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Serie Moritz

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19.01.2015
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Moritz

Moritz war der dickste Junge in der Klasse. Er war ein schwabbeliger Pummel mit fleischigen Jungenbrüsten, behäbig, immer der letzte im Sportunterricht, egal, ob beim Laufen, beim Turnen oder bei der Auswahl für Gruppenspiele. Niemand wollte Moritz bei sich im Team haben. Er konnte hinter keinem Ball herrennen, keinen Korb werfen und wurde beim Völkerball immer als Erster abgeschossen.
Auch in den anderen Fächern hatte er keine besonders guten Noten. Wenn er in Deutsch oder Religion aufgerufen wurde, saß er stumm an seinem Platz und der Mund stand ihm halb offen. Nicht, weil er blöd war oder so, sondern, weil er so schnaufend besser atmen konnte. In Mathe stand er vorne an der Tafel, presste die Lippen zusammen und hielt das Stück Kreide umkrallt, ohne zu wissen, was er damit tun sollte. Seine Schultern hoben und senkten sich in asthmatischem Keuchen. Einzig in Kunst war er nicht schlecht. Zwar zeichnete, hämmerte oder stickte er nie das, was unser Lehrer von uns verlangte, aber er zeichnete, hämmerte und stickte und dabei wirkte er ungewohnt entspannt, fast leicht, und für sein Bemühen bekam er immerhin eine Zwei.

So war Moritz schon gewesen, als wir uns in der weiterführenden Schule kennenlernten und so blieb er auch, wuchs nur in alle Richtungen. Von Anfang an wollte ich immer neben ihm sitzen. Ich fand es unfair, wenn ihn beim Sport niemand in der Mannschaft haben wollte. Bis zur Oberstufe hing ich der naiven Vorstellung nach, dass es beim Spielen doch um den Spaß und nicht ums Gewinnen ginge. Was die anderen Lehrer mit ihm machten, erschien mir ebenfalls ungerecht. Sie sahen doch, dass er nichts zu ihren Themen sagen wollte und lieber schwieg. Ich verstand nicht, wieso sie ihn nicht einfach ließen und gleich Patrizia oder Laura fragten, die sich doch dauernd meldeten und offensichtlich gerne etwas zu den von ihnen erdachten, albernen Grammatik- oder Zahlenprobleme beisteuerten. Dass Moritz die Antworten vielleicht gar nicht hätte geben können, kam mir nie in den Sinn.
Neben mir wollte ja auch niemand sitzen. Das lag daran, dass ich ständig kotzen musste. Ich hatte einen für mein Alter noch viel zu stark ausgeprägten Ekelreflex, der einen unkontrollierten Brechreiz auslöste. Spuckte ein Junge in der Pause auf den Schulhof und ich stand daneben, musste ich mich übergeben. Hatte ein Kind in der Nachbarbank zermatschte Brotkrümmel am Mund, musste ich mich übergeben. Kleckerte jemand beim Tafelabwischen Wasser auf den Boden, in welchem dann Kreidebröcken schwammen und Schlieren zogen, musste ich mich übergeben. Ständig spie ich über den Tisch und konnte es nicht beherrschen oder verhindern. Aber Moritz, den störte das nicht. Er stand dann routiniert auf, holte Papiertücher und half mir unter dem „iiiiih“ und „ääääh“ und „schon wieder“ unserer Klassenkameraden, die Kotze wegzumachen. Mehr als einmal hatte er Flecken von mir an seinem Ärmel. Und wenn ich das sah, musste ich beinahe sofort noch einmal brechen. Dann krempelte er sie schnell hoch oder zog die Jacke drüber und schwitze noch mehr. Davor ekelte ich mich allerdings nie. Und so saßen wir nebeneinander, der Dicke und die Kotzkuh, in jedem Halbjahr wieder, auch, als gemischte Bänke anfingen peinlich zu werden.

Oft sagte ich Moritz ein. Da die Lehrer das bemerkten, entwickelten wir immer feinere Techniken, wie ich ihm die Antworten zuraunen, zuschieben, aufkritzeln oder sonstwie signalisieren konnte. Doch meistens fanden sie es trotzdem heraus. Moritz hingegen brachte mir immer Comics mit. Ich selbst durfte mir keine kaufen. Er schien über einen unerschöpflichen Vorrat an Micky Maus, Donald Duck, Super- und Batman oder auch Asterix und Prinz Eisenherz zu verfügen. Wir blätterten gemeinsam unter der Bank darin herum, kicherten, und wenn die Lehrer etwas merkten und uns aufriefen, hatte ich immer eine mehr oder weniger richtige Antwort parat, während Moritz mit halb offenem Mund keuchte und schwitzte und ich versuchte, ihm etwas zuzuflüstern. Weshalb ich immer etwas sagen konnte – ich wusste es nicht. Vielleicht war es ein Übermaß kindlicher Cleverness, eine perfide Furchtlosigkeit vor dem Versagen oder ein ausreichendes Maß infantiler Unerschütterlichkeit. Ich bekam viel mit und hörte wenig, nahm alles auf und gab es halbsortiert wieder zurück, was den Lehrern ausreichte, mir einigermaßen gute Noten zu geben und mich ansonsten weitgehend in Ruhe zu lassen. Denn wenn ich einmal nichts sagen konnte, lag das wahrscheinlich daran, dass ich gerade sah, wie Patrizia beim uns Auslachen ein wenig Spucke vom Kinn tropfte und ich somit kurz davor war, mich wieder zu übergeben.

In der 7. Klasse begann ich nachmittags nach der Schule Moritz zu besuchen. Es war die Idee seiner Mutter und zunächst ging es darum, ob ich ihm nicht bei den Schularbeiten helfen könnte, ein bisschen Nachhilfe geben. Doch das ließen wir beide bald wieder bleiben, da wir keine Lust dazu hatten. Stattdessen saß ich dann mit Moritz und seinem Vater stundenlang draußen, vor ihrer Garage, und wir spielten Karten. Moritz' Mutter ging arbeiten. Sie war Kassiererin im einzigen Großmarkt im Ort. Er hatte noch eine ältere Schwester, die arbeitete auch und fuhr danach immer zu ihrem Freund, obwohl sie zu Hause noch ein Zimmer hatte. Der Vater von Moritz war krank und arbeitete nicht. Ich wusste nicht, was er hatte. Meistens, wenn ich dort war, schien es ihm gut zu gehen. Er lachte auch viel. Manchmal allerdings zitterten seine Hände so stark, dass er seine Spielkarten nicht halten konnte. Dann benutzte er einen Ständer, auf dem er sein Blatt aufreihte, und die einzelnen Karten nur herausziehen und vor uns auf den Tisch werfen musste. Wohin sie durch sein Zittern flogen, war uns egal. Meine Eltern gingen beide arbeiten und ich fand es schön, dass hier immer jemand da war. Moritz' Familie hatte keinen Garten, so wie wir. Stattdessen saßen wir in diesem Sommer um einen Plastiktisch mit bedruckter PVC-Decke vor ihrer offenen Garage, wo wir lachten und auch grillten, während links und rechts um uns andere Mieter ihre Autos vorfuhren, parkten, wuschen und hin und wieder ein Fahrrad reparierten. Die Familie von Moritz besaß kein Auto. Zumindest stand nie eins in der Garage. Dort waren nur der Grill und Gerümpel.

Einmal liefen Moritz und ich nach der Schule gemeinsam zu ihm nach Hause. Es hatte sich routiniert, dass sein Vater für mich mitkochte und ich den Nachmittag dort verbrachte. Meine Mutter war froh mich versorgt zu wissen und kein schlechtes Gewissen haben zu müssen, dass ich sonst alleine zu Hause wäre. Wir gingen über den Friedhof, der gegenüber der Schule lag. Man konnte ihn auch umrunden, doch quer hinüber war kürzer und wenn gerade keine Beerdigung stattfand, schaute uns Kinder mit den großen bunten Tornistern auch niemand böse an. Wir redeten nicht, da wir nicht wie viele Erwachsene fanden, dass man das ständig tun müsse, sondern trotteten einfach in angenehmem Schweigen nebeneinander her. Ich beobachtete meinen Turnbeutel, den ich festhielt und beim Laufen mit jedem Schritt wegtrat, dass er hochflog. Moritz schaute in die Gegend.
„Guck mal“, sagte er plötzlich. Ich ließ den Turnbeutel baumeln und schaute hoch. In einiger Entfernung lümmelten sich einige 9. und 10. Klässler hinter einem Grabstein. „Die rauchen bestimmt wieder“, meinte ich. Das taten sie hier öfter, manchmal sogar in den Pausen, obwohl es natürlich verboten war, währenddessen den Schulhof zu verlassen. Aber das interessiert mich eigentlich nicht weiter.
„Patrizia ist bei ihnen“, sagte Moritz.
„Echt?“, fragte ich und schaute nun genauer, konnte aber niemanden richtig erkennen. Vielleicht brauchte ich damals schon eine Brille. Ich kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und starrte konzentriert. Das bemerkten zwei, drei der größeren Jungs und machten sich untereinander auf uns aufmerksam. Der Dicke und die Kotzkuh.
„Ey, was guckst'n so!“, rief einer herüber. Ich verstand es erst nicht: „Hä?“ rief ich zurück. Das war nicht besonders clever. Die Gruppe kam nun auf uns zu. Es waren doch mehr, als ich aus der Entfernung gedacht hatte: sechs Jungs und vier Mädchen und eine von ihnen war tatsächlich Patrizia. Das erkannte ich, als sie näherkamen.
„Komm“, sagte Moritz, griff mich am Arm und wollte mich wegziehen. Ich verstand nicht so ganz, was das alles sollte, weder, weshalb die jetzt zu uns herüber kamen, noch, wieso Moritz es plötzlich so eilig hatte. Doch als ich sah, wie schnell sich die Gruppe nun näherte stieg in mir ein diffuses Unwohlsein auf. Ich folgte Moritz hastig ein paar Schritte. Dann waren die ersten Jungs heran.
„Hey, was macht ihr denn hier?“ fragte einer von ihnen. Die anderen begannen uns einzukreisen. Moritz keuchte schwer und war knallrot im Gesicht.
„Wir gehen nach Hause“, sagte ich.
„Nach Hause? Ihr beide zusammen? Geht ihr etwa miteinander?“, fragte der Wortführer. Die Mädels kicherten, die Jungs machten „uuuuhh“, Patrizia wurde nun auch rot. Ich verstand nicht, was die von mir wollten.
„Wir gehen miteinander nach Hause, ja“, sagte ich und stellte fest, dass meine Stimme heiser war, ohne dass ich wusste, warum. Nun lachten alle und kamen noch näher. Der eine Junge boxte den anderen in die Seite: „Ey, haste gehört, die gehen zusammen nach Hause.“
„Der Dicke und die dumme Kotzkuh“, antwortete der und kicherte.
„Wen nennst du hier 'dumme Kotzkuh'“, sagte nun Moritz. Er sprach auch sehr leise und krächzend und er schaute dabei Patrizia an, obwohl diese noch gar nichts gesagt hatte und ich glaube, er tat das auch nicht absichtlich. Oder vielleicht doch, keine Ahnung.
Wieder machten die Jungs „heeee“ und „uuuaah“ und „hey, hey“ und der eine rempelte Moritz von hinten an, so dass der zwei Schritte nach vorne stolperte und im gleichen Moment riss mir ein anderer von der Seite meinen Turnbeutel aus der Hand und hielt ihn hoch in die Luft wie eine Trophäe.
„He“, rief ich, doch aus meinem diffusen Unwohlsein war nun inzwischen eine undefinierte aber handfeste Angst geworden und so sprach ich sehr leise und ein 'Was soll das!', das ich eigentlich noch hatte hinterher schieben wollen, blieb mir im Hals stecken. Der Junge, der meinen Turnbeutel genommen hatte, riss diesen nun auf und begann meine Sportsachen herauszuwühlen, meine kurze Hose, das verschwitze Shirt, die alten, stinkenden Schuhe.
„Seht mal, guck mal hier“, rief er dabei und verteilte meine Turnkleidung an die anderen. Diese begannen an meinem Shirt und den Schuhen zu riechen und es war mir unerträglich peinlich ohne, dass ich in diesem Moment hätte sagen können, warum.
„Hier, guck mal, wie das stinkt“, sagte einer.
„Wie müssen erst die Sachen von dem Dicken stinken!“, rief eines der Mädchen. Ein Junge nahm meine Hose und rieb sich damit in den Achseln herum, was ich sehr eklig fand. Ich spürte, dass ich mich gleich würde übergeben müssen. Schon stieg mir die Kotze in den Mund. Aber da geschah etwas Sonderbares oder besser, etwas Besonderes.
Ich stand schon halb zusammengekrümmt und presste mir beide Hände vor den Mund, da sah ich aus den Augenwinkeln, wie ein Ruck durch Moritz ging, seine ganze Gestalt schien sich zu straffen und von einer Sekunde auf die andere viel weniger zu schwabbeln und er ging auf den Jungen mit meiner Sporthose zu, entriss sie ihm, schubste ihn zurück, griff dann auch nach dem Beutel und einem Schuh, der sich in Reichweite befand, stellte sich damit vor mich und sagte sehr laut und mit sehr fester Stimme: „Lasst sie in Ruhe!“ Da ich gekrümmt war sah ich nicht genau, was dann geschah, sah auch Moritz nicht mehr richtig, roch ihn nur, da er nun ganz dicht vor mir stand und er roch beruhigend nach sich selbst, wie immer ein bisschen verschwitzt, ein bisschen nach Knoblauch und nach kaltem Frittierfett, die Hände mit meiner Hose ein wenig nach Knetgummi und Fahrradschmiere. Aber dieser Geruch war überhaupt nicht eklig, sondern ganz im Gegenteil betörend vertraut. Er strömte er eine beruhigende Geborgenheit aus, wie ich sie noch nie zuvor bei einem Menschen außer meiner Mutter empfunden hatte. Und ganz plötzlich hatte ich gar nicht mehr das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Langsam richtete ich mich auf, ließ meine Hände vom Mund sinken, stand dann schon ganz gerade neben Moritz und sagte ebenfalls laut und mit fester Stimme: „Genau. Lasst uns in Ruhe!“ Dann sah ich Patrizia direkt ins Gesicht: „Lass uns in Ruhe!“, wiederholte ich. „Haut ab!“, sagte Moritz. Die Gruppe um uns war erstarrt. Keiner lachte mehr oder machte noch „iiiih“.
Da sagte Patrizia: „Kommt, lasst uns abhauen. Lasst doch die Freaks. Ist doch egal. Lasst uns gehen.“ Sie versuchte sich betont lässig umzudrehen, doch es gelang ihr nur halb. Die Jungs begannen nun ebenfalls sich zurückzuziehen. Sie grummelten. „Scheiße“, murmelte einer. „Fettsack!“ rief ein anderer. Ein dritter spuckte in unsere Richtung. Es war mir egal. Mir wurde nicht schlecht. „Kotzkuh“, kam es von irgendwo und ein halbverlegenes Lachen begleitete das Wort. Mein Sportshirt flog durch die Luft und landete auf einer Friedhofshecke. Moritz und ich standen nebeneinander und plötzlich stellte ich fest, dass wir uns an den Händen hielten. Ich konnte nicht sagen, wann er meine oder ich seine gegriffen hatte. Die Gruppe zog sich zurück. Ein paar Wort- und Lachfetzen flogen noch um uns, einen hörte ich noch Patrizias Namen sagen. Dann hatten sie sich wieder hinter irgendwelchen Grabsteinen verkrümelt.

Ich war unglaublich erleichtert und hatte das Gefühl so frei und ohne einen Anflug von Übelkeit atmen zu können, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Moritz hingegen begann in meiner Hand zu zittern. Ich drehte mich zu ihm um und konnte es da auch ganz deutlich sehen, wie sogar unter seiner Jacke sein Fett wabbelte, weil er so stark bebte.
„Was ist mit dir?“, fragte ich erstaunt, da ich mich selbst so gut fühlte und ließ ihn los. Da sank er auf die Knie, fiel nach vorne und stützte sich mit den Händen auf.
„Ic … “, er krächzte und brauchte einen zweiten Anlauf: „Ich sammle eben dein Sportzeug ein“, nuschelte er dann und begann auf allen Vieren meine Shorts und meinen einen Schuh zusammenzuklauben und in den nun dreckigen Beutel zu stopfen. Ich lief vor, sprang hoch und fingerte nach meinem Shirt, das im Gebüsch hing.
„Wo ist der zweite Schuh?“, rief ich. Moritz ächzte von hinten, rappelte sich umständlich hoch und streckte mir meinen Turnbeutel entgegen. Dabei wabbelte er immer noch aber schon viel weniger als zuvor, nur noch ein bisschen.
„Weiß nicht“, krächzte er. Da nahm ich wieder seine Hand und wir liefen los über den Friedhof zu Moritz nach Hause. Ich hielt links und rechts nach meinem zweiten Schuh Ausschau, sah ihn aber nirgends. Bei Moritz angekommen zitterten unsere Knie immer noch aber wir redeten uns ein das sei deshalb, weil wir die ganze restliche Strecke gerannt waren. Sein Vater wartete schon mit dem Mittagessen. Wir erzählten ihm nichts und sprachen auch selbst nie wieder von diesem Erlebnis auf dem Friedhof. Aber seitdem musste ich mich nie wieder übergeben, wenn ich etwas eklig fand. Das stellte kurze Zeit später sogar meine Mutter fest und war sehr erfreut darüber.
„Die Schule härtet halt ab. Gut so“, sagte sie. Ich schwieg, weil ich sie lieb hatte. Beim nächsten Sportunterricht musste ich in Socken teilnehmen und behauptete, ich hätte meine Schuhe vergessen. Am Wochenende suchte ich ihn dann heimlich mit Moritz den Friedhof ab. Er entdeckte meinen zweiten Schuh auf einem Grabstein stehend. In der Nähe fand gerade eine Beerdigung statt. Als ich auf das Grab lief, um ihn vom Stein zu klauben, schauten die Leute böse herüber.

So vergingen unsere Jahre. Nach der 8. Klasse blieb Moritz sitzen. Noch ein Jahr später ging er ganz von der Schule. Ich war erst sehr traurig darüber, hatte aber bald keine Zeit mehr an ihn zu denken, da meine Mutter mich triezte. Die Lehrer hatten ihr gesagt, ich könnte mehr leisten und viel besser sein, wenn ich mich mehr konzentrieren und lernen würde. Ich war allerdings bockig genug, mein Abitur nur mit einem mittleren Dreier-Schnitt zu bestehen und dann wegzugehen.

Moritz traf ich erst knapp 20 Jahre später bei einem Klassentreffen wieder.
Als er durch die Tür des Lokals hereinkam, in dem die im Ort Verbliebenen sich regelmäßig, die öfter Wiederkehrenden sich jährlich und alle anderen, Ausgewanderte und Studierte wie ich, sich nur zu runden Anlässen trafen, erkannte ich ihn sofort. Vor allem war er groß geworden, der Moritz. Knapp zwei Meter würde ich ihn nun schätzen. Dick und speckig war er immer noch. Kein Wandel vom hässlichen Entlein in einen durchtrainierten Mister Right, dem die Frauen am Bizeps hingen. Aber durch seine Größe wirkte er nun kompakter und nicht mehr so schwabbelig. Mit Boxen habe er vor über zehn Jahren angefangen, erzählte er mir als Erstes, nachdem auch er mich erkannt und sich sichtlich erfreut zu mir gesetzt hatte, die anderen Klassenkameraden einfach von der Bank drängend. Er war also jetzt nicht nur kräftig, sondern auch stark unter seinem Speck. Er hatte einen langen, sehr dünnen Zopf, trug schwarze Sachen, ein Shirt mit dem Schriftzug eines bekannten Onlinespiels und machte jetzt irgendwas mit IT oder Web-Administration oder Gamedesign oder so.

Wir lachten, erzählten uns, was wir so getrieben hatten, die vergangenen Jahre, und heute so trieben, tranken zusammen Bier – zum ersten Mal überhaupt. Und dafür hatten wir beide erst über 30 werden müssen, stellten wir fest. Dann beschlossen wir, woanders hinzugehen, da wir keine Lust auf die restlichen Quarktaschen mit ihren Betriebsgeschichten, Hausbauproblemen und Familienbildchen hatten. Und so kehrten wir in die nächste Eckkneipe ein, wo es Dart gab und Stammtische und dieselben ewigen Barhocker, die wahrscheinlich schon zu unserer Schulzeit dort gesessen hatten. Aber vielleicht waren es auch inzwischen ihre Kinder, unsere ehemaligen Klassenkameraden. So saßen wir und plauderten und es fühlte sich an wie früher.

„Und, musst du immer noch ständig kotzen?“, fragte mich Moritz. Ich kicherte albern.
„Nee, gar nicht mehr. Seit dieser Sache auf dem Friedhof nicht mehr. Erinnerst du dich daran? Wo wir … “ Moritz unterbrach mich indem er nickte. Er lächelte auf den Tisch.
„Ja. Ja, das weiß ich noch. Das war … “ Nun unterbrach er sich selbst. Auch ich lächelte nun. Wir sahen uns nicht an und schwiegen eine Weile, tranken, sinnierten. Man musste auch nicht immer reden, wie typische Erwachsene.
„Eigentlich“, sagte Moritz dann, „also, irgendwie hätte ich die Zeit von damals gern zurück.“
„Wirklich?“ Ich war erstaunt. Das hätte ich nicht gedacht.
„Ja“, fuhr er fort, „damals war alles so … unanstrengend. So klar. Also, ich weiß nicht, eigentlich war es auch total furchtbar. Aber irgendwie auch ganz leicht. Du warst einfach immer da und wir haben gelacht und Karten gespielt und es war halt einfach so gut, wie es war. Du hast nie Ansprüche an mich gestellt oder versucht mich zu ändern. Hast mir nicht gesagt, dass ich in irgendwas schlecht bin oder irgendwas nicht kann oder mir was vorgeworfen, wie die Lehrer oder die anderen.“ Er nickte mit dem Kinn in einem Bogen über den Tisch, obwohl da ja niemand saß: „Du hast mich einfach sein lassen wie ich war.“
Ich war gerührt und verlegen, schwieg wieder kurz, antwortete dann: „Ich habe dir aber auch nie gesagt, dass du in irgendwas gut bist.“
„Aber mit dir hat es sich gut angefühlt“, widersprach Moritz, „das hätte ich gerne zurück. Genau diese Jugend. Den Rest nicht. Aber das schon.“
Ich schaute Moritz nun intensiv an und sah zum ersten Mal den Mann, der er geworden war. Nicht schön oder markant oder herausragend. Und doch gerade in seiner unaufgeregten Ehrlichkeit besonders. Ein anderes Leben, dachte ich. Ein anderes Leben, das ich hätte führen können. So weit weg und so real zugleich. Was wäre gewesen wenn. Ich dachte an die vielen Männer, die ich seit der Schulzeit kennengelernt oder auch gehabt hatte. Paul, der Künstler, Stefan, der Modefotograf, Birol vom Film, Mark, der Wanderer. Promovierte Geisteswissenschaftler, ausstellende Künstler, Musiker, Medienmacher – die ganze verkappte, hartzende Berliner Boheme. Das war meine Version der Flucht. Ich hatte mich entschieden, vor Jahren schon und ein Gedanke an Reue hieße, die Verschwendung verstehen zu wollen. Doch das wollte ich gar nicht. Niemand wie Moritz war dabei gewesen. Moritz war ein anderes Leben.
„Ja“, sagte ich nun zu ihm und schaute fest in seine mattblauen Augen: „Ja! Diese Jugend wünsche ich mir auch zurück.“ Ich legte meine Hand in die seine und wir lächelten uns an, froh darüber, einfach hier und für uns zu sein. Dann schwiegen wir wieder und tranken.

Später fuhr Moritz mich nach Hause. Wir umarmten uns fest. Mehr geschah nicht. Wir tauschten unsere Mailadressen aus, schrieben uns aber nie. Denn das war ja das Schöne, an der vergangenen Kindheit, dass man sie idealisieren, in der süßen Erinnerung an den anderen wiederfinden und immer wieder träumen konnte, ganz ohne Realität. Zwei Tage später reiste ich wieder ab, in meine stinkende und laute Medienmacher-Metropole. Zu den Hipsterbärten und Matetrinkern. Denn Moritz und ich, wir hatten uns beide entschieden.

 
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Hallo in die Runde,
hier kommt der Beginn einer lockeren Serie. Dabei geht es um eine Protagonistin (auch wenn das Geschlecht manchmal vielleicht erst im 3. oder 4. Absatz deutlich wird ;)) und ihrer Auseinandersetzung mit jeweils einem anderen Menschen pro Geschichte. Streng genommen gehört die http://wortkrieger.de/showthread.php?55361-Fassade auch schon dazu, doch da wusste ich noch nicht so ganz, dass es nun wohl doch eine Serie werden wird. In Zukunft werde ich die zugehörigen Geschichten immer nach der jeweiligen Person benennen, um die es geht. Und selbstverständlich ist jede Story in sich geschlossen.
Ich freue mich über Kritik und Feedback! :)
Mit den sonnigsten Grüßen
die heiterbiswolkig

 
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Hallo heiterbiswolkig.

Ich habe Deine Geschichte gerade gelesen.
Und ich behandle sie jetzt mal geschlossen wie sie sein soll.

Nun ja, es hat interessant angefangen, da man nicht wusste was kommt.Das wusste man bis zum Schluss nicht.
Um ehrlich zu sein fehlt mir etwas Spannung oder eine Wende. Halt etwas, was es besonders macht
Ich möchte von einer Geschichte begeistert werden und sie dann vielleicht auch jemanden vorschlagen.
Aber bei deiner, die nicht schlecht ist, könnte ich nichts spannendes zum Weiterempfehlen sagen.
Verstehst Du was ich meine?

Schau noch mal über den Text, Du hast manchmal Buchstaben ausgelassen.
Ansonsten, gut geschrieben, der Inhalt ist verständlich, geordnet und flüssig zu lesen.

Weiter so.
LG

 
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Badman

Batman! Der Mann heißt Batman! Ungläubige! *schwenkt eine aus Comics zusammengebastelte Fackel und trägt eine billige Batmanmaske*

Er hatte einen langen, sehr dünnen Zopf, trug schwarze Sachen, ein Shirt mit dem Schriftzug eines bekannten Onlinespiels und machte jetzt irgendwas mit IT oder Web-Administration oder Gamedesign oder so.

Wie ich das geahnt habe!

„Du hast mich einfach sein lassen wie ich war.“ Ich war gerührt und verlegen.

Das wirkt etwas unglücklich platziert. Dadurch kann man annehmen, dass sie den Satz gesagt hat.

„Ich habe dir aber auch nie gesagt, dass du in irgendwas gut bist“, gab ich zurück.

Die Zeile passt eher davor, dann kannst du auch das "gab ich zurück" weglassen, das an dieser Stelle konstruiert wirkt.

****

Ich weiß nicht was ich daraus mitnehmen soll. "Wenn du in Ordnung bist, aber nicht gut aussiehst, hast du keine Chance auf eine erfolgreiche Frau, also lass dir mal schnell einen Hipserbart wachsen und werd' ironisch, wie all die anderen Spinner"?

Moritz ist ne arme Wurst, wie sie vermutlich jeder aus seiner Schulzeit kennt. Das dicke Kind, mit dem keiner was zu tun haben wollte, weil er ja so schwach und immer leise war, dass man seine Anwesenheit entweder komplett vergaß oder zu den Idioten gehörte, die seine passive Art ausnutzten, um sich selbst zu profilieren. Ich empfand ihm beim lesen als angenehmeren Charakter als Madame, da er tatsächlich einen Charakter zu haben schien, während sie die typische Studententrulla war, die einem an jeder Straßenecke nachgeworfen wird.

Insgesamt wirkt es nicht wie eine volle Geschichte auf mich, aber das will es ja auch gar nicht sein. Es ist eher ein Stück aufgeschriebene Erinnerung und an sich ganz gut. Souverän erzählt, flüssig zu lesen, ein schmackhaftes Stück Literatur.

Wenn Madame nur nicht so flach und austauschbar wäre ...

 
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Hey, vielen Dank für diese unglaublich schnellen ersten Rückmeldungen!

Liebe Drakon,
ja, ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Dass es keine Spannung gibt, da würde ich zustimmen, dass es nichts Besonderes gibt, da würde ich natürlich eher widersprechen .. ;)
Worauf bezieht sich dein Nachsatz am Ende?

Das wusste man bis zum Schluss nicht.


Hallo NWZed,
herje – wie konnte ich mich nur dieses Fauxpas schuldig machen! Ich entschuldige und verneige mich vor allen Superhelden :huldig:

Ja, so recht gelingt es mir nie, sympathische Protagonistinnen zu kreieren. Ich finde das aber auch gar nicht so schlimm und würde auch nicht zustimmen, dass sie flach konstruiert ist. Austauschbar ja, aber welche fiktive Figur ist das nicht? (Außer Batman natürlich … ;))
Vielleicht geht es auch gar nicht so sehr darum, ob die beiden oder jeder für sich „sympathisch oder unsympathisch“ sind, sondern eher darum, dass zwei Menschen zusammen kommen, die beide ein stückweit Stereotype und beide eben dadurch auch anders (Außenseiter) sind und dann in dieser Konstellation irgendwie versuchen zurechtzukommen.
Du schreibst, dass du geahnt hast, wie Moritz nun aussehen würde: Wenn er sich doch gewandelt hätte, Schönling, athletisch usw. - hättest du dann geurteilt: „Oh, so eine überraschende Wendung! Damit hätte ich jetzt gar nicht gerechnet!“ … ? Wie du auf eine „erfolgreiche Frau“ kommst weiß ich auch nicht so genau oder darauf, dass es er sie nicht "bekommen könnte": die beiden wollen doch gar nix Sexuelles voneinander.

Den Dialog schaue ich mir nochmal genauer an. Danke für deine Zeit! :)

Die sonnigsten Grüße
von heiterbiswolkig

 
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… warum sie nicht immer gleich Patrizia oder Laura fragten, die sich doch dauernd meldeten und sich offensichtlich gerne mit den Lehrern über ihre albernen Grammatik- oder Zahlenprobleme unterhielten
Oder doch gleich mich? Denn,

liebe Wetterfee,

so kommt man dieser Geschichte, die fast jeder aus seiner Schulzeit zu kennen glaubt, noch mal ein bisschen näher. Aber wie viel mehr müsste ich da über der verflossenen Jugend trauern? Ich möchte nicht mal 20 sein. Naja, 26 vielleicht ...

Es ist vor allem die Zeichensetzung (der Kriegsfuß ist aber gigantisch, gelt?) Einfach und doch erkennbar: Steht der Nebensatz zu Anfang, gibt’s Probleme. Da hülfe Möbelrücken (wie ich hypothetische Umstellungen des Satzes nenn), und das schon bei erkennbaren Relativsätzen

Was die anderen Lehrer mit ihm machten[,] erschien mir ebenfalls ungerecht.
Dass Moritz die Antworten auf ihre Fragen vielleicht gar nicht hätte geben können[,] kam mir damals nicht in den Sinn.
Sie sahen doch, dass er nichts zu ihren Themen sagen wollte, lieber schwieg[,] und ich wusste nicht, wieso sie ihn nicht einfach ließen, verstand ohnehin nicht, …
(Aneinanderreihung)

Und kleinereSätze von kleistschem Ausmaß sind besonders gefährdet

Wir blätterten gemeinsam unter der Bank darin herum, kicherten[,] und wenn die Lehrer etwas merkten und uns aufriefen[,] hatte ich immer eine mehr oder weniger richtige Antwort parat[,] während Moritz mit halb offenem Mund keuchte und schwitz[t]e[,] und ich versuchte ihm[,] unterdrückt etwas zuzuflüstern
Wohin sie durch sein Zittern flogen[,] war uns egal.
Wir lachten, erzählten uns[,] was wir so getrieben hatten, die …
Dann beschlossen wir[,] woanders hinzugehen, da …

Er nickte mit dem Kinn in einem großen Bogen über den Tisch[,] obwohl da ja niemand saß, aus unserer alten Klasse.
Alles andere nicht[,] aber das schon.“

Hier – ich vermute, so wird landschaftlich bei euch gesprochen – ist „einsagen“ eher ein „vorsagen“
Oft sagte ich Moritz ein.
(also nicht unbedingt reparaturbedürftig)

Und hier ähnlich (landsch. bedingt, aber doch reparaturbedürftig)

Doch das ließen wir beide[…] bald wieder bleiben.

… saß er stumm an seinem Platz und der Mund stand ihm halb offen, jedoch nicht, weil er blöd war oder so, sondern, weil er so besser schnaufend atmen konnte.
Da juckt’s mich nach dem Konjunktiv, denn können ist ja schon einer … „…, jedoch nicht, weil er blöd wär oder so, sondern, weil er so besser schnaufend atmen könnte."

Kann nicht ausschließen, dass auf die Schnelle noch was durchgerutscht ist … sagt der

Friedel

Nachtrag:
Badman klingt doch besser als Fledermäuserich ...

 
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Du schreibst, dass du geahnt hast, wie Moritz nun aussehen würde: Wenn er sich doch gewandelt hätte, Schönling, athletisch usw. - hättest du dann geurteilt: „Oh, so eine überraschende Wendung! Damit hätte ich jetzt gar nicht gerechnet!“ … ?

Nein. Dann hätte ich auch gesagt "Wie ich das geahnt habe!"
In meinem Kopf hatte ich zwei Alternativen: a.) Er macht nen Komplettwandel und wird auf einmal zum Schönling b.) Er wird Programmierer.

Es sind IMMER diese zwei Alternativen. Es hätte mich überrascht, wenn er auf einmal Scheißefahrer geworden wäre, mit Vokuhila, Rotzbremse und Asideutsch, aber so ist er brav die Stereotypenstraße entlang getuckert und hat brav auf sein Navi gehört!

Wie du auf eine „erfolgreiche Frau“ kommst weiß ich auch nicht so genau

Sie beschreibt ihren Werdegang; Abi mit 2er Schnitt, Studium, "Künstlerfreunde"; das klingt für mich nach einer sehr erfolgreichen Frau. Wenn sie stattdessen mit Bierbüchse im Sessel sitzt, Richtersendungen schaut und mit ihrem Nachbar um die Wette furzt, sehen wir das als Leser nicht und sind unseren eigenen Gedanken überlassen.

oder darauf, dass es er sie nicht "bekommen könnte"

Weil sie's gedanklich klar stellt, dass keinerlei Interesse daran besteht. Sie bevorzugt ihre ironischen Hipsterbartträger, die natürlich nur aus Ironie wie alle anderen sind, diese höchst individuellen Geschöpfe! (Ja, ich neige dazu, mir zu viele Gedanken über solche Dinge zu machen *g*)

Ich entschuldige und verneige mich vor allen Superhelden

Nicht vor allen Superhelden. Nur vor der Gerechtigkeit. Nur vor der Nacht. Nur. Vor. Batman!

 

Aaaaalso, liebe/r NWZed,
ich glaube der Knackpunkt deiner Ansichten liegt hier (auch wenn du versucht hast den Satz in () zu verstecken ;)):

Ja, ich neige dazu, mir zu viele Gedanken über solche Dinge zu machen
Vielleicht magst du dich einmal ein wenig von deinen Gedanken lösen und mehr dem Text zuwenden und an diesem entlang argumentieren? Ich zeige dir, was ich meine:

Thema: „erfolgreiche Frau“. Du liest:

Abi mit 2er Schnitt, Studium, "Künstlerfreunde"; das klingt für mich nach einer sehr erfolgreichen Frau.
ich schrieb:
mein Abitur doch nur mit einem mittleren 2er-Schnitt zu bestehen … Promovierte Geisteswissenschaftler, ausstellende Künstler, Musiker, Modemenschen, Medienmacher – die ganze verkappte, hartzende Berliner Boheme.
Für dich ist allein die Tatsache, dass jemand Abitur macht und studiert (was wird nicht gesagt) erfolgreich? Oder jemand, nur weil er in Berlin wohnt und sich „Künstler“ nennt – auch wenn er von Hartz IV lebt? Erfolgreich?

Thema: „sie haben nix miteinander“. Du liest:

Weil sie's gedanklich klar stellt, dass keinerlei Interesse daran besteht.
Ich schrieb:
Wir küssten uns nicht und verspürten auch kein Verlangen danach. Wir tauschten unsere Mailadressen aus, schrieben uns aber nie.
Es geht also von keiner Seite aus.
Du liest:
Sie bevorzugt ihre ironischen Hipsterbartträger
Ich schrieb:
Zwei Tage später reiste ich wieder ab, in meine stinkende und laute Medienmacher-Metropole. Zu den Hipsterbärten und Matetrinkern. Denn ich war nun kein Kind mehr und mit denen fickte ich heute.
Sind die Worter „stinkend“, „laut“ und „ficken“ für dich liebevolle Redewendungen des Bevorzugens?

Mh, also ich sehe in deinen Argumenten nicht den Text, sondern wohl eher „die vielen Gedanken, die du dir zu solchen Dingen gemacht hast“.

Lieber Friedel,
danke schonmal für deine zahlreichen Hinweise! Ich schau später danach und dann gibt es noch eine Antwort.

Die sonnigsten Grüße
von heiterbiswolkig

 

Hallo,

eigentlich ist der Titel falsch gewählt, denn es ist an sich keine Geschichte über Moritz, sondern über die Protagonistin, die Erzählerin. Für mich persönlich ist das auch keine Kurzgeschichte im klassischen Sinn, sondern eher eine rasche Nacherzählung mit einem kurzen Dialog am Ende, der das irgendwie aufklären soll.

Der Fokus liegt viel mehr auf der Erzählerin. Wer ist sie, was macht sie aus, was macht sie richtig? Moritz bleibt der Schwabbel, der da mit offenem Mund rumsitzt. Selbst bei dem Teil ihrer Sympathiebekundung ihm gegenüber erklärt sich dem Leser mehr über sich, als über Moritz. Warum sie immer etwas sagen konnte, zu Beispiel. Das lässt sie sehr eitel erscheinen. Ich frage mich die ganze Zeit, wie ist die Erzählerin denn nun tatsächlich zu Moritz positioniert. Das kommt ja nie so ganz raus. Mich würde in so einem Text die Motivation interessieren, so einem Außenseiter zu helfen, und in welchen Konflikt sie sich dadurch bringt. Ansonsten sehe ich hier nämlich keinen Konflikt. Sie hilft ihm ein bisschen, spielt in seinem kleinen Asi-Zuhause Karten mit dem kranken Papa - aber man erfährt da keine zweite Ebene. Warum, wieso, weshalb? Das liegt meineserachtens daran, dass du dich in diesem Text kein bisschen für die Figuren interessierst. Am Ende ist dieses Fazit doch: "Alles bleibt, wie es ist. Ich fick mit Typen, die ich eigentlich doof finde, aber der unaufgeregt ehrliche Fettsack, ja, was ist eigentlich mit dem?" Das ist so etwas zerfahren, da kann ich nichts mit anfangen.

Der Dialog. Spricht man so? Ich finde den sehr artifziell. Der haut einfach so einen total zusammenhängenden Satz raus, das wirkt so klar gefasst und selbstbewusst, aber das gibt deine Figur nicht her, dafür gibt es kein Indiz in dem Text vorher. Da ist kein Tasten, keine Unruhe, keine Anspannung, das ist wie abgelesen vom Kärtchen. Klar weiß ich, was du sagen willst, aber so liest es sich einfach sehr hölzern. Ich würde das zaghafter gestalten, tastender, nicht so mit dem Hammer.

Meine Meinung: Die Grundidee ist okay, aber für mich geht das in keine Richtung. Ich würde mir hier etwas Szenisches wünschen, etwas mit mehr Dialog, wo vielleicht durch den Dialog noch mehr beleuchtet wird von ihrer gemeinsamen Vergangenheit. So steht das alles im Raum und ich weiß nicht, wohin damit.

Gruss, Jimmy

 

Für dich ist allein die Tatsache, dass jemand Abitur macht und studiert (was wird nicht gesagt) erfolgreich?

Studium schafft nich jeder, Abi mit so einem Schnitt auch nicht; wenn du davon ausgehst, dass diese Dinge absolut alltäglich sind, muss ich dich enttäuschen. Ich kenne viele Leute, die entweder in der 9ten Klasse abgegangen sind, ihr Abi nicht geschafft haben oder exmatrikuliert wurden. Ob ich sie als erfolgreich ansehe? Ja. Denn das ist vollkommen subjektiv.

Es geht also von keiner Seite aus.

Wenn sie sich darüber unterhalten haben, sag uns das. So hört es sich an, als ginge sie davon aus; dass ich da im Kopf weiterspinne, sollte wenig überraschend sein.

Sind die Worter „stinkend“, „laut“ und „ficken“ für dich liebevolle Redewendungen des Bevorzugens?

Das ist wieder subjektiv. "Stinkend und laut" beziehen sich auf die Stadt, dagegen habe ich überhaupt nichts gesagt. Sie bezeichnet es als "ihre" stinkende und laute Medienmachermetropole, was impliziert, dass sie irgendwie dran hängt. In welchem Kontext sie das Wort ficken gebraucht, erschließt sich mir nicht ganz, also nehme ich es nach Definition - da kann sie noch so sehr über diese Idioten meckern, wenn sie die mit ins Bett nimmt, fühlt sie sich zu denen eher hingezogen als zu einem duften Typ.

To make a long story short: Viele Dinge sind total subjektiv. Wäre ja auch öde, wenn jeder dasselbe aus einem Text mitnimmt, meinst du nicht?

 

Hallo wiedermal heiterbiswolkig ;)

Deine Geschichte hat mir gefallen. Schön geschrieben, super Beginn. Am Ende jedoch könnte wirklich mehr Aussage stecken. Zum Beispiel, dass nun eine Liebes oder Fickbeziehung nur alles zerstören würde. Ist ja kurz angemerkt, könnte jedoch zum Hauptthema der Geschichte gemacht werden.

, weil er so besser schnaufend atmen konnte.

Ich finde das etwas unglücklich gewählt. ", weil er so schnaufend besser atmen konnte." wäre für mich besser. Er tut etwas (schnaufen) um etwas zu ermöglichen (atmen)

Warum ich unbedingt von Anfang an immer neben ihm sitzen wollte, das hatte ich als Kind nicht sagen können.

dieses "das" stört irgendwie. Wie wärs mit "Warum ich unbedingt von Anfang an immer neben ihm sitzen wollte, konnte ich als Kind noch nicht sagen."

Toller Anfang, allerdings ein etwas ausgleitendes Ende. Zu viel Augenmerk auf Moriz, um den es ja in weiterer Folge nicht mehr geht.

LG
BRM

 
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Hallo heiterbiswolkig,

ich stoß leider in dieselbe Kerbe wie ein paar vor mir. Die Frau ist nix. Dabei gehts gar nicht um das Sympathischsein, nein, die ist einfach nicht greifbar, die Frau, und das finde ich dann schon einen echten Mangel bei einer Geschichte, in der eine Protagonistin auf verschiedene Menschen stoßen soll. Dann stehen aber auch die Menschen iund ihre Charaktere im Vordergrund. Dann müssen beide, das Mädchen und der Junge aber auch wirklich ihre Ecken und Kanten kriegen. Du wehrst dich da so ein bisschen gegen den NWZed, ist ja auch gut so, man muss ja auch ein bisschen zu seiner Geschichte und seinen Überlegungen stehen, aber das sind ja echt nicht nur seine Gedanken oder die von Jimmy, sondern man fragt sich ja in echt, was will die junge Frau jetzt eigentlich?

Zum Beispiel jetzt nur mal das Ende. Da beschreibt sie die Begegnung mit ihrem alten Schulfreund, sagt selbst über ihren heutigen Freundeskreis: Niemand wie Moritz war dabei. Sie spürt also etwas ganz Besonderes an ihm. Und dann kommt jemand zu dem Resumee, weiter mit der Berliner Bohemebande zu ficken? Das passt weder inhaltlich noch stilistisch.
Inhaltlich nicht, weil du erst etwas Exceptionelles aus der Begegnung mit Moritz machst, eine Erinnerung an alte Kindertage, auch eine Schwingung ihres persönlichen Beeindruchtseins ist dabei und die lässt dann nicht eine einzige kleine Reflektion ihrer Berliner Freunde zu?
Stilistisch nicht, weil das "ficken" hier sprachlich gar nicht passt. Du hast in dem gesamten Text eine völlig andere Sprache. Es wirkt wie eine künstliche Derbheit. Warum brauchst du die hier?
Wenn du die Prota etwas negativ/abgeklärt auf die Szene in Berlin oder ihre Männerwahl schauen lassen willst, es würde mir vom Inhalt her einleuchten, dann gelingt das nur mit der künstlichen Derbheit allein nicht.
Davon ab suggeriert der Satz

Denn ich war nun kein Kind mehr und mit denen fickte ich heute.
auch, sie hätte früher mit einer anderen Sorte Kerle gefickt. Mit so Moritzen eben. Ich denke nicht, dass du diese Wirkung erreichen wolltest.

Ich verstehe deine Geschichte so, dass sie in Moritz jemandem begegnet, der ein Symbol für die Vergangenheit ist. Sie will ihn und die Erinnerung an ihn wie einen süßen Schatz bewahren, durch "Gebrauch" würde der vielleicht verloren gehen.
Also diese Stelle hier, die macht den Kern der Begegnung aus?

Später fuhr Moritz mich nach Hause. Wir küssten uns nicht und verspürten auch kein Verlangen danach. Wir tauschten unsere Mailadressen aus, schrieben uns aber nie. Denn das war ja das Schöne, an der vergangenen Kindheit, dass man sie idealisieren, in der süßen Erinnerung an den anderen wiederfinden und immer wieder träumen konnte, ganz ohne Realität.

Von daher, leg unbedingt nach bei ihrer Charakterisierung. Ihre Motive, warum sie dem Moritz beisteht, sind noch völlig unklar. Warum hilft sie ihm immer wieder beim Vorsagen? Warum setzt sie sich immer wieder neben ihn? Du schreibst irgendwann in einer deiner Antworten, sie sei halt auch Außenseiterin, wo spür ich das im Text?
Also damit man als Leserin rankommt an das Mädchen von früher, braucht man unbedingt irgendwas, was dieser Moritz ihr gibt. Etwas kann man spüren, wenn sie mit dem Vater Karten spielen, aber da hat es einen ein bisschen sozialromantischen Touch (nur ein bisschen) aber da kommt für mich was zum Vorschein an einer Verbindung zwischen den beiden. Sowas wie: wir sind anders als alle anderen. Ich denke, das wäre gut, wenn man ihre Motivlage auch in der Schule stärker spürt. Vielleicht ist dieser Moritz mit seinem dicken schwabbeligen Körper ein Schutzwall für sie? Vielleicht braucht sie ihn, weil sie im Vergleich zu ihm sich beser, gut und oder wie eine Art Ritter fühlen kann?
Das sind nur Ideen, die sie vielleicht auch nicht sympathisch machen, aber eben stinkend glaubhaft.
Und auf der anderen Seite versteh ich auch nicht, was das bringt, wenn du den Moritz allzu runterbeschreibst. Da am Anfang ist das ein recht mitleidloser Blick, den die Protagonistin auf ihn wirft. Eigentlich beguckt sie ihn wie so eine fette Raupe. Wo ist da der Punkt, warum sie trotzdem immer neben ihm sitzt? Verstehst du, die hüpft verhaltensmäßig ohne dass es nachvollziehbar wäre.
Ansatzweise eine Rücknahme dieser Distanzbeobachtungen hast du beim Kunstunterricht, da schwingt was mit, dass sie die Leichtigkeit und die Ruhe an ihm bemerkt. Vielleicht ist das ja das Anziehende an ihm, das sie schon als Kind gespürt hat, dann erdet er sie und gibt ihr Ruhe?
Also vielleicht wäre sowas ja ein Anknüpfungspunkt.

Ach ja, warum hau ich da auch noch mal rein? Weil mir der Geschichtenansatz und die ganze Idee, da eine Serie draus zu stricken, einfach sehr gut gefällt.
Und deswegen hau noch mal rein bei beiden Charakteren.
Viele Grüße von Novak

 
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Hallo hbw,

Zunächst einmal ein paar spontane Auffälligkeiten, über die ich gestolpert bin:

Auch in den anderen Fächern hatte er keine besonders guten Noten. Wenn er in Deutsch oder Religion aufgerufen wurde, saß er stumm an seinem Platz und der Mund stand ihm halb offen,[PUNKT] [jedoch nicht] [Nicht], weil er blöd war oder so, sondern, weil er so besser [schnaufend] atmen konnte.
Für mich holpert der lange Satz etwas vor sich hin. Das "schnaufend" find ich etwas unpassend, da ich schnaufen/atmen für weitgehend redundant halte. Das mag jetzt eine regionale Eigenart sein, aber bei uns kann man wohl "schnaubend atmen", jedoch wäre "schnaufend atmen" äußerst ungewöhnlich.


... hämmerte und stickte und dabei wirkte er ungewohnt entspannt, fast leicht, und für sein Bemühen bekam er immerhin eine zwei.
Ich würde meinen, die Note "Zwei" groß.


So war Moritz schon gewesen, als wir uns [auf der weiterführenden] [in der] Schule kennenlernten und so blieb er auch, wuchs nur in alle Richtungen.
Die "weiterführende" Schule klingt etwas trocken und ist m. E. nicht relevant. Du sprichst im weiteren ohnehin von Oberstufe, Abi, etc.


Sie sahen doch, dass er nichts zu ihren Themen sagen wollte, lieber schwieg und ich wusste nicht, wieso sie ihn nicht einfach ließen, verstand ohnehin nicht, warum sie nicht [immer] gleich Patrizia oder Laura fragten, die sich doch dauernd meldeten und sich offensichtlich gerne mit den Lehrern über [ihre] albernen Grammatik- oder Zahlenprobleme unterhielten.
Wird womögliche an meiner Lesart liegen aber der lange Satz hat mich doch rausgehauen:
So (oder ähnlich) würde ich ihn leichter verstehen:

Sie sahen doch, dass er nichts zu ihren Themen sagen wollte und er lieber schwieg. Ich wusste nicht, wieso sie ihn nicht einfach ließen, verstand ohnehin nicht, warum sie nicht gleich Patrizia oder Laura fragten, die sich doch dauernd meldeten und sich offensichtlich gerne mit den Lehrern über deren albernen Grammatik- oder Zahlenprobleme unterhielten.


... Super- und Badman ...
Da ist wohl eher der "Fledermausmann" als der "Bösmann" gemeint: Batman


... hatte ich immer eine mehr oder weniger richtige Antwort parat während Moritz mit halb offenem Mund keuchte und schwitze und ich versuchte[KOMMA} ihm [unterdrückt] etwas zuzuflüstern.
"unterdrückt" finde ich unpassend, da "Unterdrücktes" nicht wahrnehmbar ist.


Vielleicht war es ein Übermaß kindlicher Intelligenz oder Cleverness, eine perfide Furchtlosigkeit vor dem Versagen oder eine [ein] ausreichendes Maß infantiler Unerschütterlichkeit.

Doch das ließen wir beiden [beide] bald wieder bleiben, ...

Moritz['] Mutter ging arbeiten.
Ausgelassenes Genitiv-s = Auslassungs-Apostroph, meine ich zu wissen!?


Moritz['] Familie hatte [auch] keinen Garten, so wie wir.
Durch das "auch" klingt der Satz mehr danach, "als hätten weder Moritz' Familie noch wir einen Garten"


... hatte aber bald keine Zeit mehr an ihn zu denken, da meine Mutter mich triezte,[PUNKT] [der die Lehrer gesagt hatten][Die Lehrer hatten ihr gesagt, ich könne [könnte] mehr leisten und viel besser sein, wenn ich mich mehr konzentrieren und lernen würde.
Auch hier empfinde ich spontan die Strukturierung etwas holprig, zudem meine ich, dass Konjunktiv II (könnte) von Nöten wäre.


Mit Boxen habe er vor über zehn Jahren angefangen, erzählte er mir [mit] als Erstes, nachdem auch er mich erkannt ...
Das "mit" scheint mir als unnötige Stolperstelle.


Er war also jetzt nicht nur kräftig[KOMMA] sondern auch stark unter seinem Speck.

Wir lachten, erzählten uns was wir so getrieben hatten, die vergangenen Jahre, und heute so trieben, tranken zusammen Bier – zum ersten Mal überhaupt, stellten wir fest, und dafür hatten wir beide erst über 30 werden müssen.
Mir ist der lange Satz irgendwie zu kompliziert gestrickt. Vielleicht eher in der Richtung:

Wir lachten, erzählten uns, was wir die vergangen Jahre so getrieben hatten und heute so treiben, tranken zusammen Bier – zum ersten Mal überhaupt. Und dafür hatten wir beide erst über 30 werden müssen, stellten wir fest.


Dann beschlossen wir[KOMMA] woanders hinzugehen, da wir [eigentlich] keine Lust auf die restlichen Quarktaschen mit ihren Betriebsgeschichten, Hausbauproblemen und Familienbildchen hatten und so kehrten wir in die nächste Eckkneipe ein, mit Dart, Stammtisch und denselben ewigen Barhockern, die schon zu unserer Schulzeit dort gesessen hatten, vielleicht waren es auch inzwischen ihre Kinder, unsere ehemaligen Klassenkameraden.
Hier hab ich mehrerlei Probleme:
Fett: Momentan klang das für mich, als wären die beiden zusammen mit Dart, Stammtisch und Barhockern in der nächsten Kneipe eingekehrt.

Ich versuch mal, den Satz etwas umzustrukturieren vielleicht werd ich dann ja verständlicher:

Dann beschlossen wir, woanders hinzugehen, da wir keine Lust auf die restlichen Quarktaschen mit ihren Betriebsgeschichten, Hausbauproblemen und Familienbildchen hatten. Wir kehrten in die nächste Eckkneipe mit Dart, Stammtisch und denselben ewigen Barhockern, die schon zu unserer Schulzeit dort gesessen hatten, ein. Vielleicht waren es ja inzwischen ihre Kinder, unsere ehemaligen Klassenkameraden.

Desweiteren seh ich für mich einen kleinen Logikbruch: Weiter oben sprichst du davon, es wäre das erste gemeinsame Bier der beiden, hier aber liest man raus, dass sie schon zu ihrer Schulzeit öfter in dieser/derartigen Kneipe(n) waren. Haben sie damals nur Wasser getrunken? Ist wohl ein wenig Erbsenzählerei, aber mich brachte es eben ins Stocken und zum nochmaligen Nachlesen.


„Ja“, fuhr er fort, „damals war alles so unbeschwert, als wir noch Kinder waren. Du warst einfach immer da und wir haben gelacht und Karten gespielt und es war gut. Du hast nie Ansprüche an mich gestellt oder versucht mich zu ändern. Hast mir nie gesagt, dass ich in irgendwas schlecht bin oder irgendwas machen muss oder mir was vorgeworfen, wie die Lehrer oder die anderen.“
Diese wörtliche Rede klingt mir arg gestelzt, unnatürlich gar, wie auch der ganze folgende Dialog etwas bemüht klingt.


Also, heiterbiswolkig, alles nur ein paar subjektive Kleinigkeiten. Über meine o. g. Beispiele hinaus finde ich die eine oder andere Formulierung etwas unglücklich strukturiert, vor allem in längeren Sätzen. Was mich allerdings nicht daran gehindert hat, wissen zu wollen, wohin das alles führt ;-)

Die Geschichte also solche finde ich nett, wenn auch etwas ereignislos.
Aber, um ehrlich zu sein, bin ich wirklich schon gespannt, wie sich diese Art von Geschichten einmal in eine Serie mit in sich abgeschlossenen Episoden einpassen wird.

Ich freu mich drauf.

oisisaus

P.S. Ich hab bereits heute Mittag mit meinem Kommentar begonnen und war jetzt erstaunt, wie viele Kommentare nun bereits aufgelaufen sind. Womöglich mag daher die eine oder andere Anmerkung von mir bereits redundant sein. Sieh mir bitte nach, dass ich hier keinen Abgleich mehr mache.

 
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Hallo heiterbiswolkig,

im Grunde gibt es auch zu dieser Geschichte von mir nichts Neues zu sagen: Mir hat sie gefallen. Das ist wieder ein feiner Text aus dem Alltag, so wie viele von uns das noch aus der eigenen Schulzeit kennen. Ich habe bei deinen Texten nie das Bedürfnis, mittendrin abzubrechen, deine Schreibweise ist immer sehr fließend, mit vielen Details. Du schaffst es immer, Beobachtungen so zu verpacken, dass sie nicht zu erklärend wirken und dabei doch interessant bleiben. Deshalb bin auch ich der Meinung, dass du es auf jeden Fall drauf hast, einmal ein bisschen aus diesem Alltag auszubrechen. Denn Überraschendes hat deine Geschichte für mich ebenfalls nicht wirklich.
Ich bin hier auf der Wellenlänge von NWZed, aus Moritz ist nichts Außergewöhnliches geworden, das den Leser noch einmal in so ein Staunen versetzen würde, das plätschert dann alles ein wenig dahin, ohne Höhen und Tiefen.

Mir gefällt es, dass du eine Serie daraus machen willst, ich mag so was, aber eben, wie in diesem Fall, noch mit mehr Überraschung oder Konflikt drin. Ganz klar ist mir allerdings (noch) nicht, wo du mit deiner Ich-Erzählerin hin willst. In "Fassade" - soweit ich mich recht erinnern kann - agiert dein Ich-Erzähler doch auch schon als Beobachter. Obwohl aus der Ich-Perspektive erzählt, bleibt die Protagonistin dabei sehr blass, man erfährt sehr wenig über sie, während die anderen Figuren viel mehr an Tiefe zu bieten haben. Versteh das aber von meiner Seite nicht wirklich als Kritik, sondern ich bin einfach gespannt, ob du deiner Protagonistin bald mehr Bedeutung beimisst.

Denn ich war nun kein Kind mehr und mit denen fickte ich heute.

Mit diesem Satz hatte ich große Probleme, ich weiß natürlich, dass sich dieses "denen" auf den Satz davor bezieht, aber lies dir das nochmal durch, wenn man da nur so drüberliest kann man das auch missverstehen, mit Kind und so. Ich würde den Satzaufbau, wenn dieser Schluss denn überhaupt sein muss, auf jeden Fall umstellen.

Grüße,
rehla

 

Hallo ihr Lieben: Friedel, nochmal NWZed, Jimmy, BRM, Novak, oisisaus und nicht zuletzte (auch wenn du ganz unten stehst ;)) rehla,

vielen herzlichen Dank für eure sehr detaillierten und konstruktiven Kommentare!
Ich kann sehr viel mit den Kritikpunkten anfangen und den Mangel an „Charakterbildung“ und -zusammenspiel gut nachvollziehen. Ich habe mich jetzt entschlossen den Text in Teilen umzuschreiben und dabei sowieso die Fehler zu korrigieren und auch eure Anregungen aufzugreifen.

Wenn ich den neuen Text poste werde ich noch einmal erläutert, was ich wie umgesetzt habe (oder auch weggelassen).

Danke nochmal für eure Zeit, das hilft mir wirklich sehr, neue Perspektiven zu entwickeln! :kuss:
Man wird ja immer so schnell betriebsblind im eigenen Saft …

 
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Hallo heiterbiswolkig,

Wie ich sehe, bin ich spät dran. Es ist bereits manches gesagt worden. Aber ich möchte Dir doch noch sagen, dass ich die Geschichte gern gelesen habe. Du sprichst ein aktuelles Thema an. Ausgrenzung in der Schule hat schon manchem viel Kummer bereitet.
Es hätte mich interessiert zu erfahren, wie Moritz damit umging. Erfahrungsgemäss bleibt es ja nicht nur beim Sport. Kinder können grausam sein. Das haben wir kürzlich in einem Fall, der uns nahe ging, selbst miterlebt.

Du schreibst:
"Damals wusste ich nur, dass ich es nicht fair fand, wenn ihn beim Sport niemand in der Mannschaft haben wollte. Bis zur Oberstufe hing ich der naiven Vorstellung nach, dass es beim Spielen doch um Spass und nicht um das Gewinnen ging. Also sollte er doch dabei sein dürfen, wie alle andern auch."

Ich habe mich gefragt, ob sich ein Mädchen in diesem Alter schon solche Gedanken macht: "Es geht um Spass und nicht in erster Linie ums gewinnen?"

Was die Motivation angeht, sich um einen Aussenseiter zu kümmern, könnte ich mir vorstellen, dass es da unbewusst um einen Beschützerinstinkt geht. Aber nicht nur, das Mädchen bekommt auch etwas zurück. Comics, die sie selbst nicht kaufen durfte. Das gemeinsame blättern darin und kichern unter der Schulbank. Später das Kartenspiel mit dem Vater von Moritz. Sie lachten und grillierten. Und sie fand es schön, dass immer jemand da war. Nicht wie bei ihren Eltern, die den ganzen Tag weg waren.

Könnte es sein, dass sie bei Moritz gefühlsmässig etwas fand, was sie zu Hause zu wenig bekam?

Das sind so einige Gedanken beim Lesen der Geschichte.

Liebe Grüsse
Marai

 

Hallo heiterbiswolkig,

Mir hat deine Geschichte im Grunde gefallen. Sie hat mich an meine Schulzeit erinnert, an eigene Erlebnisse. Aber ich finde auch keinen Hinweis darauf, warum deine Protagonistin diesen Moritz auch in den späteren Klassen noch deckt. In den kleinen Klassen, und das hast du ja auch geschrieben, war es Mitleid. Das kann aber später nicht mehr der Grund gewesen sein. Und auch Moritz ist für mich zu undurchsichtig. Wenn er jahrelang von ein und derselben Person Hilfe bekommt (die ja eigentlich gar keine Hilfe ist), wo er sonst sang und klanglos untergehen würde, und das bis zum Ende der Schulzeit einfach für sich als eine Selbstverständlichkeit ansieht, dann hat er für mich keinen Charakter. Ich verstehe auch nicht, dass er sich die Zeit von früher zurück wünscht. Warum denn? Die war für ihn doch total beschissen. Ich würde es eher verstehen, wenn er ihr etwas gegeben hätte, was er später nie wieder jemanden zu geben in der Lage gewesen wäre, weil das nur einmal im Leben geht. Aber da war ja nichts.
Du schreibst, dass die folgenden Geschichten deiner Serie immer von anderen Personen handeln. Ich hatte nach dieser Geschichte den Eindruck, dass da unbedingt irgendwann die Rede auf Moritz kommen muss. Vielleicht wird es ja auch so. :)


So einiges habe ich gefunden:

Sie sahen doch, dass er nichts zu ihren Themen sagen wollte, lieber schwieg und ich wusste nicht, wieso sie ihn nicht einfach ließen, verstand ohnehin nicht, warum sie nicht immer gleich Patrizia oder Laura fragten, die sich doch dauernd meldeten und sich offensichtlich gerne mit den Lehrern über ihre albernen Grammatik- oder Zahlenprobleme unterhielten.

Aus diesem Mammutsatz würde ich zwei machen. Das lässt sich besser lesen:
Sie sahen doch, dass er nichts zu ihren Themen sagen wollte, lieber schwieg; und ich wusste nicht, wieso sie ihn nicht einfach ließen. Ich verstand ohnehin nicht, warum sie nicht immer gleich Patrizia oder Laura fragten, die sich doch dauernd meldeten und sich offensichtlich gerne mit den Lehrern über ihre albernen Grammatik- oder Zahlenprobleme unterhielten.

Oft sagte ich Moritz ein.

Der Duden sagt hier, dass Einsagen in Süddeutschland oder Österreich verwendet wird. Die gültige Bezeichnung dafür ist Vorsagen. Ich würde das hier vielleicht eher verwenden.

Da die Lehrer das bemerkten, entwickelten wir immer feinere Techniken, wie ich ihm die Antworten zuraunen, zuschieben, aufkritzeln oder sonstwie signalisieren konnte. Doch meistens fanden sie es trotzdem heraus.

Ja, Mütter kriegen auch immer alles mit (nur die Väter nicht :D). Aber während meines Studiums hatten wir in Konstruktionslehre einen Lehrer, der ermutigte alle, für die Klausur einen Spickzettel anzufertigen. Weil man den dann garantiert nicht braucht. :)

In der 7. Klasse begann ich nachmittags nach der Schule[KOMMA] Moritz zu besuchen.

Infinitiv mit zu

Meine Eltern gingen beide arbeiten und ich fand es schön, dass hier immer jemand da war.

Dieser Satz geht so nicht. Du nennst die Eltern deiner Protagonistin und dann schreibst du weiter, dass es schön ist, dass hier immer jemand da ist. Der Bezug liegt aber immer noch auf den Eltern. Das hier muss ersetzt werden durch bei Moritz, oder du machst zwei Sätze draus.

Zumindest stand nie eins in der Garage, vor der wir saßen.

Der Nebensatz kann weg, da du schon geschrieben hast, dass sie vor der Garage saßen.

Als er durch die Tür des Lokals hereinkam, in dem die im Ort Verbliebenen sich regelmäßig, die öfter Wiederkehrenden sich jährlich und alle anderen, Ausgewanderte und Studierte wie ich, sich nur zu runden Anlässen trafen, erkannte ich ihn sofort.

Den Satz muss man mindestens zweimal lesen, um ihn zu verstehen. Viel zu kompliziert geschrieben. Ich weiß nicht, ob das die Geschichte weiterbringt, wenn du erwähnst, wer sich in welchen Abständen trifft.

Nicht schön oder markant oder herausragend. Und doch gerade in seiner unaufgeregten Ehrlichkeit besonders.

Sollte besser: unaufregenden Ehrlichkeit ... heißen

Schönen Gruß
khnebel

 

Hallo Heiterbiswolkig,

danke, ein recht gut zu lesender Text. Ja, so Jungs kannte ich auch. Weiß aber nicht, was aus denen geworden ist; bei Klassentreffen sind sie nie dabei.

Soweit realistisch, aber vielleicht zuuuu realistisch. Gut zu lesen, aber ganz und gar ohne Aufreger. Ist so für mich in Ordnung, jedoch frage ich mich, wenn es eine Serie werden soll, wird es in diesem Stil weitergehen? Dann könnte es ermüdend sein.

Es ist schön, auf Wiedererkennung hin zu schreiben, aber das allein genügt auf Dauer nicht. Versuche doch mal, etwas Spannung und/oder einen Konflikt reinzuschreiben.

Gruß, Freegrazer

 
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So, nun habe ich die Geschichte in folgenden Punkten geändert:

Ich habe die Rolle der Prot. Als Außenseiterin in der Schule deutlicher gemacht und um sie besser zu charakterisieren das Verhältnis zu ihrer Mutter etwas mehr angerissen. Weiter möchte ich sie hier noch nicht ausbauen, um sie nicht jetzt schon zu sehr festzulegen. Dafür habe ich bislang nur zu vage Ideen für die Serie.

Weiterhin habe ich eine komplett neue Szene eingefügt. Mit der versuche das Verhältnis von Moritz und Prot. zu konkretisieren und eine „Auflösung“ zu schaffen.

Den Dialog und die Gedanken am Ende und den letzten Satz habe ich ebenfalls überarbeitet.

Nun werde ich noch gerne auf die einzelnen Kommentare antworten und zeigen, was ich konkret von euren Anregungen umgesetzt habe.

Es würde mich sehr freuen, wenn der eine oder die andere (noch) einmal Zeit und Muße hätte, mir eine Rückmeldung zur geänderten Fassung zu geben.
Dankö!!!

Es knutscht euch
die heiterbiswolkig


Hallo NWZed,
du hast recht: Interpretationen, Lesarten usw. sind total subjektiv. Ich möchte trotzdem einfach darauf beharren, dass es die „Aufgabe“ des Autors ist, dem Leser durch den Text, z.B. die Wortwahl „Zeichen“ zu geben, wie eventuell etwas gemeint sein könnte. Dass sich diese Zeichen als Puzzelteile dann bei jedem im Kopf anders zusammensetzen, auch, weil sie schon an andere bereits existente Teile anknüpfen, das ist so und das ist auch gut so, da sind wir völlig einer Meinung. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, mir so ausführlich darzulegen, weshalb du was wie verstanden hast, das finde ich wirklich hilfreich! Denn allermeistens kennt man ja dann doch nur seinen eigenen Kopf von innen ... ;)


Lieber Friedel,
danke dir! Es wird Zeit: Ich brauche eine Lektorin! ;)


Hallo Jimmy,
ich konnte gut nachvollziehen, was du bemängelst. Ich hoffe, das „Zerfahrene“ mit der neuen Variante aufgefangen zu haben.
Ich denke, das mit der Idee als Titel immer den jeweiligen anderen Part als die Prot. zu benennen werde ich beibehalten. Im odt auf meinem Rechner hat die Story auch noch einen Untertitel „Gib uns unsere Jugend zurück“. Doch ich dachte, dass es vielleicht ganz gut ist, im Vorfeld als Leser einfach gar nicht zu wissen, worum es gehen wird. Daher nur die Namen.

Hallo BRM,
ich denke, die Beziehung der beiden sollte auf jeden Fall das Haupttehma sein. Ich habe versucht durch die Änderungen klarer zu machen, dass es eben eher eine Form „familiärer“ Bindung im Sinne von „Bruder/Schwester, die man nie hatte“ ist. Explizit habe ich das nicht benannt, da die Prot. Ja dann doch beim Wiedersehen das noch einmal reflektiert um Stellung zu ihren anderen Männerbeziehungen zu ziehen.
Die beiden Stellen habe ich geändert, danke für die Hinweise! :)

Weitere Antworten folgen!

 

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