Was ist neu

Paradies in Gefahr

Mitglied
Beitritt
28.12.2014
Beiträge
177

Paradies in Gefahr

Auf irgendetwas ist er gestoßen! Metallisches Klirren und spritzendes Erdreich signalisieren einen harten Gegenstand in der weichen Gartenerde.
"Oh nein, nicht schon wieder ein Stein. Die sind hier wohl zu Tausenden im Boden. Hätte ich den Acker doch woanders angelegt!"

Eberhard flucht und treibt den Spaten mit einem wuchtigem Tritt erneut ins Erdreich. Mit dem gleichen Ergebnis: Spritzende Erde, metallisches Klirren. Schweißperlen glänzen im Strahl der hochstehenden Sonne auf seiner Stirn. Sein Rücken schmerzt und es dauert endlose Sekunden, bis er sich aufgerichtet hat. Eberhard überlegt. Soll er eine Pause einlegen? Sich von der Tätigkeit der letzten beiden Stunden erholen? Sich auf den Liegestuhl legen, bei einem kühlen Bier aus der Kühltasche die Ruhe des Gartens genießen? Unbeweglich steht er da, aufgestützt auf den Spaten, der noch im Boden steckt. Zwanzig Quadratmeter des Kartoffelbeetes, das er dieses Jahr an einer anderen Stelle des Grundstücks anlegen will, um einen höheren Ertrag zu erzielen, hat er bereits umgegraben. Je näher er der Stelle kommt, an der sich die felsigen Seitenwände des engen Tales steil erheben und die Fruchtbarkeit der Fläche einem kargen Bewuchs an den Felswänden weicht, desto steiniger wird der Boden und desto mehr wird die Tätigkeit zu einer Qual. Die Verlockung des kühlenden Getränks wird übermächtig und er schleicht gebückt und schweren Schrittes zu der Gartenlaube. Ermattet läßt er sich auf die laubgrün gestrichene Gartenbank fallen, nimmt einen ersten, tiefen Schluck aus der Flasche, seufzt voller Wohlbehagen. Sein Blick wandert über sein Refugium, auf das er so stolz ist.

Er hat sich eine Woche Urlaub genommen, um die Frühjahrsarbeiten zu erledigen, die immer am Anfang einer Gartensaison anstehen. Das erste Mal den Garten inspizieren, die Winterschäden an Zaun und Hütte beseitigen und die Töpfe rausstellen, die Anna in den kommenden Wochen bepflanzen wird und an deren Blütenpracht sie sich nicht satt sehen konnten.
Unvermittelt kommt ihm seine Arbeit in den Sinn und er verspürt Schwermut in seinem Herzen. Wenn er doch schon im Ruhestand wäre, dann könnte er von Anfang April bis Ende Oktober in seinem Garten sein, dort übernachten und nicht nur den Tag in ihm verbringen. Er hasst seine Arbeit in dem klimatisierten Büro, die er seit über dreißig Jahren Tag für Tag versehen muss. Oft, wenn er sich mit wiederkehrenden, monotonen Vorgängen beschäftigt, schweifen seine Gedanken ab und er sehnt sich nach seinem Paradies, das er sich hier, wenige Kilometer von der Stadt entfernt, in dem ruhigen, abgelegenen Tal geschaffen hat. Sein ganz persönliches Refugium, ein Ort, an den er sein Herz verloren hatte. Immer wenn er sein Reich betritt, spürt er, wie er sich zu einem Natur liebenden Menschen verwandelt, der mit der ihm eigenen Gewissenhaftigkeit seinem geliebten Hobby nachgeht: Er baut Gemüse an, zieht eigene Blumen, pflegt Rasen, Beete und kümmert sich um Teich und Fische. Er liebt die traditionelle Arbeitsweise: Handarbeit - mühsam, schweißtreibend, aber naturnah. Von motorgetriebenen Hilfsmitteln will er nichts wissen. Strom für das Licht liefern Sonnenkollektoren auf dem Dach des kleinen, bunten Gartenhäuschens, Wasser entnimmt er dem ruhig fließenden Bach, der sich in einer sanften Linie durch sein Grundstück schlängelt.

Er schüttet die letzten Tropfen Bier aus der Flasche, stellt sie an den Rand der Bank, rückt nach dem Aufstehen seine Latzhose zurecht und schlürft gemächlichen Schrittes auf den Spaten zu, der immer noch in der Erde steckt. Behutsam schaufelt er eine Fläche von einem halben Quadratmeter frei, unter dem sich in gut dreißig Zentimeter Tiefe irgendetwas zu befinden scheint, das er im Stehen nicht erkennen kann. Ächtzend läßt er sich auf die Knie nieder. Seine Gelenke knacken. Er schaufelt einige Erdbrocken mit der Hand aus dem rechteckigen Loch, die er seitlich neben sich lagert. Vor sich erblickt er etwas, das er noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Eine mattgold glänzende, zwei oder drei Zentimeter breite Ader zieht sich waagrecht durch die unter dem Ackerboden liegende Gesteinsschicht. Hektisch wühlt er mit beiden Händen im Erdreich und bekommt einen walnussgroßen Gegenstand zu fassen. Vorsichtig öffnet er seine Hand; der Schein der Sonne spiegelt sich in dem Fundstück. Für einen kurzen Moment gerät sein Herz aus dem Takt. Er fühlt, wie Schwindel ihn erfasste. Gold! Ein 'Nugget', durchfährt es ihn. Er erinnert sich an einen Westernfilm, den er vor Jahren sah. An eine Szene, in der ein zerlumpter Goldschürfer die Echtheit eines Goldstücks mit einem Biss überprüfte. So muss es gehen! Eberhard nimmt den Gegenstand zwischen seine Zähne, beißt vorsichtig zu.
"Das ist Gold, ich bin reich!" Die Worte schießen aus seinem Mund, lauter als er wollte.
Verstohlen blickt er in alle Richtungen.
"Hat mich jemand gesehen? Nein!"
Er läßt den Goldklumpen in seine Hosentasche gleiten, überdeckt das Loch mit etwas Erde und macht sich auf, so schnell es nur gehen würde, nach Hause zu fahren. "Das muss ich meiner Frau zeigen!" keucht er atemlos und läuft zu seinem Auto. Mit zitternder Hand öffnet er die Fahrertür und startet den Motor.

Die Fahrt nach Hause kommt ihm endlos vor. Eberhard hat Schwierigkeiten, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Seine Gedanken drehen sich um den Goldklumpen in seiner Tasche.
„Wo ein Goldklumpen ist, da ist auch eine Goldader, im Garten am Fuß des Berghangs vor Millionen von Jahren entstanden, heute von mir entdeckt! Nie wieder finanzielle Engpässe! Ich kann mir alles leisten! Wir sind reich, gemachte Leute!“

Während die Gegend an ihm vorbeirauscht, beginnen trübe Gedanken sich in seinem Kopf fest zu setzen, die seine heitere Stimmung verdunkeln. Er kann sie nicht verscheuchen, so sehr er sich auch bemüht. „Was wird geschehen, wenn Leute von dem Goldfund Wind bekommen? Was wird mit unserem schönen Garten passieren, mit all den Pflanzen und Blumen, dem Gemüse, den Weinreben, dem Teich mit den Goldfischen? Unser Naturparadies, das wir uns in jahrelanger Arbeit liebevoll geschaffen haben?"
Wie Dämonen tauchen sie mit einem Mal aus dem Nebel seiner trüben Gedanken auf: Grimmig blickende Goldsucher, bewaffnet mit Hacke, Schaufel, Waschsieb und sonstigen Gerätschaften. Oder - schlimmer noch - professionelle Unternehmen, die mit schwerem Gerät, Baggern, Bohrhämmern und unter Einsatz von Sprengladungen an den Abbau der Goldader gehen. Er würde erleben, wie die mit Liebe zum Detail erschaffene Idylle in einem Inferno aus Geröll, Schlamm, Dreck und Staub versinkt. Sie werden ihm das Grundstück abnehmen, enteignen und ihn mit einem lächerlich geringen Entschädigungsbetrag abfinden.
Eberhard bremst sein Auto ab, fährt an den Fahrbahnrand, kalter Schweiß läuft über sein Gesicht und verfing sich in seinem weißen Bart. Er zittert am ganzen Körper.

Hatte er nicht kürzlich von einem Goldfund gelesen, den ein Bauer irgendwo in Deutschland gemacht hatte? Musste der Bauer nicht zwangsweise sein Land für wenige Euros je Quadratmeter hergeben, damit eine Gesellschaft das Gold im staatlichen Auftrag, angeblich zum Gemeinwohl, abbauen konnte? So ähnlich war es doch gewesen!
"Nein, das darf nicht sein! Ausgerechnet jetzt, wo der Quittenbaum viele zarte Blütenknospen trägt, das wird einen leckeren Gelee im Herbst geben! Wo ich besonders viele Feuerbohnen gesetzt habe, aus denen Anna ihren legendären Eintopf machen wird, der so unvergleichlich gut schmeckt! Der an kalten Wintertagen so herrlich wärmt. Die Weinreben werden bestimmt wie letztes Jahr viele Trauben tragen! Mein Wein, vielleicht wird er besser als im letzten Jahr! Meine Marke, 'Eberhards Goldrebe', ha, jetzt ist es sogar ein symbolischer Name."
Eberhard lacht laut auf, besinnt sich dann aber, dass er am Rand der Fahrbahn in seinem Auto sitzt und vielleicht von vorbeifahrenden Autofahrern beobachtet wird. Tiefe Furchen malen sich auf seiner Stirn ab, als er in den Rückspiegel blickt. Hat ihn jemand gesehen?

*

Als er die Tür im dritten Stockwerk des Miethauses öffnet, bemerkt er einen vertrauten, lieb gewordenen Geruch, der die Dreizimmerwohnung durchzieht.
„Ah, mein Schatz, da bist Du ja! Gut! Das Essen ist gleich fertig, setz´ Dich schon mal hin“ ruft ihm Anna aus der Küche zu. Wenig später kommt sie ins Esszimmer, in der Hand einen großen, tiefen Teller, aus dem sich heißer Dampf zur Zimmerdecke kräuselt.
„Lass es Dir schmecken. Feuerbohneneintopf, so wie Du ihn am liebsten magst: Heiß, sämig und mit Kräutern aus dem Garten gewürzt. Kraftfutter nach der schweren Arbeit! Leider sind es die letzten beiden Teller der Vorjahresernte.“
„Was, haben wir schon alles gegessen?“ fragt Eberhard und schaut seine Frau erstaunt an.
„Ja, aber im Herbst gibt es hoffentlich wieder Nachschub. Gott sei Dank, dass wir den Garten haben, ein Geschenk Gottes, oder, Eberhard? Jetzt lass es Dir aber mal schmecken. Guten Appetit mein Schatz!“
Gedankenverloren löffelt er den Feuerbohneneintopf in sich hinein. Wärme breitet sich in seinem Bauch aus. Er verspürt die Kraft der Bohnen in allen Fasern seines Körpers. "So gut kann nur Anna kochen, so gut schmecken nur die Feuerbohnen aus dem eigenen Garten," murmelt er.
Verstohlen blickt er sich um. Anna ist nicht da. Er nimmt den Goldklumpen aus seiner Hosentasche, betrachtet ihn eingehend von allen Seiten.
"Naja, für Notfälle kann er uns noch sehr nützlich sein, man kann ja nie wissen, was passiert. Jetzt aber brauche ich das verdammte Ding noch nicht und werde ihn hoffentlich nie brauchen", flüstert er vor sich hin. In Gedanken sieht er sich auf der Bank vor seinem Gartenhäuschen sitzen, denkt daran, was er als Nächstes im Garten erledigen muß.
Genüsslich leckt er sich mit der Zunge über die Lippen, um auch noch den allerletzten Rest des Eintopfes zu genießen, bevor er den Teller in die Küche bringt.
"Morgen gehe ich wieder in den Garten, Anna. Es gibt noch viel zu tun. Sehr viel Arbeit, aber jeder Tag ist immer wieder gut für neue Überraschungen. Was kann es Schöneres geben als unser Paradies!?

 

Lieber Freegrazer,

Deine Geschichte hat mich berührt. Beim Nachtessen habe ich sie gleich meinem Mann erzählt.
Gleich zu Beginn dachte ich an einen Goldfund, war dann aber überrascht, dass der Mann am Schluss die Prioritäten anders setzte. In einer Welt, wo Geld und Macht die Oberhand haben, ist es erfrischend zu lesen, dass dem Mann in der Geschichte andere Werte wichtiger sind, obwohl er das Geld sicher gut gebrauchen konnte.
Der Quittenbaum mit den vielen Blüten und dem Quittengelee im Herbst und der Feuerbohneneintopf, der seinen Bauch erwärmt und ihm Kraft gibt und den nur seine liebe Anna so gut kochen kann, haben mein Herz erfreut.
Vielen Dank für das Lese-Erlebnis.
Marai

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus Freegrazer,

ich finde es immer ganz angenehm - sowohl für den jeweiligen Autor als auch für mich, den Kritiker -, wenn unter einer Geschichte, die mich nicht überzeugen konnte, schon ein lobender Kommentar steht, da fällt es mir nicht ganz so schwer, mich negativ zu äußern.
Na ja, jetzt hab ich eh schon die Katze aus dem Sack gelassen: Überwältigt hat mich diese Geschichte nicht gerade. Sprachlich gibt es daran, abgesehen von dem einen und dem anderen Tempusfehler, im Grunde nichts auszusetzen. (Form follows function, würde ich den Stil mal nennen, also dem Sujet angemessen.) Aber sowohl die Thematik als auch die Figur des Eberhard wirkten mir einfach viel zu betulich, zu brav, zu bieder. War also nicht unbedingt das, was ich mir unter einem außergewöhnlichen Leseerlebnis vorstelle. Und auch die Moral, die vermittelt wird, ist mir einfach zu unoriginell, ja, beinahe binsenmäßig: Geld ist nicht alles. Na ja.
Also dass man die wahre Glückseligkeit viel eher durch die anscheinend kleinen Freuden des Lebens erlangt als durch schnöden Mammon, ist ja nun alles andere als eine überraschende Erkenntnis. Insofern taugt die Geschichte natürlich als Bestätigungsliteratur wider alle Arten unrealistischer Tagträumereien, als Hohelied sozusagen auf das spießige Kleinbürgertum, quasi als Gleichnis dafür, dass es allemal besser ist, wenn der kleine Mann ein kleiner Mann bleibt und nicht nach den Sternen strebt. Aber mich holst du damit nicht hinter dem Ofen hervor. Schon gar nicht mit so einer Figur wie dem Eberhard. Wie soll mich ein Mann berühren können, der offenbar Jahrzehnte einen Job verrichtet, der ihm auf die Eier geht? Und der offenbar nicht Manns genug ist, daran irgendwas zu ändern? Dessen Lebenstraum anscheinend das Rentnerdasein ist?
Wenn es deine Erzählabsicht war, mir den Protagonisten als einen am Leben gescheiterten Kleingärtner darzustellen, dem ich einfach kein Mitgefühl entgegenbringen kann und soll, ist dir das auf jeden Fall gelungen. Weil mit viel mehr als einem Gefühl nachsichtiger Verachtung für diesen Spießer Eberhard bin ich aus dieser Geschichte nicht rausgegangen.

Nicht wirklich gelungen fand ich auch, wie du Informationen in Form direkter Rede des Prot an den Leser zu bringen versuchst:

"Oh nein, nicht schon wieder ein Stein. Die sind hier wohl zu Tausenden im Boden. Hätte ich den Acker doch woanders angelegt!"

"Das muss ich meiner Frau zeigen!" keucht er atemlos und läuft zu seinem Auto.

usw.


Redet der wirklich mit sich selbst? Nennt der für sich seine Frau wirklich „meine Frau“?

Deine Debütgeschichte traf sowohl stilistisch als auch vom Thema her weit eher meinen Geschmack. Nun ja, Geschmackssache eben.

offshore

 

Hola Freegrazer,

Santo cielo! Der Eberhard und die Anna!
Die sind in meinem Kopf so einsortiert wie der Ronny und die Geneviève, oder Torben und Neele.
Sakrament! Wie ich Klischees hasse!
Leider kann ich mich nicht von ihnen befreien. Tröstlich für mich: Du wohl auch nicht. Und so läuft die Geschichte von Anna und Eberhard erwartungsgemäß brav ab. Huh, wie brav.

Aber wie immer gut geschrieben, gut formuliert. Es liest sich wie geschmiert, da ist nicht dran zu tippen. Und ein goldiges Herz hast Du auch hineingearbeitet. (Mir scheint, die Braven sterben langsam aus.)

Für einen Moment hängen geblieben bin ich hier:
... er beschließt, sich auf den Liegestuhl zu legen und läßt (lässt) sich dann auf die Gartenbank fallen.
Verrutschte Zeit:
...kalter Schweiß läuft... und verfing sich...
Er fühlt, wie Schwindel ihn erfasste...
Mietshaus und waagerecht
Alles Kleinkram.

Hier fehlt’s mir an Verständnis:
Er will von motorgetriebenen Hilfsmitteln nichts wissen, denn... Handarbeit ist...naturnah.
Wenn er’s aber maschinell betreiben würde, wäre es am selben Ort doch auch naturnah?

Ich nörgle nur ungern, wir haben doch ein ganz nettes Kommentarverhältnis. Doch bin ich nach Deiner Mt. Everest-Story etwas irritiert: Das Gartenhäuschen ist klein und bunt (schön). Der Bach fließt ruhig (schön)...schlängelt sich (auch schön) in einer sanften Linie (schön)... Da wäre doch eine selbst gebaute Zisterne etwas origineller?

‚Tiefe Furchen malen sich auf seiner Stirn ab...’. Diese Formulierung habe ich noch nie gehört, aber sei’s drum.

Ich stelle mich schon mal breitbeinig mit dem Rücken zur Wand, um Deiner Kritik an meiner nächsten Geschichte standhalten zu können.
Joséfelipe,
der Dich herzlich grüßt.

PS: So ein Goldfund ist ja ein echter Hammer. Menschenskind, wenn man mal überlegt, was das bedeutet! Aber eine goldene Walnuss in der Hand ist besser als eine ganze Goldader in der Erde (sagt Eberhard). Ich verstehe diese Leute, denn eine Kreuzfahrt, geschweige denn eine Weltreise, ist doch – nach allem, was man so hört – ziemlich riskant.
Ich würde auch einen Platz auf der laubgrünen Gartenbank präferieren.

 

„Ja, aber im Herbst gibt es hoffentlich wieder Nachschub. Gott sei Dank, dass wir den Garten haben, ein Geschenk Gottes, oder, Eberhard? Jetzt lass es Dir aber mal schmecken. Guten Appetit mein Schatz!“

Jetzt auch noch der!,

lieber Freegrazer,
und genau der denkt als erstes: Werbung!

Warum? Am deutlichsten wird’s im Eingangszitat, wenn selbst das vertraute „du“ zur Höflichkeitsform erstarrt. Nun geht es nicht um ein gepflegtes Gespräch über Wasch- oder Spülmittel, sondern ums warme Heim und die eigene, heimisch-kleine Scholle, in der Garten- und Handarbeit den Ausgleich zur wenig geliebten Erwerbstätigkeit bietet und neben der Erholung das Dreigestirn Blumen, Gemüse, Obst zum Eigenbedarf beisteuert.

Das ist nicht Thoreaus Walden, sondern das Glück des kleinen Mannes nebst seines Pendants, das züchtig wirket im Haushalt. Potentiell Leute, die Anfang vergangenen Jahres aus ihrer Kirche austraten, als die Finanzdienstleister ihnen formal etwas anderes offenlegten, was immer schon galt: Das die Kirchensteuer bei Zinseinkommen berücksichtigt werde. Bei solchen naiven Menschen schlägt dann das Gebot, Eigentum verpflichte, wie eine Bombe ein: Man wird uns unseren Garten nehmen (Schluss mit dem Goldrausch!) und uns so aus dem, eben „unserem“ Paradies oder –das vertreiben.

Das ist die verschwiegene Spannung darin, die Angst, der Staat könne sich beim kleinen Mann holen, was er sich bei den oberen Zehntausend nicht traut, weil es angeblich Arbeitsplätze gefährde und alles andere, als der Kleinsteigentümer, eben systemrelevant sei.

Insofern ist die Geschichte sogar authentisch und manierlich, ohne Aufreger erzählt. Denn die eigentliche Spannung liegt ja in der potentiellen Ausbeutung der „short people“, von denen Randy Newman schon singt …

Natürlich, nach den vorhergehenden Geschichten, hab ich allein schon durch den Namen (Eberhard = ahd. ebur/Eber, hart/stark, kühn) Rebellion erwartet. Aber die findet verborgen in der Rechtschreibung statt, wenn gelegentlich alte gegen neue antritt:

Ermattet läßt er sich … // Ächtzend läßt er sich auf die Knie nieder … // „Lass es Dir schmecken. // … was er als Nächstes im Garten erledigen muß.

Gelegentlich sind Kommas nachzutragen
"Das muss ich meiner Frau zeigen!"[,] keucht er atemlos …
„Was, haben wir schon alles gegessen?“[,] fragt Eberhard

Hier ist es – zugebenermaßen – schwierige, als nach der wörtl. Rede festzustellen
Immer[,] wenn er sein Reich betritt, spürt er, wie er sich zu einem Natur liebenden Menschen verwandelt, …
Was durch einfaches Möbelrücken offensichtlich wird
[W]enn er sein Reich betritt, spürt er [immer], wie er sich …
Und eine Flüchtigkeit
"So gut kann nur Anna kochen, so gut schmecken nur die Feuerbohnen aus dem eigenen Garten[…] "[,] murmelt er.

Gruß

Friedel,
der sie dennoch nicht "ungern" gelesen hat, denn - wie schon zuvor behauptet - das ist nackter Realismus (wobei sicherlich auch schon mal ein Fluch, vulgärer Ausdruck oder Ähnliches noch dazu gehörte)!

 

Marai,

danke für deinen Zuspruch zu deiner Geschichte. Es hat mich gefreut, dass es Leser gibt, die Spaß an einer nicht hintergründigen, geradeaus erzählten KG haben. Danke!
ernst offshore,
tja, was soll ich sagen zu einem solchen Satz:

Wenn es deine Erzählabsicht war, mir den Protagonisten als einen am Leben gescheiterten Kleingärtner darzustellen, dem ich einfach kein Mitgefühl entgegenbringen kann und soll, ist dir das auf jeden Fall gelungen. Weil mit viel mehr als einem Gefühl nachsichtiger Verachtung für diesen Spießer Eberhard bin ich aus dieser Geschichte nicht rausgegangen.

Hmm, ja doch, in manchen meiner Geschichten kommen sie vor, diese Langeweiler, die in ihrer Monotonie erdrückend sind.
Ich fand es mal eine gute Idee, merke aber an Kommentaren wie deinem -und das meine ich jetzt wirklich nicht böse- dass dies offensichtlich nur bei einem verschwindend kleinen Teil von Lesern ankommt. Verstanden, daraus sollte ich lernen.

Nicht wirklich gelungen fand ich auch, wie du Informationen in Form direkter Rede des Prot an den Leser zu bringen versuchst:
Redet der wirklich mit sich selbst? Nennt der für sich seine Frau wirklich „meine Frau“?
Danke, ja, das hatte ich selbst beim fünfhundertsten Lesen überlesen. Gut, dass ich hier darauf hingewiesen werde!

 

josefelipe, immer wieder schön, deine Kritiken zu lesen. Frisch und humorvoll, da schmerzt es weniger, wenn es in der Sache hart zugeht.
Schön deine Einladung zum Gegenschlag :) Ich werde mich nicht lumpen lassen und gleich mal das Forum nach einer neuen, wahrscheinlich wie immer netten Geschichte von dir, umgraben.

Dieses Mal habe ich es gut überstanden, deine Kritik war berechtigt und mir dünkt, tja, der Eberhard, mein Lieblingslangeweiler, ist mir in der Tat zu zahnlos :D geraten. Ich werde es mir merken. ;)

Friedrichard,
sollte es einen Namen geben, bei dem ich mein Blutdruckgerät reaktivieren möchte, dann ist es deiner. Gnadenlosigkeit im Aufdecken orthografischer Fehler, Lufthoheit über alte und neue Rechtschreibung hat einen Namen: Friedel. :) Danke dafür, aber ob ich es je begreife? :shy:

Doch, gefallen hat mir das:

Natürlich, nach den vorhergehenden Geschichten, hab ich allein schon durch den Namen (Eberhard = ahd. ebur/Eber, hart/stark, kühn) Rebellion erwartet. (...)

Cool! Hatte ich nicht bemerkt, die Namensgebung war rein zufällig, schön, solche Bemerkungen zu lesen: Du hast es drauf!

Fazit: Meine nächste Geschichte wird wieder mehr back to the roots sein. Der Held der kommenden Geschichte "Himmel und Äd" wird Eckart heißen, mal gucken ob ich das so lassen kann. :(

 

Du hast es drauf!
Weiß ich doch!
Fazit: Meine nächste Geschichte wird wieder mehr back to the roots sein. Der Held der kommenden Geschichte "Himmel und Äd"
Bizze ne köllsche Jung?
wird Eckart heißen, mal gucken ob ich das so lassen kann.

Nur zur Information: Eckaharti - ob der treue oder verschlafene, Jacke wie Hose,ahd.: ekka = die Spitze/Schneide, harti = s. o., ums vorweg zu deuten,

lieber Freegrazer.

Schönen Restsonntag vom

Friedel

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom