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Die Mühle des Alten

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27.01.2015
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Die Mühle des Alten

Die Mühlen mahlten noch. Jeder wusste das. Der Alte hatte zwar verkündet, dass er alles hinschmeißen wollte, aber es hatte ihm keiner geglaubt. Der Alte hatte schon oft erzählt, dass es sich nicht mehr lohnen würde und er aufgeben würde. Aber er war ein Kämpfer, das war er schon immer. Sie alle kannten seine Geschichten aus dem Krieg, kannten seine Geschichten aus den Panzern. Das Geschrei, die Feuer. Er erzählte es mit einer Inbrunst, mit einer Innigkeit, man hängte ihm förmlich an den Lippen, auch wenn man die Geschichten schon auswendig kannte, so konnte man doch aus ihnen jedes mal etwas neues heraushören, eine Nuance die noch gefehlt hatte, ein Detail, das das Bild vollkommen veränderte. Er war hochdekoriert worden, kam unverletzt aus der Gefangenschaft wieder und kaufte die Mühle. Es hatte lange keinen Müller mehr im Ort gegeben, bis 1948. Dann war der Alte wieder da. Den Namen bekam er, weil er der älteste Mann des Dorfes war. Die jungen waren gefallen, die alten gestorben. Er war der einzige Mann, in einem Alter, das die Allgemeinheit als reif erachten wollte. Wenn man ihn heute fragte, warum er die Mühle kaufte, bekam man die immer selbe Antwort, weil sie billig war. Er brauchte etwas zum wohnen, rechtfertigte er sich dann. Er brauchte doch etwas zum Leben. Aber zum Teufel, so sprach er heute, die Scheißmühle wirft doch eh nichts mehr ab. Hätte ich sie nicht gekauft. Aber jeder wusste, die Mühle brauchte ihn und er brauchte sie. Sie waren eine Schicksalsgemeinschaft. Vielleicht lag es daran, dass die Mühlräder weitermahlten, immer zu und immer zu. So wie er mahlte, seine Worte mahlten, seine Worte kreisten über uns, kreisten in uns, wie Mühlräder. Er hatte keine Frau, es wäre ihm zu viel Arbeit gewesen, sagte er heute. Sowas wollte er nicht und ausserdem, wer wollte ihn. Er hatte seine Mahlsteine, sie knirschten und knirschten mit ihm im Takt. Bis heute wussten wir nicht, was er mahlte. Was er brauchte um zu mahlen. Es wuchs kein Korn in der Gegend, der Krieg hatte alles verdorrt, das Blut sog sich in den Boden und machte die Erde unfruchtbar. Es lag alles brach. Das bisschen, was das Steinwerk noch hergab, wurde billig verkauft. Einziger zuverlässiger Abnehmer war der Alte. Er mahlte und mahlte. Die Frauen erzählten, als er jung war, als seine Geschichten noch jung waren, als noch keiner weghörte, denn die meisten taten es zum Selbstschutz, denn wenn man sie hörte, musste man hinhören. Es wollte sie jedoch keiner hören. Geschichten vom Krieg, mit einem Ausgang, der gut war. Für den Alten, er war der Held seiner Geschichten. Vielleicht unfreiwillig und doch war er es. Er hatte keine großen Heldentaten vollbracht und doch hatte er überlebt, er hatte den Krieg besiegt, seinen eigenen. Er saß oft da, vor seiner Mühle und betrachtete das karge Land. Seine Mimik war kaum zu deuten und alle fragten sich, was er wohl dachte. Was er machte den ganzen Tag. Im Hintergrund knirschten die Mühlen, tagein tagaus. Er saß da, er schaute und an diesem Tag, an diesem einen Tag, sproßen die Gräser, das Leben gedeihte. Die Bäche floßen und alles wuchs. Das Land wurde grün und die Bauern, die vergessen hatten, dass sie Bauern waren, machten sich bereit. Der Alte fiel von seiner Bank, er röchelte. Alle eilten herbei um zu sehen, was los war. Der Alte starb, er rang nach Atem. Was hast du gemahlen, fragten sie, was hast du gemahlen. Er sagte, ihr werdet es sehen. Als er die Augen schloss, öffnete seine Hand un eine Patronenhülse lag in ihr. Glänzend und ohne einen Kratzer.

 

Hallo,

das ist gut, aber ...

Für einen Text, der so komprimiert erzählt, ist er nicht kompakt genug. Man liest jedes Wort mehrmals, und dann muss alles passen. Hier sind sehr viele Dinge, die nicht passen. Sprachlich, und auch aus dem Kontext her.

Die erste beiden Sätze, sie korrelieren mit dem Titel. Wenn die Mühlen noch mahlen, dann weiß es auch jeder. Dies ist ein Fakt, den man nicht benennen muss. Ich würde auch anfangen mit: "Der Alt hatte war verkündet." Es ist klar, worum es geht, weil du die Mühlen bereits im Titel genannt hast.

Der Satz mit den Geschichten, die er erzählt: " eine Nuance die noch gefehlt hatte." Da frage ich mich, wem hat diese Nuance gefehlt? Und zu was? Du meinst etwas anderes, als du geschrieben hast. Entweder erzählt der Alte die Geschichten immer etwas anders, mit anderen Details, die dann alles wieder interessant machen, oder aber die Perspektive liegt beim Zuhörer, der vielleicht nicht alles mitbekommen hat. Solche Sachen sind wichtig, und sprachlich unpräzise zu sein, das ist schlecht,w eil der Leser dir dann nicht mehr folgt und du ihn verwirrst. Werde dir klar, was du sagen willst, und sage bzw schreibe dann genau dies, nicht mehr.

Ich höre hier mal auf, ich weiß nicht, ob du damit etwas anfangen kannst. Ich finde dieser Text hat etwas, er ist ein wenig mystisch und mysteriös, aber ich würde ihn mir dringlicher, feiner, sorgfältiger gearbeitet wünschen. Sind auch noch Rechtschreibfehler drin und auch grammatikalisch würde ich mir einige Sätze noch mal genauer ansehen. Ansonsten ist das ein recht ansehnliches Debüt. Mal sehen, was sonst noch von dir so kommt.

Gruss, Jimmy

 

Hallo Jeremias,

ich fand das erste Drittel des Textes ganz in Ordnung. Man kam gut rein und konnte sich den Alten vorstellen. Irgendwann wurde es dann etwas zäh, so dass mir Geschichte trotz der Kürze zwischenzeitlich ziemlich lang vor kam.

Die jungen waren gefallen, die alten gestorben. Er war der einzige Mann, in einem Alter, das die Allgemeinheit als reif erachten wollte.

Mit diesen beiden Sätzen kam ich irgendwie nicht klar. Liegt vielleicht an mir;). Wenn er der einzige Mann in einem reiferen Alter ist, dann heißt das für mich zwangläufig, dass der Rest jünger sein muss. Du behauptest aber im ersten der beiden Sätze, dass keine jungen mehr da sind.

Es wuchs kein Korn in der Gegend, der Krieg hatte alles verdorrt, das Blut sog sich in den Boden und machte die Erde unfruchtbar.

Also, entweder "sog der Boden das Blut auf" oder "das Blut sickerte in den Boden".

Soviel erstmal von mir. Lass dich nicht entmutigen.

Gruß
Kellerassel

 

Als er die Augen schloss, öffnete seine Hand un[d] eine Patronenhülse lag in ihr. Glänzend und ohne einen Kratzer.
Zeit, dass auch ein Alter mal sich daran traut, aber warum fängt der mit dem letzten Satz nebst ellipsoiden Appendix an, mag sich mancher fragen. Weil dieser eine Satz neben den unterschwelligen Müh(l)en des Alltags und der Vergangenheit – dem Alten wurde sicherlich die Jugend geraubt, weshalb er immer und immer wieder darüber erzählen muss – Symbolkraft hat, denn die (mutmaßlich letzte) Patrone wird keine Platzpatrone gewesen sein.

Aber nicht die Hülse ist beschädigt, sondern das Leben des Alten.

Aber der Satz zeigt schon Deine Schwächen,

lieber Jeremias –
und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts wie auch ein gutes neues Jahr* - darf man sicherlich noch wünschen, wenn nicht einmal ein Zehntel des Jahres rum ist!

Neben dem sicherlich der Schule geschuldeten Vorherrschaft der Hilfsverben (ganz extrem am Anfang „haben“ und „werden“, dagegen wird „sein“ vernachlässigt, regiert den Text Flüchtigkeit, die sich nicht nur im *„Vertipper“ (üblicherweise schreibstu ja „und“ korrekt), sondern auch in unberechtigten Auslassungen äußert.

Als er die Augen schloss, öffnete seine Hand …
Es fehlt da was. Die Augen schloss er noch selber – aber wer oder was öffnete „seine“ Hand? Die Hülse sicherlich nicht. Es fehlt in jedem Fall ein Pronomen – und es bietet sich neben dem Personal- auch das Refelexivpronomen (das dann vorgibt, die Hand könnte sich selbständig geöffnet haben, also ohne sein zutun, wie sich ja auch schon mal eine Hand verkrampfen kann und man selbst ist machtlos, beispielsweise bei Elektrolytemangel): Also entweder
Als er die Augen schloss, öffnete [er] seine Hand …
oder
…, öffnete [sich] seine Hand …
Zur Regentschaft der Hilfsverben, wobei ich nur das einleitende Päckchen nehme:

Der Alte hatte zwar verkündet, dass er alles hinschmeißen wollte, aber es hatte ihm keiner geglaubt. Der Alte hatte schon oft erzählt, dass es sich nicht mehr lohnen würde und er aufgeben würde. Aber er war ein Kämpfer, das war er schon immer.
Aufgeschlüsselt in Hilfsverben:
… hatte …, … wollte, … hatte … … hatte … würde … würde. … war …, … war …,
wobei das „wollte“ tatsächlich auch als Konjunktiv II angesehen werden kann: Eine bloße Absicht wird geäußert!, nichts, was schon wäre. Und weil der Konjunktiv schon als würde-Konstruktion gebraucht wird, schaffen wir das Hilfsverb „werden“ soweit ab! Auch „haben“ lässt sich jedenfalls einmal verhindern und da „ein Kämpfer zu sein“ eine bloße Behauptung ist (ob wahr oder falsch mag jeder beurteilen, der die Heldengeschichte für wahr oder weniger wahr hält).
Besser also
Der Alte hatte zwar verkündet, dass er alles hinschmeißen wollte, aber es [glaubte] ihm keiner […]. Der Alte hatte schon oft erzählt, dass es sich nicht mehr lohn[te] und er aufg[ebe/altern.: …gäbe, je nach Grad der Glaubwürdigkeit]. Aber er [sei/wäre] ein Kämpfer, das [wäre] er schon immer.

Im Allgemeinen gibt es im Deutschen übrigens keine feste Zeitenfolge. Ein Vorteil gegenüber anderen Sprachen!

Ein anderes Beispiel, bei dem ich Kürzungen vorschlag, denn das Subjekt muss ja nicht immer wieder genannt werden

Er hatte keine großen Heldentaten vollbracht und doch hatte er überlebt, er hatte den Krieg besiegt, seinen eigenen.
Alternativ
Er hatte keine großen Heldentaten vollbracht und doch […] überlebt, […] den Krieg besiegt, seinen eigenen.

Verständnisprobleme

Sie alle kannten seine Geschichten aus dem Krieg, kannten seine Geschichten aus den Panzern.
Sicherlich meinstu Geschichten von den Panzern“, denn Panzer sind eng, da geschieht (Geschichte kommt vom *„Geschehen“) nicht allzu viel bei der Besatzung, eher schon bei den Grenadieren, den Infanteristen, dem Fußvolk bei der Panzertruppe.

Es wuchs kein Korn in der Gegend, der Krieg hatte alles verdorrt, das Blut sog sich in den Boden und machte die Erde unfruchtbar.
Blut ist ein guter Dünger und schon im Alten Testament wird Boden mit Blut getränkt. Aber ein Krieg mag verwüsten, verdorren kann er nix und Dörrobst und –fleisch wird sogar ganz bewusst hergestellt und schmeckt durchaus. Okay, der Krieg bringt Not und Entbehrung, lässt die Leute „dürr“ werden (verdorren kommt vom „dürr werden“), weil sie hungern, das Land wird nicht kultiviert, Felder werden abgefackelt, aber verdorren können sie nur bei Ausbleiben der Regenzeit und Trockenheit

Verwechslung

Hier zwischen „man hängte sich …“ und „man hing …“

…, man [hing] ihm förmlich an den Lippen
Gelegentlich willstu den Eindruck erwecken, eine Schweizer Tastatur (ohne ß) zu bedienen
So[…]was wollte er nicht und au[ß]erdem, …
Dem hier allerdings übertrieben widersprochen wird
Er saß da, er schaute und an diesem Tag, an diesem einen Tag, sproßen die Gräser, das Leben gedeihte. Die Bäche floßen und alles wuchs.
sprossen/flossen, das Leben „gedieh“.
Was er brauchte[,] um zu mahlen.
(Infinitivsatz, der durch die Verwendung des „um“ nach Komma schreit!)

Wenn Du hier ein an sich entbehrliches Komma setzt, musstu noch ein zwotes setzen, das den Einschub beendet

Er saß oft da, vor seiner Mühle[,] und betrachtete das karge Land.
Im Hintergrund knirschten die Mühlen, tagein[,] tagaus.
(Aufzählung)

So, genug für heute, findet der

Friedel

 

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