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Alles, worauf wir hoffen dürfen

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08.07.2012
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Alles, worauf wir hoffen dürfen

"Ist ja ein cooles Tattoo, das Sie da haben", sagte Bremer und starrte mir auf die Titten. Mein Blick streifte die schwarzblaue Tänzerin, die sich über meinen Unterarm schlängelte.
"Das ist Kali", sagte ich. "Sie schneidet Wichsern den Schwanz ab und stopft ihnen damit das Maul."
Bremer zuckte zusammen, rückte seine Brille zurecht und wandte sich zur Tür. Beim Rausgehen murmelte er: "Die Test-Animation muss bis Dienstschluss fertig sein. Der Chef wartet ... "
Steven drehte sich zu mir herum und grinste. "Bist ja in Hochform heute."
Ich zuckte mit den Schultern und beschäftigte mich wieder mit der Kamera, die den Landschaftsgarten überfliegen sollte, an dem die Planer unseres Büros zur Zeit arbeiteten.
"Bist du nervös wegen heute Abend?", fragte Steven.
"Bull! Bin nicht mehr siebzehn."
Steven lehnte sich zurück, schaute aus dem Fenster und sagte: "Naja, wenn ich ein Date habe, fühl´ ich mich wie siebzehn."
"Hab kein Date", erwiderte ich.
"Also, du triffst den Typen doch heute. Für mich ist das ein Date."
Ich wusste, Steven würde es nicht dabei belassen. Das tat er nie.
"Oh Mann, was würde ich für einen richtig guten Fick geben", sagte er.
Als er zu mir herüberblickte und meinen Mittelfinger sah, winkte er ab. "Nee, ernsthaft, Sarah. Wenn du so alt bist wie ich, wirst du sehen, dass son bisschen Glück alles ist, worauf wir hoffen dürfen."

Kurz nach acht saß ich mit Jane in der Straßenbahn.
"Ist ne Riesenchance für die Jungs", sagte sie und spuckte auf ihre DocMartens. "Der Laden wird dicht sein, wegen First Blood."
"Ja, aber viele werden erst zu den Hauptacts kommen."
"Nah, die haben so viel Promo gemacht", beharrte Jane. Sie wischte mit einem Taschentuch über die Stahlkappen. Nachdem sie fertig war, betrachtete sie mich und sagte mit einem fiesen Lächeln: "Und lässt du ihn gleich ran?"
"Jetzt gehst du mir damit auch auf den Sack." Ich schaute aus dem Fenster. "Und du?"
"Also, falls Mike heute will ... "
Wie könnte er nicht wollen. Jane war unwiderstehlich.

Im Asylum roch es nach Bier, Schweiß und Kotze. Die Zeiten des Straight Edge waren lange vorbei, auch wenn es hier immer noch ein paar Kids geben mochte, die die Ideale von Minor Threat und Youth of Today hochhielten.
"Lass uns nach hinten gehen", schrie Jane gegen den wüsten Sound, der aus den Bühnenboxen stampfte und zwängte sich durch die wartende Menge. Ich folgte ihr.
Auch Backstage war es brechend voll. Musiker fummelten an ihren Instrumenten, und Leute von der Technik schleppten Equipment hin und her. Jane zog mich zu einer Tür, auf die jemand - scheinbar ironiefrei – mit einem Edding VIP geschrieben hatte. Als Jane die Tür öffnete, brandete uns eine Wand aus Dope-Smog entgegen.
Wir betraten die VIP-Räume und sahen uns um. Auf einem Sofa hingen die beiden Typen herum, wegen denen wir hier waren.
"Hey Mike", rief Jane und setzte sich gleich in Bewegung. Mike stemmte sich hoch und umarmte Jane. Sie küssten sich, als könnten sie das Ende der Show nicht abwarten. Vom Sofa her winkte Christian mir zu. Ich schob mich an Mike und Jane vorbei und ließ mich neben ihm in die Polster fallen.
"Hey Mann", sagte ich. "Wie geht´s?"
"Mir ist ein bisschen schlecht", antwortete er.
"Lampenfieber?"
Christian nickte und lächelte verlegen. "Verdammt viele Leute hier, heute Abend."

Als Christian eine Stunde später im Donnern der Doublebass die Bühne betrat, war von dieser Schüchternheit nichts mehr zu spüren. Eine Flasche Bier in der Hand stand ich an der Bar in der Nähe des Ausgangs und beobachtete, wie er das Mikro vor die Lippen hob, nachdem das Dröhnen der Gitarren auch den Leuten draußen auf der Straße signalisiert hatte, dass die Show jetzt losging. Janes rotes Kopftuch flackerte weiter vorn auf dem Seitenrang im Strobolicht, und ich lachte bei dem Gedanken, wie begierig sie jetzt zweifellos Mikes einsamen Kampf hinter dem Schlagzeug verfolgte.
Die ersten Worte, die Christian der Menge vor der Stage entgegenbrüllte waren: No hands to touch - ein Schauer lief zwischen meinen Schulterblättern empor, und ich sah, wie eine Gruppe von etwa zwanzig Leuten augenblicklich mit dem Fight begann. Ein Cover am Anfang des Gigs war keine schlechte Idee.
Auch wenn ich es Jane oder sonst jemandem gegenüber nie zugegeben hätte, hielt ich mich seit vielen Jahren an den Grundsatz, nie beim ersten Song den Moshpit zu betreten. Wer noch nicht einmal sechzig Kilo wog, musste mit den Wölfen heulen. Wir waren nicht mehr in den Achtzigern. Auf den Hardcore-Konzerten begnügten sich die Jungs nicht mehr damit, einander ein wenig herum zu schubsen.
Ich nahm ein Schluck von meinem Bier und genoss den Sound, der sich schwer, rau und erdig aus den Boxen wälzte. Als das Tempo beim dritten oder vierten Song anzog, stellte ich die Flasche auf den Tresen und bahnte mir meinen Weg nach vorn.
Mittlerweile hatte alle Leute vor der Stage der Wahnsinn gepackt. Ich hob die Hände und stürzte mich in die Prügelei. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass mehrere Typen auf die Bühne geklettert waren und nun mit Anlauf in die Menge sprangen. Neben mir ging ein Punk zu Boden, als ihm ein Stagediver mit angezogenen Knien in die Seite krachte. Ich schlug mit dem Ellbogen nach einem Fettwanst der von außen in den Moshpit trat und erwischte ihn gleich übel. Er fuhr sich mit dem Ärmel über das Gesicht schrie mir durch das Getümmel etwas zu. In dem Moment, als er mich an den Schultern packte, ging eine Stoßwelle durch den Mob, und zwanzig oder mehr Leute wälzten sich am Boden. Ich kam gerade rechtzeitig auf die Beine, um einem Jumper auszuweichen, der einen Satz vom Seitenrang machte.
Ich sah ein Mädchen, das sich einige Meter entfernt in die Schlägerei mischte, und ich versuchte, mich mit Stoßen und Treten zu ihr durchzukämpfen, aber es war zwecklos, denn ich flog wie eine Puppe hin und her. Oben auf der Bühne stand Christian. Sein Gebrülle war über mir, vor und hinter mir, in mir. Ich biss die Zähne zusammen und warf mich in eine Gruppe von halbnackten Typen, die wütend das Zentrum des Moshpits verteidigten. Aufpassen! Lass dir nicht direkt auf die Fresse schlagen. Die fehlende Ecke vom Schneidezahn, die du deinem Scheißvater verdankst, reicht. Die Arme heben. Die Titten schützen. Schlag zu!
Ich prallte gegen einen schweißnassen Oberkörper und stieß mit dem Knie zu, so kräftig wie ich konnte. Eine Hand traf mich am Hals, und eine Sekunde später lag ich erneut am Boden. Ich zog die Beine an und schützte meinen Kopf mit den Armen. Über mir wogte die Masse prügelnder Gestalten, und wie aus großer Höhe stürzten mehrere Stagediver herab. Irgendein Typ packte mich am Arm, riss mich hoch und versetzte mir einen harten Stoß. Ich stolperte ein paar Schritte orientierungslos herum und rettete mich schließlich mit ein paar Faustschlägen aus dem Mob.

Ich beugte mich über die Kloschüssel, strich mein Haar zurück und kotzte ausgiebig. Dann spuckte ich noch einmal und drückte die Spültaste. Kurz darauf spritzte ich mir über dem Waschbecken Wasser ins Gesicht. Ich hörte, dass auf der Bühne First Blood loslegten. Selbst hier in den Toiletten bebte der Boden. Als ich mir den Mund spülte, sah ich, dass Blut auf die Keramik tropfte. Gut, dass es hier keinen Spiegel gab.
In diesem Moment griff jemand von hinten unter meinen Armen durch und presste sich an mich. Ich stieß mit dem Ellbogen zu, fuhr herum und sah gerade noch, wie Mike ausholte. Der Hieb traf mich mit solcher Wucht, dass ich gegen die Wand prallte. Noch bevor ich reagieren konnte, hatte Mike mich in eine Kabine gestoßen. Er presste eine Hand auf meinen Mund und versetzte mir einen Schlag in den Bauch, der mir die Luft nahm. Ein weiterer Schlag donnerte dumpf gegen meine Schläfe.
Als ich wieder zu mir kam, wusste ich sofort, was los war. Meine Jeans hing mir in den Kniekehlen, und Mike drückte mich, die Hand auf meinem Mund, an die Wand. In diesem Moment tauchte der schwachsinnige Gedanke auf: Christian wird dich retten!
Doch Christian rettete mich nicht. Verzweifelt schlug ich ein letztes Mal zu. Mein Ellbogen traf Mike so heftig am Kinn, dass ich hörte, wie seine Zähne knirschten. Ich zwängte mich an ihm vorbei, riss die Tür der Kabine auf, taumelte hinaus und schlug der Länge nach hin.
Mike hatte sich wieder hochgerappelt. Er stürzte sich auf mich, und eine Sekunde später kniete er über mir. In diesem Moment stand Jane in der Tür.
"Was ... " Sie brauchte nur einen Augenblick, um zu verstehen, was vor sich ging. Ich sah, wie sie Mike ihre roten Boots ins Gesicht schmetterte. Er kippte seitlich von mir herunter und blieb liegen.

Am nächsten Tag steckte Bremer seinen Kopf durch die Tür. Er schaute zu mir herüber und schien unschlüssig, ob er herein kommen sollte.
"Gute Arbeit", sagte er schließlich. "Soll ich vom Chef bestellen. Die Probe-Animation ist klasse. Können wir so machen."
Ich nickte und wandte mich dann wieder meiner Kamera zu, die im Tiefflug über Kastanienbäume strich.


no hands to touch not a soul to feel hiding myself hiding emotion
all sympathy has been forgotten all affection denied
I perceive nothing I perceive no one darkness is peace
silence brings me peace my heart is closed no one has the key

recluse, unbroken

 

Hi Achillus,

geiler Text. Erinnert mich an die alten Läden in Bonn und Köln, Skaten und Hardcore im Ghettoblaster. Ja, ich war ewig nicht mehr in einem Pit, aber das Gefühl, diese unbändige Energie, das ist hier wirklich gut eingefangen, da kann man echt nicht meckern. Ist das heute tatsächlich so brutal? Ich weiß nicht, früher hat man sich immer noch gegenseitig aufgeholfen, heute tritt man eher noch mal rein, aber das passt zur Endzeit, oder?:D

Das Schwein vergewaltigt dich!, zuckte es durch meinen Kopf, und ich wollte schreien.
Den Satz würde ich weglassen. Es ist klar, was er will, oder du kannst es klarer machen durch etwas mehr action, und eine Frau, die so drauf ist, würde die schreien? Die macht es dann selber klar, oder nicht? Das wirkt etwas außerhalb der Figur, da bist du nicht so im character.

Geil fand ich das mit der VIP-Markierung, haha.

Ja, und Jane. Du suchst immer lange nach Namen, hab ich so das Gefühl, aber Jane, finde ich jedenfalls, das passt hier irgendwie nicht, der fällt aus dem Rahmen. Ist aber nur subjektiv.

Ich nickte und wandte mich wieder meiner Kamera zu, die im Tiefflug über Kastanienbäume strich.Ich gebe zu, den habe ich nicht verstanden: Drohne? Oder wie?

Ja, gerne gelesen, schnell, hart, dreckig. Ich find's gut.

Gruss, Jimmy

 

Hallo Achillus,

sehr guter Text!

Ich sah ein Mädchen, das sich einige Meter entfernt in die Schlägerei mischte, und ich versuchte, mich mit Stoßen und Treten zu ihr durchzukämpfen, aber es war zwecklos, denn ich flog wie eine Puppe und hin und her.

Der Satz störte mich ein bisschen, weil das Mädchen keine weitere Rolle in der Geschichte spielt und es mir nicht klar war, warum Sarah sich zu ihr durchkämpfen wollte. Das Gerammel scheint ja eher nach dem Motto "jeder gegen jeden" zu sein.

Das Schwein vergewaltigt dich!, zuckte es durch meinen Kopf, und ich wollte schreien.

Den Satz würde ich weglassen


Ich würde ihn drin lassen ;). Jimmy trifft zwar einen Punkt, aber mir gefällts.

und ich wollte schreien.

Diesen Teil könnte man verbessern.

Betreffend dem Namen Jane stimme ich Jimmy zu.

Irgendetwas fehlt mir noch, vermutlich, dass ich nichts auszusetzen habe ;). Ich finde diese Geschichte von dir massiv besser als die beiden Letzten (die auch gut waren). Von daher stimme ich Jimmy vollkommen zu: geiler Text :thumbsup:

viele Grüße
Kroko

 

Hallo Achillus,

ich musste zweimal lesen bis alles drinn war. Naja, fast alles. Aber das liegt sicher nicht an der Geschichte sondern vielmehr daran, dass ich die Szene überhaupt nicht kenne :schiel: war zwar schon Backstage bei Santanna, is aber was anderes ;-)

Das Schwein vergewaltigt dich!,

Würd ich so nicht denken. Würd eher "Das Schwein vergewaltigt mich!" denken, wenn's mich betrifft.

Toll geschrieben, gut zu lesen und für mich einiges zum Abschauen :read:

LG
BRM

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Achillus,
ja, sehr gut geschrieben. Und in der Intensität atmosphärisch toll eingefangen. Mir hat besonders die Moshpitszene gefallen, weil da was von der Kraft spürbar wurde, die in so einem Kreis pulst. Hatte beim Lesen jetzt gerade was Nostalgisches für mich, was aber nicht mit deinem Text zusammenhängt. Also der ist ganz modern und gut geschrieben und verklärt gar nichts. Im Gegenteil, man kriegt eher das Gefühl, es ist eine ziemlich dreckige Szene.
Gewundert habe ich mich über die geballte Aggression, die da spürbar wurde, kann mich nicht erinnern, dass das früher so heftig war. Aber mein Gott, ist ja auch schon sehr sehr lange her.
Eigentlich eine komische Sache, dass da Leute freiwillig mitmachen, hat einfach auch was mit der Musik zu tun.

Diese Frau hier, die passt natürlich gut zu der Härte, die da verlangt wird, sich freiwillig in einen kämpfenden Menschenmob zu stürzen. Sie weiß sich auch ihrer Haut zu wehren, wie man an der Vergewaltigungsszene sieht.
Und schon der Einstieg, wie sie den Typen, der nach ihrem Tattoo fragt, abkanzelt, das hat mir ziemlich Spß gemacht. Ich mochte das auch, wie du ihre Reaktion gegenüber den beiden Kollegen differenziert hast. Der eine bekam die Antwort, die er verdient hat, obwohl das nur zwischen den Zeilen steht, scheint Bremer in ihren Augen ein unangenehmer opportunistischer Typ zu sein, der sich immer wieder an sie anwanzt. Also die kennt da nichts, bei dem anderen Kollegen reagiert sie anders, dem zeigt sie zwar auch den Mittelfinger, aber den akzeptiert sie. Und schön fand ich seinen Spruch, weil das eine Referenz wiederum zu dem Liedtext ist. Und dein Titel stammt ja auch daraus.

Ich habe allerdings zwei Fragen zum Text:

1. Die Frau
Warum brichst du das nicht irgendwie mal? Ich könnte mir das interessant vorstellen. Sie vielschichtiger machen. So ist die Frau hier so merkwürdig unangreifbar glatt wie ein Stück Glas. Ich meine, da wollte gerade der "Freund" der Freundin an sie ran, so fuchtbar normal ist das in der Punkszene ja nun nicht gerade, hinterlässt das denn keinerlei Spuren an ihr? Am nächsten Tag lässt sie gerade wieder die Kamera fliegen wie vorher.
Versteh mich nicht falsch, aber so wie die charakterisiert ist, geht das in so eine in sich geschlossene typisierte Form, wirkt fast wie eine Comicfigur. Ich weiß, es soll mit "unbroken" und dem Liedtext korrespondieren, aber eine winzig kleine Brechung und die Figur hätte einfach mehr Tiefe.

2. Mike
Ähnlich finde ich das dann auch mit dem Schlagzeuger. Ich versteh das nicht. Ist doch jetzt nicht grad was Normales, dass der Schlagzeuger einer Punkband nach einem erfolgreichen Gig statt die Nachfolgeband anzuhören oder sich ein Bier reinzuziehen, mal eben ins Frauenklo geht, um sich über die Freundin der Frau herzumachen, die ja total auf ihm steht. Also was treibt den denn da um Gottes Willen? Find ich schon sehr ungewöhnlich, dass der das einfach so macht. Also hier fehlt mir einfach eine Spur, was den denn antreibt.
Da gibt es eine Stelle:

Janes rotes Kopftuch flackerte weiter vorn auf dem Seitenrang im Strobolicht, und ich lachte bei dem Gedanken, wie begierig sie jetzt zweifellos Mikes einsamen Kampf hinter dem Schlagzeug verfolgte.
Da habe ich gestutzt. Fiel mir auf, weil da in ihrer Beobachtung so ein bisschen Amüsement über Mike mitschwang. Es war aber auch wiederum nicht so deutlich, dass ich mir sicher gewesen wäre. Sie hätte sich genausogut auch über Janes Anhimmelei amüsieren können.
Jedenfalls wollte ich dich mal fragen, welche Gründe sein Verhalten denn hat. Hier in der Geschichte werden außer der einen Stelle keine Gründe genannt. Und für einen grundlosen Gewaltausbruch, (angeheizt durch die Atmosphäre wird Mike aggressiv etc und die Vergewaltigung ist ein Ventil) finde ich sein Verhalten merkwürdig zielgerichtet. Ich meine, der hätte vorher schon mal im Pit einem Haufen Typen die Fresse polieren können.
Ich hoffe, ich konnte mich verständlich machen mit den beiden Punkten, die mir fehlen.

Wie die anderen finde ich auch, dass der Spruch mit der vergewaltigt dich wegbleiben könnte. Er ist redundant. Allerdings gab es einen Punkt, der mich da noch ein bisschen umtreibt. Wenn man das so sagt von sich selbst, dann noch in der Du-Form, dann kriegt das Distanz. So wie wenn man aus dem Geschehen heraustreten würde für einen Moment, es gar nicht fassen kann, dass einem so etwas gerade passiert. Wenn einem etwas Schlimmes passiert, dann tritt man ja oft neben sich, der Unglaube, das Nichtwahrhabenwollen ist ja auch ein gewisser Schutz. Und bei ihr könnte ich mir vorstellen, dass sie nicht damit rechnet, gerade weil sie so tough ist.
Ich hab mir das jetzt nicht genau überlegt, ob und wie das zu der Figur passen würde. Aber ich hatte jedenfalls ein Gefühl dafür, warum du das so formuliert hast. Würde mich interessieren, ob ich da falsch liege.

Und dann noch eine Kleinigkeit, warum hast du Janes DocMartens rot sein lassen? Ist komisch, aber ich bin da richtig drüber gestolpert. Also nicht dass du jetzt denkst, Frauen denken immer nur an Schuhe, aber mir fiel einfach die Farbe auf. Hat die was zu bedeuten? Nach der Szene mit dem Tritt, musste ich ganz kurz denken, aha, da sieht man das Blut nicht so drauf. Und gleichzeitig fand ich meine Reaktion merkwürdig abgebrüht. Ich mein, ich bin ja eigentlich nicht so abgebrüht. Überhaupt nicht. Ich könnte ja über jeden Dackel heulen, der von einem Latsre überfahren wird. Und das hat mich schon ewundert, dass mich die ganzeSzenerie so kalt gelassen hat. Also je nachdem, welche Leserstimmung du hier haben möchtest, Abgebrühtheit oder Nachdenklichkeit oder mitschwingende Emotion, würde ich da nicht nur die Farb rausnehmen, sondern insgesamt bei der Charakterisierung noch eine winzige Spur nachlegen.

Deine Protagonistin erinnert mich übrigens an eine Art kleine Schwester von Himmel noch mal, wie hieß die, die Frau, die diese knallharte Ausbildung in deiner Serie gemacht hat. Du scheinst ein Faible für solche Frauenfiguren zu haben.
Bei beiden Figuren noch so einen kleine Ecke setzen, das hätte für mich den Text tiefer gemacht. Ansonsten hast du da ein tolles Thema toll geschreiben, die Geschichte ist atmosphärisch dicht, und ich hab sie sehr gerne gelesen.
Viele Grüße von Novak

 
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Hallo Achillus,
Deine anderen Geschichten, die ich bisher gelesen habe, gefielen mir vom Thema her viel besser. Sprachlich empfinde ich das hier jedoch ebenfalls sehr gut. Dein typischer, klarer Stil.
Wenn ich es richtig verstehe, ist es eine Szene bei Dreharbeiten? Oder basteln die an einem Computerspiel? Die Rahmengeschichte finde ich originell.
Ansonsten muss man die Szene dann im Kontext verstehen. So wie es jetzt herausgerissen ist, gibt mir das wenig. Erinnert mich an eine Beschreibung von Richard Dawkins, als es um den Sinn der Flügelschwingen des Argusfasans ging. Die Flügelschwingen der Männchen das Argusfasans sind so gebaut, dass die Weibchen beeindruckt werden sollen, der männliche Argusfasan kann jedoch kaum noch fliegen. So hat man geschlossen, dass die Theorie der Selektion der Fittesten ja überhaupt nicht stimmen könne. Dawkins Antwort war, dass die Weibchen gerade die Tatsache so toll fänden, dass die Männchen zwar wegen ihrer Schönheit nicht mehr fliegen könnten, aber dabei trotzdem gut lebten. Das brächten nur die besten Helden fertig.
So geht es mir bei Deiner Szene: Argusfasangehabe und nicht viel dahinter. Aber die Weibchen sind total beeindruckt, weil da welche so saudumm rummachen. Funktioniert beim Menschen angeblich bei beiden Geschlechtern.
Ich könnte noch mehr dazu sagen, möchte aber erst Deine Antwort abwarten.
Viele Grüsse
Fugu

 
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Hallo Jimmy, vielen Dank für Deinen Kommentar. Schön, dass Du geschrieben hast. Habe mich sehr darüber gefreut.

... geiler Text ...
Jo, danke. Hab mir ein bisschen was bei Dir abgeschaut :D

Ist das heute tatsächlich so brutal? Ich weiß nicht, früher hat man sich immer noch gegenseitig aufgeholfen, heute tritt man eher noch mal rein, aber das passt zur Endzeit, oder?

Ist schon ziemlich hart geworden, finde ich. Aber das hängt natürlich auch vom jeweiligen Konzert ab. Die Leute helfen sich immer noch hoch, aber wenn da so 30 oder 40 Leute abgehen, wird es unübersichtlich, und es passieren auch mal Unfälle.

Das Schwein vergewaltigt dich!, zuckte es durch meinen Kopf, und ich wollte schreien. - Den Satz würde ich weglassen.

Ja, ich bin da auch noch nicht glücklich mit. Tendiere dazu, ihn rauszunehmen. Muss ich noch ein bisschen drüber nachdenken.

Ja, und Jane. Du suchst immer lange nach Namen, hab ich so das Gefühl, aber Jane, finde ich jedenfalls, das passt hier irgendwie nicht, der fällt aus dem Rahmen. Ist aber nur subjektiv.

Sehe ich auch so. Ich wollte eigentlich einen normalen Namen nehmen, keinen skandinavischen diesmal, aber Jane ist vielleicht keine gute Wahl. Ich denke an so etwas wie Laura oder Clara. Hm.

Ich nickte und wandte mich wieder meiner Kamera zu, die im Tiefflug über Kastanienbäume strich. - Ich gebe zu, den habe ich nicht verstanden: Drohne? Oder wie?

Vielleicht ist das zu kryptisch geschrieben von mir. Sarah arbeitet im Bereich Computeranimation für ein Landschaftsarchitekturbüro. Der Job besteht darin, Kundenpräsentationen zu entwickeln, die zeigen, wie der zukünftige Garten oder Park aussehen wird. (Ich habe den Job mal gemacht.) Ist also eine 3D-Computeranimation.

Vielleicht sollte ich den letzten Satz so schreiben, damit das klarer wird:

Ich nickte und wandte mich wieder meiner Kamera zu, die im Tiefflug über virtuelle Kastanienbäume strich.

Gruß Achillus

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Hallo Kroko, schön, dass Du wieder rein geschaut hast. (Wann kommt Deine nächste Geschichte?)

Der Satz störte mich ein bisschen, weil das Mädchen keine weitere Rolle in der Geschichte spielt und es mir nicht klar war, warum Sarah sich zu ihr durchkämpfen wollte. Das Gerammel scheint ja eher nach dem Motto "jeder gegen jeden" zu sein.

Ich sehe, was Du meinst. Die Idee war, so einen Gedanken von Solidarität reinzubringen, weil der Fight in den Moshpits eigentlich so eine Männerdomäne ist.

Was das betrifft:

Das Schwein vergewaltigt dich!, zuckte es durch meinen Kopf, und ich wollte schreien.

Da bin ich gerade am Hin- und Her-Überlegen. Muss ich ein paar Tage sacken lassen. Naja und Jane kriegt sicher einen anderen Namen.

Irgendetwas fehlt mir noch, vermutlich, dass ich nichts auszusetzen habe

:D Vielen Dank für das Lob!

Gruß Achillus

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Hallo BRM, vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich hatte beim Schreiben auch hin und wieder den Verdacht, dass das für Leute, die die Szene nicht kennen, teilweise schwierig zu verstehen sein könnte. Ich hoffe, dass da aber trotzdem der Gesamteindruck überzeugt. Freue mich, dass es Dir gefallen hat.

Der zitierte Satz macht mir einiges Kopfzerbrechen. Ich brauche dafür ein paar Tage. Vielen Dank für Deine Hinweise.

Gruß Achillus

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Hallo Novak, wie immer toll, Deinen ausführlichen Kommentar zu lesen. Vielen Dank dafür!

Gewundert habe ich mich über die geballte Aggression, die da spürbar wurde, kann mich nicht erinnern, dass das früher so heftig war. Aber mein Gott, ist ja auch schon sehr sehr lange her. Eigentlich eine komische Sache, dass da Leute freiwillig mitmachen, hat einfach auch was mit der Musik zu tun.

Dazu muss man vielleicht wissen, dass diese Szene viele Enttäuschungen durchlebt hat. Als in den achtziger Jahren der Punk immer kommerzieller wurde, entwickelte sich daraus die Hardcore-Szene mit einer härteren Musik und anderen Idealen. Im Straight Edge Hardcore wollten die Kids von der negativen No-Future- Attitüde der Sex-Pistols weg und formulierten Grundsätze eines besseren, straighten Lebens. Dazu gehörten vor allem vier Dinge: Verzicht auf Drogen, Tabak, Promiskuität und Fleisch. Wie das meist mit Idealen ist, blieb davon nicht viel übrig, und als Zeichen dieses Verlustes beschreibt meine Geschichte auch ein bisschen das Absacken und die Brutalisierung der Szene.

Und schon der Einstieg, wie sie den Typen, der nach ihrem Tattoo fragt, abkanzelt, das hat mir ziemlich Spß gemacht. Ich mochte das auch, wie du ihre Reaktion gegenüber den beiden Kollegen differenziert hast. Der eine bekam die Antwort, die er verdient hat, obwohl das nur zwischen den Zeilen steht, scheint Bremer in ihren Augen ein unangenehmer opportunistischer Typ zu sein, der sich immer wieder an sie anwanzt. Also die kennt da nichts, bei dem anderen Kollegen reagiert sie anders, dem zeigt sie zwar auch den Mittelfinger, aber den akzeptiert sie. Und schön fand ich seinen Spruch, weil das eine Referenz wiederum zu dem Liedtext ist. Und dein Titel stammt ja auch daraus.

Vielen Dank, das ist eine schöne Beobachtung und ein tolles Lob.

Warum brichst du das nicht irgendwie mal? Ich könnte mir das interessant vorstellen. Sie vielschichtiger machen. So ist die Frau hier so merkwürdig unangreifbar glatt wie ein Stück Glas. Ich meine, da wollte gerade der "Freund" der Freundin an sie ran, so fuchtbar normal ist das in der Punkszene ja nun nicht gerade, hinterlässt das denn keinerlei Spuren an ihr? Am nächsten Tag lässt sie gerade wieder die Kamera fliegen wie vorher.

Hm, das kann man schwer bestreiten. Diese Sarah ist schon sehr tough. Ich habe versucht, mit dieser lakonischen Darstellung den Eindruck zu vermitteln, dass Sarah Enttäuschungen (von Männern) gewohnt ist. Vielleicht bin ich da etwas übers Ziel hinausgeschossen.

By the way: Das ist nicht die Punkszene. Hör mal ein paar Sekunden rein (das reicht völlig), dann wird Dir sofort klar, was ich meine. Hier sind First Blood und hier ist das Recluse Cover, das mir beim Schreiben durch den Kopf ging und hier ist das Original.

Ähnlich finde ich das dann auch mit dem Schlagzeuger. Ich versteh das nicht. Ist doch jetzt nicht grad was Normales, dass der Schlagzeuger einer Punkband nach einem erfolgreichen Gig statt die Nachfolgeband anzuhören oder sich ein Bier reinzuziehen, mal eben ins Frauenklo geht, um sich über die Freundin der Frau herzumachen, die ja total auf ihm steht.

Das stimmt absolut. Die Idee war, die Korrosion und Problemhaftigkeit dieser gesamten Szeneentwicklung anzudeuten. Es gab Zeiten, da wäre eine Vergewaltigung auf so einem Konzert undenkbar gewesen. In den späten 90er Jahren haben sich dann auch immer mehr Bands zurückgezogen, weil die enttäuscht waren, von dem krassen Konsum und der Gewalt auf den Gigs. Viele junge Leute, die dann dazu gekommen sind, kannten die alten Zeiten gar nicht mehr und dachten, das muss so sein. Allerdings will ich damit nicht sagen, dass das alles tot ist. Ich sehe aber eine schwere Krise.

Janes rotes Kopftuch flackerte weiter vorn auf dem Seitenrang im Strobolicht, und ich lachte bei dem Gedanken, wie begierig sie jetzt zweifellos Mikes einsamen Kampf hinter dem Schlagzeug verfolgte. - Da habe ich gestutzt. Fiel mir auf, weil da in ihrer Beobachtung so ein bisschen Amüsement über Mike mitschwang. Es war aber auch wiederum nicht so deutlich, dass ich mir sicher gewesen wäre. Sie hätte sich genausogut auch über Janes Anhimmelei amüsieren können.

Ja, da habe ich ein merkwürdiges Phänomen andeuten wollen, das ich in meiner Zeit damals beobachtet habe. Einerseits wissen die Mädchen, dass vieles, was da passiert Pathos und Pose ist, und sie machen sich darübe lustig. Anderseits beeindruckt es sie auch, und viele werden schwach, bei dem Testosterongewitter, das da abgeht :D

Wie die anderen finde ich auch, dass der Spruch mit der vergewaltigt dich wegbleiben könnte. Er ist redundant. Allerdings gab es einen Punkt, der mich da noch ein bisschen umtreibt. Wenn man das so sagt von sich selbst, dann noch in der Du-Form, dann kriegt das Distanz.

Ich habe da einfach an Du in diesem Teil anknüpfen wollen:

Aufpassen! Lass dir nicht direkt auf die Fresse schlagen. Die fehlende Ecke vom Schneidezahn, die du deinem Scheißvater verdankst, reicht. Die Arme heben. Die Titten schützen. Schlag zu!

Sarah ist grundsätzlich sehr distanziert, sowohl gegenüber anderen, als auch gegenüber sich selbst, da liegst Du auf jeden Fall richtig. Ich wollte damit ihren Grad an Desillusionierung andeuten.

Und dann noch eine Kleinigkeit, warum hast du Janes DocMartens rot sein lassen? Ist komisch, aber ich bin da richtig drüber gestolpert. Also nicht dass du jetzt denkst, Frauen denken immer nur an Schuhe ...

:D Ich kannte ein Mädchen mit roten Doc´s, und habe selbst auch welche getragen. Ist vielleicht nicht mehr als ein Fashion Statement.

Nach der Szene mit dem Tritt, musste ich ganz kurz denken, aha, da sieht man das Blut nicht so drauf. Und gleichzeitig fand ich meine Reaktion merkwürdig abgebrüht. Ich mein, ich bin ja eigentlich nicht so abgebrüht ... Und das hat mich schon gewundert, dass mich die ganze Szenerie so kalt gelassen hat.

Das ist ja krass. Ich denke, wenn man das von außen so betrachtet kann man auf den Gedanken kommen: Naja, die wollen es ja nicht anders. Warum machen sie es sonst.

Das finde ich natürlich. Schließlich zwingt die niemand, sich an solchen "Freizeitaktivitäten" zu beteiligen. Je näher man dann rückt, desto mehr normalisiert sich das. Klar, kriegst Du schneller was aufs Maul, wenn Du jemandem dämlich kommst. Das führt dann dazu, dass man sich überlegen muss, ob und wie man was sagt. Für mich waren das trotzdem immer alles ganz normale Mädchen und Jungs, mit all den Hoffnungen und Ängsten, die alle haben.

Deine Protagonistin erinnert mich übrigens an eine Art kleine Schwester von Himmel noch mal, wie hieß die, die Frau, die diese knallharte Ausbildung in deiner Serie gemacht hat. Du scheinst ein Faible für solche Frauenfiguren zu haben.

Da haste recht :D Is kein Zufall.

Bei beiden Figuren noch so einen kleine Ecke setzen, das hätte für mich den Text tiefer gemacht. Ansonsten hast du da ein tolles Thema toll geschreiben, die Geschichte ist atmosphärisch dicht, und ich hab sie sehr gerne gelesen.

Ich mache mir auf jeden Fall Gedanken darüber. Vielen Dank für alle Deine Hinweise und Reflexionen. Hat wieder Spaß gemacht, Deinen Gedanken zu folgen.

Gruß Achillus

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Hey Fugu, toll, wieder von Dir zu hören. Vielen Dank für Deinen Kommentar.

Deine anderen Geschichten, die ich bisher gelesen habe, gefielen mir vom Thema her viel besser.

Ja, keine Angst. Ich schreibe weiter an Abenteuer- und Thrillergeschichten. Ich bin bloß gerade mit meiner Jagdgeschichte nicht weiter gekommen und wollte einfach was machen, was ein bisschen aus dem Rahmen fällt.

Wenn ich es richtig verstehe, ist es eine Szene bei Dreharbeiten? Oder basteln die an einem Computerspiel?

Ja, die Technologie ist so, wie bei einem PC-Spiel. Aber hier wird zu Promo-Zwecken eine virtuelle Kamerafahrt entwickelt, die zeigen soll, wie ein Architekturprojekt mal aussehen wird. Eine Visualisierung also.

So geht es mir bei Deiner Szene: Argusfasangehabe und nicht viel dahinter. Aber die Weibchen sind total beeindruckt, weil da welche so saudumm rummachen. Funktioniert beim Menschen angeblich bei beiden Geschlechtern.

Das verstehe ich. Von außen betrachtet wirkt das ziemlich schräg und dämlich. Nun bin ich befangen, weil ich ja selbst aus dieser Szene komme und kann nur recht hilflose Versuche machen, um das zu erklären:

Punkt eins ist, meiner Ansicht nach, dass es in dieser Szene (ursprünglich) nicht einfach nur um Musik geht. Nicht nur um Rock ’n’ Roll und Spaß haben. In meiner Geschichte spielen ja First Blood eine kleine Nebenrolle und die engagieren sich stark für Tierschutz, gegen Faschismus etc. Das tun sie aber nicht auf die höfliche Art, sondern ziemlich radikal. Und so ist/ war diese ganze Szene etwas, das die Kids von heute nicht begreifen können, nämlich politisch. Die Aggression, die da mitspielt und die auf den Konzerten ausgelebt wird, ist Teil der Rebellion, so würde ich das sehen. Das Ganze ist auch ein bisschen ein romantischer Gegenentwurf zur Förmlichkeit und Disziplin des Alltags. Aus diesem Grunde wollte ich auch diese Büroszene dem Konzertbesuch gegenüberstellen.

Punkt zwei, die Mädchen und Frauen. Ich glaube, dass das Barbarische und Kriegerische, das da abgeht, nicht nur Männer fasziniert. Das ist eben pure Energie. Das hat auch was Sexuelles, finde ich, wie Rockmusik und Tanzen und Ekstase grundsätzlich was Sexuelles haben. Wenn man bei so einer Show mitgeht – und ich habe das häufig vor und auf der Bühne erlebt – dann gibt man auch etwas von sich selbst ab, löst sich im Getümmel auf, wird frei. Das Massive dieser Musik walzt Dich nieder und Du hast das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu werden, einfach brachiale, rohe Energie. Schwer zu beschreiben. Das ist jedenfalls sehr lustvoll oder kann es zumindest sein, wenn man sich darauf einlässt.

Vielen Dank, Fugu, für Deinen Kommentar.

Gruß Achillus

 
Zuletzt bearbeitet:

Achillus schrieb:
Ja, keine Angst. Ich schreibe weiter an Abenteuer- und Thrillergeschichten. Ich […] wollte einfach was machen, was ein bisschen aus dem Rahmen fällt.
Und das ist dir gelungen, Achillus. Ich find’s toll, wie du anscheinend mühelos die Genres wechselst und wie souverän du dich dabei der jeweils passenden Sprache bedienst.
Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass es in vielen deiner Geschichten zumindest eine motivische Übereinstimmung gibt. Immer wieder meine ich zu erkennen, dass es dir ein Thema besonders angetan hat: nämlich dieses anachronistische, bzw. nicht steuerbare Verhalten der Menschen in Ausnahmesituationen, wenn quasi das archaische Erbe unserer Urahnen (die Disposition unseres Stammhirns?) das Ruder in die Hand nimmt.
Sei es jetzt der Soldat in deiner letzten Story, der seinem ungezügelten Jagdtrieb gehorcht und es zulässt, dass dieser gar sein Sexualverhalten vollkommen pervertiert (und der Mann dadurch erbärmlich instinktgeleitet wirkt), oder wie hier, wo Jugendliche in einer Art von Massenhysterie ihre Aggressionstriebe ausleben.
Einem denkenden Menschen muss im Grunde das eine wie das andere gespenstisch und haarsträubend irrational erscheinen.
Wobei ich sagen muss, dass mir das Szenario speziell dieser Geschichte um einiges näher ist, als dasjenige deiner Actionstorys, einfach weil ich durch genau diese Art von Musik, die in dem Text hier sozusagen das Leitmotiv ist, in den späten 1970ern (ja, liebe mitlesende Kinder, Hardcore Punk gab's tatsächlich schon damals) meine prägende und nachhaltige musikalische Sozialisation erfuhr.
Aber auch wenn ich nach wie vor die Faszination und Eigendynamik solcher Konzerte nachvollziehen kann (wenn auch nicht mehr so bedingungslos wie vor dreißig, vierzig Jahren), ließ mich diese Geschichte mit einem eigenartigen Gefühl zurück. Keinem schönen Gefühl ehrlich gesagt. Ich weiß gar nicht, wie ich es sagen soll … ich mochte die Figuren einfach nicht, echt keine einzige, und das machte mir die ganze Geschichte irgendwie unsympathisch. Versteh mich nicht falsch, Achillus, ich finde den Text großartig geschrieben, also sprachlich und stilistisch gelingt es dir einmal mehr, eine unheimlich dichte und eindrückliche Atmosphäre zu schaffen, aber gleichzeitig hat mich die Geschichte emotional unangenehm berührt, beinahe spürte ich so eine Art Fremdschämen beim Lesen von diesen vollkommen durchgeknallten Irren. Aber das ist wohl weniger ein Problem dieses Textes, als vielmehr mein ganz persönliches Problem ...
Mag sein, dass ich einfach alt geworden bin. Scheiß drauf.
Trotz allem ein sehr starker, sehr eindringlicher Text, Achillus.

offshore

PS

Ich nickte und wandte mich wieder meiner Kamera zu, die im Tiefflug über Kastanienbäume strich.
Das war für mich der schönste Satz, Achillus, ehrlich. Einfach weil er sowas leise Versöhnliches, beinahe Poesievolles hat.

PPS

Ich nahm ein Schluck von meinem Bier
einen
Noch besser: Ich nahm einen Schluck vom Bier.

 

Hallo Achillus!

Nur so nebenbei - ich finde den Titel der Geschichte ausgesprochen schön und inspirierend. Wie eine Pforte in eine andere Welt, hinter der ich "alles mögliche" zu hoffen wagte. Dort war (aber) ein altbekanntes Schlachtfeld und ich hab die Tür einfach wieder zugezogen.

Ich würde mich, da du wirklich gut schreiben kannst, sehr darüber freuen, wenn Du Dich mal an einem gänzlich anderen Genre - oder zumindest "Sujet" versuchen würdest.
Ich weiß, ich hab da kein Recht oder Anspruch oder wie auch immer zu, aber ich fänd´s einfach gut. Hab einige Geschichten von Dir gelesen und fand sie immer gut bzw. bedenkenswert.
Bei dieser dachte ich zum ersten Mal: schon wieder?

Wollt ich Dich wissen lassen, gut geschrieben auf jeden Fall - aber der Inhalt. Ich will was anderes!

Viele Grüße

Reiki

 

Hey,

ich finde das einen guten Text, gerade in seiner Kürze, Schnelligkeit und Härte. Konzerte, Hardcore, das ist halt auch eine Welt, die ich kenne und deswegen hatte das schon mal vorweg bei mir ein Stein im Brett.

Ich finde, das ganze hat auch was von Fight Club. Total eigentlich, wenn ich jetzt so darüber nachdenke. "Bürgerliche" mit Bürojobs treffen sich abends und prügeln sich. Ich will damit nicht sagen, dass ich das unauthentisch finde, das gibts schon da draußen, auch diese Konzerte, die völlig ausarten, und deswegen gefällt mir das, das ist so eine Art Miniatur-Fight Club-Version, im Jetzt.

Zur Vergewaltigungsszene:

Das Schwein vergewaltigt dich!, zuckte es durch meinen Kopf, und ich wollte schreien.
Das ist mir beim Lesen auch aufgefallen, dass das zu viel ist. Der Leser checkt schon, dass sie hier vergewaltigt wird, und das noch mal ausführlich aufzuschreiben, nimmt der Szene etwas den Zug und der Empathie, finde ich.
Ich denke, dass diese Szene aus rein dramaturgischen Gründen sehr wichtig für den Text ist. Da ist es egal, wieso Mike sie vergewaltigen will, aber würde diese Szene fehlen, wäre der gesamte Text nicht so intensiv. Die Vergewaltigung ist so etwas, was total unvorhergesehen auf den Leser trifft, eine richtig krasse Szene, die auch eine Steigerung zur Gewalt im Moshpit davor darstellt, aber nun gegen die Prot, und auch wesentlich zu viel Gewalt, als dass man als Leser da mitgehen würde.

Was genau die Prot für einen Job hat und wie das mit der Kamera ist, die fliegt, habe ich nicht ganz verstanden, ich schätze, das solltest du bisschen durchsichtiger gestalten, was sie genau tut. Computeranimation hast du schon geschrieben, aber aus dem Text wird das mMn nicht zu hundert Prozent ersichtlich.

Viele Grüße
zigga

 

Herrje, geht das wirklich so ab im Moshpit?

Hallo, Achillus!

Ja, der Moshpit. Da war ich auch mal drin. Allerdings nicht innerhalb dieser Hardcoreszene, die du hier zeigst. Metal, ja, aber nicht dieses Hardcorezeug.

Wir waren nicht mehr in den Achtzigern. Auf den Hardcore-Konzerten begnügten sich die Jungs nicht mehr damit, einander ein wenig herum zu schubsen.

Genau das hat nämlich auf den Konzerten, auf denen ich war, gereicht. Da wurde geschubst, das wurde gerempelt, und wenn jemand hinfiel, wurde demjenigen wieder auf die Beine geholfen. Einmal habe ich einen Ellbogen ins Gesicht gekriegt, aber das war ein Versehen, der Typ hat sich sofort entschuldigt. Einmal habe ich meinen Schuh verloren, da hat mir tatsächlich jemand geholfen den Schuh im Getümmel wiederzufinden :D Da ist das, was du hier beschreibst, ja wie eine andere Welt. Und an solch einer Welt hätte ich auch gar kein Interesse, muss ich sagen. Inzwischen interessiere ich mich nicht einmal mehr für die Welt, in die ich damals ab und an eingetaucht bin.

Deine Geschichte hat mir aber gut gefallen. Deine Sprache ist sehr klar, sehr strukturiert, aber auch sehr unmittelbar, was vor allem bei der Moshpitszene zur Geltung kommt. Da kommt tatsächlich etwas von dieser Energie, die da drin steckt, rüber. Dabei muss ich sagen, dass du es meiner Meinung nach auch bei dem Moshpit hättest belassen können. Also Arbei-Moshpit-Arbeit (damit du immer noch den Kontrast zwischen Alltag und Harcore hast). Ich weiß nicht, ob es die Vergewaltigung wirklich gebraucht hätte. Zunächst einmal wird nicht wirklich klar, wie Novak schon angemerkt hat, wieso der Mike das überhaupt macht. Er hätte ja auch einfach die Jane nehmen können. Und ich habe mich halt gefragt, was das mit dieser Musikszene zu tun hat. Vergewaltigungen passieren ja überall. Inzwischen hast du ja erklärt, was du mit der Beschreibung der Vergewaltigung bezwecken wolltest, aber mir kam es so vor, als wolltest du der gesamten Harcoreszene einen drüber geben. Das sage ich jetzt natürlich als Außenseiter. Ich bin nicht drin in dieser Szene. Du sagst ja, du stammst selbst aus dieser Szene, vielleicht kommt einem Gleichgesinnten da auch auf eine andere Idee.
Die Vergewaltigung selbst war natürlich sehr intensiv beschrieben und konnte durchaus Wirkung entfalten.

So oder so war es aber ein toller Text. Gern gelesen.

Viele Grüße
Mix

 

Hallo Achillus,
nach nochmaligem Lesen und nach Deinen Erklärungen wird mir die Geschichte, das was Du uns mitteilen willst, klarer.
Ich glaube, es war Konrad Lorenz, der einmal gesagt hat, dass unsere Kultur und alles, was Menschen geschaffen hätten, an einem dünnen Faden hinge. Diesen Faden hast Du mit Deiner Geschichte durchgeschnitten. (Nicht nur in Deiner Geschichte, auch bei jimmysalaryman und anderen ist das schon passiert.)
Gehirnfäden durchzuschneiden, ist vielleicht eine allgemeine Methode, um in andere Welten zu gelangen?
Viele Grüße
Fugu

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Achillus,

- ich sage es gleich vorneweg: ich will meckern.

Meinen Kommentar muss ich mit einem Vorurteil beginnen: ich gehe aufgrund deines Nicks und deines Profilbilds davon aus, dass du ein Kerl bist. Fast würde ich mir wünschen, dass ich falsch liege und so meine eigenen Vorurteile auf das Raffinierteste entlarvt werden, denn ich schreibe jetzt: ich habe immer so ein Problem damit, wenn Menschen versuchen aus Perspektiven zu schreiben, die sie selber niemals nie einnehmen können.
Als weißer Mitteleuropäer aus der Sicht eines weißen Mittelstandsamerikaners, als weißer Mittelstandsamerikaner aus der Sicht eines Afroamerikaners – oder eben als Mann aus der Sicht einer Frau.
Ich weiß, ich weiß, es gibt viele tolle Beispiele, wo das ganz hervorragende und brillante Ergebnisse hervorgebracht hat – aber ich persönlich finds halt schwierig, mags meistens nicht.

Und damit steige ich nun ein:

"Das ist Kali", sagte ich. "Sie schneidet Wichsern den Schwanz ab und stopft ihnen damit das Maul."
Ich finde diesen Satz unglaublich konstruiert. Wie es der Zufall will schlängelt sich auf meinem Unterarm auch etwas Schwarzblaues und mehr als einmal sagten schon Kerle: „geiles Tattoo!“ (Übrigens in der Regel gekoppelt mit der Frage: „Bedeutet das etwas?“, die bei mir in der Tat Schlagreflexe auslöst) aber darauf zu antworten „Das ist die Eidechse Sam, die beißt Wichsern den Schwanz ab und frisst ihn auf“ - also nee, ich weiß nicht, das machst du vielleicht einmal und dann kommst du dir selbst so seltendämlich vor, dass du danach nie wieder sowas sagst.

Zu Steven hingegen sagt sie dann nichts mehr, hier nur der Mittelfinger. Da hätte wiederum ein „fick dich selbst“ gut gepasst.

Dann verstehe ich nicht, wieso Mike und Jane nicht schon längst was miteinander hatten, wenn sie sich doch schon so nahestehen, dass sie sich „küssten, als könnten sie das Ende der Show nicht abwarten“. Das würde auch die Dramaturgie am Ende noch einmal steigern.

Als Christian eine Stunde später im Donnern der Doublebass die Bühne betrat, war von dieser Schüchternheit nichts mehr zu spüren.
Lampenfieber und Schüchternheit sind nicht dasselbe.

Die Beschreibung der Musik und des Konzerts hat mir sehr gut gefallen. Außer dieser Satz, das taucht glaub ich auch schon irgendwo in den anderen Kommentaren auf:

Ich sah ein Mädchen, das sich einige Meter entfernt in die Schlägerei mischte, und ich versuchte, mich mit Stoßen und Treten zu ihr durchzukämpfen, aber es war zwecklos, denn ich flog wie eine Puppe und hin und her.
An ein paar Kleinigkeiten habe ich gestockt:
Irgendein Typ packte mich am Arm, riss mich hoch
„Irgendeiner“ oder „-jemand“ reicht völlig finde ich. Dass da überall Typen sind ist ja inzwischen klar.
Ich beugte mich über die Kloschüssel, strich mein Haar zurück und kotzte ausgiebig. Dann spuckte ich noch einmal und drückte die Spültaste. Ein paar Minuten später spritzte ich mir über dem Waschbecken Wasser ins Gesicht.
Wieso „ein paar Minuten später“? Erst diese extreme Geschwindigkeit und dann passieren Minuten auf dem Klo zwischen Kotzen und Wasserspritzen gar nichts?
„Vergewaltigt dich“ finde ich hingegen plausibler als „mich“, kann ich hier gut nachvollziehen. Beim „Schreien“ würde ich aber auch für Weglassen voten.

Zu guter Letzt glaube ich, dass der Text eine noch größere Dynamik entwickeln könnte, wenn er im Präsenz wäre. (Ich hab gerade ein déjà-vu – hab ich das schon einmal bei dir drunter geschrieben?)

Habs gerne gelesen und es hat mir gefallen. Hm, glaubt man gar nicht, wenn man so liest, was ich vorher geschrieben haben oder ... :D
Es grüßt
die heiterbiswolkig

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Leute, ich war gerade ein bisschen erschrocken, als ich die Kommentare las, weil ich befürchte, dass das Ganze etwas negativer rübergekommen ist, als ich es eigentlich im Sinn hatte. Ich habe die Geschichte gestern meinem Freund und Bassisten aus unserer alten Band gezeigt, und er meinte, dass es vielleicht ein Problem sein könnte, dass 95% der Leser dieser Geschichte die Verhältnisse auf so einem Konzert bzw. in der Szene gar nicht kennen. Die Zeiten, in denen ich drei Mal pro Woche auf die Probe gerannt bin, sind lange vorbei, und ich betrachte das Ganze jetzt mit der Weisheit des Alters :D aber immer noch mit viel Sympathie. Und ich wollte natürlich nicht andeuten, dass die Szene nur aus Idioten und Vergewaltigern besteht ...

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Hallo Ernst, habe mich riesig gefreut, wieder von Dir zu lesen.

Ich find’s toll, wie du anscheinend mühelos die Genres wechselst und wie souverän du dich dabei der jeweils passenden Sprache bedienst.

Vielen Dank. Tolles Kompliment.

Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass es in vielen deiner Geschichten zumindest eine motivische Übereinstimmung gibt. Immer wieder meine ich zu erkennen, dass es dir ein Thema besonders angetan hat: nämlich dieses anachronistische, bzw. nicht steuerbare Verhalten der Menschen in Ausnahmesituationen, wenn quasi das archaische Erbe unserer Urahnen (die Disposition unseres Stammhirns?) das Ruder in die Hand nimmt.

Das finde ich eine spannende Analyse, aber sicher kann man das von außen besser beurteilen. Ich bin mir bei meinen Motiven nicht so ganz klar. Auf jeden Fall fasziniert es mich, wenn hinter der Fassade des Wohlgeordneten das Archaische durchbricht. Und das passiert meist in Extremsituationen, da hast Du sicher recht.

Einem denkenden Menschen muss im Grunde das eine wie das andere gespenstisch und haarsträubend irrational erscheinen.

Das ist ein Satz, über den man einen ganzen Abend lang reden könnte. Gefällt mir sehr gut, aber ich teile das so nicht ganz. Mein Ziel (nicht nur beim Schreiben, sondern auch sonst im Leben) hängt mit dem Wunsch zusammen, dass mir – vielleicht eines Tages – nichts menschliches mehr fremd sein soll. Ob ein Verhalten irrational ist, lässt sich nur dann entscheiden, wenn wir wissen, welche Motive ein Mensch damit verbindet, welchen Nutzen er sich davon verspricht. Das Motiv bei solchen Events (Du hast es ja früher selbst erlebt) scheint mir zu sein, all das loszulassen, was einen von innen auffrisst. Sicher wäre es kultivierter, statt dessen Haikus zu dichten (was ich jetzt mache :D ), aber diese Möglichkeit haben die Kids einfach nicht.

ich mochte die Figuren einfach nicht, echt keine einzige, und das machte mir die ganze Geschichte irgendwie unsympathisch.

Ja, das macht mich schon ein bisschen traurig. Ich hatte gehofft, beim Leser Sympathie für Sarah zu erzeugen.

Versteh mich nicht falsch, Achillus, ich finde den Text großartig geschrieben, also sprachlich und stilistisch gelingt es dir einmal mehr, eine unheimlich dichte und eindrückliche Atmosphäre zu schaffen, aber gleichzeitig hat mich die Geschichte emotional unangenehm berührt, beinahe spürte ich so eine Art Fremdschämen beim Lesen von diesen vollkommen durchgeknallten Irren. Aber das ist wohl weniger ein Problem dieses Textes, als vielmehr mein ganz persönliches Problem ...
Mag sein, dass ich einfach alt geworden bin.

Na, ich seh das eher als ein Mangel des Textes. Vielleicht ist das gezeichnete Bild zu einseitig.

Ich nickte und wandte mich wieder meiner Kamera zu, die im Tiefflug über Kastanienbäume strich. - Das war für mich der schönste Satz, Achillus, ehrlich. Einfach weil er sowas leise Versöhnliches, beinahe Poesievolles hat.

Hm, vielen Dank. Das freut mich.


Ich nahm ein Schluck von meinem Bier - Noch besser: Ich nahm einen Schluck vom Bier.

Denke ich drüber nach, danke für den Hinweis, für Deine Zeit und Mühe!

Gruß Achillus

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Wird fortgesetzt ...

 

Hallo Achillus,

habs auch gern gelesen.

das mit der Computeranimation and ich blöd, das würde ich glaub einfach rausnehmne. Oder steckt da irgendein toller Metagedanke dahinte? Außer … und am Ende war es eine Computeranimation. Könnte man ja jede Geschichte so enden lassen ... und am Ende war es bloß eine Computeranimation.
Weiß nicht, was du damit zeigen willst.

Gut finde ich vor allem, wie du den Action so beschrieben hast, sprachlich ist das gut , dass man es da verfolgen kann und ein Bild bekommt und so. Hat jetzt ein bisschen übertrieben auf mich gewirkt, wie die drauf waren da drin .. hab auch schon Moshpits erlebt, aber ja … ich geb auch zu, nicht mein Ding, hab da wenig Zeit tatsächlich drin verbracht, bin ich immer aus dem Weg. Mal bei Placebo Konzert auf Sziget gewesen, das war schon sehr krass, das gab es auch Regeln und so, da war der Pit so breit wie ein Fußballfeld, und wer rein ist bevor Placebos Song abgegangen ist wurde rausgetackelt, und wenn man drin runtergefallen ist, würde man sofort hochgehoben, da war man voll solidarisch, musste man aber auch sein, ich meine, da hätte man auch zertrampelt werden können bei der Menge, haben auch Leute Zähne verloren und so. Hab da aber wie gesagt immer nur zugeguckt, so das Rumgeschubse waren mir immer bisschen zu stressig.

Ansonsten ja … bisschen Attitüde, komischer Animationsrahmen, gut beschrieben die Kernszene mit dem Pit und dem Konzert da, … die Vergewaltigungsszene ist auch gut geschrieben, wirkt aber bisschen beliebig, weil die Geschichte dann vorbei ist und das Ganze nirgends hinführt und die Figuren sagen einem da vielleicht noch nicht genug .. ein bisschen fehlt mir hier auch, dass da was aufbricht und man mehr in die Geschichte reinkommt und Handlung und so ... so sind das paar coole Szenen und Atmosphäre, das ist auch gut.

MfG,

JuJu

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Reiki, vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich interessiere mich für jede Art von Hinweis. Auch wenn Dir das Thema diesmal nicht gefallen hat, fand ich es gut, dass Du geschrieben hast.

Ich würde mich, da du wirklich gut schreiben kannst, sehr darüber freuen, wenn Du Dich mal an einem gänzlich anderen Genre - oder zumindest "Sujet" versuchen würdest. Ich weiß, ich hab da kein Recht oder Anspruch oder wie auch immer zu, aber ich fänd´s einfach gut.

Danke für das Kompliment. Woran hattest Du denn dabei gedacht? Ich gehe nicht davon aus, dass Du eine Komödie im Sinn hattest.

Gruß Achillus

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Hallo Zigga, schön, wieder von Dir zu lesen. Habe mich über Deinen Kommentar gefreut.

Ich finde, das ganze hat auch was von Fight Club. Total eigentlich, wenn ich jetzt so darüber nachdenke. "Bürgerliche" mit Bürojobs treffen sich abends und prügeln sich. Ich will damit nicht sagen, dass ich das unauthentisch finde, das gibts schon da draußen, auch diese Konzerte, die völlig ausarten, und deswegen gefällt mir das, das ist so eine Art Miniatur-Fight Club-Version, im Jetzt.

Ja, und auch die Motivation scheint mir ähnlich zu sein: In Fight-Club geht es, wenn ich mich richtig erinnere, ja auch darum, etwas was von der Lebendigkeit zurückzuerobern, die den Menschen im durchbürokratisierten Alltagsleben genommen wurde. Das Prügeln ist ein Ventil, aber es ist auch mehr als das – die Rückkehr zu einer Direktheit, Unmittelbarkeit und Körperlichkeit, die der Alltag wegrationalisiert hat.

Zur Vergewaltigungsszene: Das ist mir beim Lesen auch aufgefallen, dass das zu viel ist. Der Leser checkt schon, dass sie hier vergewaltigt wird, und das noch mal ausführlich aufzuschreiben, nimmt der Szene etwas den Zug und der Empathie, finde ich.

Sehe ich mittlerweile auch so und werde das wahrscheinlich rausnehmen.

Ich denke, dass diese Szene aus rein dramaturgischen Gründen sehr wichtig für den Text ist. Da ist es egal, wieso Mike sie vergewaltigen will, aber würde diese Szene fehlen, wäre der gesamte Text nicht so intensiv. Die Vergewaltigung ist so etwas, was total unvorhergesehen auf den Leser trifft, eine richtig krasse Szene, die auch eine Steigerung zur Gewalt im Moshpit davor darstellt, aber nun gegen die Prot, und auch wesentlich zu viel Gewalt, als dass man als Leser da mitgehen würde.

Ja, das hat was mit meiner Idee für die Protagonistin zu tun. Ihre in der ersten Szene angedeuteten Probleme mit den Männern werden am Ende wieder aufgegriffen.

Was genau die Prot für einen Job hat und wie das mit der Kamera ist, die fliegt, habe ich nicht ganz verstanden, ich schätze, das solltest du bisschen durchsichtiger gestalten, was sie genau tut. Computeranimation hast du schon geschrieben, aber aus dem Text wird das mMn nicht zu hundert Prozent ersichtlich.

Hm, schade, dass das so uneindeutig ist. Da muss ich noch nachbessern.

Zigga, vielen Dank!

Gruß Achillus

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Hey Mix, vielen Dank für Deine Hinweise zum Text.

Da wurde geschubst, das wurde gerempelt, und wenn jemand hinfiel, wurde demjenigen wieder auf die Beine geholfen. Einmal habe ich einen Ellbogen ins Gesicht gekriegt, aber das war ein Versehen, der Typ hat sich sofort entschuldigt ... Da ist das, was du hier beschreibst, ja wie eine andere Welt. Und an solch einer Welt hätte ich auch gar kein Interesse, muss ich sagen. Inzwischen interessiere ich mich nicht einmal mehr für die Welt, in die ich damals ab und an eingetaucht bin.

Hm, ja diese Konzerte mit Freundschaftspogo, die kenne ich auch noch. Ich fand das auch cool und lustig. Trotzdem sehe ich die härtere Variante nicht so negativ, wie das jetzt vielleicht der Text suggeriert. Das eigentliche Problem besteht nicht so sehr darin, dass ich da ein paar blaue Flecke kassiere, dass jemand mich rammt, boxt oder tritt. Das eigentliche Problem ist die Emotion, die das in mir auslöst, wenn ich es zulasse. Ich hab irgendwann gelernt, da ganz nüchtern ranzugehen - ich schlage, ich werde geschlagen, ich stürze, ich springe wieder hoch, ich schütze mich, ich teile aus, ich stecke ein. Kein Grund, jemandem etwas übel zu nehmen. Kein Grund für Frustration oder Hass. Alle sind in exakt der gleichen Situation.

Dabei muss ich sagen, dass du es meiner Meinung nach auch bei dem Moshpit hättest belassen können ... Zunächst einmal wird nicht wirklich klar, wie Novak schon angemerkt hat, wieso der Mike das überhaupt macht ... Und ich habe mich halt gefragt, was das mit dieser Musikszene zu tun hat ... aber mir kam es so vor, als wolltest du der gesamten Harcoreszene einen drüber geben.

Ja, je mehr ich darüber nachdenke, desto stärker habe ich den Verdacht, dass die Ereignisse auf dem Konzert ein bisschen verschleiern, was die Grundidee von Sarahs Konflikt ist, so wie ich mir das gedacht habe. Die versuchte Vergewaltigung ist für mein Empfinden eine Fortsetzung der ersten Szene. Sarah wird angemacht, kanzelt Bremer hart ab. Sie hat ein Problem mit Männern, und der erwähnte Vater lässt die Vermutung zu, dass dieser Konflikt schon lange Zeit besteht. Die Tätowierung (Kali – eine zornvolle hinduistische Göttin) unterstreicht Sarahs Radikalisierung, die zwar eine Gegenreaktion darstellt, aber einen Rahmen spannt, in dem der zugrunde liegende Konflikt nicht lösbar ist. Der Übergriff von Mike ist wie der Ausdrucks eines Fluchs, der über Sarah zu liegen scheint. Er mutet grundlos an, da hast Du recht.

Die ganze Vorgeschichte, Sarahs Kampf im Moshpit soll nur zeigen, wie tough sie innerhalb dieses Radikalisierungsprozesses geworden ist. Sie macht nicht viele Kompromisse. Dass dieser Übergriff dann von einem Bandmitglied ausgeht, heißt nicht, ich würde die ganze Szene so einschätzen.

So oder so war es aber ein toller Text. Gern gelesen.

Vielen Dank für das Kompliment.

Gruß Achillus

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Wird fortgesetzt ...

 

He Achillus,

fein, dass du dich auch mal an was Anderem versuchst. Sitzt auf jeden Fall. Hart und dreckig. Das ruft eine Erinnerung wach, die ich schnell wieder vergessen will.
Lebendig und gut beschrieben ist es. Tempo ist drin und irgendwie bleibt auich alles offen während des Lesens. Dass es eskalieren wird, ja, das ist klar, aber mit der Klo-Nummer habe ich jetzt nicht gerechnet. Und irgendwie ... naja, ich weiß nicht. Da fehlt mir irgendwie der Link, der mir das plausibel erscheinen lässt. Die Rettung aus der Situation ist dann wieder saucool.
Was es jetzt mit dem Animationskram auf sich hat ...?
Ist jetzt kein Text zu dem ich viel sagen kann. Ist spannend, da mal so reingucken zu dürfen, in die Szene, so aus der sicheren Distanz. Länge ist genau richtig so.

grüßlichst
weltenläufer

 

Danke für das Kompliment. Woran hattest Du denn dabei gedacht? Ich gehe nicht davon aus, dass Du eine Komödie im Sinn hattest.

Gerne! ;)
Nein, an eine Komödie hatte ich in der Tat nicht gedacht. Wobei, jetzt wo Du es selber erwähnst ... hm.

Bei der Überschrift - "Alles, worauf wir hoffen durften", hatte ich, glaube ich, ein Sozialdrama im Hinterkopf. Ein wenig in die Richtung von "Nichts" - hier der Link: http://de.wikipedia.org/wiki/Nichts_(Roman)

(Allerdings ein Jugendbuch, wobei ... letztendlich ist das ja auch "egal".)

Was mich ein wenig stört, wenn man das so sagen kann, ist, dass Dein "Sujet" immer dasselbe beinhaltet. Es ist immer irgendwie Gewalt im Spiel, es ist immer dreckig (Schlammschlacht), rau und derb.

Das zu variieren könnte Dir vielleicht ganz gut tun. Auch das macht für mich gutes Schreiben aus - viele Spektren in seinem Malkasten bzw. Schreibkasten zu haben.
Feinere Töne fänd ich daher schön. Weniger brutal, vielleicht mal "melancholisch", das mag Dir vielleicht sogar (nahe)liegen - Trauer ist oft der Antrieb für Wut, Zerstörung und Gewalt.

Wie gesagt, das ist nur ein Vorschlag und du sprichst mit dem, was Du tust, ja schon eine Menge Leute an. Ich persönlich glaube, dass Du sehr davon profitieren könntest.

Viele Grüße

Reiki

PS. Auch das oben genannte Buch endet übrigens in einem kleineren Gemetzel. Aber der Weg dahin ist lang.

 

Hey Achillus,

mir gefällts nicht - nicht unbedingt weil es von meiner Realität derbe abweicht und ich mit dieser Welt nix zu tun habe und nichts zu tun haben möchte, das ist ja auch bei Game of Thrones so und doch gefällts mir, also damit kann ich mein Missfallen nicht begründen. Mir fehlt hier ein Konflikt und ein Plot wie in deinen anderen Geschichten. Also, was passiert da im Grunde: Hardcore Mädel geht auf Konzert, weil sie mit dem Sänger der Vorband ein Date hat, sie "tanzt", geht auf die Toilette und wird vergewaltigt - gibt es irgendwie eine Verbindung der Szenen? Die Vergewaltigung könnte ja auf jedem anderen Konzert auch passieren, ist das jetzt eine Vergewaltigungsgeschichte? Dafür hat die Vergewaltigungsszene zu sehr dezentralisiert und die Moshpit-Szene dominiert die Geschichte, die über eine Beschreibung nicht hinausgeht. Ich werde das Gefühl nicht los, dass diese Geschichte mit dieser Hardcore-Metal-Szene-Ästhetik spielt und darüber hinaus nicht viel leistet - also eine Mogelpackung, wie ich finde. Und normal sagt ja Jimmy zu Texten, die pure Ästethik sind "Nabelschau" blablub, aber das ist dann wohl eine andere Szene und das müssen wir dann anders behandeln, oder wie?

Was die Figur angeht: bekommt die auch ein Eigenleben oder bleibts nur beim Rumgepose? Also ist das ein echter Mensch oder nur eine coole Nebenfigur aus einem Film - normal sind solche Mädels ja tatsächlich mit ihrem Posen, ihren Tattoos, Zigaretten und Bier aus der Flasche ja Nebenfiguren und ich finde, hier schafft es nicht, sie zur Hauptfigur zu machen, weil sie weiterhin sehr fern bleibt. Ich glaube nicht, dass das was damit zu tun hast, dass du ein Typ bist und hier eine Erzählerin hast. Das Komische ist, man lernt sie nur durch Dialoge kennen, als wäre sie nicht die Erzählerin, wenn sie erzählt, dann nur über Ereignisse von außen, sie sagt nie, wie es ihr geht. Wozu dann Ich-Erzählerin? Das hätte doch auch ein personeller ERzähler getan, ich wundere mich gerade über die Auswahl.

Wir waren nicht mehr in den Achtzigern. Auf den Hardcore-Konzerten begnügten sich die Jungs nicht mehr damit, einander ein wenig herum zu schubsen.
Ich nahm ein Schluck von meinem Bier und genoss den Sound, der sich schwer, rau und erdig aus den Boxen wälzte.
Komisch, wie alt ist sie denn? Wenn sie schon in den 80igern dabei war, dann müsste sie ja schon vierzig sein - macht irgendwie einen jüngeren Eindruck auf mich, höchstens Mitte 20. Vielleicht denkt sie das auch nur von den 80igern so vom Hörensagen.
Ich sah ein Mädchen, das sich einige Meter entfernt in die Schlägerei mischte, und ich versuchte, mich mit Stoßen und Treten zu ihr durchzukämpfen,
Das war so ein Moment, der mich aufhorchen ließ: Wtf? Das Mädchen ist ihr Ziel, weil Bitch fight und Konkurrenz oder weil Maßstab oder Schwestern im Kampf? Was geht da ab?
Die fehlende Ecke vom Schneidezahn, die du deinem Scheißvater verdankst, reicht. Die Arme heben. Die Titten schützen. Schlag zu!
Ja, das ist so der einzige Satz mit bisschen Hintergrundinfo zur Figur, aber dann ist es auch so eine Missbrauch-Geschichte und dann wirkts schon fast wie ein Klischee, dass sie dann in diese harte Szene landet. Also ob sie jetzt in biederen Verhältnissen aufwächst mit überfürsorglichen Eltern oder so harten Frauenschlägervater mit Bierfahne - beide extremen Hintergründe wirken klischeehaft, aber mir wär da glaub die Version des stinknormalen Mädchens, das dann irgendwann in der Nacht eine Metamorphose vollzieht lieber als so eine harte Tattoobraut mit Metallgesicht und extremer Sprache.

Und die Vergewaltigungsszene wirkt drangepappt - so das I-Tüpfelchen eines harten Abends im Leben eines harten Mädchens und am nächsten Morgen ist alles wie gehabt - reflektiert sie oder ist das alles pure Verdrängung und sie lässt dann die Aggressionen ausschließlich zur Musik raus - nä, die ist ja daueraggressiv. Also, ich kann mir ihre Attitüde echt nicht erklären, weil sie mir als Charakter nichts sagt, weil ich da keine Stelle finde, an der ich andocken kann, es ist für mich rumposen und hier auf die Fresse und da ein Box in den Bauch und Hardcore-Musik und Arrrrrrg, Aggressionen.
Ugh, nein danke. :)

JoBlack

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Fugu, schön, dass Du noch mal reingeschaut hast.

Ich glaube, es war Konrad Lorenz, der einmal gesagt hat, dass unsere Kultur und alles, was Menschen geschaffen hätten, an einem dünnen Faden hinge. Diesen Faden hast Du mit Deiner Geschichte durchgeschnitten.

Ja, ich sehe vieles, was Lorenz sagt, sehr skeptisch, aber ich denke auch, dass die Schicht, die uns vom Erbe der zähnefletschenden Primaten trennt, sehr dünn ist. Es gibt eine interessante Untersuchung zu dem Thema, weshalb die Bonobos so friedfertig und die Schimpansen so aggressiv sind, obwohl sie zur gleichen Gattung gehören. Die Ursachen dafür liegen in unterschiedlichen Lebensbedingungen – und das ist auch mein Ansatz in dieser Geschichte. Sarah ist nicht einfach so, sie ist so geworden, aufgrund bestimmter Bedingungen.

Diesen Faden hast Du mit Deiner Geschichte durchgeschnitten. (Nicht nur in Deiner Geschichte, auch bei jimmysalaryman und anderen ist das schon passiert.) Gehirnfäden durchzuschneiden, ist vielleicht eine allgemeine Methode, um in andere Welten zu gelangen?

Ja, der Vergleich zu Jimmys Geschichten kommt jetzt nicht zum ersten Mal, da hast Du sicher recht. Ich denke, das ist beim Schreiben auch die Suche nach den Dingen, die über den Rahmen des Hier und Jetzt hinausgehen. Ich glaube, Gewalt wurde von den Menschen von jeher als verstörend empfunden, auch wenn man deren Rechtmäßigkeit oder Unvermeidbarkeit zu anderen Zeiten anders bewertete. Mich interessiert da, wie wir das beurteilen und wie wir damit klarkommen und natürlich auch, wo die Wurzeln dafür zu suchen sind.

Vielen Dank, Fugu!

Gruß Achillus


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Hallo Heiterbiswolkig, habe mich gefreut, von Dir zu lesen. Vielen Dank für Deinen Kommentar.

Meinen Kommentar muss ich mit einem Vorurteil beginnen: ich gehe aufgrund deines Nicks und deines Profilbilds davon aus, dass du ein Kerl bist. Fast würde ich mir wünschen, dass ich falsch liege und so meine eigenen Vorurteile auf das Raffinierteste entlarvt werden, denn ich schreibe jetzt: ich habe immer so ein Problem damit, wenn Menschen versuchen aus Perspektiven zu schreiben, die sie selber niemals nie einnehmen können.

Über diesen Ansatz habe ich in den letzten zwei Tagen ein bisschen nachgedacht. Natürlich hat der was für sich, aber ich glaube, dass er plausibler klingt, als er in Wirklichkeit ist: Würden Autoren danach handeln, dann könnten wir nicht mit Odysseus Skylla und Charybdis austricksen, wir könnten nicht mit Professor Lidenbrock zum Mittelpunkt der Erde reisen, nicht mit Frodo den Ring nach Mordor tragen, wir könnten auch nicht als Gregor Samsa die Verwandlung zu einem Käfer erleben und auch nicht Enid Lamberts Bemühungen verfolgen, die Familie bei einem letzten Weihnachtsfest in St. Jude zu versammeln.

Jeder Versuch, die Perspektive einer anderen Person zu übernehmen, weist naturgemäß Defizite auf. Ich weiß ja nicht einmal mehr genau, wie ich selbst vor zwanzig Jahren gedacht und gefühlt habe. Ich glaube, der Versuch der Perspektivübernahme ist aus literarischer Sicht dann legitim, wenn der Autor es nicht damit übertreibt, seine Figuren zu Erfüllungsgehilfen des Plots zu machen und wenn er seinen Figuren nicht einfach die eigene Weltsicht und Empfindungsweise überstülpt.

Auf der persönlichen Ebene finde ich es eine großartige Übung, diesen Perspektivwechsel auszuprobieren, nicht nur die Perspektive von anderen Personen, sondern auch die von Tieren, Pflanzen und unbelebten Dingen.

"Das ist Kali", sagte ich. "Sie schneidet Wichsern den Schwanz ab und stopft ihnen damit das Maul."
Ich finde diesen Satz unglaublich konstruiert. Wie es der Zufall will schlängelt sich auf meinem Unterarm auch etwas Schwarzblaues und mehr als einmal sagten schon Kerle: „geiles Tattoo!“ (Übrigens in der Regel gekoppelt mit der Frage: „Bedeutet das etwas?“, die bei mir in der Tat Schlagreflexe auslöst) aber darauf zu antworten „Das ist die Eidechse Sam, die beißt Wichsern den Schwanz ab und frisst ihn auf“ - also nee, ich weiß nicht, das machst du vielleicht einmal und dann kommst du dir selbst so seltendämlich vor, dass du danach nie wieder sowas sagst.

Ja, so einen Satz wird man in der Wirklichkeit nicht oft zu hören bekommen, da stimme ich Dir zu. Andererseits ist Sarah ja auch in ihren sonstigen Eigenschaften eher extrem, und wenn man sieht, dass sie sich auf diesem Konzert rumprügelt, traut man ihr auch so einen Spruch zu. Jedenfalls geht es mir so.

Zu Steven hingegen sagt sie dann nichts mehr, hier nur der Mittelfinger. Da hätte wiederum ein „fick dich selbst“ gut gepasst.

Steven scheint zum Kreis der Vertrauten von Sarah zu gehören. Er weiß von dem bevorstehenden Treffen am Abend und er scheint auch anzunehmen, dass sich Sarah verknallt hat. Das alles legt nahe, dass Sarah und Steven eine Art Vertrauensverhältnis haben. Aus diesem Grunde fällt die Reaktion von Sarah ihm gegenüber anders aus, als das bei Bremer der Fall war.

Dann verstehe ich nicht, wieso Mike und Jane nicht schon längst was miteinander hatten, wenn sie sich doch schon so nahestehen, dass sie sich „küssten, als könnten sie das Ende der Show nicht abwarten“. Das würde auch die Dramaturgie am Ende noch einmal steigern.

Ja, das ist ein guter Punkt. Ich habe das beim Schreiben so vor Augen gehabt, dass dieses Küssen vor dem Gig ein bisschen von der Situation gepusht wird. Alle sind aufgeregt, ein bisschen überdreht.

Lampenfieber und Schüchternheit sind nicht dasselbe.

Das stimmt. Christian hat aber nicht nur Lampenfieber, sondern er reagiert auch verlegen, als er darauf von Sarah angesprochen wird. Und das kann schon etwas mit Schüchternheit zu tun haben.

„Irgendeiner“ oder „-jemand“ reicht völlig finde ich. Dass da überall Typen sind ist ja inzwischen klar.

Hm, das stimmt. Denke ich drüber nach.

Wieso „ein paar Minuten später“? Erst diese extreme Geschwindigkeit und dann passieren Minuten auf dem Klo zwischen Kotzen und Wasserspritzen gar nichts?

Ja, das sehe ich mittlerweile auch so. Habe ich verändert.

Zu guter Letzt glaube ich, dass der Text eine noch größere Dynamik entwickeln könnte, wenn er im Präsenz wäre.

Das glaube ich, aber ich bin kein Freund vom Präsens in der Erzählung, weil ich finde, dass das die Möglichkeiten des Erzählers beschränkt, das Erlebte zu reflektieren oder sonst wie zu verarbeiten. Das Lakonische von Sarahs Erzählweise deutet darauf hin, dass sie nicht mehr unter dem Druck der Ereignisse steht. Sie hat das also irgendwie verarbeitet.

Habs gerne gelesen und es hat mir gefallen. Hm, glaubt man gar nicht, wenn man so liest, was ich vorher geschrieben haben oder ...

Freut mich, das zu hören. Vielen Dank für Deine Zeit und Deine Mühe!

Gruß Achillus

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Wird fortgesetzt ...

 

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