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Die alte Dame

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26.01.2015
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Die alte Dame

Sie hasste es, mit der U-Bahn zu fahren. Die vielen Leute, das Gedränge und der Lärm lösten schon immer ein Gefühl des Unbehagens in ihr aus. Blickkontakt vermied die alte Dame so gut es ging, weshalb sie stets eine Zeitung in ihrer Tasche mit sich trug, in welcher sie - meistens eher desinteressiert - zu lesen versuchte, sobald sie einen Sitzplatz gefunden hatte.
Kaum niedergesetzt, bereute sie es schon wieder. Als der Gestank von Fast Food in ihre Nase drang und der Gegenüber auch noch lautstark zu telefonieren begann, wäre sie am liebsten sofort ausgestiegen.
„Früher war alles besser...“, dachte sich die in die Jahre gekommene Frau, schlug die Zeitung auf und überflog die Überschriften der Chronikartikeln. "Pensionist nach Raubüberfall tot in Wohnung aufgefunden - ... und vorallem sicherer" murmelte sie leise, als sie plötzlich an ihren, durch Lungenkrebs, verstorbenen Ehemann denken musste.

"Karlsplatz - umsteigen zu den Linien U1 und U2"

Von der Durchsage aus den Gedanken gerissen, stellte sie ärgerlich fest, eine Station zu weit gefahren zu sein. Hastig aufgestanden, drückte sie sich, die Zeitung immer noch in der Hand haltend, durch mehrere Personen zur Tür, um nicht auch den nächsten Ausstieg zu verpassen. Endlich aus der U-Bahn draußen, steckte die Alte das Tagesblatt in die Tasche, wobei sie erst jetzt bemerkte, dass ihr Portemonnaie verschwunden war.
"Das war bestimmt dieser große, schwarzhaarige Mann, der sich neben mich gesetzt hatte.", sagte sie wütend. Das Geld war ihr egal, viel mehr störte sie, dass der vermeintliche Dieb jetzt ihre Personalien kannte.

Zuhause angekommen, legte sie ihre Sachen an die gewohnten, dafür vorgesehenen Plätze und machte sich gleich danach etwas zu essen. Es läutete an der Tür, als sie gerade einen Biss von ihrem Wurstbrot machen wollte. Ebenso hektisch wie genervt, eilte die alte Dame zum Wohnungseingang und sah durch den Spion, um einen Blick auf den "Störefried" zu erhaschen. Sie konnte nicht viel erkennen, da das Licht am Gang wieder einmal ausgefallen war, aber es reichte, um die Person als jenen Mann zu identifizieren, der in der U-Bahn neben ihr gesessen hatte. Sofort überkam sie ein Gefühl der Angst. "Erst hat er mir mein Geldbörsl gestohlen, jetzt will er auch noch meine Wohnung ausräumen", flüsterte sie vor sich hin. Kaum hatte sie diese Worte leise ausgesprochen, griff die verängstigte Frau zum Telefon und wählte die Nummer der Polizei. "B..bitte kommen Sie so sch..schnell es geht in die...", stotterte die Dame, als plötzlich ihre Stimme verstummte.

Kurz später trafen zwei Beamte in der Wohnung ein. Als sie die alte Dame reglos am Boden liegen sahen, verständigten sie umgehend die Rettung - doch vergebens. Sie war bereits tot.

 

Hallo SweetVienna

Willkommen bei den Wortkriegern
Du sprühst über vor Ideen und möchtest sie möglichst rasch zu Papier bringen, hab ich recht? Lass dir Zeit entwickle die Szenen langsamer, und schaue dich hier um, wie andere das machen.
Du packst relativ viele Themen in deinen Erstlingstext, so dass er für die Kürze relativ überladen auf mich wirkt.

Zur Geschichte:
Eine alte Frau begibt sich auf den Heimweg, geplagt von Verfolgungsängsten, dem Diebstahl ihres Portemonnais und alte Erinnerungen an ihren an Krebs gestorbener Ehemann, erleidet anschliessend eine Herzschwäche, als der freundliche junge Mann mit den langen Haaren ihre Geldbörse zurückbringen wollte. Jedenfalls interpretiere ich das in deinen Text hinein, vielleicht ist es aber wirklich ein Einbrecher, der sich auch noch andere Habseligkeiten der alten Dame holen möchte.

Hier wäre es eben schön, wenn du mir etwas mehr über deine Protagonisten erzählen könntenst, durch die Kürze bleiben sie mir fremd und blass, wie Personen aus in einem Polizeibericht in der Zeitung.
Und warum redest du er erst von er alten Dame, dann ist sie die in die Jahre gekommene Frau, aber plötzlich nennst du sie nur noch abschätzig "die Alte", woher diese Aversion gegen deine Protagonistin? Oder bist du dir noch nicht sicher, wohin die Reise gehen soll mit deiner Geschichte?

Blickkontakt vermied die alte Dame so gut es ging, weshalb sie stets eine Zeitung in ihrer Tasche mit sich trug, in welcher sie - meistens eher desinteressiert - zu lesen versuchte, sobald sie einen Sitzplatz gefunden hatte.
Das ist ein Beispiel für einen überladenen Monstersatz. Hier darfst du ruhig kürzen und aufteilen, ohne dass der Leser wichtige Information verliert:
"Die alte Dame setzte sich auf den letzten freien Platz und blätterte in einer Zeitung. Sie hatte zwar keine Lust zu lesen, aber sie hasste Blickkontakte."

Überlege dir noch mal, was du eigentlich gerne erzählen möchstest, ist es mehr Richtung Lebensgeschichte der alten Dame oder doch mehr ein Aufzeigen gesellschaftlicher Verrohung oder aber das Thema Vereinsamung. Es liegt noch soviel brach, schöpfe aus deinen Tausend Ideen und lasse dir Zeit bei der Umsetzung. Es ist noch kein Meister und so.

Viel Spass noch
Gruss dot

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo dotslash,

Danke für deine Kritik, freut mich, dass du dich mit dem Text auseinander gesetzt hast.

Wie du schon sagst, ist das Ende Interpretationssache. Ich wollte die Geschichte so gestalten, dass nicht wirklich hervorgeht, wer eigentlich Schuld am Tod der alten Dame ist - der unbekannte Mann oder, hart ausgedrückt, doch die alte Dame selbst. Was auch zur Folge hat, dass sich, je nach Ausgang, ein anderes Thema ergibt. Es bleibt dem Leser überlassen - zumindest war das mein Plan. Die Lebensgeschichte der Protagonistin soll dabei eher eine untergeordnete Rolle spielen.

Den Mann habe ich absichtlich so wenig wie möglich beschrieben. In der Realität ist es ja in so einer Situation nicht anders. Dir bleibt im Endeffekt nichts, außer ein Vorurteil (in dem Fall der alten Dame).

Und warum redest du er erst von er alten Dame, dann ist sie die in die Jahre gekommene Frau, aber plötzlich nennst du sie nur noch abschätzig "die Alte", woher diese Aversion gegen deine Protagonistin? Oder bist du dir noch nicht sicher, wohin die Reise gehen soll mit deiner Geschichte?

Was genau ist denn der Unterschied zwischen einer alten Dame und einer "in die Jahre gekommene Frau" ? "die Alte" war eigentlich auch alles andere als abschätzig gemeint - im Grunde wollte ich nur Wortwiederholungen vermeiden.

Das mit den überladenen Sätzen werde ich versuchen zu überarbeiten. Danke für den Tipp!

Lg
SweetVienna

 

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