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Routine

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29.11.2014
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Routine

„Lass es bitte noch nicht zehn Uhr sein“, denkt Eva. Sie wirft widerwillig einen Blick auf das Ziffernblatt der Bahnhofsuhr. Neun Uhr achtundfünfzig. Eva dreht sich der Magen um. „Vielleicht hat es einen Unfall gegeben und der Zug fällt aus?“ Wieder ein nervöser Blick auf die Uhr. Neun Uhr neunundfünfzig. „Heute könnte ich Glück haben. Heute könnte es endlich anders sein. Für immer.“ Zehn Uhr. Eva zupft an ihrer Uniform herum, sie kann die Hände nicht still halten, wie jede Nacht zu dieser Zeit. Sie blickt in das Schwarz des Tunnels. Kein Zug in Sicht. In fiebriger Erwartung atmet sie auf. Sie hofft, dass sie nicht im Zug sein werden. Sie wird dann einen entspannten Abend vor sich haben, da die Anstürme von Menschenmassen, die nach Hause wollen, alle schon vorüber sind. Sie würde die Waggons ablaufen und die Fahrkarten der Passagiere kontrollieren. Nach diesem Zug ist es bloss noch ein weiterer, dann ist ihre Schicht bereits zu Ende und sie kann nach Hause in ihr warmes Bett. Ins warme Bett zu Stefan. In dessen Armen sie so viel besser einschlafen kann …
Plötzlich zerreisst ein fürchterliches Geheul die kühle Luft der Bahnhofshalle. Nur um diese Uhrzeit, bei diesem Zug, kommt Eva der vertraute Lärm des näherkommenden Gefährts wie ein schadenfrohes Gelächter vor. Ihr Herz bleibt einen Moment lang stehen. Der Zehnuhr-Zug rattert auf quietschenden Schienen in den Bahnhof, wird langsamer und hält schliesslich an, bevor sich die Türen mit einem Zischen öffnen. Beim Einsteigen spürt Eva Schweissperlen im Nacken.

Sie kontrolliert die Fahrscheine der Gäste und durchläuft so den Zug von hinten nach vorne. Wie immer, ohne grosse Zwischenfälle. Bloss ein schwarzfahrender Teenager und eine ältere Dame, die ihren Fahrschein vergessen hat. Ein ganz normaler Wochentag. Eva mag die Routine, sie verschafft ihrem nervösen Charakter etwas Ruhe. Deshalb übt sie ihren Job eigentlich auch gerne aus, da nur selten etwas Aussergewöhnliches passiert.
Nun steht sie vor der Durchgangstür des letzten Waggons, dem von ihr gefürchteten Sektor des Zuges. Eva kann zitternd vor Angst nur noch einen Gedanken fassen wie jede Nacht zu diesem Zeitpunkt: den Waggon schnellstmöglich wieder verlassen Mechanisch öffnet sie die Tür und betritt zögerlich das Zugabteil. Sie sieht ihre Befürchtungen bestätigt, als sie, an derselben Stelle wie immer, sofort das Pärchen erblickt. Kurz ärgert sie sich darüber, dass sie gehofft hat, es könnte heute anders sein. Sie hätte es wissen müssen. Sie hätte es wirklich wissen müssen. Sie läuft den Gang entlang, dem Pärchen entgegen, ohne zu diesem hinzuschauen und kontrolliert die Fahrkarte eines älteren Herrn. Ansonsten sind nur noch sie im Waggon. Erst als sie nur noch wenige Schritte von den beiden entfernt ist, sieht sie hin, so wie sie es jede Nacht tut. Die blonde Frau schläft in seinem Arm, welchen er beschützend um sie gelegt hat. An diesem Arm ist deswegen der Pullover etwas nach oben gerutscht, so dass sie auf seinem Handgelenk eine kleine Narbe sehen kann. Eva fragt sich, was die beiden vor der Zugfahrt zusammen getan haben, obwohl sie sich darüber im Klaren ist, dass sie es nicht erfahren wird. Er braucht die Blondine, er kann nicht ohne sie, das weiss sie. Das weiss sie schon sehr lange. Sie geht an dem Pärchen vorbei, ohne nach den Fahrkarten zu fragen, denn sie ist sich sicher, dass sie welche haben. Er schaut Eva mit einem vertrauten Blick in die Augen und lächelt. Sie hofft, dass er etwas sagen wird. Vergebens, wie jede Nacht.
Am Ende des Waggons kann sich Eva kaum mehr auf den Füssen halten. Ein heftiger, doch ihr wohlbekannter Schmerz, zieht ihr die Brust zusammen. Die Sprechanlage kündet die Endstation an und sobald sie aussteigt und die frische Nachtluft spürt, verschwindet der Schmerz sofort wieder, so wie es jede Nacht passiert. Sie dreht sich nicht um, um nach dem Pärchen zu schauen. Ihr kommt der Gedanke, Stefan zu verlassen. Jedes Mal, wenn sie zu diesem Zeitpunkt den Bahnsteig entlangläuft, kommt ihr dieser Gedanke. Früher war es ein sehr starker Gedanke. Jetzt ist er nur noch da. Wenn sie Stefan nicht mehr hat, worauf soll sie sich dann freuen?
Nun muss sie noch einen Zug durcharbeiten, bevor sie nach Hause gehen kann. Bevor sie endlich zu Stefan kann. Das typische Geheul kündigt ihren nächsten Zug an. Diesmal tönt es für sie wie ein ermutigender, langer Pfiff. Ein Verkünder einer besseren Zeit. Unbeschwert steigt sie ein, denn sie weiss: Es dauert fast noch einen ganzen Tag, bis die Bahnhofsuhr wieder die gefürchtete zehnte Stunde schlagen wird. Sie wird fast einen ganzen Tag Zeit haben. Dass sie wieder Angst haben wird, ist ihr jetzt schon klar, doch das macht nichts, denn im Moment ist es vorbei. Das ist alles, was für sie zählt. Seit zehn Jahren ist das für Eva alles, was zählt.

Im letzten Zug waren nur wenige Passagiere. Alle waren freundlich und hatten gültige Fahrkarten vorzuweisen. Evas Arbeitstag ist vorbei. Sie will nur noch ins Bett. Zu Stefan. Sie denkt nicht mehr an das Pärchen. Früher war das noch nicht so, sie konnte jeweils für eine lange Zeit an nichts anderes mehr denken. Doch der immer selbe Trott machte es erträglich. Die Gewohnheit ist Evas tröstlicher Gefährte geworden, der in jeder Nacht mit ihr in den Zug einsteigt. Sie ist müde und verspürt eine beruhigende innere Ausgeglichenheit. Es war wieder so wie gestern und vorgestern und am Tag davor … Die Routine überrollt das Leben ohne auf irgendetwas Rücksicht zu nehmen und macht alles gleich.
Erschöpft aber glücklich kommt sie nach Hause und legt sich ins Bett zu Stefan, welcher schon schläft, als sie ankommt. Wie jede Nacht. Er wacht auf und schenkt ihr ein Lächeln, dann küsst er sie lang und innig, bevor er sie in den Arm nimmt und wieder einschläft. Eva lächelt auch und schmiegt sich dankbar an ihn. Ihre Beziehung hält schon so lange … Kurz bevor sie einschläft, dreht sie ihren Kopf von ihm weg und küsst Stefans Arm. Sie küsst sein Handgelenk, spürt die Narbe an ihren Lippen und weiss, dass alles seinen gewohnten Lauf nehmen wird.

 

Hallo Alex,

ich befürchte, ich verstehe deine Geschichte nicht. Die einzige Idee, die bei mir leicht anklang, ist der Gedanke, dass dieser Typ mit der Blondine Evas Ex ist und sie das Paar schon seit 10 Jahren ertragen muss, weil sie ihn irgendwie doch noch liebt. Aber das ist auch fast nur an den Haaren herbeigezogen.

Wenn Eva wirklich so ein Problem mit dieser Begegnung hat - und das scheinbar schon so lange - dann frage ich mich, wieso sie dem nicht Einhalt gebietet. Man könnte sich auch eine andere Strecke als Schaffnerin fahren, wenn man das mit der Personalleitung klärt etc.

Es gibt auch Dinge, die ich unlogisch finde, wie z.B. die Vorstellung, dass dieses Pärchen immer, wenn Eva Schicht hat, im Zug sitzt.

Oder sowas:

Eva mag die Routine, sie verschafft ihrem nervösen Charakter etwas Ruhe. Deshalb übt sie ihren Job eigentlich auch gerne aus, da nur selten etwas Aussergewöhnliches passiert.

Also ich stelle mir vor, dass man als Zugschaffner dauernd außergewöhnliche Sachen erlebt, immer von Menschen umgeben, das ist doch ganz was anderes, als z.B. im Büro zu arbeiten.

Also ich komme in die Geschichte überhaupt nicht rein, tut mir leid.

Übrigens freuen sich andere Autoren auch über deine Kritiken ;) - du hast schon drei Geschichten hochgeladen, einiges an Feedback erhalten, dich selbst aber noch kaum hier eingebracht.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Alex,

Bernadette hat ja schon das meiste gesagt und ich kann mich ihrer Meinung nur anschließen.

In deiner Geschichte kann man nicht wirklich erkennen um was es geht obwohl so ein Set Potenzial hätte. Deine Schilderung macht Lust auf mehr, aber jedesmal wenn es spannend wird ist es auch schon wieder vorbei. Ich würde wirklich gerne wissen welche Probleme Eva hat. Ich würde gerne mitfühlen oder mitleiden mit ihr.
Mein erster Eindruck war, das Pärchen im hinteren Abteil hat Sex oder macht Probleme, deswegen wollte Eva nicht hinsehen. Ich glaube Bernadette liegt da sicher richtiger als ich. Aber daran kannst du erkennen wie unterschiedlich die Szenen bei unterschiedlichen Personen ankommen. Sinn sollte sein, dass bei allen Lesern ein gleiches oder ähnliches Bild entsteht.

Lass gerade am Anfang nicht so viel Raum fùr Interpretation. Versuche ein Bild im Kopf des Lesers zu erzeugen und gib genau vor wie das Aussehen soll.

Wünsch dir noch viel Spaß beim schreiben ;-)

 

Hallo AlexK,

ist es so?

Der Mann im Zug mit der Blondine ist Stefan, der Ehemann der Schaffnerin.

Viele Grüße
Fugu

 

Fugusan

Ja, wenn man das genau liest:

Sie küsst sein Handgelenk, spürt die Narbe an ihren Lippen und weiss, dass alles seinen gewohnten Lauf nehmen wird.

hast du Recht.

Komisch das dann alles. Das lässt mich unbefriedigt zurück, weil ich mir halt keinen Reim auf diese Eva machen kann und die Situation im Zug für mich zu inszeniert wirkt.

 
Zuletzt bearbeitet:

Ach die NARBE ist der Schlüssel. Habe ich am Anfang nicht gleich begriffen.
So eine Narbe am Handgelenk ist ein winziges Detail, das man erst beim genaueren Hinsehen bemerken würde - das gilt auch für deine Geschichte.
Ich bin jemand, der in Texten ab und zu mal solche winzigen Details überliest. Das ist natürlich meine persönliche Schwäche, nicht die des Autors, aber im Fall deiner Geschichte war es mir dann doch zu subtil. Ich habe den letzten Satz

Sie küsst sein Handgelenk, spürt die Narbe an ihren Lippen und weiss [hier müsste, ganz nebenbei, ß statt ss], dass alles seinen gewohnten Lauf nehmen wird.

erst anders verstanden, dachte die Narbe wäre AUF ihren Lippen und habe das Ganze somit auch völlig anders interpretiert.
Ich dachte, Stefan ist gewalttätig und hat Eva die Narbe zugefügt, aber sie ist durch eben diese Routine die du beschreibst zu sehr an ihn gebunden, als dass sie ihn verlassen würde - unter anderem deswegen:

Wenn sie Stefan nicht mehr hat, worauf soll sie sich dann freuen?

Mh. Die andere Variante (die nach den vorigen Kommentaren etwas mehr Sinn macht) ist mir ein Stück weit zu kryptisch verpackt und ich werde auch nicht wirklich schlau aus deiner Protagonistin.
Lässt sie sich betrügen? Ist der Mann im Abteil doch nicht Stefan, und erinnert sie nur daran, dass sie einmal betrogen wurde?

Abgesehen davon finde ich deinen Text gut geschrieben, du hast ein paar nette Bilder darin verpackt.

Die Routine überrollt das Leben ohne auf irgendetwas Rücksicht zu nehmen und macht alles gleich.

Dieses "überrollen" finde ich nett, als Parallele zum Zug, der ja den Hauptschauplatz deiner Geschichte darstellt.

Ein heftiger, doch ihr wohlbekannter Schmerz, zieht ihr die Brust zusammen. Dieser ist jedoch nur von sehr kurzer Dauer. Die Sprechanlage kündet die Endstation an und sobald sie aussteigt und die frische Nachtluft spürt, verschwindet der Schmerz wieder, so wie es jede Nacht passiert.

Das gefällt mir wiederum nicht so gut. Den zweiten Satz könntest du meiner Meinung nach auch einfach weglassen und dafür den folgenden ein bisschen umformulieren.


Die Wahl der Zeitform sagt mir nicht zu, auch wenn es für deine Geschichte sicherlich Sinn macht, man begleitet Eva ja quasi direkt. ... Ich bin wohl grundsätzlich kein Fan von Erzählungen in der Gegenwartsform.
Einmal verrutscht du aber auch einfach mit den Zeiten:

Die blonde Frau schläft in seinem Arm, welchen er beschützend um sie gelegt hat. An diesem Arm war deswegen der Pullover etwas nach oben gerutscht, so dass auf seinem Handgelenk eine kleine Narbe sichtbar wurde.


So oder so, ein netter Text über das Gefangen-Sein im alltäglichen Trott. Auch wenn ich die Pointe, wie oben schon geschrieben, nicht komplett verstehe, habe ich trotzdem grundsätzlich ein ganz gutes Bild vom Seelenleben deiner Protagonistin erhalten.


Viel Spaß beim weiteren Schreiben,
Gruß,

Knoboter


Nachtrag: Noch ein Gedanke der mir gerade gekommen ist- Eine Narbe am Handgelenk - ist das ein Hinweis auf Suizidalität? Verlässt Eva Stefan deshalb nicht, obwohl er sie vor ihren Augen betrügt? Du siehst, deine Geschichte bringt mich zum Nachdenken. Ich weiß nur nicht, ob es im Fall so einer relativ "simplen" Alltagsgeschichte die richtige Art von Nachdenklichkeit ist, die du in mir ausgelöst hast.

 

Ich habe den letzten Satz erst anders verstanden, dachte die Narbe wäre AUF ihren Lippen und habe das Ganze somit auch völlig anders interpretiert.

Ich auch.

 

Hey Bernadette

Ich befürchte, ich verstehe deine Geschichte nicht.

Das ist schade.Ich werde auf die Bedeutung weiter unten noch eingehen,

Es gibt auch Dinge, die ich unlogisch finde, wie z.B. die Vorstellung, dass dieses Pärchen immer, wenn Eva Schicht hat, im Zug sitzt.

Nun ja, ein Zugfahrplan ist schon ziemlich regelmässig ...

Ja, wenn man das genau liest:

Sie küsst sein Handgelenk, spürt die Narbe an ihren Lippen und weiss, dass alles seinen gewohnten Lauf nehmen wird.
hast du Recht.


Ich finde, dass man jeden Text auch "genau" lesen sollte, da einem ansonsten Essenzielles entgehen kann.


Hey BRM

Aber daran kannst du erkennen wie unterschiedlich die Szenen bei unterschiedlichen Personen ankommen. Sinn sollte sein, dass bei allen Lesern ein gleiches oder ähnliches Bild entsteht.

Da hast du natürlich recht. Trotzdem glaube ich, dass die Antwort auf deine und bernadettes Frage im Text steht.


Hey Fugu

Bingo. ;)


Hey Knoboter

So eine Narbe am Handgelenk ist ein winziges Detail, das man erst beim genaueren Hinsehen bemerken würde - das gilt auch für deine Geschichte.

Schön gesagt :) Solche Details sind doch eben gerade in ihrer "Winzigkeit" so verdächtig?

dachte die Narbe wäre AUF ihren Lippen und habe das Ganze somit auch völlig anders interpretiert.

Das ist verständlich, dass man da auf völlig andere Deutungen kommt.
Wenn jedoch diese Narbe schon einmal flüchtig im Text vorgekommen ist, ist doch davon auszugehen, dass dieses wiederholte Auftauchen der Narbe etwas damit zutun hat?
Ich finde es ehrlich gesagt sehr weit hergeholt, die Narbe auf ihren Lippen zu sehen. Dann wurde die Narbe am Handgelenk schlichtweg überlesen oder vergessen. Texte sorgfältig zu lesen, sollte schon sein.

Das ist eine persönliche Vorliebe von mir, dass die Interpretation dem Leser nicht penetrant aufgezwungen wird. Der Teufel steckt im Detail.

Dieses "überrollen" finde ich nett, als Parallele zum Zug, der ja den Hauptschauplatz deiner Geschichte darstellt
Es freut mich, dass dir das aufgefallen ist.

Den zweiten Satz könntest du meiner Meinung nach auch einfach weglassen und dafür den folgenden ein bisschen umformulieren.
Danke, hast recht,

Nachtrag: Noch ein Gedanke der mir gerade gekommen ist- Eine Narbe am Handgelenk - ist das ein Hinweis auf Suizidalität?

Kein abwegiger Gedanke, doch dass war nicht meine Absicht. Die Narbe durfte bloss nicht zu weit oben am Arm sein, da Eva sie sonst nicht sehen könnte. Deshalb das Handgelenk.

Ich weiß nur nicht, ob es im Fall so einer relativ "simplen" Alltagsgeschichte die richtige Art von Nachdenklichkeit ist, die du in mir ausgelöst hast.

Das soll ja keine leichte Alltagsgeschichte sein, die man nach dem Lesen wieder vergisst. Sie handelt zwar von Evas Alltag, doch ob dieser so gewöhnlich ist, wage ich zu bezweifeln.


Vielen lieben Dank euch allen für eure Zeit und Mühe!
Habt einen schönen Sonntag!
Alex

..

 

Da hast du natürlich recht. Trotzdem glaube ich, dass die Antwort auf deine und bernadettes Frage im Text steht.

Ich würde mir als Autor schon einmal die Frage stellen, ob es nicht auch am Text liegen könnte, wenn zwei schon auf ein Missverständnis hinweisen. Manchmal reichen zwei, drei Wörter an der richtigen Stelle, um etwas deutlicher zu machen - deswegen habe ich das in #7 explizit noch einmal aufgegriffen. Es reicht als Kommentator nicht, zu denken: ach, der Knoboter hat das ja schon gesagt, denn dann könntest du meinen, es wäre nur einer, der es nicht kapiert.

Sei es drum, es ist deine Geschichte, aber du solltest auch bedenken, dass du die Lösung kennst und deswegen kryptisch ohne Ende schreiben kannst: dir wird es immer klar bleiben ;).

 

Texte sorgfältig zu lesen, sollte schon sein.

So eine Belehrung, die kannst du dir auch gleich sparen. Jeder kann einen vermeintlich kryptischen, hermetischen Text schreiben und sich dann hinstellen und sagen: Naja, eigentlich seid ihr nur zu blöde um den richtig zu verstehen. Das ist wahrlich keine Kunst. Eine Kunst ist es, den Mittelweg zu finden. Das hier ist kein Rätselkrimi, oder doch?

 

Hey bernadette und jimmysalaryman

Da hab ich mich wohl getäuscht und das Ganze zu undeutlich geschrieben. Ich dachte es reicht, wenn es im Text steht. Hätte das etwas deutlicher hervorheben sollen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Alex,

Dass es in dieser Geschichte um Stefan geht, habe ich während des Lesens an folgendem vermutet:
1. Eva weiss, dass der Mann im Zug die Blonde braucht, die in seinen Armen schläft.
2. Er schaut Eva mit einem vertrauten Blick in die Augen und lächelt. Sie hofft, dass er etwas sagen wird.
3. Als sie aus dem Zug ausgestiegen ist, kommt ihr der Gedanke, Stefan zu verlassen. Aber auch sie braucht ihn .
4. Und dann die Narbe an seinem Arm im Zug und zu Hause im Bett.

Dass Eva diese Tortur seit Jahren mitmacht ist traurig. Und dass Stefan seine Partnerin auf diese Weise quält ist auch traurig.

Aber eben, es gibt nichts, was es nicht gibt.

Beide hätten Hilfe nötig, aber beide wollen keine Veränderung.

Eine gute Woche wünscht Dir
Marai

 

Texte sorgfältig zu lesen, sollte schon sein.

So eine Belehrung, die kannst du dir auch gleich sparen. Jeder kann einen vermeintlich kryptischen, hermetischen Text schreiben und sich dann hinstellen und sagen: Naja, eigentlich seid ihr nur zu blöde um den richtig zu verstehen. Das ist wahrlich keine Kunst. Eine Kunst ist es, den Mittelweg zu finden. Das hier ist kein Rätselkrimi, oder doch?


Sorry, jimmysalaryman,
hier muß ich den Autor aber mal in Schutz nehmen. Ich hatte es direkt verstanden, nicht weil ich so toll bin, ich hatte es eben so interpretiert, dass die Narbe am Arm gemeint wäre.

Ist aber ein Problem beim literarischen Schreiben. Wie oft liest man von Kritikern: "Warum werde ich so auf dieses oder jenes gestoßen? Ich bin doch nicht doof ...".
Man will also selbst herausfinden, interpretieren und wenn dann ein Autor sehr direkt Dinge beschreibt oder auf etwas zu deutlich hinweist, fühlen sich manche Kritiker unwohl.

Tut er es nicht, geht es so aus wie in diesem Beispiel.

Hier ist Lockerheit gefragt und das Geschick des Autors, diese Irritationen zu vermeiden.

 

Ich denke, der Autor kann sich schon selber wehren. Es ist eben immer einfach, nachher zu sagen, es sei so und so und genau so sollte der Text verstanden werden. Mir ging es auch eher um die etwas nassforsche Art, hier den Kommentatoren zu unterstellen, sie würden nicht aufmerksam lesen. Das habe ich einfach, speziell im Falle von bernadette, als sehr unhöflich empfunden.

 

Tatsache ist, dass die Narbe, welche für die Deutung entscheidend ist, im Text vorkommt. Also ziehe ich mir nichts im Nachhinein aus dem Hintern und verlange Interpretationen, die mein Text nicht zulässt. Ich werfe niemandem Dummheit vor, sondern nur dass die Stelle mit der Narbe überlesen wurde. Auch gebe ich ja bereitwillig zu, dass ich diese Stelle deutlicher hätte hervorheben können. Zudem denke ich auch, dass Bernadette sich selber "wehren" kann, wobei es überhaupt nicht meine Absicht war, sie in irgendeiner Form anzugreifen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Tatsache ist, dass die Narbe, welche für die Deutung entscheidend ist, im Text vorkommt. Also ziehe ich mir nichts im Nachhinein aus dem Hintern und verlange Interpretationen, die mein Text nicht zulässt. Ich werfe niemandem Dummheit vor, sondern nur dass die Stelle mit der Narbe überlesen wurde. Auch gebe ich ja bereitwillig zu, dass ich diese Stelle deutlicher hätte hervorheben können. Zudem denke ich auch, dass Bernadette sich selber "wehren" kann, wobei es überhaupt nicht meine Absicht war, sie in irgendeiner Form anzugreifen.

Wie gesagt, mir passieren solche Überleser durch mangelnde Konzentration beim Lesen tatsächlich öfter, daher kann es sein, dass in meinem Fall die Anmerkung "genau lesen sollte man schon" berechtigt war. Und im Nachhinein glaube ich, dass ich mich beim Schlüsselsatz der Geschichte (dem ersten Auftauchen der Narbe) so sehr an deinem Zeitwechsel gerieben habe (den ich immer noch komisch finde), dass ich das wichtige Detail im Text wohl tatsächlich überlesen habe.
Dass du mich und bernadette als "dumm" bezeichnest hab ich persönlich auch nicht so verstanden. Aber wenn mehr als ein Kommentator auf sowas aufmerksam macht, liegt es vll nicht nur an der fehlenden Aufmerksamkeit.

Andererseits haben Freegrazer und Marai schon recht: Die Hinweise sind prinzipiell ja da. Und wie ein Kind will man sich als Leser auch nicht behandelt fühlen.

Ist halt eine schwierige Balance, gerade bei einem Text wie deinem, der ja davon lebt, dass du ein Stück weit eine falsche Fährte streust.

 

Hallo Alex,
ich fand die Geschichte spannend geschrieben, obwohl eigentlich nicht viel passiert. Die Gefühle hast Du gut beschrieben.
Die Narbe habe ich auch sofort beim ersten Lesen bemerkt, aber überhaupt nicht die Verbindung geschlagen. Ich dachte eher, dass sie den Mann im Zug seit Langem liebt, aber nur deswegen bei ihrem Stefan bleibt, weil der Bekannte im Zug eben bei seiner Freundin bleiben wird. Am Ende habe ich mich dann gefragt, warum Stefan eigentlich auch eine Narbe hat.
Einige Kleinigkeiten haben mir nicht gefallen:
Warum geht sie von hinten nach vorne durch den Zug? Ich fände andersherum besser, da Du auch vom letzten Waggon sprichst. Es ist momentan nur ihr letzter Waggon. Und was macht sie eigentlich bei der Begegnung? Sie könnte ja auch was sagen oder zwinkern, zumal die Blondine schläft.
Vielleicht könntest du zehn Uhr abends schreiben?
Der Satz "Seit zehn Jahren ist das für Eva alles, was zählt." meint, dass für Eva der befreiende Moment nach der Begegnung im Zug mehr ist, als die Beziehung zu Stefan. Willst Du das wirklich so sagen?
Grüße von joboe

 

Knoboter schrieb:
Und im Nachhinein glaube ich, dass ich mich beim Schlüsselsatz der Geschichte (dem ersten Auftauchen der Narbe) so sehr an deinem Zeitwechsel gerieben habe (den ich immer noch komisch finde), dass ich das wichtige Detail im Text wohl tatsächlich überlesen habe.

Mir ging es so, dass ich mich an einigen Dingen, die für mich nicht nachvollziehbar* waren, aufgehalten haben, die meine Aufmerksamkeit (unnötig, da für mich nicht verständlich) gefordert haben, so dass ich mich dadurch auf die scheinbar wichtigen Dinge nicht fokussieren konnte.

* auf meine Frage, wieso ihr Mann immer in dem Zug mit seiner Geliebten saß, in dem Eva Dienst hatte, habe ich keine ergiebige Antwort erhalten. So frage ich nochmal explizit:

Was veranlasst einen Ehemann jedesmal, wenn seine Ehefrau als Schaffnerin Dienst hat, mit seiner Geliebten genau in dem Zug zu sitzen? Und das 10 Jahre lang? Das ist doch nur krank. Vielleicht bin ich da zu pragmatisch, aber wenn ich an Kleinigkeiten die Essenz herauslesen muss, sollte das Gesamtpaket auch stimmen.

 

Hallo AlexK

Ich habe die vorliegende Abhandlung vor zwei Tagen gelesen, wobei der Titel mich nicht anzog, sondern einzig Dein Nick, den ich mit der »Rasur« in Erinnerung hatte. Der Gegensatz dieser beiden Stücke könnte nicht eklatanter sein. Das Kafka-Nahe Stück blieb mir trotz einiger Schwächen morbid-vergnüglich in Erinnerung, doch hier fühlte ich mich schon beim Lesen arg enttäuscht. Das Stück liest sich linear mit geringem Wellengang, angereichert mit einem Gag – mehr ist die Sache mit der Narbe nicht, da solche Dinge in Geschichten allenfalls nebenbei als Indiz auftreten. Kriterien, welche einen Stoff zur Geschichte machen, sind hier für mein Empfinden kaum ausgeprägt (Spannung), anderes nicht wirklich (Wandlung) vorhanden.

Das Thema einer Dreiecksgeschichte auf eine solche Kürze herab zu brechen ist ein schwieriges Unterfangen. Dass Du Dich daran wagtest, spricht für Dich. Doch erscheint mir die Figurenzeichnung psychologisch wenig glaubwürdig, selbst wenn ich von einer selbstzerstörerischen Hörigkeit ausginge. Die Gedankengänge einer solchen Frau würden in der Realität anders verlaufen. Vordergründig denkbar wäre eine weitgehend gefühlsmässige Abschottung, die sie mit einer Änderung ihres Arbeitseinsatzes untermauern würde, oder dann, eine intensive Überflutung ihrer Gefühlswelt, die ein nur ärgerliches Vorbeigehen an dem Paar undenkbar machte. In beiden Fällen wäre dies seelisch ein höchst chaotischer Zustand, der in solcher Darstellung nicht über lange Zeit aufrechterhalten werden könnte und zu einem Zusammenbruch führte.

In einem Kommentar zu Deinem vorgehenden Stück hattest Du erwähnt: „Ich plädiere hiermit lediglich für mehr Offenheit bezüglich ungeklärten und offenen Szenen.“ Dort ging es offensichtlich um eine absurde Abhandlung, eine kurze irreale Kafkaeske, weshalb mich die unbeantworteten Teile nicht störten. Hier hingegen will es als Kurzgeschichte auftreten, die mit dem Stichwort Alltag vorgibt, an die Realität anzuknüpfen. Das Hinziehen der Handlung erwies sich mir jedoch als äusserst anspruchslos, ein Konstrukt, dem ein wirklich durchdachter Unterbau fehlt.

Dass Du durchaus begabt bist zu schreiben, zweifle ich anhand der gelesenen Stücke nicht. Vielleicht ist es Ungeduld, die Dich antrieb, es in dieser Form vorzulegen. Wenn eine Geschichte nicht rein unter dem Vorzeichen Fantasie steht, sollte sich die Wirklichkeit durchgehend spürbar spiegeln und vor diesem Hintergrund verblüffen. Dass dies bestmöglich gelingt, erfordert Geduld und sich die Zeit zu nehmen, es auch selbstkritisch und gut recherchiert auszufeilen.

Meine Meinung zu dem Text ist etwas harsch, gewiss, doch entschloss ich mich nur deshalb zu dem Stück doch noch was zu sagen, da ich der Ansicht bin Du könntest es besser. Die Leser wollen nun mal überzeugt werden und dies gelingt nur in einer Geschichte selbst. ;)

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Alex,

Nun, mal alle Narbendiskussion beiseite ... Ich fand den Hinweis nicht zu subtil. Du beschreibst die Szene mit dem Hauptaugenmerk auf Evas "Innenleben", da fallen die wenigen Details auf, die du aus der Außenwelt beschreibst.
Eventuell ist es zu wenig Beschreibung der Außenwelt, weil mir nicht ganz klar ist: Warum Tunnel? U-Bahn-Hof - da war mir das zu wenig, um mir die Szene richtig vorzustellen. Was ich auch nicht verstehe: Eva steigt ein, kontrolliert die Fahrkarten, dann kommt die Endstation. Sehe ich das richtig, dass der Zug in der Zwischenzeit weiterfährt?
Diese Umstände fand ich unklarer als die Sache mit Stefan.

Stilistisch ist dein Text zwar sauber und enthält ein paar gute "Bilder" (das "Gelächter" etc. und andere DInge, die angeführt wurden), allerdings muss ich mich Anakreon anschließen, wenn sie sagt, es fehlen die Wellen.
Dein Text lebt von Evas innerer Anspannung beziehungsweise ihrer Ambivalenz. Die trifft einen am Schluss etwas stärker, ist aber sonst ein laues Lüftchen. Wenn ich dein Können richtig einschätze, dürfte es für dich ein Leichtes sein, da noch etwas zu feilen.
Was mir auch noch gefehlt hat: Warum macht Eva das zehn Jahre mit? Dass aus großen Gefühlen inzwischen Routine geworden ist und daraus die Tatsache entspringt, dass sie damit zurecht kommt, erscheint mir durchaus logisch. Das ist für miche in nachvollziehbarer Gedanke, den ich als Hintergrund deiner Geschichte auch mag.
Allerdings ist es doch noch zu unbefriedigend für mich.
WARUM setzt sie sich dem aus? WAS bewegt sie dazu, es so stoisch zu ertragen? Du schreibst einerseits, sie ist ein nervöser Typ, aber andererseits kann sie das dann so passiv über sich ergehen lassen? Das erscheint mir nicht so ganz stimmig, bzw. damit es rund wird, fehlt noch was.
Denn in meiner Vorstellung muss jemand schon sehr neurotisch sein oder komplexbeladen, um da mitzumachen.

Lg
Tell

 

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