit langen Schritten und ausgestreckten Armen entgegen.
„Herr Johansson, Frau Johansson, schön Sie zu sehen. Wie geht es Ihnen heute?“ Der alte Mann lächelte verlegen und murmelte etwas vor sich hin, die Frau blieb stumm. Nicht gut also. Das sah man ihnen an. „Bitte, bitte, setzen Sie sich.“ Veit führte die beiden zu den Kunstledersitzen vor seinem Schreibtisch und beobachtete, wie das alte Paar bemüht Platz nahm.
Er musste sich anstrengen, die fröhliche Fassade aufrecht zu erhalten. Die Johanssons waren ein Trauerspiel. Er schon über 90, kahlköpfig, klein, dicklich, mit krummem Rücken. Sie war Anfang 80, wirkte mit ihrem lichten, schlecht kolorierten Haar, ihrer dünnen Haut und ihrem eingefallenen Gesicht aber eher noch älter als ihr Ehemann.
Mittlerweile hatten sie Platz genommen und Veit begab sich auch wieder zurück hinter seinen Schreibtisch. „Darf ich Ihnen vorher noch irgendetwas zu trinken anbieten? Kaffee vielleicht? Echte Bohnen, echte Sojamilch - bei uns bekommen Sie keine Synthetik in die Tasse gegossen. Für unsere Kunden nur das Beste, versteht sich.“
Veit lächelte zufrieden. Das war nicht einmal gelogen, die JIVA Group scheute tatsächlich kaum Kosten und Mühen, um es den Kunden so angenehm wie möglich zu gestalten - was es ihm als Verkäufer umso leichter machte.
„Nein, danke.“ Herr Johansson winkte freundlich ab, warf dann einen kurzen Blick zu seiner Frau, die ebenfalls den Kopf schüttelte. Veit ließ sich nicht aus dem Konzept bringen.
„Darf es irgendetwas anderes sein? Ein Wasser? Proteinshake?“
„Ein Wasser wäre sehr nett.“, antwortete Johansson. „Für mich und meine Frau.“ Veit nickte.
„Ein Wasser. Gute Wahl, sehr gesund. Dann schließe ich mich Ihnen heute doch einfach mal an, ich trinke bei der Arbeit sowieso viel zu viel Kaffee. Schlimm, wenn man das Zeug umsonst bekommt. Ich weiß, dass das nicht gut für den Körper ist, aber wie sagt man so schön: Man lebt nur einmal - nicht wahr?!“ Er lachte schallend über seinen eigenen Witz, bis er merkte, dass er der Einzige war, den dieser zu amüsieren schien und wandte sich dann dem Intercom zu, um drei Gläser gefiltertes Wasser für sich und seine Klientel zu bestellen.
Danach widmete er sich wieder den Johanssons, die unruhig und krumm vor ihm saßen.
„Also.“, eröffnete Veit feierlich: „Kommen wir zum geschäftlichen Teil. Haben Sie seit unserem letzten Gespräch eine Entscheidung getroffen?“
Herr Johansson nickte. „Ja. Wir haben uns dafür entschieden, dass meine Frau das Modell nimmt, das sie sich beim letzten Mal ausgesucht hat und ich bleibe bei der C-Klasse.“
Veit gab sich verständnisvoll. „Das ist eine gute Entscheidung. Glauben Sie mir, Sie sind nicht das einzige Paar, das sich für eine Kombination aus A- und C-Klasse entscheidet. Manche Ehemänner wählen sogar die D-Klasse, damit sie ihrer Frau etwas gönnen können. So wie es sich für einen guten Ehemann eben gehört, nicht wahr?“
Er bemerkte den leicht skeptischen Ausdruck in Johanssons Gesicht. Der alte Mann musterte ihn. Das war nicht unüblich, Veit kannte diesen Teil des Gesprächs bereits, er wusste welche Frage nun folgen würde, deswegen nahm er sie gleich vorweg: „Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Johansson. Die Unterschiede bei Modellen für Männer sind oftmals nur marginal. Ich weiß, was sie sich jetzt denken. Ja, ich habe auch ein Modell zur Verfügung gestellt bekommen und ja, meines ist in der Tat Klasse A – aber das zahlt die Firma, das könnte ich mir von meinem Gehalt niemals leisten, glauben Sie mir das. Und rein qualitativ macht das Ganze keinen Unterschied, das versichere ich Ihnen. Die Haltbarkeit ist dieselbe und die Funktionen sind bei allen Kategorien vollkommen identisch.“
Funktionen. Selbst für Veit klang das jedes Mal wieder absurd. “Das was Sie bei uns in der Preisklasse C kaufen, kriegen Sie bei anderen Anbietern für das Doppelte. Und Sie machen mit dieser Entscheidung nicht nur ihre Frau glücklich. Warten Sie nur ab.“ Er zwinkerte Johansson grinsend zu und bemerkte zufrieden, dass seine Worte den alten Herren scheinbar besänftigt hatten. Und sogar Frau Johansson schien nun etwas unverkrampfter als zuvor.
Der kurze Moment der Entspannung verflog jedoch so schnell wie er gekommen war. Johansson räusperte sich krächzend, und richtete sich etwas auf. „Da wäre noch etwas. Meine Frau… Wir… machen uns nach dem Vorfall in Barcelona ein klein wenig...“
Seine Frau fiel ihm ins Wort: „Wie können Sie uns garantieren, dass wir dabei nicht sterben?!“
Der Summer ertönte. Das Wasser kam. Veit öffnete erleichtert die Tür und nutzte die kurze Gesprächspause, um sich zu sammeln. Er hasste diesen Teil. Vor zwei Monaten waren sieben Kunden von Juventech beim Prozess krepiert und er durfte es nun in jedem Gespräch aufs Neue ausbaden. Immerhin war er mittlerweile, nach Hunderten von Verkaufsgesprächen zu diesem Thema, geübt in Deeskalation. Veit faltete seine Hände und setzte seinen ernsten Blick auf.
„Ich verstehe Ihre Bedenken, Frau Johansson. Glauben Sie mir, niemand ist bestürzter über diese Todesfälle bei Juventech als wir - und eine hundertprozentige Garantie über den Erfolg des Prozesses kann Ihnen niemand garantieren, auch ich nicht. Fakt ist aber Folgendes: Wir hatten in den letzten zehn Jahren keinen einzigen Todesfall bei JIVA. Sie müssen wissen, Juventech hat mit einer neuen Technologie gearbeitet. Man war der Meinung, dass sei effizienter, kostengünstiger, sicherer. Und herausgekommen ist eine Titanic.“
Frau Johansson runzelte die Stirn. „Eine was?“
Veit lächelte. „Eine Titanic. Die Titanic war ein Schiff, das…“
Die alte Dame unterbrach ihn schroff: „Ich weiß, was die Titanic war. Ich bin nicht dumm, junger Mann. Ich frage mich nur, was das mit unserer persönlichen Sicherheit zu tun haben soll.“
Junger Mann. Veit musste sich eingestehen, dass sie ihm wortlos besser gefallen hatte.
„Lassen Sie mich bitte erklären, Frau Johansson. Die Titanic galt als bahnbrechend. Unsinkbar. Ein Meilenstein der nautischen Technologie. Und was ist passiert? Sie rammte einen Eisberg und sank. Bei ihrer Jungfernfahrt. Das war natürlich eine furchtbare Tragödie, genauso wie die sieben Todesfälle in Barcelona eine Tragödie waren. Aber haben die Menschen nach der Titanic aufgehört, Schiffe zu benutzen?“
Er lächelte wieder. Er wusste, dass das Ehepaar die Antwort auf seine Frage kannte.
„Sehen Sie. Die Titanic ist vor über 200 Jahren gesunken und wir bauen immer noch Schiffe, heute mehr denn je. Und wir haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Juventech wollte Innovation und ist gescheitert. Bei JIVA setzen wir auf Altbewährtes - und das mit Erfolg. DAS kann ich Ihnen garantieren.“
Die Alte antwortete nicht, ihr Mann nickte stumm. Veit lehnte sich zufrieden zurück. Er hatte die beiden im Sack. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Verträge unterschrieben auf seinem Tisch lagen.
„Eine Frage hätte ich noch.“ Wieder war es Herr Johansson, der sich schüchtern zu Wort meldete.
„Kann ich ihn mir persönlich anschauen?“

Sie durchquerten den Flur hin zu den Fahrstühlen und fuhren ins vierte Untergeschoss. Alleine der Weg zum Lift hatte eine gefühlte Ewigkeit gedauert. Die Johanssons waren nicht mehr gut zu Fuß, also hatte Veit versucht, sie so charmant wie möglich umzustimmen und von einer persönlichen Besichtigung abzuhalten, aber das alte Ehepaar blieb standhaft. Es kam nur sehr selten vor, dass sich ein Kunde in die Lagerräume verirrte, die meisten gaben sich mit Bildern oder Videoaufnahmen ihrer Modelle zufrieden, aber auch bei JIVA war der Kunde König und letzten Endes sicherte Veit lieber einen Verkauf, als weiter unnötig mit penetranten Klienten wie Frau Johansson zu diskutieren.
Dennoch verfluchte er nun, dass er zugestimmt hatte. In einer Hinsicht hatte JIVA nämlich doch Kosten gespart: Es gab außer den Fahrstühlen kein sinnvolles Transportsystem im Gebäude, das den meist gebrechlichen oder kranken Kunden den Weg durch die langen Korridore erleichtert hätte. Veit musste unweigerlich den Kopf schüttelten, als er sah wie Herr und Frau Johansson aneinander gestützt durch die Gänge wankten. Da schickte man Menschen zu den Marskolonien, aber konnte hier nicht einmal ein gottverdammtes Laufband installieren.
„Da wären wir.“ Veits bemüht fröhliche Worte klangen nach zehn Minuten quälend langsamen Fußmarsches durch das Lager auch für ihn selbst wie ein Befreiungsschlag. „Modell C 434-76. Ihr Modell, Herr Johansson.“
Er beugte sich über den Retinascanner und öffnete die Tür.
Johansson trat ein. Im kleinen, spärlich beleuchteten Raum stand ein Bett, über das sich eine ovale Plexiglasdecke wölbte. Bis auf das Piepsen und Summen diverser medizinischer Geräte war es still. Der Mann im Bett war nackt. Er schlief. Schläuche führten aus Nase und Mund in die Geräte am Rand des Bettes. Veit grinste die Johanssons an und brach das Schweigen. „Also was sagen Sie? Sind wir im Geschäft?“
Herr Johansson starrte lange ins Zimmer, warf einen Blick zu seiner Frau und nickte dann. „Ja… Ja, ich denke den nehme ich.“

***

Johansson sah sich im Spiegel an. Die Haare – seine Haare, betete er sich erneut vor – waren etwas zu lang. Schwarze Locken mochte er überhaupt nicht, auch wenn er wusste, dass sie Esther sehr gut gefielen. Das musste definitiv weg. Mit dem Rest, starke Gesichtszüge, leicht brauner Teint, markante Nase, konnte er sich aber durchaus anfreunden. Auch der Körperbau war in Ordnung, ein bisschen klein höchstens. Der schmierige Verkäufer bei JIVA hatte ihn wohl tatsächlich nicht übers Ohr hauen wollen: Das hier war wirklich ein gutes Modell.
Johansson hatte sich noch einmal erkundigt, wer der Mann gewesen war, der ihm nun seinen Körper zur Verfügung stellte. Herkunftsland Afghanistan, Vorname Nassim. Mehr hatte man ihm nicht sagen können. Aber ganz genau wollte Erik Johansson es auch nicht wissen. Er war zufrieden mit seinem neuen Ich – auch wenn er nun ernsthaft darüber nachdachte, seinen Namen legal ändern zu lassen. Das passte nicht mehr so wirklich zusammen.
Esther rief von unten. Johansson beeilte sich, seine Krawatte fertigzubinden und betrachtete sich noch einmal im Spiegel. Das Hemd saß nicht richtig – ein Kauf, den er vor dem Transfer getätigt hatte, eine Schätzung nach den Maßen die man ihm bei JIVA mitgeteilt hatte. Aber für den Moment reichte es, Til und Zoe würden es sicherlich verstehen, dass er und seine Frau noch keine Zeit gehabt hatten, sich mit maßgeschneiderter Kleidung einzudecken.
„Ich komme sofort!“, rief er zurück, fühlte sich unwohl beim Klang seiner eigenen Stimme.
Sein Blick fiel auf die Kommode vor ihm. Die Fotodiashow im digitalen Rahmen spulte gerade wieder die Bilder ihrer Flitterwochen ab. Darauf ein leicht dicklicher, kleiner Mann und eine wunderschöne Frau, Proto-Erik und Proto-Esther. Glücklich. Sich selbst genug.
Johansson schaltete den Rahmen aus und ging nach unten.

 

Hallo Knoboter, ich kenn dich ja noch nicht, also sag ich dir einfach mal: Schön, dass du da bist bei den Wortkriegern.

Ich hab deine Geschichte insgesamt gesehen sehr gerne gelesen.
Ich mag sciencefiction-Geschichten, die Probleme der Gegenwart in die Zukunft verlagern, man kann dann so wunderbar Szenarien ausmalen und gegenwärtige Verhältnisse in ihrer Fiesheit überzeichnen. Hier ist es der Jugendwahn, die Scham über den alten, zerbrechlichen Körper und der Drang, sich jung halten zu wollen/zu müssen.
Hauptgrund für meine "Freude" über deinen Text war deine perfide und echt gemeine Wendung am Schluss. Man erwartet nun alle möglichen Probleme, die sich aus der Verjüngungskur des Ehepaares ergeben. Identitätsprobleme, unerwartete Kollateralschäden, einen wirklichen Titanic-Fall. Alles Mögliche. Aber dass die Verjüngungsfirma echte lebende Menschen benutzt, um die alten Geister der Kunden in neuem Körper weiterleben zu lassen. Und dass Modell C dann ein Nassim aus Afghanistan ist, naja, das ist schon echt hart. Eine Sortierung der Menschheit in welche, die weiterleben dürfen, so sie genügend Geld haben und welche, die wohl nur das Schicksal haben, als Hülle dienen zu dürfen. Und sogar in dieser unmenschlichen und widerlichen Welt gibt es noch die rassistische Unterscheidung von besseren und schlechteren Modellen, namentlich unterschieden von der A- bis zur D-Klasse, als wären das Autos, in die der Zahlungskräftige nur einsteigt.
Sehr gut gefiel mir dabei, dass du das gar nicht an den Gedanken und moralischen Erwägungen des Protagonisten gezeigt hast, sondern für J. ist es eine völlige Selbstverständlichkeit,dass erstens ein Haufen von Menschen zur bloßen Funktionalität und Hülle degradiert wird, nur weil sie wohl zu wenig Knete haben und dass die arme Sau, die zufällig auf einem anderen Kontinent oder mit der "faschen" Nationalität geboren worden ist, dann auch noch minderwertige Ware ist. Das macht diese Weltnoh eine Ecke widerlicher, weil es noch nicht einmal eine einzige Person gibt, die damit hadert, man will nur einfach nicht so genau wissen, was mit der Hülle ist, aber dann ist schon alles wieder geritzt.
Also das fand ich von der Geschichte her, wie du sie angelegt hast, eine gute Entscheidung.
Und das alles hast du in einem ruhigen, unaufdringlichen Stil geschreiben, der sich unagemessen in den Vordergrund drängt. Fand ich hier auch eine gute Entscheidung.

So jetzt aber noch ein bisschen was zum Verbessern, jedenfalls, wenn du Lust dazu hast und es dir einleuchtet.
Zwei Sachen im Verlauf stören mich:
1. Das Bild am Anfang mit seiner Inschrift. Durch die Beschreibung und Herausstellung im ersten Abschnitt gewinnt das Bild ja eine hohe Bedeutung. Aber es kommt danach überhaupt nicht mehr vor. Es ist ja nicht einfach nur eine sinnliche Zutat, ein Detail, das die Szene greifbarer machen soll, sondern es nimmt dort eine wirklich herausragende Rolle ein.
Das wirkt so im Gesamtzusammenhang für mich unaufgelöst und unfertig.
Also entweder die Inschrift zumindest, deren Bedeutung für die Geschichte sich mir im Übrigen nicht erschließt, wiieder aufgreifen, oder die Rolle des Bildes etasherunterschrauben.
2. Der letzte Abschnitt wirkt zunächst so, als sei das Johansson ziuemlich direkt nach der Verjüngungskur. Weiter hinten erfährt man dann, dass sich das schon nach den Flitterwochen mit der neuen Ehefrauenhülle abspielt. Also das würde ich unbedingt verdeutlichen.

Und jetzt noch ein paar Details:

Johansson starrte auf das Bild. Altmodisch und regungslos hing es vor ihm an der leicht lumineszierenden Wand, Tinte auf Papier, schwarzweiß, in Holz gerahmt.
Das regungslos hat mich gestört. Wenn man nicht genau auf den Tag achtet, denkt man, wie soll das Bild denn sonst da hängen. Empfindet es alls überflüssige Erklärung. Das Problem hättest du nicht, wenn du das mit der Animation vorschiebst, dann hat man sofort das Zukunftsthema im Kopf und begreift die Regungslosigkeit des Bildes richtig.

Johansson kannte diese Bilder, schrecklicher Kitsch, den sich nur noch wenige Menschen freiwillig an die Wand hingen.
hängten
das Bild hing (an der Wand) aber: ich hängte etwas auf.

„Sie sind nicht der Einzige, der versucht KOMMA den Spruch zu entschlüsseln. Machen Sie sich nichts draus, das ist Sanskrit. Das hätte selbst damals, als man es noch benutzt hat, kaum jemand lesen können.“
Woher weiß die Schwester es dann? Auch die Frau kriegt hier eine etwas höhere Bedeutung, die aber unaufgelöst bleibt.

Johansson schämte sich für die Unfreundlichkeit seiner Frau, aber er wusste, dass auch sie sich schämte. Esther hasste ihren Körper wahrscheinlich noch mehr KOMMA als er es tat KOMMA und nun saß sie hier wie auf dem Präsentierteller vor einer deutlich jüngeren, attraktiveren Frau.

Sind noch so ein paar Kleinigkeiten im Text. Zum Beispiel würde ich jedem Redner (weiter oben ist das) eine neue Zeile spendieren und den Gedankenstrich bei der Unterbrechung der wörtlichen Rede nicht benutzen, sondern die drei Pünktchen.
Aber das sind Sachen, die kannst du ja selbst raussuchen.

Bis die Tage, viele Grüße Novak

 
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Hallo Novak, danke für die netten Worte und dein umfangreiches Feedback. Freut mich, dass das, was ich mir der Geschichte ausdrücken wollte, bei dir als Leser auch so angekommen ist.
Zu den Unklarheiten, die du beschreibst:

1. Das Bild am Anfang mit seiner Inschrift. Durch die Beschreibung und Herausstellung im ersten Abschnitt gewinnt das Bild ja eine hohe Bedeutung. Aber es kommt danach überhaupt nicht mehr vor. Es ist ja nicht einfach nur eine sinnliche Zutat, ein Detail, das die Szene greifbarer machen soll, sondern es nimmt dort eine wirklich herausragende Rolle ein.
Das wirkt so im Gesamtzusammenhang für mich unaufgelöst und unfertig.
Also entweder die Inschrift zumindest, deren Bedeutung für die Geschichte sich mir im Übrigen nicht erschließt, wiieder aufgreifen, oder die Rolle des Bildes etasherunterschrauben.

Das Bild (bzw. der Spruch) hat eigentlich nur eine symbolische Bedeutung, aber keine tatsächliche Relevanz für die Handlung, das stimmt. Worum es mir ging, war das Motiv der Reinkarnation bzw. Seelenwanderung, das Zerstören des Körpers und das Fortleben der "Seele", relativ früh aufzugreifen und anzudeuten, ohne es explizit zu machen. Deswegen dachte ich mir, hängt sich eine Firma die JIVA heißt und "Wiedergeburt" verkauft eben hinduistisch-esoterisch angehauchte Poster an die Wand.
Dass die Schwester weiß, was auf dem Bild steht, liegt schlicht und einfach daran, dass sie dort arbeitet und informiert wurde, bzw. sich informiert hat, nachdem ihre Patienten immer und immer wieder nachgefragt haben. Zumindest wollte ich nicht mehr damit implizieren, oder ihr eine wichtigere Rolle zuteilen, als sie tatsächlich einnimmt.

2. Der letzte Abschnitt wirkt zunächst so, als sei das Johansson ziuemlich direkt nach der Verjüngungskur. Weiter hinten erfährt man dann, dass sich das schon nach den Flitterwochen mit der neuen Ehefrauenhülle abspielt. Also das würde ich unbedingt verdeutlichen.

Deine erste Interpretation war die, die von mir beabsichtigt war. Das Bild zeigt keine zweiten Flitterwochen, sondern die ersten, die J. und seine Frau in ihrem alten Körper durchlebt haben. Deswegen auch "Proto-Erik" und "Proto-Esther".

Bei dem Teil mir der Animation hast du wohl recht, ich werde schauen, ob ich das noch etwas umstelle, bzw. wie.

Vielen Dank fürs Lesen und Rückmelden!
Gruß,
Knoboter

 
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Ich würde die Geschichte gerne noch einmal überarbeiten, da ich die Idee recht lange mit mir rumgetragen habe.
Würde mich daher sehr über eine zweite Meinung (gerade auch zu Novaks Anmerkungen) freuen, falls irgendjemand noch über die Geschichte stolpert.

 
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»Innerhalb der winzigen Elite der Milliardäre, die die Cloud-Computer betreiben, herrscht der laute, zuversichtliche Glaube, dass die Technologie sie eines Tages unsterblich machen wird. Google zum Beispiel finanziert eine große Organisation mit dem Ziel, "den Tod zu überwinden". Und es gibt viele Beispiele mehr. Ich kenne einige der Hauptbeteiligten* der Anti-Tod- oder posthumanen Bewegung, die im Herzen der Silicon-Valley-Kultur sitzt …«

Ich lese an sich kein SF (selbst der scheinbare Großmeister, St. Lem, beteuert in „Intelligenz ist ein Rasiermesser …“, keine SF zu schreiben, darum konnte ich auch dies und das von ihm lesen), denn es wird i. d. R. die Gegenwart nur fortgeschrieben und tatsächlich scheint der ganze gesellschaftliche Fortschritt als technologischer, keineswegs als sozialer, da ist die alte Hierarchie von oben und unten, Verkäufern und Verkauften nur unwesentlich anders als beim Troglodyten, der wir alle immer noch sind. Zum Beweis aus dem alten Patriarchat:

Junger Mann. Veit musste sich eingestehen, dass sie ihm wortlos besser gefallen hatte.

Der technologische Fortschritt ermöglicht, dass der Prothesengott sich aus einem reichen Ersatzteillager bedienen kann - heute schon und morgen wieder ein bisschen mehr.

Novak hat schon das inhaltliche gut wiedergegeben (ich neig ohnehin nicht dazu, Geschichten nachzuerzählen – bin ja auch schon längere Zeit dem Schulsystem entronnen), aber zur Anregung zur Neufassung gehört auch die andere Seite – Grammatik – und wie bei unserer ersten Begegnung ist es vor allem die Zeichensetzung. Aber noch mal zurück zu Novaks Bedenken: Das einleitende"Bild" hat dennoch seine Funktion, ob da nun der Goethe oder Hegel im Deutschen mit den Versen „Alles, was besteht, ist wert, dass es zugrunde geht“ steht oder in Sanskrit

„Alles was manifest ist, kann zerstört werden, aber was nicht manifest ist, existiert außerhalb der Zeit.

Beginnen wir mit dem einfachsten:
Ach, nein, schon gut… // Sie können...“
Usw. Die Auslassungspunkte, wie Du sie setzt, behaupten, dass am vorhergehenden Wort wenigstens ein Buchstabe fehle, was offensichtlich nicht der Fall ist. Darum besser zwischen letztem Buchstaben und erstem Auslassungspunkt eine Leerstelle.
„Ja, ja.“, … // „Ein Wasser wäre sehr nett.“, antwortete Johansson.
Die Punkte sind am Ende der wörtl. Rede wegzulassen, wenn der übergeordnete Satz weitergeführt wird (gilt nur für Aussagesätze)
Entschuldigung.“ // „Danke dir, Schatz.“ // Bitte, bitte, setzen Sie sich.“
Sind mehr als bloße Aussagesätze!, find zumindest ich …

…, bis er merkte, dass er der Einzige war, den dieser zu amüsieren schien[,] und wandte sich dann dem Intercom zu, um …
Komma wg. Ende des Relativsatzes, im folgenden Beispiel ist es der Anfang:
… bereits, er wusste[,] welche Frage nun folgen würde, deswegen …
“Das[,] was Sie bei uns in der Preisklasse C kaufen, kriegen Sie bei anderen Anbietern für das Doppelte.
Der eingeschobene Relativsatz verhindert, dass man das einl. „Das“ dem „kriegen sie …“ zuordnen muss. Einfaches Möbelrücken zeigt es an
“[W]as Sie bei uns in der Preisklasse C kaufen, [das] kriegen Sie bei anderen Anbietern für das Doppelte.

Der kurze Moment der Entspannung verflog jedoch so schnell[,] wie er gekommen war.
Die vergleichende Konjunktion leitet einen vollständigen Satz ein. Ähnlich hier (wobei „als“ ja auch eine vergl. Konjunktion ist)
Veit musste unweigerlich den Kopf schüttelten, als er sah[,] wie Herr und Frau Johansson aneinander gestützt durch die Gänge wankten.

Also[,] was sagen Sie?
Komma nach Ausruf, selbst in einem Fragesatz!
Ja, ich denke[,] den nehme ich.“
S. o.!
Und hier ist das Komma auch mal entbehrlich (wird ja durch die Konjunktion ersetzt
Johansson räusperte sich krächzend, und richtete sich etwas auf.

Nicht mehr ganz so Triviales:
Esther saß am Rand der gepolsterten Liege, ihre Kleidung feinsäuberlich zusammengefaltet neben ihr.
Die Kleidung „sitzt“ doch nicht „neben ihr“. Besser das Reflexivpronomen
…, ihre Kleidung feinsäuberlich zusammengefaltet neben [sich].
Hier dagegen ist das Reflexivpronomen eher entbehrlich
Ich weiß, was sie […] jetzt denken.

Ich schließ mit dem Ende des einleitenden Zitates:
»Die Arithmetik ist klar. Falls die Unsterblichkeitstechnologie, oder auch nur eine Technologie der drastischen Lebensverlängerung zu funktionieren beginnt, müsste sie entweder auf die kleinste Elite beschränkt bleiben oder wir müssten aufhören, Kinder in die Welt zu setzen, und in eine unendlich fade Gerontokratie übergehen. Dies sage ich um hervorzuheben, dass in der digitalen Technologie häufig, was radikal scheint - was auf den ersten Blick wie kreative Zerstörung wirkt -, sich in Wirklichkeit, wenn es tatsächlich umgesetzt würde, als hyperkonservativ und unendlich fade und langweilig herausstellt. Eine weitere populäre Idee ist, unser Gehirn in die virtuelle Realität "upzuloaden", damit wir für immer in einer Softwareform weiterleben könnten. Und das trotz der Tatsache, dass wir noch nicht einmal wissen, wie das Gehirn funktioniert. Wir wissen nicht, wie Ideen durch Neuronen repräsentiert werden. Wir stellen Milliarden von Dollar bereit, um das Gehirn zu simulieren, dabei kennen wir jetzt noch nicht einmal die grundlegenden Prinzipien, nach denen es funktioniert. Wir behandeln Hoffnungen und Glaube, als wären sie etablierte Wissenschaft. Wir behandeln Computer wie religiöse Objekte …« Jaron Lanier: Für einen neuen Humanismus. Wie wir der digitalen Entrechtung entkommen. Rede zum Empfang des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 12. Oktober 2014 in der Frankfurter Paulskirche, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 11/2014, S. 42 ff., Zitat S. 56

Gruß

Friedel,
der hofft, dass nicht alles hoffnungslos ist/wird.

 

Hallo Knoboter,

herzlich Willkommen hierorts!

Ich würde die Geschichte gerne noch einmal überarbeiten, da ich die Idee recht lange mit mir rumgetragen habe.
Würde mich daher sehr über eine zweite Meinung (gerade auch zu Novaks Anmerkungen) freuen, falls irgendjemand noch über die Geschichte stolpert.
Unterlasse dies bitte in Zukunft. Du kannst das gern an deinen letzten Kommentar an Novak anfügen, aber nicht in einen separaten Post setzen. Normalerweise werden solche Dumping-Versuche gleich gelöscht. Stell dir vor, jeder würde es so machen, um seine Geschichte nicht absinken zu lassen. Oft kommen noch Rückmeldungen, auch wenn sich die Geschichte schon auf Seite zwei oder drei befindet. Nur Geduld. Und so ausführlich wie sich Novak geäußert hat, wäre ich damit auch schon glücklich.
Ich will dir trotzdem ein kurzes Feedback geben.
Zu Novaks Anmerkungen: Also die Sache mit dem Bild sehe ich ähnlich. Dadurch, dass du es als Einstieg gewählt hast, wird der Eindruck erweckt, dieses Bild spiele eine zentrale Rolle, und das tut es ja auch, jedenfalls im übertragenen Sinn. Vllt könntest du es in Johanssons Gedanken am Schluss der Geschichte erneut unterbringen und weiterführen. So würdest du einen Bogen spannen.
Zum Schluss: das Bild ist schon stark. Wie er den Fotorahmen ausknipst, weil er das Antlitz der Vergangenheit nicht mehr erträgt. Nur muss der Leser halt kapieren, dass die Bilder vor der Körperumwandlung aufgenommen wurden. Du deutest das ja mit
Proto-Erik und Proto-Esther
an. Aber ob das für jeden Leser verständlich genug ist?


So etwas sah man nicht mehr allzu oft.
Johansson kannte diese Bilder, schrecklicher Kitsch, den sich nur noch wenige Menschen freiwillig an die Wand hängten.
An diesen Stellen ist es mir zu beliebig. So etwas sah man ... besser wäre doch: Johansson hatte so etwas schon lange nicht mehr gesehen. Wenn es geht, immer bei der Person bleiben.
Auch hier: wenige Menschen. So? Wer sind diese Menschen? Vllt das Sinus-Milieu der Hyper-Etablierten?
„Kein Eisberg?“ Johansson lachte. „Nein, Esther. Kein Eisberg.“
Diese Anspielung gefällt mir gut. Dafür lohnt es sich, den Anfang noch mal zu lesen.
Johansson nickte, drückte die Hand seiner Frau ein letztes Mal und gab ihr einen Kuss
Ich hätte schwören können, dass seine Frau jetzt stirbt. Dass es dann ganz anders kommt, hat mich natürlich überrascht, und das ist gut.

Das Einführung von Veit, als er genervt die Bleachingstreifen ausspuckt, das hat bei mir wunderbar geklappt. Da dachte ich an Al Pacino in "Im Auftrag des Teufels" oder an Michael Douglas als Gordon Gekko. Leider wird das Bild schnell zerstört. Viel zu geschwätzig, um irgendwie professionell zu wirken. Einerseits abschätzig und überheblich in Gedanken, aber überdreht in der Ausführung.

„Darf ich Ihnen vorher noch irgendetwas zu trinken anbieten? Kaffee vielleicht? Echte Bohnen, echte Sojamilch - bei uns bekommen Sie keine Synthetik in die Tasse gegossen. Für unsere Kunden nur das Beste, versteht sich.“

Viel Spaß noch beim Schreiben, Lesen, Kommentieren, wünscht

Hacke

 

Hallo Knoboter,
mit kleinen Änderungen im letzten Absatz könnte ich die Geschichte auch so interpretieren, dass gar keine Seelenwanderung und Gehirninformationstransfer stattgefunden hätten, sondern lediglich ein Transfer der Konten und der Immobilien der Familie Johannson auf die JIVA Group. Die JIVA Group wäre eine Zockerbande, die reichen Alten ein gesundes Leben in einem jungen Körper verspräche und sie dann tötete. So gefiele mir das besser, weil das Thema „Leben in einem anderen Körper“ in der Science Fiction Literatur schon so abgedroschen ist. Gut geschrieben ist Deine Geschichte ansonsten und Veit hat ein angemessenes Auftreten als Verkäufer.

Seine Frau fiel ihm ins Wort: „Wie können Sie uns garantieren, dass wir dabei nicht sterben?!“
Das brachte mich auf diesen Gedanken.
Viele Grüsse
Fugu

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedrichard,

und wieder vielen Dank für dein umfassendes und dazu erneut sehr zum Weiterdenken anregendes Feedback. Die Fehler werde ich nachher ausbessern, danke fürs Lesen!


Hallo Hacke,

Unterlasse dies bitte in Zukunft. Du kannst das gern an deinen letzten Kommentar an Novak anfügen, aber nicht in einen separaten Post setzen. Normalerweise werden solche Dumping-Versuche gleich gelöscht. Stell dir vor, jeder würde es so machen, um seine Geschichte nicht absinken zu lassen. Oft kommen noch Rückmeldungen, auch wenn sich die Geschichte schon auf Seite zwei oder drei befindet. Nur Geduld. Und so ausführlich wie sich Novak geäußert hat, wäre ich damit auch schon glücklich.

Tut mir leid. Ich hab in dem Moment nicht drüber nachgedacht, aber du hast Recht. Im Nachhinein ist so ein erzwungenes "hochpushen" der eigenen Geschichte wohl ziemlich störend. Und glücklich über Novaks Kommentar bin ich natürlich sowieso, der war ja wirklich sehr ausführlich und konstruktiv. Das wird nicht wieder vorkommen, versprochen. Nach dieser kleinen Dreistigkeit aber ein umso größeres Danke dafür, dass du meinen Text trotzdem gelesen und kommentiert hast.

Bei Proto-Erik und -Esther könntest du Recht haben, bei Novak hat es ja auch nicht die Wirkung erzielt, die ich erhofft hatte. Ich werde das wohl noch etwas konkreter gestalten.
Auch danke für die erneuten Anregungen zum Bild - ich würde es wirklich gerne in der Geschichte behalten, aber deine Ideen in Kombination mit Novaks Anmerkungen kann ich mir sehr gut vorstellen.

Veit habe ich mir halt als Schwätzer ausgemalt, wollte ein bischen den Typus "Gebrauchtwagenverkäufer" bedienen, daher auch die Geschwätzigkeit.

Vielen Dank fürs Lesen.

Hallo Fugu,
Danke auch für deine Rückmeldung. Das wäre natürlich ebenfalls ein interessanter Twist, würde das Ganze wohl auch sehr perfide machen. Ich wollte abgedroschene Sci-Fi-Themen eigentlich eher vermeiden, das ist mir dann wohl nicht so ganz gelungen. Freut mich aber, dass es trotzdem gefallen hat.


Gruß in die Runde,
Knoboter

 

Hallo Knoboter,

Das ist ein schönes Beispiel dafür, dass es nicht unbedingt Innovationen sind, die eine gute Geschichte ausmachen. Also die Idee, das Bewusstsein als Todesprävention in einen neuen Körper zu übertragen, ist ja ein viel beackertes Feld in der Science Fiction.
Aber du hast daraus eine sehr angenehm zu lesende Geschichte gemacht, die sich damit in sehr kleinem Rahmen und ohne plakative Botschaften auseinandersetzt. Und obwohl man eigentlich sehr wenig über diese zukünftige Gesellschaft als Ganzes erfährt und sie nur aus der Sicht von sehr wenigen Personen sieht, ohne "globale" Perspektive sozusagen, bekommt man ein ziemlich ungutes Gefühl bei der Sache.

Die Figuren wirken auf mich sehr glaubwürdig, ich konnte mir sowohl die beiden alten Kunden als auch den Verkäufer sehr gut vorstellen, und ich habe viel Mitgefühl für die Johanssons entwickelt. Das ist eine große Stärke, wenn ich die Figuren gut finde, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich eine Geschichte zuende lese, immer am größten. :)

Meine Kritikpunkte sind zum großen Teil in den bisherigen Kommentaren schon angesprochen worden, aber ich mache trotzdem mal eine Liste mit den Dingen, die mir aufgefallen sind.

Johansson starrte auf das Bild. Altmodisch und regungslos hing es vor ihm an der leicht lumineszierenden Wand, Tinte auf Papier, schwarzweiß, in Holz gerahmt. So etwas sah man nicht mehr allzu oft. Auch das Motiv war ganz und gar unmodern, von der fehlenden Animation mal abgesehen: Es zeigte einen Fluss, der sich seinen stetig gehöhlten Weg durch einen Felsen bahnte. Johansson kannte diese Bilder, schrecklicher Kitsch, den sich nur noch wenige Menschen freiwillig an die Wand hängten. Und darunter, selbstverständlich, ein banaler Sinnspruch.
Ich finde deine Überlegung zu dem Bild mit dem Sanskrit-Spruch und dem Bezug zum Thema der Geschichte zwar ganz clever, aber trotzdem ist der Einstieg meiner Meinung nach aus mehreren Gründen nicht optimal.
Der Anfang ist sehr wichtig für eine Geschichte, da entscheidet sich, ob der Leser dabei bleibt oder wegklickt. Deshalb sind "effektvolle" Anfäng aus rein strategischer Sicht eine gute Idee. Dein Anfang ist halt relativ statisch, da betrachtet ein Mann ein Bild und überlegt, was es bedeuten könnte - wenn der Leser jetzt nicht gerade ein großer Kunstliebhaber ist, ist das nicht unbedingt eine Szene, wo viel Spannung aufkommt und wo man sofort wissen will, wie es weitergeht. Ich würde fast sagen, das ist der schwächste Teil deiner Geschichte. Es wird danach schnell besser, aber ungeduldige Leser hast du womöglich schon verloren.
Außerdem fand ich es im Nachhinein seltsam, dass Johannson da seelenruhig das Bild an der Wand studiert, anstatt mit seiner Frau zu sprechen, die ja ziemlich nervös ist und seinen Zuspruch sicher gut gebrauchen könnte.

Also wenn ich dir einen Vorschlag machen darf - ich würde hier anfangen:

„Wenn Sie dann fertig mit Smalltalk sind, könnten Sie sich gerne darum kümmern, dass es hier ein bisschen schneller voran geht.“
Es ist eigentlich unwichtig, worum es bei dem Smalltalk gegangen ist. Diese Szene - die nackte alte Frau, die versucht, ihre Angst mit Schroffheit zu überspielen, das ist doch viel viel stärker als die Bilderdiskussion mit der Krankenschwester.

Esther schloss die Augen. Sie zitterte. „Kein Eisberg?“ Johansson lachte. „Nein, Esther. Kein Eisberg.“
Bei den Dialogen würde ich immer einen Absatz machen, wenn der Sprecher wechselt. Das erleichtert die Orientierung beim Lesen sehr.

Er lachte schallend über seinen eigenen Witz, bis er merkte, dass er der Einzige war, den dieser zu amüsieren schien
die Formulierung fand ich etwas mühsam zu lesen, ich würde sagen "dass er der Einzige war, der sich zu amüsieren schien".

„Also.“, eröffnete Veit feierlich:
Der Punkt in wörtlicher Rede fällt weg, wenn der Satz danach weiter geht. (http://www.wörtlicherede.de)
Das ist glaube ich noch ein paar Mal im Text.

und eine hundertprozentige Garantie über den Erfolg des Prozesses kann Ihnen niemand garantieren,
Das lässt sich noch verschönern :)

Johansson hatte sich noch einmal erkundigt, wer der Mann gewesen war, der ihm nun seinen Körper zur Verfügung stellte. Herkunftsland Afghanistan, Vorname Nassim. Mehr hatte man ihm nicht sagen können. Aber ganz genau wollte Erik Johansson es auch nicht wissen.
Das fand ich sehr gut. Das stößt viele Denkprozesse an, ohne dass die Geschichte selbst sich auf irgendwelche Diskussionen einlässt. Ist auch sehr glaubwürdig, dass der Protagonist an der Stelle nicht weiter nachdenken möchte. Es will ja auch heute kaum einer wissen, wo sein Steak oder sein T-Shirt herkommen.
Es ist natürlich ein Problem, wenn man junge Körper benötigt, um das Bewusstsein alternder oder kranker Menschen zu transferieren. Die fallen ja nicht einfach so an, und die werden in den wenigsten Fällen freiwillig "gespendet" werden. Und wie die Lösungen für dieses Problem aussehen könnten ... da kommen einem schnell ein Haufen gruseliger Ideen, ohne dass die Geschichte sich direkt damit auseinandersetzt. :thumbsup:

Darauf ein leicht dicklicher, kleiner Mann und eine wunderschöne Frau, Proto-Erik und Proto-Esther.
Das "Proto" hat mich gestört. Da kommen bei mir lauter so Assoziationen wie Prototyp und Protoplasma ... es steckt immer irgendwie die Idee von etwas Unfertigem, noch nicht fertig entwickeltem drin. Und die beiden haben ja ein langes Leben geführt, was ihnen im Moment noch als das vertraute, normale Leben erscheinen muss. Sie müssen in das Leben in den neuen Körpern erst mal reinwachsen. Also auf das neue Dasein würde es schon eher passen, wenn man sagt, dass es noch in einer Proto-Phase ist. Ich würde glaube ich einfach "der alte Erik und die alte Esther" schreiben - das trifft es in mehr als einer Hinsicht.

Grüße von Perdita

 

Hallo Knoboter ,
Ich habe Deine Geschichte sehr gerne gelesen und fand auch den perfiden Gedanken der Aufteilung in Käufer und Ware reizvoll. Aber am Ende hat mir dann doch etwas gefehlt, eine irgendwie besonders bösartige Wendung. Insgeheim habe ich darauf gewartet, geradezu gehofft, dass Esther im Körper der Krankenschwester auf ihren Mann wartet ;)
Anfangs hatte ich es übrigens so verstanden, dass Nassim wohl ein Unfallopfer war. Vielleicht ist hier etwas mehr Klarheit möglich?
Lieben Gruß
Chricken

 

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