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Und dann kam Jonas

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04.09.2013
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Und dann kam Jonas

Mit gesenktem Kopf hastete Arno den Gehsteig entlang, den Griff des Kinderwagens so fest umklammert, dass die Fingerknöchel spitz und weiß hervortraten. Er starrte auf seinen schlafenden Sohn, flehte stumm, dieser möge nicht zu schreien beginnen, nicht jetzt, die letzten paar Meter, bevor er die Tür hinter sich verschließen konnte. Nach allem, was passiert war, wollte er nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Aber er hätte es sich denken können: Die Nachbarin stand in der Einfahrt zu ihrem Haus, so, als hätte sie schon immer dort gestanden, mit einem Besen in der Hand, der mechanisch den Asphalt entlangschrammte, obwohl sich darauf schon lange kein Körnchen Dreck mehr befand. Und alles nur, um Arno einen Blick zuzuwerfen, der so viel bedeuten sollte wie: Ich habe es ja schon immer gesagt. Ihr Kopf bewegte sich hin und her, schien etwas neben dem Kinderwagen zu suchen, und sie reckte ihre Nase zufrieden ein bisschen höher, als sie dort nichts erblickte. Ihre Lippen hatte sie fest zusammengepresst, damit ihr nicht aus Versehen ein Gruß herausrutschte.
Endlich erreichte er das Gartentor. Durch das Milchglas an der Haustür erblickte er einen vertrauten Schatten. Kaum hatte er die Tür einen Spalt geöffnet, erschien eine schwarze Schnauze, die energisch dagegen drückte, um den Weg so schnell wie möglich freizubekommen. Diego stupste Arnos Knie und blickte ihn mit seinen dunklen Augen an, während sein gesamtes Hinterteil sich vor Freude schüttelte. Arnos Hand fuhr automatisch zum Hundekopf, doch im letzten Moment zuckte er zurück. Sandra stand im Flur, die Arme vor der Brust verschränkt. Ein leises „Hallo“ kam von ihren Lippen.
„Er schläft noch im Kinderwagen“, sagte Arno. Er schaffte es nicht, ihr ein Lächeln zu schenken, ein zuversichtliches Lächeln, das sagen sollte: „Hey, es wird alles wieder gut.“ Vor fünf Tagen noch waren sie eine glückliche Familie. Sie kehrten von einem Spaziergang heim, Diego kam mit seinem dreckigen Tennisball angelaufen und Arno warf ihm diesen immer und immer wieder. Sandra saß auf der Steintreppe am Hauseingang, Jonas auf ihrem Schoß. Dieser quietschte jedes Mal vor Vergnügen, wenn Diego dem Ball hinterherhechelte und Sandra lachte, weil Jonas sich so amüsierte, und Arno lachte, weil sie gerade alle so glücklich waren.
„Meine Mutter ist da“, sagte Sandra und riss Arno aus seinen Gedanken. Es war nichts mehr so wie noch vor fünf Tagen.

Arno hatte gerade den Kinderwagen durch das Gartentor auf den Gehsteig geschoben, die Leine mit Diego am anderen Ende lag locker um sein Handgelenk. Er drehte sich um und schloss das Tor. Was dann passierte, lief auch Tage danach nur bruchstückhaft in seinem Kopf ab. Ein Knurren, ein Ruck an seiner Hand, ein Aufschrei, eisige Kälte, die sich auf Arnos Nacken ausbreitete. Er fuhr herum, sah den schreienden Jungen am Boden liegen, auf schaurige Weise hin und her gerüttelt, weil Diego an dessen Arm zerrte. Arno stürzte sich auf seinen Hund, rang ihn nieder, spürte Diegos Zähne in seinem Unterarm.
Der Junge lag am Boden, hielt seinen Arm mit der anderen Hand umklammert und wimmerte, Arno lag mit Diego daneben und Jonas begann im Kinderwagen zu brüllen. Die Nachbarin kam angelaufen, schlug die Hände vor den Mund und schrie: "Oh mein Gott, wie schrecklich! Lukas, ich hol deine Eltern." Und da lief sie schon wieder davon. „Ich habe es geahnt … verantwortungslos … Drecksvieh“, hörte Arno noch Fragmente ihrer Ausrufe.
"Wie wäre es mit helfen?", rief er ihr hinterher. Er registrierte erst jetzt, wer da am Boden lag. Lukas, der Sohn ihrer befreundeten Nachbarn.
"Lukas, es hilft dir gleich jemand, okay?", sagte er.
Ein Autofahrer war stehen geblieben, stürzte aus dem Wagen, doch kaum erblickte er Arno und Diego am Boden, hielt er in seiner Bewegung inne.
"Rufen Sie die Rettung", rief Arno ihm zu. Sichtlich froh, nicht zu nahe treten zu müssen, zückte der Autofahrer sein Handy. Lukas' Schluchzen wurde lauter, Jonas' Brüllen auch. Arno durchfuhr eine unglaubliche Erleichterung, als Sandra angerannt kam.
"Was ist passiert?"
Sie hatte das Gartentor erreicht.
"Oh mein Gott! Scheiße!" Wie schon die Nachbarin zuvor schlug sie die Hände vors Gesicht. "Lukas!" Sie eilte zu ihm. "Verbandskasten!", rief sie dem telefonierenden Mann zu.
Arno atmete tief durch, versuchte sich zu beruhigen. Langsam erhob er sich vom Gehsteig, während er Diegos Schnauze weiterhin zu Boden drückte. Behutsam zog er an der Leine, bedeutete seinem Hund damit, sich zu erheben und Schritt für Schritt, seine Finger nach wie vor fest um Diegos Maul geklammert, schlurften sie die Einfahrt entlang. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, ließ er Diego von der Leine, der sofort unter die Küchenbank flüchtete. Arno blieb stehen, unfähig sich zu bewegen, und starrte an die weiße Wand. Als diese sich kurze Zeit später immer wieder blau verfärbte, wusste er, dass nichts mehr so sein würde, wie es noch vor zehn Minuten war.

Am nächsten Tag hatte er den Tierarzt angerufen.
„Schläfern Sie Hunde ein?“
„Ist der Hund krank?“
„Nein.“
Schweigen.
„Er hat ein Kind gebissen“, fuhr Arno fort.
„Das tut mir natürlich leid. Aber so einfach ist das nicht. Zum Glück, möchte ich sagen. Ein Biss ist noch lange kein Grund, ein gesundes Tier zu töten. Dürfte ich gar nicht. Je nach Schweregrad der Verletzung und Anzeige des Opfers wird da vermutlich ein Wesenstest auf Sie und Ihren Hund zukommen.“
„Okay, danke.“ Arno legte schnell auf und sank zitternd zu Boden. Was war eigentlich in ihn gefahren, wie konnte er nur daran denken, seinen geliebten Diego umzubringen? Kurzschlussreaktion. Aber er konnte es nicht leugnen, hatte er es doch mit eigenen Augen gesehen. Diego, nicht mehr wiederzuerkennen, eine wildgewordene Bestie, ließ vom Arm des Jungen ab und wollte die riesigen, blutverschmierten Zähne in den Kopf des Jungen zu jagen. Keine Sekunde zu früh, genau in dem Moment, als Diegos Zähne den Scheitel streiften, bekam Arno ihn zu fassen. Später hörte er den Rettungssanitäter sagen: „Oh, da hast du ja eine ordentliche Beule am Kopf. Bist hier wohl aufgeschlagen?“ Und Lukas, der über der Brechschüssel hing, nickte.

Arno, Sandra und ihre Mutter saßen beim Abendessen. Arno wunderte sich, warum sie heute noch kein Wort zur Tragödie, so wie sie den Vorfall nannte, geäußert hatte. Ihre Freunde hatten Anzeige erstattet und Arno harrte der Dinge, die auf ihn zukommen würden. Er nahm es gefasst auf, es war nie seine Absicht, sich vor seiner Verantwortung zu drücken. Aber er spürte, dass etwas völlig anderes im Raum stand. Wortwörtlich lag es im Büroraum unter dem Schreibtisch. Es klingelte an der Tür. Arno schaute kurz auf und hielt es für das Beste, einfach sitzenzubleiben. Erfreulichen Besuch hatten sie seit Tagen nicht mehr bekommen.
Seine Schwiegermutter war allerdings schon aufgesprungen und hastete zur Tür. So, als würde sie jemanden erwarten.
"Ah, hallo Hubert."
"Grüß dich."
"Komm rein, wir sind in der Küche."
„Hubert?“, fragte Arno und sah zu Sandra, die nur mit den Schultern zuckte und schnell wieder auf das Rindsgulasch vor ihr am Tisch starrte. Schwere Schritte verschluckten die Trippelschritte seiner Schwiegermutter und da stand er in der Küche. Hubert. Arno musterte ihn. Sein Blick blieb am Hut hängen, den er unter seinen rechten Arm geklemmt hatte. Wie eine Bedrohung reckte sich Arno der Gamsbart entgegen.
"Arno, das ist Hubert. Er ist …“
"Habt ihr jetzt alle komplett den Verstand verloren?" Arno sprang auf, mit derartiger Wucht, dass der Sessel hinter ihm zu Boden donnerte. „Das ist jetzt nicht euer Ernst! Sagt, dass das nicht euer Ernst ist!“
"Arno, jetzt hör doch erst mal", versuchte die Schwiegermutter zu beschwichtigen, während sie nach dem umgefallenen Stuhl langte.
"Lass den beschissenen Stuhl liegen!", fauchte Arno.
„Hubert hat so etwas schon oft gemacht. Das ist quasi dasselbe wie einschläfern. Der spürt da nix“, fuhr sie unbeirrt fort und stellte den Stuhl auf.
„Ganz sicher nicht! Das ist Tierquälerei. Das ist Mord. Das ist … Ach, vergesst es. Ich lass das sicher nicht zu!“
„Du hast doch selber beim Tierarzt nachgefragt.“
„Ja, weil ich unter Schock stand. War eine blöde Idee.“ Arno bereute es, Sandra überhaupt davon erzählt zu haben.
„Aber wie soll das denn weitergehen? Du kannst dieses Vieh nicht behalten. Denk doch an Jonas.“
„Ich bringe meinen Hund nicht um!“
„Ach, aber deinen Sohn schon?“
„Das war ein Unfall! Diego wollte den Kleinen beschützen.“
„Dann fällt er eben andere an. Macht’s auch nicht gerade besser. Nächstes Mal bin dann vielleicht ich das Opfer, wie?“
Fast wäre Arno eine unbedachte Antwort herausgerutscht. Sandras Lippen formten ein stummes O. Huberts Mundwinkel zuckten.
„Ihr könnt mich mal“, murmelte Arno stattdessen, stürzte aus der Küche und verschwand im Büro.

Sandra kam ins Büro. Sie setzte sich ihm gegenüber, den Kleinen auf ihrem Schoß.
„Mutter ist wieder weg.“
Arno nickte. Dann saßen sie minutenlang da und sagten nichts.
„Wie geht’s dir?“, fragte Sandra schließlich.
„Scheiße.“
„Glaub ich dir.“
„Wie geht’s dir?“
„Scheiße.“ Ein kurzes Grinsen, dann senkte Sandra ihren Blick. „Wie soll es denn jetzt weitergehen?“
„Weiß nicht.“
„Wie wäre es denn mit einem Tierheim?“
„Können wir nicht mal fünf Minuten über was anderes reden?“
Sandra schwieg. Jonas fing an zu brabbeln.
„Diego ist zwölf Jahre alt. Er hat ein Kind angefallen. Glaubst du tatsächlich, die Leute stehen Schlange, um so einen Hund zu bekommen?“, fragte Arno.
„Und wenn er dann eben seine letzten Tage im Tierheim verbringt?“
„Hast du mir nicht mal gesagt, du möchtest nie in ein Altersheim? Weil du dir da so abgeschoben vorkommst?“
„Kann man das vergleichen?“
„Ich denke schon.“
Sandra sprach mehr zu Jonas, als sie die nächste Frage stellte. „Und Hubert?“
„Jetzt fang nicht du auch noch damit an!“ Arno war laut geworden.
„Er ist zwölf. Wer weiß, wie lange er überhaupt noch hätte“, sagte Sandra.
„Du magst ihn doch auch, er ist Teil unseres Lebens. Weißt du nicht mehr, wie viel Spaß wir zu dritt hatten? Wie kannst du so etwas sagen?“
Sandra ließ sich Zeit für ihre Antwort.
„Arno. Diego ist ein Hund. Ein Tier. Schau dir deinen Sohn an. Jonas ist jetzt da.“
Arno streifte Jonas mit einem kurzen Blick, schaffte es nicht, seine Augen auf ihm ruhen zu lassen.
„Verdammt noch mal! Schau ihn dir an!“, schrie Sandra und sprang auf. In diesem Moment stürzte Diego unter dem Tisch hervor, das Fell im Nacken gesträubt. Ein bedrohliches Knurren drang aus seiner Kehle.
„Diego!“ Arno griff nach seinem Halsband und hielt ihn fest.
Sandra starrte ihn schockiert an. Sie drückte Jonas fest an sich, ihre Augen wurden glasig.
„Wir sind bei meiner Mutter“, sagte sie.

Arno wartete, bis es dunkel wurde, dann legte er Diego Leine und Maulkorb an und gemeinsam streiften sie durch die Straßen. So, wie sie es früher oft gemacht hatten. Diego trottete gemächlich neben Arno her, die Unruhe seiner jungen Tage war längst Vergangenheit. Arno dachte an die letzten Jahre.
Wie er Diego am nahegelegenen Bauernhof abholt. Der mutigste aller Welpen, der erhobenen Hauptes, fast arrogant, sofort auf Arno zustolziert. Sandra, die sich vor Hunden fürchtete, als sie sich kennenlernten und die drei Wochen später mit Diego auf dem Teppich sitzt, die Arme um ihn geschlungen hat und ihm die lächerlichsten Kosenamen zuflüstert. Sie beide, im Winter mit dem Schlitten, Diego als Schlittenhund vorgespannt, der den Schlitten in den Graben lenkt. Diego, der wasserscheuste Hund auf Erden, wie er beim Angeln versehentlich in den Teich plumpst und sie beide danach stundenlang nicht mehr ansieht, als hätten sie Schuld an seinem Missgeschick. Jonas, der seine kleinen Finger nach Diego ausstreckt, die sich plötzlich in das Fell krallen. Sandra und Arno, wie sie lachend versuchen, die Finger vorsichtig zu lösen. Diego, wie er vor ihm sitzt, seinen schweren Kopf auf Arnos Schoß legt und seinen Schwanz am Fußboden hin und her streifen lässt. Diego mit blutverschmiertem Maul. Arno, wie er ihm liebevoll die braunen Flecken über den Augen streichelt. Diego mit gefletschten Zähnen. Diego, wie er mit seinem schwarzen Fell beinahe majestätisch durch den tiefen Schnee watet. Jonas mit seinem zahnlosen Lachen. Diego, wie er einfach nur da ist.
Arno spürte, wie ihm die Tränen die Wangen hinunterliefen. Schluchzend ließ er sich auf der Gehsteigkante nieder. Diego spürte die Traurigkeit, stieß ihn an, stimmte winselnd in das Geheule mit ein. Arno nahm ihm den Maulkorb ab, vergrub seine Finger im dichten Fell. So saßen sie minutenlang da, er und sein Diego. Dann richtete Arno sich auf, wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und ließ Diego von der Leine. „Lauf“, rief Arno und gemeinsam jagten sie die Straße entlang. Zuerst ganz schnell, Diego bellend und Arno lachend, dann immer langsamer, Diego nur mehr im Laufschritt, die lange Zunge hing aus dem Maul und bewegte sich rhythmisch vor und zurück. Schließlich blieb Arno vor dem Haus stehen, legte seinem Hund Leine und Maulkorb wieder an.
Er presste seinen Daumen auf den silberfarbenen Klingelknopf und hielt drauf, bis sich die Tür öffnete und er endlich losließ, derartig ausgelaugt, als hätte ihn noch nie etwas so angestrengt.
"Hallo Hubert."

 

Hallo Rehla, ich weiß nicht, ob ich etwas nützliches für Deine Gedankenarbeit mit dem Text beisteuern kann, aber ich versuch es mal:

Mit gesenktem Kopf hastete Arno den Gehsteig entlang, den Griff des Kinderwagens … Oje, Familiengeschichte. So war meine erste Reaktion. Dieses Genre tendiert in Kurzgeschichten meiner Ansicht nach dazu, Triviales aufzublasen: meine Freundin hat Schluss mit mir gemacht, ich mag den neuen Typen meiner Mutter nicht, Oma hat sich nach dem Tod von Opa total verändert, nach fünfzig Jahren Ehe läuft der Sex bei Herta und Erwin nicht mehr so richtig. Ok, das als trivial zu bezeichnen, ist vielleicht ungerecht, aber für meinen Geschmack darf es schon etwas brachialer, schockierender, existentieller in einer Geschichte zu gehen. Als Beispiel aus der Literatur fällt mir "Liebe in den Zeiten der Cholera" ein, wo immer auch das Düstere, Mörderische und Unerbittliche des Lebens seinen Platz hat.

Schon der Titel wirkt abschreckend auf mich, denn Jonas ist so ein typischer Vertreter der TopTen-Beliebtheitsliste. Meine Empfehlung wäre, nur dann einen Namen zu verwenden, der längere Zeit auf dieser Liste steht (Jonas steht da seit sechs Jahren), wenn es wirklich ein Klassiker ist (Anna, Alexander, Maria).

Zur Geschichte selbst: Ich finde Du hast sehr vieles richtig gemacht. Die handelnden Figuren werden zwar nicht bis in die letzte Tiefe ausgelotet, aber man kann sich gut vorstellen, wie die ticken. Das Dilemma von Arno wird deutlich und scheint innerhalb seiner kleinbürgerlichen Weltsicht unlösbar zu sein. Das ist gut für die Entwicklung eines Konflikts. Dass er den Hund dann töten lässt, passt zum beschränkten Horizont der beteiligten Figuren. Aber Du verlangst von Deinem Leser sehr viel, wenn Du erwartest, Arnos Sichtweise zu teilen.

Denn was auf mich einen schalen Eindruck hinterlässt ist folgendes: Man tötet einen Freund nicht einfach, weil er einem Probleme bereitet. Und es ist egal, ob dieser Freund ein Mensch, ein Tier oder eine Pflanze ist. Dass der Hund einen Jungen gebissen hat, wurde ja von Arno im Kontext „Das war ein Unfall! Diego wollte den Kleinen beschützen.“ erkannt. Die Verantwortung für die Verhinderung eines solchen Unfalls liegt also bei Arno.

Und was hat das Tier noch verbrochen: Ein bedrohliches Knurren drang aus seiner Kehle. Oh, na dann muss es natürlich getötet werden, das geht nun wirklich nicht.

Versteh mich nicht falsch, Rehla, das ist keine Kritik an Deinem Schreiben. Ich finde es nur schwer, diesen spießbürgerlichen Pseudokonflikt ernst zu nehmen. Dazu trägt vor allem ein Umstand bei:

Vor fünf Tagen noch waren sie eine glückliche Familie. In dieser Zeit hat der Hund einen Jungen gebissen, was ein Unfall war und Arnos Frau angeknurrt. Fünf Tage und diese beiden Vorfälle genügen, um den Hund abzuschreiben. Keine Suche nach jemandem, der den Hund nehmen würde, keine Beratungen mit jemandem, der was von Hunden versteht, keine Recherche, keine irgendwie gearteten Aktionen, um einen Ausweg zu finden. Das wirft ein schlechtes Licht auf den Protagonisten, finde ich.

Und damit komme ich auf meine anfängliche Kritik zurück. Familiengeschichten tendieren dazu, die Welt des Kleinbürgers so darzustellen, als wären Konflikte, die sich einzig aus der Beschränktheit der handelnden Protagonisten ergeben, real. Sicher, für diese Figuren sind sie real, aber als Leser kann man darüber eigentlich nur den Kopf schütteln.

Rehla, Du schreibst: Ich möchte erfahren, ob meine Lust am Schreiben lieber gleich im Keim erstickt werden sollte … Bitte schreib weiter. Ich finde, Du schreibst gut. Auch wenn ich an der Story rumgemeckert habe finde ich, dass Du Talent hast. Ich werde Deine nächste jedenfalls lesen.

Gruß Achillus

 

Hallo Fliege,

ja, stimmt. Auch wenn er sich nicht viel denkt im Moment, den Leser trotzdem daran teilhaben lassen. Irgendwie eh logisch, wenn du es mir jetzt sagst. Danke nochmal!


Hallo zigga,

vielen Dank für deinen Kommentar, dein Lob und deine Ausführungen.

während sich sein gesamtes Hinterteil ... oder?

Klingt auch stimmig.

Das Unterstrichene ist mir etwas zu plakativ, zu viel verraten. Sowas wie: Noch vor fünf Tagen war das anders, fände ich viel besser.

Das kam von einer anderen Seite auch schon. Deine Alternative gefällt mir allerdings besser als ganz weglassen. Werd ich mir anschauen.

Das ist schon nachvollziehbar, aber irgendwie wäre es mir realistischer vorgekommen, wenn er erst seinen Hund wegzieht, sich runter zum Jungen bückt, und dann der Frau hinterherschreit - meinetwegen kann er danach auch erst verstehen, wer da am Boden liegt

Zum Jungen kann er sich nicht runterbücken, weil er damit beschäfigt ist, seinen Hund am Boden festzuhalten, um eventuellen weiteren Attacken vorzubeugen.

Das ist mir etwas, was mir zu kurz kommt in der Geschichte. Wieso hat der Hund den Jungen gebissen?

Warum genau ein Hund wirklich zugebissen hat, bleibt in vielen Fällen ein Rätsel. Aber ich verstehe schon, was du meinst, nur weil es letztendlich vielleicht keinen wirklich Grund dafür gibt, kann der Protagonist sich diese Frage ja trotzdem stellen. In meiner Geschichte sehe ich es aber eher so, dass für Arno wirklich sofort klar ist, dass die Bissattacke als Verteidigung seines Sohnes zu verstehen ist. Man nimmt sich oft gerne die einfachste Erklärung. Deshalb auch keine näheren Ausführungen dazu.

Hast du dir schon mal überlegt, das Fette zu streichen? Ich fände, das davor braucht es nicht, das ist irgendwie bloß heiße Luft, gekürzt wäre der Einstieg wirklich viel geschmeidiger, spannender. Müsstest du halt noch kurz wo mit einbauen, dass Arno den Hund an der Leine hat, damit man das Bild im Kopf hat.

Nein, eigentlich nicht. Für mich ist dieser Einstieg wichtig, weil er zeigen soll, dass Arnos spätere Entscheidung nicht nur mit seiner Familie zu tun hat, sondern auch mit den Leuten drumherum, mit der Gesellschaft.
In dieser Szene hat er den Hund übrigens nicht mit, die Nachbarin sucht ja vergebens danach.

Danke nochmal, zigga, hat mich sehr gefreut.


Hallo Achillus,

auch wenn ich eher an deinem Genre vorbeigeschrieben habe, freue ich mich über deinen Kommentar, vielen Dank! Gedankenarbeit kann ich immer gut gebrauchen.

Mit gesenktem Kopf hastete Arno den Gehsteig entlang, den Griff des Kinderwagens … Oje, Familiengeschichte. So war meine erste Reaktion. Dieses Genre tendiert in Kurzgeschichten meiner Ansicht nach dazu, Triviales aufzublasen:

Das ist natürlich schade, für mich aber wohl eher Geschmackssache. Ich hoffe doch, dass das Wort "Kinderwagen" nicht gleich bei jedem eine derartige Enttäuschung hervorruft. ;)

Schon der Titel wirkt abschreckend auf mich

Mit dem Titel hatten schon viele ihre Schwierigkeiten, auch ich, der soll definitiv noch geändert werden.

Die handelnden Figuren werden zwar nicht bis in die letzte Tiefe ausgelotet, aber man kann sich gut vorstellen, wie die ticken.

Das sehe ich ebenso als meine große Schwachstelle. Ich schramme mit den Charakterisierungen der Figuren leider immer an der Oberfläche entlang, das muss auf jeden Fall noch besser werden. Kann ich gut verstehen.

Daher ist es vermutlich auch schwierig, das gut rüberzubringen:

Vor fünf Tagen noch waren sie eine glückliche Familie. In dieser Zeit hat der Hund einen Jungen gebissen, was ein Unfall war und Arnos Frau angeknurrt. Fünf Tage und diese beiden Vorfälle genügen, um den Hund abzuschreiben. Keine Suche nach jemandem, der den Hund nehmen würde, keine Beratungen mit jemandem, der was von Hunden versteht, keine Recherche, keine irgendwie gearteten Aktionen, um einen Ausweg zu finden. Das wirft ein schlechtes Licht auf den Protagonisten, finde ich.

Noch zum Abschluss:

Familiengeschichten tendieren dazu, die Welt des Kleinbürgers so darzustellen, als wären Konflikte, die sich einzig aus der Beschränktheit der handelnden Protagonisten ergeben, real. Sicher, für diese Figuren sind sie real, aber als Leser kann man darüber eigentlich nur den Kopf schütteln.

Ich hoffe, du liest meine nächste Geschichte auch, wenn ich dir jetzt sage, dass du von mir vermutlich nicht viel anderes als kleinbürgerliche Familiengeschichten präsentiert bekommen wirst. So wie es für dich als Leser vielleicht nicht ganz dein Genre ist, ist es für mich genau umgekehrt. Aber ich arbeite natürlich daran, dass das mehr in die Tiefe geht.

Rehla, Du schreibst: Ich möchte erfahren, ob meine Lust am Schreiben lieber gleich im Keim erstickt werden sollte … Bitte schreib weiter. Ich finde, Du schreibst gut. Auch wenn ich an der Story rumgemeckert habe finde ich, dass Du Talent hast.

Vielen Dank, Achillus, das höre ich gerne.

Gruß,
rehla

 

Dank Dir,

liebe rehla,
fürs Urlaubsangebot, aber ich kann nicht mal einen Urlaubsantrag stellen. Von wem sollte er für einen notorischen Fuß- und Müßiggänger bewilligt werden? Aber schön, dass Du zu Ironie neigst

Ich danke dir für deine ausführliche Begriffserläutung. Ich wusste ja, dass ich hier viel lernen kann über Dinge, die der Mensch unbedingt wissen muss,
oder klingt da doch so’n bisschen „sich belästigt fühlen“ durch?, aber wie der Hundehalter fähig sein sollte, das Verhalten seines Tieres (von den Ohren und der Schnauze übers Fell bis hin zum diskutierten Ende) zu lesen und zu deuten, sollte der Schreibende wissen, woher und wozu, aber auch was ein Wort bedeute. Und wenn Diego
seinen Schwanz am Fußboden hin und her streifen lässt
so „s[ch]wanzet“ er halt im Sinne der schwenkenden Bewegung …

Gruß

Friedel,
der jetzt über seine Weltanschauung nachdenkt (den Piketty aber zu Ende lesen wird, gelt?)

 

Aber schön, dass Du zu Ironie neigst oder klingt da doch so’n bisschen „sich belästigt fühlen“ durch?,

Ach herrje, Friedel, nein! Ein bisschen Ironie ja, die darf sein, aber belästigt fühle ich mich auf keinen Fall. Ehrlich, ich finde die Wortherkunft total interessant, man sollte sich eigentlich viel mehr damit beschäftigen (und dabei sicher so einige Aha-Erlebnisse kassieren), nur mache ich mir selber diese Mühe meist nicht, rein aus Bequemlichkeit. Darum freut es mich doch nur, wenn du das für mich machst.
Ein nächstes Mal kommt bestimmt.

Gruß,
rehla

 

hallo rehla,

deine geschichte fand ich handwerklich gut erzählt. (anschaulich, folgerichtig, in der nötigen ausführlichkeit). der konflikt ist gut ausgearbeitet, die charaktere glaubwürdig, vor allem im dialog.
die biss-situation hätte ich gern etwas dramatischer gehabt.
die tierarzt szene kam mir ziemlich authentisch vor.
wenn ich deinen text nur auf verben, substantive und adjektive hin untersuche und sie einzeln auflisten würde, fehlt mir ab und zu mal ein besonderer wort-leckerbissen, der mich zum weiterlesen reizen würde, wie z.b. bei Sylvia Plath. das ist jetzt keine kritik (du schreibst gut), aber es würde für mich den lesespaß nochmals deutlich erhöhen, wenn es ab und zu ein besonderes wort gäbe (z.B. eine wortneuschöpfung, ein ungewohnteres adjektiv etc.)

lg petdays

 
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rehla sucht einen neuen Titel

Ich hab mitbekommen, rehla, dass einige der Kommys mit dem Titel der Geschichte nicht zufrieden sind, und dir selbst scheint er ja auch nicht recht zu behagen. (Mir hat er ehrlich gesagt auch nicht gerade die Schuhe ausgezogen.)
Deshalb hab ich mir die Geschichte jetzt noch einmal durchgelesen und dabei darauf geachtet, ob mir ein Satz oder ein Satzteil auffällt, der eventuell als neuer Titel taugen könnte.

Und tatsächlich hab ich ein paar Ideen:

Ich bringe meinen Hund nicht um!
Der Satz z.B. scheint mir geeignet zu sein. Aus mehreren Gründen:
Zum einen ist er ein wörtliches Zitat des Protagonisten und das Ausrufezeichen lässt eine Konfliktsituation erahnen. Darüber hinaus veranlasst er durch die Wortwahl vermutlich viele Leser, die Geschichte anzuklicken, wie ein Pawlowscher Schlüsselreiz quasi. Über die suggestive Kraft von Begriffen wie umbringen, Mord, etc. in einem Titel sind wir uns wohl einig.
Und die Hundefreunde (by the way: Hallo Friedrichard) werden auch angesprochen.

Diegos Dilemma
Dieser Titel gefiele mir nicht nur des alliterativen Wohlklangs wegen, sondern weil er gleichzeitig den Grundkonflikt der Geschichte skizziert, ohne deren tragisches Ende vorwegzunehmen. Überdies könnte es ihm womöglich gelingen, so manchen Liebhaber des Western-Genres in den Text zu locken.

Schade um den Hund
Bei diesem Vorschlag wiederum denke ich eher an den bildungsbeflissenen Literaturconnaisseur, der darin vermutlich sofort das literarische Zitat erkennt.
Immerhin ist das der letzte Satz aus einer berühmten Erzählung der Nobelpreisträgerin Marie von Ebner-Eschenbach. (In der es nota bene um den Tod eines Hundes geht.)

Und noch der Vollständigkeit halber:

Hallo Hubert
Das wäre zwar auch eine hübsche Alliteration und obendrein eine quasi augenzwinkernde Pointe, weil es gleichzeitig auch der letzte Satz deiner Geschichte ist. Ob du damit allerdings die Challenge „Bester Titel ever“ gewinnst, wage ich zu bezweifeln, sofern diese Challenge nicht von der Zeitschrift „Der Auerhahn - Waidwerk heute“ veranstaltet wird. Also vergiss es.


Ich hoffe, ich konnte dir helfen, rehla.

offshore :Pfeif:

 

Hallo petdays,

ich danke dir für deinen Kommentar, freut mich, dass dir meine Geschichte grundsätzlich gefallen hat.

wenn ich deinen text nur auf verben, substantive und adjektive hin untersuche und sie einzeln auflisten würde, fehlt mir ab und zu mal ein besonderer wort-leckerbissen, der mich zum weiterlesen reizen würde, wie z.b. bei Sylvia Plath.

Und gleich wieder was dazugelernt, Sylvia Plath kannte ich bis dato nicht. War wohl etwas vor meiner Zeit. Besondere Wortleckerbissen, hmm ... Ich würde behaupten, das bin eher nicht ich, kryptische Andeutungen vielleicht, aber direkt eigene Wortkreationen sind wohl eher nicht so meins. Aber interessant zu wissen, wo man immer wieder mal neu ansetzen könnte, damit es nicht langweilig wird.

Dankeschön!


Hallo Ernst,

Ich hab mitbekommen, rehla, dass einige der Kommys mit dem Titel der Geschichte nicht zufrieden sind, und dir selbst scheint er ja auch nicht recht zu behagen. (Mir hat er ehrlich gesagt auch nicht gerade die Schuhe ausgezogen.)

du zeigst mir gleich, wie das mit den Wortkreationen funktionieren kann.

Sehr nett, dass du dir da so viele Gedanken drum machst, ich bin selber noch keinen Schritt weiter gekommen (in meinem Kopf schwirren derzeit so reißerische Titel wie "Der Richter Mensch" oder so wahnsinnig kreative Titel wie "Diego" herum).

Also wenn ich mir einen aussuchen müsste, dann würde mir der hier noch am besten gefallen:

Ich bringe meinen Hund nicht um!

Der nimmt nämlich im Gegensatz zu den nächsten beiden noch nicht unbedingt vorneweg, dass der Hund am Ende leider dran glauben muss. Ja, ich finde auch das Dilemma nimmt zu viel vorneweg.

Aber zum Glück hattest du ja noch die rettende Idee mit dem hier:

Hallo Hubert

Dazu muss ich jetzt nichts sagen, oder? :D

Wie auch immer, es freut mich echt sehr, dass du mir hier unter die Arme greifen willst. Auf die einfache Idee, den Text nach einem geeigneten Titel zu durchsuchen und diesen eins zu eins zu übernehmen bin ich nämlich noch gar nicht gekommen.

An eine Eingebung glaube ich schön langsam auch nicht mehr.

Vielen Dank, Ernst!

Grüße,
rehla

 

Hallo Maria,

vielen lieben Dank für deinen Kommentar.

Es freut mich, dass du trotz des holprigen Anfangs weitergelesen hast und bis zum Ende gekommen bist und es sogar so scheint, als fandest du die Geschichte nicht ganz so schlecht. Und als Hundefreundin hast du dich schlussendlich auch noch entpuppt. Die Maria überrascht mich immer wieder. :D Aber der arme Jonas kann wohl am allerwenigsten dafür.

Ach ja, persönlich kenne ich übrigens keinen einzigen Arno. Nur mein Hund heißt so ähnlich, hehe. ;)

Ja, sie hat mir gefallen! Ich fand die Beziehung von Diego und Arno wundervoll, und die Schlussszenen herzerweichend. Es war echt schwierig, nicht in Tränen auszubrechen! Ja, du hast alles richtig gemacht und mir den Morgen mit so einer Geschichte versüßt. Vielen Dank dafür.

Wow, das freut mich wirklich sehr.

Ich danke dir, Maria!

Bis bald,
rehla

 

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