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Vergessen

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04.09.2013
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Vergessen

„Herr Schichtinger, ehemaliger Bürgermeister. Sehr umgänglich. Allerdings musst du aufpassen, wenn du ihm zu nahe kommst. Er verteilt gerne Wangenküsse."
Unbewusst wischte ich über meine Wange.
„Valentin, der da links im Rollstuhl. Raucht andauernd in der Eingangshalle und wenn er nicht raucht, isst er am liebsten. Er ist ziemlich ruppig. Aber nimm's nicht persönlich."
Genauso sah er aus. Sein schwabbeliger Körper füllte den gesamten Rollstuhl aus und auf dem aufgedunsenen Gesicht lag ein mürrischer Ausdruck, wie ich Vergleichbares noch nie zuvor gesehen hatte. So stellte ich mir menschgewordene Unzufriedenheit vor.
„Und daneben sitzt Kathi. Schwere Demenz. Sie kann nur noch drei verschiedene Phrasen."
„Drei?", fragte ich erstaunt.
„Ja, die wirst du bald herausgefunden haben. Und ich sag's dir gleich, Kathi wird deine Hauptaufgabe sein."
Ich stand mit Simone am Gang und schaute durch die Glastür auf die Bewohner des Altersheims. Valentin begann an Kathis Rockärmel zu zupfen. Zuerst sachte, dann immer fester und bald wurden leichte Schläge daraus. Kathi starrte ihn an und lächelte.
„Valentin, hör auf jetzt!", rief Simone und stürmte hinaus. Noch drei weitere Klapse, dann hörte er widerwillig auf. Genervt kam Simone zurück.
„Der Valentin schikaniert die Kathi immer, weil er neidisch auf ihr Zimmer ist. Blick auf die Hauptstraße. Weißt eh, Billa, Trafik, Polizeiposten und so", sagte sie.
Ich wusste gar nichts. Was sollte an dieser Aussicht toll sein? Ich fühlte mich in meiner Überzeugung, alte Leute seien eigenartig, wieder einmal bestätigt.
Simone war zum Tagesablauf übergegangen. Frühstück austeilen, Entertainment für die alten Leute, Ballschubsen, Bilder malen, alte Fotos anschauen – sie erzählte mir das so aufgeregt, als würde sie von Extremsportarten sprechen - Essen eingeben, die Dritten reinigen, Windeln wechseln. Ich musste mich zusammennehmen, um mein Gesicht nicht angewidert zu verziehen. Warum war ich nochmal hier? Ach ja, um Kohle zu verdienen. Um mein bescheidenes Studentenleben ein bisschen aufzubessern. Meine Mutter konnte sich nur schwer zusammennehmen, als ich ihr vom Job im Altersheim erzählte. Sie schnitt komische Grimassen und ein Glucksen drang aus ihrer Kehle. Ich wusste, dass sie höhnisches Gelächter und ein „Du und Altersheim?“ unterdrückte. Aber sie sagte nichts, denn letztendlich waren meine Eltern froh, wenn ich ihnen nicht dauernd auf der Tasche lag.
„Na gut.“ Simones Stimme drängte sich wieder in mein Bewusstsein. „Dann würde ich sagen, du drehst gleich mal eine Runde mit Kathi. Besonders gerne mag sie Treppensteigen.“
Ich blendete die unangenehmen Dinge wie Arsch abwischen und Essensreste von den Prothesen entfernen aus. Eine alte Frau herumführen, die sich ohnehin an nichts erinnern konnte, das hörte sich doch nach einer guten Einnahmequelle an.

„Grüß euch, ich bin die Anja und arbeite in den nächsten Wochen hier."
Herr Schichtinger streckte mir sofort seine schrumpelige Hand entgegen, die ich zögernd ergriff. Er zog mich zu sich und begutachtete meine Wangen. Hastig ließ ich los.
Valentin sagte nichts, Kathi auch nicht.
„Komm, Kathi. Lass uns ein bisschen herumgehen.“ Ich war vorgewarnt, aber trotzdem konnte ich es kaum glauben, dass ich keinerlei Reaktion erhielt. Nur Valentins Mund verzog sich zu einem süffisanten Grinsen und ich hörte ihn etwas murmeln, das verdächtig nach „Närrin“ klang.
Ich packte Kathi am Arm, zog sie hoch und spazierte den Gang auf und ab. Nach ewig langer Zeit ohne ein gesprochenes Wort, in Wahrheit dürften es maximal zwei Minuten gewesen sein, wurde es mir zu blöd. Aber was sollte ich zu einer Dementen schon sagen?
„Wie geht's dir?" Etwas Besseres war mir tatsächlich nicht eingefallen.
„Mhm."
„Jetzt gehen wir mal den Gang zurück."
„Mhm."
„Und jetzt gehen wir wieder nach vorne."
„Mhm."
„Und jetzt gehen wir runter ins Erdgeschoss."
Kathi blieb stehen, nahm meine Hand und lächelte mich an. Irgendwie süß.
„Jaja", sagte sie.
Gut, wir waren bei Phrase zwei angekommen.
„So, jetzt hältst du dich gut am Stiegengeländer fest und dann geht's hinunter." Ich hakte sie bei mir ein.
„Eins, zwei", sagte Kathi.
„Hey, du kannst zählen?" Erstaunt blieb ich stehen.
„Mhm", sagte Kathi.
„Wie weit schaffst du es denn?"
"Mhm."
Wir gingen weiter.
„Eins, zwei, drei."
Bei Stufe vier war wieder Stille eingekehrt.

Kathi saß auf dem Bett und ich versuchte, den Brei aus der Schüssel in ihren Mund zu manövrieren, was nur teilweise gelang. Meistens packte sie meine Hand und riss sie auf die Seite. Das pürierte Naturschnitzel mit Karotten und Kartoffeln verteilte sich auf der Bettwäsche. Genervt verdrehte ich die Augen, das sah nach zusätzlicher Arbeit aus. Ich war vorhin in der Küche, um den Essenswagen zu holen. Das Wasser war mir im Mund zusammengelaufen, als ich dem Koch zuschaute, wie er die saftigen Schweineschnitzel in der Pfanne wendete. Bis er zwei davon rausnahm und in den Mixer steckte. Manfred musste meinen veränderten Gesichtsausdruck bemerkt haben, denn er fragte amüsiert: „Ist was?“
„Das ist … Essensvergewaltigung.“
Er lachte.
„So etwas macht man für Babys, aber doch nicht für Erwachsene“, ereiferte ich mich weiter.
„Das sieht doch nur anders aus, schmeckt aber genau gleich. Ein paar von den Bewohnern kriegen das eben nicht mehr anders runter.“
Manfred steckte einen Löffel in den Mixer und hielt mir dieses breiige Etwas entgegen.
„Hier, probier mal.“
„Nein, danke.“ Das war echt widerlich.

Eine Stunde später entschied ich für mich, dass püriertes Essen doch nicht so schlimm war, wenn es oben reinkam. Unten raus war es viel, viel schlimmer. Es sah zwar noch ziemlich gleich aus, aber der Gestank, der sich in meine Nase drängte, war bestialisch. Denk an das Geld, denk an das Geld, sagte ich mir in Gedanken vor, während ich die Luft anhielt und gemeinsam mit Simone eine frische Windel einlegte.
„So, jetzt kannst du wieder eine Runde drehen mit ihr“, sagte Simone.
Gerne schnappte ich mir Kathi und wir machten uns auf den Weg durchs Heim.
„Schönes Wetter haben wir heute."
„Mhm."
„Hat dir das Essen geschmeckt?"
„Mhm."
Sie blieb stehen und blickte mich grinsend an. Beinahe stolz. Das konnte doch nicht sein, dass die wirklich gar nichts mehr mitbekam. Ich wollte es wissen.
„Bist du gerne hier?"
„Mhm."
„Sind alle nett zu dir?"
„Mhm."
Alles Fragen, die man durchaus mit Ja beantworten kann. Dann eben auf die harte Tour.
„Bist du blöd?"
„Mhm."
„So richtig bescheuert?"
„Mhm."
„Kannst du was anderes sagen außer mhm?"
„Eins, zwei ..."
Wir waren an den Stufen angekommen. Ich gab auf.
Wieder im zweiten Stock zurück blickte ich auf die große Wanduhr. Zwei Uhr. Noch drei volle Stunden Langeweile und Ekelerregung. Seufzend fragte ich mich, wie ich das noch fünf Wochen aushalten sollte.

Die Veränderung kam schleichend. Ich registrierte erst, was mit mir passiert war, als ich zwei Wochen später am Waschbecken stand, die Prothesen schrubbte und mich nebenbei unterhielt, ohne einen Würgereiz unterdrücken zu müssen. Am Vortag hatte Herr Schichtingers Wange die meine schon berührt, bevor ich zurückschrak. Das Windelwechseln und Leibstuhl entleeren war zwar nach wie vor nicht meine Lieblingstätigkeit, aber ich akzeptierte, dass es zum Alltag mit alten Leuten gehörte.
Ich war nicht mehr die, die alte Menschen schräg von der Seite ansah, wenn sie mit ihren Rollatoren aufmerksamkeitsheischend über die Pflastersteine ratterten. Oder wenn sie aus dem mit Senioren vollgestopften Reisebus stiegen, mit einem Ausdruck von Glückseligkeit im Gesicht, als wäre diese Gruppenreise das schönste Erlebnis, das sie je hatten. Oder wenn sie ihre Blähungen nicht unterdrücken konnten oder dich zurechtweisen möchten, als wüssten sie, wie man es besser macht. Ich zählte alte Menschen nicht mehr zu einer anderen Spezies, die nicht zum Rest unserer Gesellschaft gehörte. Nein, so dachte ich nicht mehr. Ich saß im Zimmer einer über Neunzigjährigen und versuchte den Schmerz im Hals hinunterzuschlucken, als sie mir von ihrem Ehemann erzählte, der im Zweiten Weltkrieg gefallen war. Von ihren drei Kindern, die sie alle überlebt hatte. „Alle tot“, sagte sie nüchtern, als würde das zum Leben gehören. Und ich spürte kein Missfallen mehr, sondern Achtung.
Dabei vergaß ich für eine Weile auf Kathi, die ich auf einen Stuhl im Gang verfrachtet hatte. Als ich dort hinkam, war sie weg.

Nachdem ich den gesamten zweiten Stock durchsucht hatte, lief ich nach unten.
„Valentin, hast du Kathi gesehen?"
Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette, wuchtete seinen massigen Körper im Rollstuhl hin und her, als würde er es sich gemütlich machen, stieß den Rauch aus, direkt in mein Gesicht, verzog den Mund zu einem dreckigen Lächeln und sagte: „Nein." Ich wusste, dass er log.
„Valentin, bitte!"
Er grinste weiter, bevor ein hässlicher Hustenanfall das Grinsen beendete. Ich wollte gar nicht mit ansehen, was da alles hochkam und eilte zum Ausgang, als er mir nachrief: „Hey, du! Warte!"
Erwartungsvoll blieb ich stehen.
„Kannst du mir eine Leberkässemmel mitbringen?"

Ich fand Kathi am Tor zum Garten. Der Anblick hatte beinahe etwas Andächtiges. Sie stand da, in ihrem moosgrünen, gestrickten Rock und ihren Strohpantoffeln, mitten auf dem schneebedeckten Gehweg, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, und lächelte mich an, während sich weiße Atemwölkchen vor ihrem Mund bildeten. Ich hätte sie knuddeln können.
„Ist dir kalt?"
„Mhm."
„Komm, gehen wir schnell rein ins Warme."
„Mhm."
„Wo wolltest du denn hin?"
„Mhm."
Valentin kramte in der Marlboroschachtel und würdigte uns keines Blickes, er ahnte wohl, dass ich ohne Leberkässemmel zurückgekehrt war.
Wir nahmen wieder die Treppen in den zweiten Stock – „Eins, zwei, drei." - doch als wir die Hälfte geschafft hatten, sagte Kathi plötzlich: „Ich will heim."
Verdattert blieb ich stehen und riss sie fast von der nächsten Stufe.
„Was hast du gerade gesagt?", fragte ich aufgebracht.
Kathi blickte mich lange an, packte meine Hände, lächelte ihr Knuddelbärlächeln und sagte: „Mhm."

„Kathi hat gerade gesagt Ich will heim.", erzählte ich Simone aufgeregt.
„Nein!“
„Doch, ehrlich. Hast du das auch noch nie gehört? "
„Nicht, dass ich wüsste."
Ich wurde nachdenklich.
„Bekommt sie eigentlich nie Besuch?", fragte ich.
„Seit ich hier bin, kein einziges Mal. Und das sind auch schon mehr als fünf Jahre."
„Schon traurig. Hat die niemanden? Oder wohnen die so weit weg?"
„Ach was, das ist die Mutter vom Leo Saller, weißt eh, vom Bankchef."
„Was?"
„Ja, Tatsache."
„Dann war ihr Enkel, der Peter, sogar mit mir in der Hauptschule."
Wir schwiegen.
„Aber warum kommt da nie jemand?", fragte ich erneut.
„Die werden schon ihre Gründe haben“, meinte Simone.
„Schau dir doch die Kathi an", sagte ich.
Wir schauten zum Tisch am Gang, wo Kathi saß und uns zulächelte. Wir grinsten.
„Die hat doch so ein sonniges Gemüt, die muss man doch gern haben", fuhr ich fort.
„Vielleicht denken die sich, ein Besuch würde eh nichts bringen“, mutmaßte Simone.
„Wahrscheinlich“, sagte ich und ließ es dabei bleiben.

Die nächsten Tage schaffte ich es nicht, Kathi aus dem Bett zu bewegen. Sobald ich ihr auf die Beine half, knickten diese ein und mit einem trotzigen Gesichtsausdruck ließ sie sich wieder auf das Bett fallen. Ich vermisste ihr Lächeln und glaubte zu spüren, dass sie sich nach ihrer Familie sehnte.

„Das ist so schlimm. Die bekommt keinen Besuch, nie! Kannst du dir das vorstellen?"
Die drei Weißweinspritzer hatten meine Zunge gelockert und tapfer kämpfte meine Stimme gegen Micky Krauses Zehn nackte Frisösen und eine Gruppe grölender Holländer an.
Marina, meine Freundin, saß neben mir in der Après-Ski-Hütte und trank schluckweise ihr Bier. Schon den ganzen Tag erzählte ich ihr vom Altersheim, wobei meine Worte immer um dasselbe Thema kreisten: Kathi.
„Das geht dich doch eigentlich nichts an, oder?", meinte sie schließlich.
„Ich weiß. Aber du musst dir vorstellen, seit Jahren sagt die nichts mehr und dann plötzlich sagt sie, sie will heim. Das kam mir vor wie ein Wunsch."
„Interpretierst du da nicht zu viel hinein?"
„Und wennschon, die ist so lieb, echt. Die muss man mögen."
„Seit wann kümmert dich eigentlich das Schicksal alter Leute? Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie du letztes Jahr in der Straßenbahn einen verstauchten Fuß vorgetäuscht hast, als dich eine alte Frau um deinen Sitzplatz gebeten hat.“
„Musst du mich daran erinnern?“ Ich schämte mich für diese Aktion und vor allem dafür, dass ich das tatsächlich einmal witzig gefunden hatte.
„Schau mal, wer da gerade reinkommt“, sagte Marina.
Peter.

„Hallo Peter."
„Hi Anja, lange nicht mehr gesehen. Wie geht's dir?"
Er drückte mich an sich und schmatzte mir ein Küsschen links und rechts auf die Wange. Unwillkürlich dachte ich an Herrn Schichtinger und war versucht, mir mit dem Ärmel über die Wange zu streichen.
„Ganz gut. Dir?"
„Auch, danke. Du hast auch Ferien, oder? Bist du immer mit dem Board unterwegs?"
Das Gespräch verlief ganz nach meinem Geschmack.
„Nur am Wochenende. Ich arbeite nämlich im Altersheim."
Ich hoffte, er würde nun so etwas sagen wie: „Oh, da ist ja meine Oma, die muss ich unbedingt wieder mal besuchen!", aber nichts dergleichen kam. Er machte vielmehr ein Gesicht, als wäre das Wort Altersheim ein Startschuss für die langweiligste Geschichte, die er je gehört hatte.
„Deine Oma ist auch dort", versuchte ich es weiter.
Fragend blickte er mich an, dann: „Ach, du meinst Großmutter. Stimmt."
Großmutter? Wer nannte seine Oma heutzutage noch Großmutter?
„Ja, die Mutter deines Vaters, oder?“, hakte ich nach.
„Ha! Mein Vater hat keine Mutter mehr.“
„Was? Aber ich dachte, Kathi …“
Ich hielt inne, denn ich kapierte. „Oh.“
„Ich hab die als Kind ein paar Mal gesehen, da wohnte sie noch im Nebenhaus. Aber meine Eltern wollten nicht, dass ich Kontakt zu ihr aufnahm. Und so wie es aussah, war sie daran auch nicht interessiert.“
„Aber warum?“, brach es aus mir hervor. Ich wusste, es ging mich nichts an, aber Peter war schon immer redselig und er schien die nötige Distanz zu seiner Großmutter zu haben, um unbeirrt fortzufahren.
„Hast du schon mal die Narbe meines Vaters über dem Auge gesehen?“
Jetzt, wo er es sagte, war mir diese in der Tat schon aufgefallen, wenn sein Vater mir am Schalter gegenüberstand.
„Ja“, sagte ich.
„Die hat er von seiner Mutter, als sie wieder mal ausgezuckt ist. Hat ihn an den Haaren gepackt und gegen den Küchentisch geknallt.“
„Was?“
Sprach er gerade von derselben Kathi wie ich? Von meinem Knuddelbärchen?
„Ja, und es ist ein Glück, dass nur diese Narbe geblieben ist. Diese Gewaltausbrüche, die gehörten zum Alltag. Ich sag’s dir, die hat ihren eigenen Sohn gehasst wie die Pest.“
„Aber warum?“, fragte ich wieder.
„Das weiß keiner. Die war einfach so. Vielleicht einfach unzufrieden mit sich selbst, mit ihrem Leben.“
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen.
„Komm, ich bestell uns einen Schnaps und du versprichst mir, dass wir jetzt nicht mehr über die Alte reden“, sagte Peter schließlich und gab dem Kellner ein Handzeichen.
Aus dem einen Schnaps wurden schließlich vier. Oder fünf. Ich wusste es nicht mehr, ich wusste nur, dass ich sie brauchte.

Am Montag, als ich ins Altersheim kam, saß Valentin schon in der Eingangshalle. Etwas war anders an ihm. Ich blickte genauer hin und entdeckte, dass sein dreckiges Grinsen einem strahlenden Lächeln gewichen war, das nach echter Freude aussah.
"Wunderschönen guten Morgen!", sagte er. Fast wollte ich fragen, ob er falsche Tabletten bekommen hatte, aber ich war zu perplex und antwortete nur: "Guten Morgen!"

Im zweiten Stock angekommen sah ich den Doktor im Gang stehen, der sich mit dem Pfarrer unterhielt. Die Tür zu Kathis Zimmer stand offen. Nein! Ich eilte hinein und lief Simone in die Arme.
„Ist sie …?“, sprudelte es aus mir hervor.
„Nein. Aber sie ist schon sehr schwach. Es wird nicht mehr lange dauern.“
Wir standen an ihrem Bett. Sie lag da, ruhig, zufrieden.
„Die Familie weiß Bescheid“, sagte Simone.
„Kommt jemand?“, fragte ich, obwohl ich die Antwort kannte.
„Ich glaube nicht. Schon unglaublich, oder?“
„Die werden wohl ihre Gründe haben“, sagte ich.
„Bestimmt.“
Kathi lag da, die Augen geschlossen, das Gesicht ausdruckslos. Ich starrte auf ihren Brustkorb, bildete mir ein, keine Bewegung zu sehen. Ich dachte daran, was Peter mir erzählt hatte. Diese Kathi, wie sie hier friedlich vor mir lag, die konnte doch nie und nimmer eine derart brutale Frau gewesen sein. Die Frage nach dem Warum stellte ich mir seit Samstagnacht immer und immer wieder. Was war ihr selber widerfahren, dass sie glaubte, Gewalt sei der letzte Ausweg? Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen.
„Ich glaube, du kümmerst dich besser um die anderen“, sagte Simone. Ich nickte.

Ich trottete in die Eingangshalle hinab und ertappte mich dabei, wie ich die Treppen zählte. Ich ließ mich neben Valentin auf den Stuhl fallen.
„Ist sie tot?“, fragte er.
„Nein.“
„Kann ja nimmer lange dauern, wenn der Pfarrer schon da war.“
Wir saßen da und schwiegen.
„Valentin?“, fragte ich.
Ich nahm sein Schnauben als Aufforderung, weiterzusprechen.
„Warum bist du eigentlich so, wie du bist?“
Das Schnauben wurde lauter und ich war mir ziemlich sicher, dass ich entweder gar keine oder eine patzige Antwort erwarten konnte.
„Weißt du“, begann Valentin nach einer langen Pause, „ich könnte jetzt sagen, ich bin so geworden, weil mich mein Vater regelmäßig verdroschen und blutig gehauen hat. Weil meine Mutter dabei nur zugesehen hat und meinte, das müsse so sein. Weil mein Lehrmeister mich bis zum Umfallen schuften hat lassen und mir einen Scheißdreck dafür bezahlt hat. Weil mein Kumpel mir meine Frau ausgespannt hat. Weil sie abgehauen ist und mir nie Kinder geschenkt hat.“
Ich saß mit offenem Mund da und starrte ihn an. Ich hätte nie damit gerechnet, dass er sich mir öffnen würde und es machte sich etwas in mir breit, das ich nie glaubte, es für jemandem wie Valentin empfinden zu können: Mitleid. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
„Aber im Grunde“, fuhr Valentin fort, „ bin ich wohl selbst verantwortlich für das, was aus mir geworden ist. Anstatt in Selbstmitleid zu zerfließen hätte ich mein Leben in die Hand nehmen und etwas daran ändern können. Aber jetzt, jetzt ist es zu spät dafür.“
Er begann in seiner Zigarettenschachtel zu kramen.
„Ich hab‘ Hunger. Bring mir was zu essen!“
Ich blieb sitzen und wartete auf ein „Bitte“, ich wollte den Valentin noch einmal sehen, der er gerade für ein paar Sekunden war.
„Wird’s bald?“
Ich stand auf und ging in die Küche.

 

Hallo Rehla,

Erstklassige Geschicht und super geschrieben. Gratuliere. Beim lesen konnte ich diesen Wandel vom Ekel zur Sympathie selbst durchmachen. Kommt echt gut rüber. Fehler finde ich aufs erste keine, will aber auch gar nicht danach suchen. Die Geschichte ist für mich, so wie sie ist am besten :thumbsup:

LG
BRM

 

Ja, das sind keine reinen Valentinstage im Altenheim,

liebe rehla,
und auch nicht auf Kranken- und Pflegestationen. Alt werden will jeder, aber die Gebrechen und negative Lebenserfahrungen mögen bitte wegbleiben. Man muss ja gar nicht erst den Jugendlichkeitswahn nennen. Vergessen zu können mag seine angenehmen Seiten haben, gar nicht anders zu können weniger.
Deine Erzählung über verborgene/verschwiegene (auch das: "vergessene") Gründe, warum etwas so ist, wie es bei Kathi und Valentin dargestellt wird, ist solide erzählt und bedarf eigentlich keines plakativen, comichaften „Jaaa“s, um die gedehnte Aussprache zu kennzeichnen.

Eine überschaubare Zahl wäre zu korrigieren

Warum war ich nochmal hier?
Noch mal immer auseinander, da ein verkürztes noch (ein)mal.

Hier verfällstu einmal einem Anglizismus, denn im dt. wird das Genitiv-s ohne Apostroph verwendet

Am Vortag hatte Herr Schichtinger Wange die meine schon berührt, …

Hier fehlt was, ich tipp mal ein „aufzupassen“,

Dabei vergaß ich für eine Weile auf Kathi, die ich auf einen Stuhl im Gang verfrachtet hatte
das dann freilich auch noch ein Infinitiv wäre, der nach einem Komma verlangt („ … ein Weile, auf Kathi aufzup…“)
in ihrem moosgrünen[,] gestrickten Rock

Der Rest ist eher reine Flüchtigkeit

„Dann war ihr Enkel, der Peter, sogar mit mir in der Hauptschule.[“]
Wir schwiegen.
„Aber warum?“[,] brach es aus mir hervor. // „Aber warum?“ [,] fragte ich wieder. // „Ist sie …?“[,] sprudelte es aus mir hervor.

Gruß

Friedel

 

Liebe Rehla,
ich kann mich nur BRM anschließen. Ich bewundere, mit welchem Einfühlungsvermögen du schreibst, und wie gut es dir gelingt, die einzelnen Details zu benennen. Obwohl die Thematik nicht unbedingt meine ist, hat mir die Ausführung gefallen. Du hast dir nicht nur große Mühe gegeben, dir ist auch eine wirklich gute Geschichte gelungen.
Freundliche Grüße
barnhelm

 

Hallo rehla,

eine sehr realitätsnahe Erzählung (meine Schwiegerummer war 10 Jahre im Pflegeheim und wir waren oft dort). Vielleicht bewirkt die Geschichte auch bei anderen Menschen und nicht nur bei der Prot ein Umdenken.
Bei einem Piunkt allerdings rege ich mich auf oder bin betroffen:

„Warum bist du eigentlich so, wie du bist?“
Mal abgesehen davon, dass der Valentin erstmal ja antwortet weil es die Geschichte fordert - aber vielleicht hat er ja auch das ehrliche Interesse der Prot gemerkt.
Sie fragt die Schwester nach der Patientin, sie fragt den En kel nach der Oma, sie ist betroffen vom "Ich will heim" (Meine Schwiegermutter rief nur noch "Hilfe") - aber was unternimmt sie weiter?
Sie sieht den Doktor und den Pfarrer - traut sie sich nicht, diese Menschen anzusprechen (schon vor diesem Tage) oder ist ihr gar nicht beusst, dass auch Helfer Hilfe nötig haben und bekommen können. Dieses Aneinadervorbei-Agieren, dieses Nicht-aufeinander-achten und Nichts-miteinander-teilen ist leider oft in den Sozialberufen anzutreffen und es schadet den Akteuren ebenso wie den Klienten. Insofern ist das, was Du schildertst die Realität, aber sie macht mich halt wütend.

Herzliche Grüße

Jobär

 

Hallo rehla,

Durch Besuche in Alters- und Pflegeheimen ist mir manches vertraut, was Du sehr realitätsnah beschreibst.
Und ich weiss ja nicht, ob ich nicht eines Tages wie Herrn Schichtinger, ehemaliger Bürgermeister, die letzte Zeit meines Lebens an so einem Ort verbringen werde.

In so einem Fall wäre ich froh, jemanden wie den Prot zu haben, der gelernt hat, alten Menschen mit Achtung und Einfühlungsvermögen zu begegnen.

Jobär schreibt, dass auch Helfer Hilfe und Unterstützung nötig haben. Das sehe ich auch so. Sonst kann es sehr schnell zu Überforderung kommen.
Auch ich würde dem Prot raten, betr. Kathi u. Valentin den Doktor oder den Pfarrer anzusprechen.

Gute Geschichte, die ich gern gelesen habe.
Marai

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Rehla,

auch ich finde, dass du da eine ganz wunderbare Geschichte geschrieben hast. Sie handelt für mich davon, was für ein Bild wir uns von der Welt machen, wie wir andere beurteilen, schnell verurteilen und wie sich das verändert, wenn wir ihre Geschichte kennen, ob das der alte Valentin ist, oder die Familie von Kathi. Das ist ja die eigentliche Entwicklung, die Anja macht. Und dazu die Verwirrung, jemanden lieb zu gewinnen, die eine schwere Schuld auf sich geladen hat.


Simone war zum Tagesablauf übergegangen. Frühstück austeilen, Entertainment für die alten Leute, Ballschubsen, Bilder malen, alte Fotos anschauen – sie erzählte mir das so aufgeregt, als würde sie von Extremsportarten sprechen - Essen eingeben, die Dritten reinigen, Windeln wechseln.

Das ist schön, dieser verständnislose Blick von außen auf die Altenpflegerin Simone, die mit viel Herzblut dabei ist. Und wie sich das im Laufe der Geschichte wandelt, bis Anja irgendwann angekommen ist in dieser Welt, so dass sie selbst in ihrer Freizeit ständig davon reden muß. Absolut glaubhaft.

Dennoch fand ich diesen Abschnitt zunächst etwas mißverständlich. "Simone war zum Tagesablauf übergegangen". Da dachte ich, dass sie das alles tut, was du dann beschreibst. Deutlicher fände ich sowas wie "Simone war dazu übergangen, den Tagesablauf zu beschreiben."
Oder vielleicht an anderer Stelle. "Sie erzählte mir davon so aufgeregt..."

Das Wasser war mir im Mund zusammengelaufen, als ich dem Koch zuschaute, wie er die saftigen Schweineschnitzel in der Pfanne wendete. Bis er zwei davon rausnahm und in den Mixer steckte.

Schönes Detail. :)

„Kannst du was anderes sagen außer mhm?"
„Eins, zwei ..."

Hier würde ich bei "Mh" bleiben, ansonsten wäre das ja eine adäquate Antwort.

Seufzend fragte ich mich, wie ich das noch fünf Wochen aushalten sollte.

Die Veränderung kam schleichend.

Das geht mir doch ein bisschen zu schnell, diese Veränderung vom "Saulus zum Paulus". Da hätte ich noch ein paar Zwischenschritte gebraucht. Du beschreibst gerade diese kleinen Momente so gut und hier fehlen sie mir irgendwie. So ist mir die Veränderung auch zu umfangreich. Ich denke es kommt erst der Punkt, wo ihr alte Menschen überhaupt im Stadtbild auffallen. Das sie gleich so ein tiefgreifendes Verständnis aufbringt ist mir hier viel zu früh, könnte eher am Ende der Geschichte stehen.

Ich fand Kathi am Tor zum Garten. Der Anblick hatte beinahe etwas Andächtiges. Sie stand da, in ihrem moosgrünen gestrickten Rock und ihren Strohpantoffeln, mitten auf dem schneebedeckten Gehweg, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, und lächelte mich an, während sich weiße Atemwölkchen vor ihrem Mund bildeten. Ich hätte sie knuddeln können.

Die ganze Szene, wo sie Kathi sucht und findet, ist großartig, sehr liebevoll und genau erzählt.


Er drückte mich an sich und schmatzte mir ein Küsschen links und rechts auf die Wange. Unwillkürlich dachte ich an Herrn Schichtinger und war versucht, mir mit dem Ärmel über die Wange zu streichen.

Sehr lustig. :D

Etwas war anders an ihm. Ich blickte genauer hin und entdeckte, dass sein dreckiges Grinsen einem strahlenden Lächeln gewichen war, das nach echter Freude aussah.

Dieser Valentin ist echt ein Glücksfall, die Würze sozusagen in deiner Geschichte. Ich glaube übrigens, für jemanden, der nicht dement ist, ist das Pflegeheim manchmal besonders hart. Und dieser krasse Egoismus kann eine Überlebensstrategie sein.

„Warum bist du eigentlich so, wie du bist?“
Das Schnauben wurde lauter und ich war mir ziemlich sicher, dass ich entweder gar keine oder eine patzige Antwort erwarten konnte.
„Weißt du“, begann Valentin nach einer langen Pause, „ich könnte jetzt sagen, ich bin so geworden, weil mich mein Vater regelmäßig verdroschen und blutig gehauen hat. Weil meine Mutter dabei nur zugesehen hat und meinte, das müsse so sein. Weil mein Lehrmeister mich bis zum Umfallen schuften hat lassen und mir einen Scheißdreck dafür bezahlt hat. Weil mein Kumpel mir meine Frau ausgespannt hat. Weil sie abgehauen ist und mir nie Kinder geschenkt hat.“
Ich saß mit offenem Mund da und starrte ihn an. Ich hätte nie damit gerechnet, dass er sich mir öffnen würde und es machte sich etwas in mir breit, das ich nie glaubte, es für jemandem wie Valentin empfinden zu können: Mitleid. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
„Aber im Grunde“, fuhr Valentin fort, „ bin ich wohl selbst verantwortlich für das, was aus mir geworden ist. Anstatt in Selbstmitleid zu zerfließen hätte ich mein Leben in die Hand nehmen und etwas daran ändern können. Aber jetzt, jetzt ist es zu spät dafür.“

Mit der Stelle habe ich irgendwie noch Probleme. Erstmal würde ich sie nicht so kompliziert fragen lassen. Eher: "Warum bist du immer so boshaft?"

Und seine Antwort ist mir zu psychologisch, abgeklärt, auch sprachlich. Ich finde schon, dass er an dieser Stelle die Maske etwas fallen lassen kann, aber in Maßen. Und der Satz mit dem Selbstmitleid und der Verantwortung für das eigene Leben ist auf einmal noch so eine zusätzliche Botschaft in dem Text, die ich eher überflüssig finde, das hat zuviel Sendungsbewusstsein.
Du kriegst dann zwar noch die Kurve mit den letzten Sätzen, aber dennoch ist die Figur für mich da nicht mehr so stimmig. Was mich frustriert, weil mir der Valentin echt am Herzen liegt.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo BRM,

Erstklassige Geschicht und super geschrieben. Gratuliere.

Die Geschichte ist für mich, so wie sie ist am besten

da fällt mir jetzt tatsächlich nichts Besseres zu sagen ein als: Vielen Dank, das höre ich natürlich gerne.


Hallo Friedel,

vielen Dank wieder einmal fürs Anmerken der Fehlerchen. Bin fast ein bisschen stolz auf mich (Eigenlob muss auch mal sein), dass das wirklich ziemlich überschaubar ist.

Noch mal immer auseinander, da ein verkürztes noch (ein)mal.

Warum sagt mir Herr Duden dazu, dass mein nochmal auch korrekt ist?

Dabei vergaß ich für eine Weile auf Kathi, die ich auf einen Stuhl im Gang verfrachtet hatte.

Und immer erwischst du mich wieder, während ich denke, ich schreibe schönstes Hochdeutsch. Das sagt man bei uns tatsächlich so und zum Glück kann Google untermauern, dass ich nicht völligen Schwachsinn schreibe:

http://http://www.cosmiq.de/qa/show/2819649/Auf-jemanden-vergessen-Ist-das-ein-Austriazismus/

Danke lieber Friedel, werde mich gleich ans Ausbessern machen.


Hallo barnhelm,

auch dir herzlichen Dank für deinen wohlwollenden Kommentar. Freut mich umso mehr, dass ich dich in die Geschichte locken konnte, auch wenn das Thema nicht dein Fall ist.


Lieber jobär, liebe Marai, liebe Chutney, vielen Dank auch an euch. Ich antworte euch demnächst ausführlicher, jetzt schreit allerdings das Bett nach mir.

 

Hallo Rehla, (... und da war es wieder, das Rehlein ;) )

Ich hab deine Geschichte jetzt zweimal gelesen und sie ging beim zweiten Mal ebenso runter, wie beim ersten Mal. Wir arbeiten hier bei uns sehr oft für die Caritas (Öffentlichkeitsarbeit) und über die Jahre konnte ich mir da auch viel Atmosphäre einfangen. Ich meine gar, dass es mir vor vielen Jahren, bei den ersten Kontakten mit behinderten Menschen, mit alten Menschen, mit kranken Menschen ein wenig so gegangen ist wie Anja. Etwas wie "emotionslose Distanz" wandelte sich langsam in persönliches Interesse, teils auch ein wenig Bewunderung und nicht selten auch in etwas Trauer angesichts einzelner Schicksale.

Aber ich glaube gar nicht, dass es irgendeinen persönlichen Bezug zu Alter, Demenz und Heimen braucht, um deine Geschichte gerne zu lesen. Deshalb kann ich dir jetzt - trotz aller Bemühungen - gar keine rechten Verbesserungsvorschläge machen. Weder stilistisch noch inhaltlich, geschweige denn orthographisch weiß ich mich da einzubringen.

Nur ein kleines bisschen meckern auf hohem Niveau erlaube ich mir: ich finde Anjas Sinneswandlung einen Tick zu kurz geraten, glaube da wären ein, zwei hinführende Absätze durchaus vertretbar gewesen.

Liebe Grüße
oisisaus

 

Warum sagt mir Herr Duden dazu, dass mein nochmal auch korrekt ist?
Weil der konsequnte Konrad schon lange tot ist und als Quark angesehen wird und,

liebe Rehla,

die Dudenredaktion opportunistisch und alles andere als konsequent ist. Konsequent würde man z. B. auch die deutsche Erfindung Handy Händie schreiben. Ein weiterer Beleg des Opportunismus ist die Suche nach der Nähe zu Mutti mit dem Umzug nach Berlin. Als wenn dadurch Provinzler zu was anderem würden, als sie sind: Provinzler.

Gruß

Friedel

Nachtrag: Würde eine Mehrheit tun wieder mit th schreiben, es würde wieder eingeführt, obwohl die teutsche Zunge sich einen am tea-aitsch abbräche ...

 
Zuletzt bearbeitet:

Schon wieder offtopic Friedrichard

Friedrichard schrieb:
rehla schrieb:
Warum sagt mir Herr Duden dazu, dass mein nochmal auch korrekt ist?
Weil der konsequnte Konrad schon lange tot ist und als Quark angesehen wird und,

liebe Rehla,

die Dudenredaktion opportunistisch und alles andere als konsequent ist.


Jessas, Friedel, bist du starrköpfig in deiner Nichtakzeptanz des immerwährenden Sprachwandels.
Manchmal glaub ich wirklich, am allerliebsten wäre dir, schrieben wir alle noch so:

Ich hân lande vil gesehen
unde nam der besten gerne war:
übel müeze mir geschehen,
kunde ich ie mîn herze bringen dar
daz im wol gevallen
wolde fremeder site.
nû waz hulfe mich, ob ich unrechte strite?

:D

 

Hallo jobär,

ich danke dir für deinen Kommentar, wie ich sehe, hat dich meine Geschichte ziemlich mitgenommen, wenn auch nicht gerade auf positive Weise.

Sie sieht den Doktor und den Pfarrer - traut sie sich nicht, diese Menschen anzusprechen (schon vor diesem Tage) oder ist ihr gar nicht beusst, dass auch Helfer Hilfe nötig haben und bekommen können.

Das ist natürlich richtig, was du sagst, mit der Unterstützung der PflegerInnen, nur würde das meines Erachtens den Rahmen einer Kurzgeschichte sprengen. Denn so einfach funktioniert das für mich nicht. Erst einmal sind Pfarrer und Doktor nicht immer Vertrauenspersonen, vor allem, wenn man die in Dörfern persönlich kennt, sind das oft die letzten, die man um Unterstützung bitten möchte/könnte. Und dann, weil man sich eben so gut kennt, kommt noch hinzu, dass Angehörige der Altersheimbewohner das auch als Einmischung in Privatangelegenheiten sehen könnten. Für mich ist das ein schmaler Grat. Ich glaube, ich muss echt irgendwann an einem Roman arbeiten, wo ich dann alles unterbringe. Dabei dachte ich immer, mir fehlen die Ideen.

Danke für die Anregung, jobär.


Hallo Marai,

dir auch lieben Dank, freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Zur psychologischen Unterstützung von Helfern siehe bitte meine Antwort oben an jobär.
Ja, Altwerden ist wohl kein Honigschlecken.

Dankeschön!


Hallo Chutney,

danke für deinen ausführlichen Kommentar und schön zu hören, dass dich der Text im Großen und Ganzen überzeugen konnte.

Dennoch fand ich diesen Abschnitt zunächst etwas mißverständlich. "Simone war zum Tagesablauf übergegangen". Da dachte ich, dass sie das alles tut, was du dann beschreibst.

Manchmal sollte man Stellen, wo man sich beim Schreiben genau dasselbe denkt, auch wirklich ausbessern und nicht davon ausgehen, dass es der Leser sich schon irgendwann selbst zusammenreimen kann. Ich werde das abändern, danke.

Hier würde ich bei "Mh" bleiben, ansonsten wäre das ja eine adäquate Antwort.

Schon? Ich dachte eher, das sei witzig. Ich lass es mal drin, schauen wir mal, ob sich noch jemand daran stört.

Das geht mir doch ein bisschen zu schnell, diese Veränderung vom "Saulus zum Paulus". Da hätte ich noch ein paar Zwischenschritte gebraucht. Du beschreibst gerade diese kleinen Momente so gut und hier fehlen sie mir irgendwie. So ist mir die Veränderung auch zu umfangreich. Ich denke es kommt erst der Punkt, wo ihr alte Menschen überhaupt im Stadtbild auffallen. Das sie gleich so ein tiefgreifendes Verständnis aufbringt ist mir hier viel zu früh, könnte eher am Ende der Geschichte stehen.

Mit der Veränderung muss ich mir wohl wirklich noch etwas einfallen lassen, da du nun nicht mehr die Einzige bist, die das beanstandet.

Mit der Stelle habe ich irgendwie noch Probleme. Erstmal würde ich sie nicht so kompliziert fragen lassen. Eher: "Warum bist du immer so boshaft?"

Oje, da hätte der Valentin, der in meinem Kopf entstanden ist, keine große Freude, wenn ich ihn als boshaft bezeichnen würde. Das wollte ich eben nicht so direkt auf den Punkt bringen.

Und seine Antwort ist mir zu psychologisch, abgeklärt, auch sprachlich. Ich finde schon, dass er an dieser Stelle die Maske etwas fallen lassen kann, aber in Maßen. Und der Satz mit dem Selbstmitleid und der Verantwortung für das eigene Leben ist auf einmal noch so eine zusätzliche Botschaft in dem Text, die ich eher überflüssig finde, das hat zuviel Sendungsbewusstsein.

Hmm, interessant. Das mit der Verantwortung für das eigene Leben sollte die Geschichte eigentlich abrunden, weil Anja vorher über Kathi denkt: "Was ist ihr selber passiert, dass sie so brutal wurde?" Und Valentins Antwort sollte ein Denkanstoß für Anja sein, dass man an sich selbst beginnen sollte, etwas zu ändern, bevor man die Schuld auf andere(s) abwälzt.

Was mich frustriert, weil mir der Valentin echt am Herzen liegt.

Eigentlich sollte der Valentin ja schon ziemlich unsympathisch rüberkommen, aber es freut mich trotzdem, dass dir die Figur gefällt, egal auf welche Art und Weise. :D


Hallo oisisaus,

Deshalb kann ich dir jetzt - trotz aller Bemühungen - gar keine rechten Verbesserungsvorschläge machen. Weder stilistisch noch inhaltlich, geschweige denn orthographisch weiß ich mich da einzubringen.

Du, ganz ehrlich, ich bin dir auch echt gar nicht böse dafür. Im Gegenteil, es freut mich, dass es dir so gut gefallen hat und dass du dich sogar ein bisschen in der Geschichte wiederfinden konntest.

Anjas "Verwandlung" werde ich noch einmal überdenken.

Vielen Dank auch dir!


Hallo Friedel und Ernst,

da fällt mir gar nicht mehr zu sagen ein. Vielen Dank für eure amüsanten Kommentare.
Hier auch noch mein Fazit: Ich bleibe beim nochmal, denn ich mach's wie der Valentin: Man könnte es ändern, aber nach achtundzwanzig Jahren (okay, sagen wir mal zweiundzwanzig, ich war immerhin kein Wunderwuzi) zahlt sich das auch nicht mehr aus.


Danke euch allen.

Gruß,
rehla

 
Zuletzt bearbeitet:

Ih saz uf eime steine
sluc bein mih uber beine
da komt der vridel min gegange
on allze groze bange
denne niman kunt mit gerten
des vridels zuht erherten
nu waz hulfe aller siten
ob ih ze unrehte strite?

Auch das eine Schreibweise sieben Jh. vor St. Duden. Als Hochsprache gilt uns Heutigen, was die Überlieferung erhaltener Dokumente und den großen Dichtern erhalten blieb, wobei die Zeitgenossen von dem von Kürenberg (nibelungenstrophe), Walther und Wolfram sich schon unterschieden. Da galt tatsächlich, man schreibt, wie man spricht. Aber wie wird's fürn Stotterneden, Lispelnden, Schwerhörigen? Noch mal ist allemal was anderes als nochmals. Aber: Wenn ich auf Ameland bin, liebe ich den Dialekt, der anders ist als das Westfriesische auf dem Festland, wenn ich im Harz bin, lieb ich das Ostfälische, das von Dorf zu Dorf anders ist, aber anders istals das unsägliche Sächsisch. Und dass ich mehr als das Ruhrlatein (kannze mich glauben!) kann (außer bairisch, von dem übrigens die österreichischen Dialekte abstammen und deshalb eben dem zugeschlagen werden, aber die versteh ich dann wieder), das (allemanische) Schweizerdeutsch in all seinen Varianten ist da wie ein überlebendes Mittelhochdeutsch (das faterunser aus dem 7/8. Jh. kann jeder noch lesen).

Ach jottchen, ich tret widda übade ufa und sachet nochenema: Grammatik ist nicht der Nabel der Welt. Wie alle Regeln versucht sie, Komplexität einzugrenzen, das Leben berechenbarer zu machen.

Bis denne, liebe rehla und gestrenger ernst (ist übrigens mein dritter Vorname) sag ich mal.

Vroidenreich Weinsteg vom Steinweg

friedel - vridel - freatle

 

Hallo rehla,

beim Lesen deiner Geschichte hatte ich am Anfang ein Gefühl, das ich als Antipathie gegen deinen Prot. bezeichnen könnte. Bei der Arbeit mit alten Menschen oder Kranken sollte nie Geld alleine Antrieb dafür sein, dies zu machen. Anja macht eine für mich sehr erfreuliche, wenn nicht wunderbare Wandlung durch. Ab da, als sie diese Veränderung an sich selbst bemerkte, hätte ich den Namen Anja mit dem Vornamen meines großen Sohnes austauschen können. Er hatte seinen Zivi damals noch im Altersheim gemacht. Er konnte sich auch nicht vorstellen, dass er einmal alten Leuten den Arsch abwischen würde. Und was soll ich dir sagen, er hatte auch eine Lieblingsoma und war todtraurig, als er später erfuhr, dass sie nicht mehr lange gelebt hatte, nachdem er seine Arbeit dort beendet hatte. Er hatte sogar einen Antrag gestellt, sich zum Altenpfleger ausbilden zu lassen, aber man war damals der Meinung, dass wir schon zu viel Pflegepersonal hatten, bevor der Pflegenotstand ausgebrochen war. Für ihn wäre dieser Job zur Berufung geworden.
Meine Schwiegermutter ist zwar nicht in einem Altersheim, aber mit fast 92 Jahren manchmal schwierig, weil auch dement.
Ich finde deine Geschichte sehr schön geschrieben und die Entwicklung deines Prot. ist für mich absolut realistisch und auch die Reaktionen ihres Freundeskreises stimmt für mich perfekt.
Menschen verändern sich im Laufe ihres Lebens. Kati war eine harte, fast brutale Frau und war nun zum Knuddelbärchen geworden. Ich kenne Leute, die sich genau entgegengesetzt verändert haben, die im Alter bösartig geworden sind.

Ich habe diesen Text sehr gerne gelesen!

Schönen Gruß
khnebel

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe rehla,

schöne Geschichte. Hat mir zu großen Teilen gefallen. So eine ähnliche hatte ich auch mal in meiner Anfangszeit hier, aber deine ist besser :).

Weniger gefallen hat mir inhaltlich, dass Du die Entwicklung der Prot. nur berichtend darstellst und nicht zeigst. Hätte ein paar mehr Zeilen gebraucht, aber ich denke, die Geschichte hätte es gut weggesteckt. Gut gefallen dagegen hat mir die Person/Wendung von Kathi. Ansonsten ist das alles irgendwie ganz lieblich, so pastell, so einfühlsam, so ... ach, weiß auch nicht. Ist jetzt keine Kritik wirklich, ist mehr so ein Gefühl von, mir fehlt da irgendwie der Kick. Das plätschert so hübsch vor sich her, schönes Thema, auch schwieriges finde ich, aber erst ist so negativ und dann auf einmal alles so positiv, nur der Kathi-Bruch eben, der hat dann was. Problem ist, der liegt zurück, mit der Kathi von früher habe ich es als Leser ja nicht wirklich zu tun, ich hätte da gern auch in der Gegenwart bisschen mehr Grautöne gehabt, als reines schwarz-weiß. Das ist jetzt schon Meckern auf sehr hohem Niveau und die anderen empfinden das ja nicht so, also buche es unter "lass die mal quasseln" ab. Aber der Spannung hätte es gut getan. Dann wäre das nicht alles so plätschern, sondern auch mal brodeln.

Stilistisch geh ich aber mal direkt rein :). Sprachlich ist das auch alles so "sauber" irgendwie :).

„Valentin, der da links im Rollstuhl. Raucht andauernd in der Eingangshalle und wenn er nicht raucht, isst er (am liebsten). Er ist ziemlich ruppig. Aber nimm's nicht persönlich."

am liebsten ... der Nachtrag nimmt gleich wieder die Schärfe zurück. Er raucht und frisst und nöelt. Punkt. So ist er, so wird er wahrgenommen, so gibt er sich.
Und da kann man dann ruhig auch sagen: Er ist ein Arsch, aber nimm es nicht persönlich - anstatt von ruppig. Das mein ich mit pastell. Das hässliche wird ein bisschen schöner und weicher gemacht und politisch korrekt dem Leser serviert.

Kathi saß auf dem Bett und ich versuchte, den Brei aus der Schüssel in ihren Mund zu manövrieren, was nur teilweise gelang. Meistens packte sie meine Hand und riss sie auf die Seite. Das pürierte Naturschnitzel mit Karotten und Kartoffeln verteilte sich auf der Bettwäsche.

Noch eine schöne Stelle, die man auch mal richtig angehen könnte. Sie hasst Kathi in dem Moment, sie ist genervt ... und die Wortwahl ist so brav. Und Anja auch. Sie mag zu diesem Zeitpunkt die Menschen dort nicht. Sie könnte anfangen den Brei selber zu essen, wenn Kathi ihn nicht mag.

Alles Fragen, die man durchaus mit Ja beantworten kann. Dann eben auf die harte Tour.
„Bist du blöd?"
„Mhm."
„So richtig bescheuert?"
„Mhm."

Hier spüre ich zum ersten Mal wirklich ihr Abneigung. Gut!

Oder wenn sie ihre Blähungen nicht unterdrücken konnten oder dich zurechtweisen möchten, als wüssten sie, wie man es besser macht. Ich zählte alte Menschen nicht mehr zu einer anderen Spezies, die nicht zum Rest unserer Gesellschaft gehörte. Nein, so dachte ich nicht mehr.

Der Nachtrag zeigt, dass sie doch noch ziemlich abschätzig denkt. Als wüssten sie ... tse, tse, tse

Oder wenn sie ihre Blähungen nicht unterdrücken konnten oder dich zurechtwiesen. (Ende des Satzes)

... als sie mir von ihrem Ehemann erzählte, der im Zweiten Weltkrieg gefallen war. Von ihren drei Kindern, die sie alle überlebt hatte. „Alle tot“, sagte sie nüchtern, als würde das zum Leben gehören. Und ich spürte kein Missfallen mehr, sondern Achtung.

Ähm, was genau hat ihr früher an solchen Erzählungen mißfallen? Abneigung kann ich nachvollziehen, aber tragische Schicksale - können die mißfallen?

Nachdem ich den gesamten zweiten Stock durchsucht hatte, lief ich nach unten.

Nicht ins PPQ verfallen hier. Ist schon wieder Prät.

Er nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette,

Sagt ihr das so? Aus der Zigarette? Bei uns sagt man: von.

„Schon traurig. Hat die niemanden? Oder wohnen die so weit weg?"

Menschen die ich mag, nenne ich nicht "die".

„Ach was, das ist die Mutter vom Leo Saller, weißt eh, vom Bankchef."

Später steht er am Schalter. Was ist das für eine Bank? Wo bin ich? Auf einem Dorf?

„Das ist so schlimm. Die bekommt keinen Besuch, nie! Kannst du dir das vorstellen?"

Wieder dieses häßlich "die". Als würde sie angeekelt mit dem Finger drauf zeigen. Aber jetzt ist sie doch die Gute?

Was das Ende betrifft, da bin ich unentschieden. Ich weiß nicht, ob ich wirklich noch eine "Lebenslinie" brauche, um zu verstehen, dass Alter und Alltag früher, also dass dazwischen viel passieren kann. Mir wäre, glaub ich, lieber gewesen, Du wärst an Kathi und Anja dran geblieben und den Zwispalt - allein sterben lassen oder doch den Enkel ... oder ihre Hand halten und dabei versuchen, das Monster von früher ... also irgendwie diese Klufft und ihren Umgang damit.

Lass Dir jetzt aber von mir nix erzählen. Schöne Geschichte und gern gelesen hab ich sie auch.
Liebe Grüße, Fliege

 

Hallo khnebel,

ich danke dir sehr für deine schönen Zeilen. Mir persönlich haben es die alten Menschen ja immer schon angetan. Deshalb freut es mich umso mehr, dass ich es geschafft habe, in dir eine vorläufige Antipathie meiner Protagonistin gegenüber zu erzeugen, denn für mich war es gar nicht so einfach, die alten Menschen so abwertend darzustellen. Obwohl, wie mir Fliege gerade richtig aufzeigt, noch viel, viel mehr gegangen wäre.

Vielen Dank!


Hallo Fliege,

ich bewundere deine Ausführlichkeit in den Kommentaren immer sehr und freue mich darüber, weil ich darin entweder immer wieder etwas finde, wo ich mir denke "Warum habe ich das nicht gleich gemacht?" oder Verbesserungsvorschläge, die ich echt gut und nachvollziehbar finde. Ich schätze das sehr.
Deshalb möchte ich dir auch nicht so knapp antworten, sondern etwas ausführlicher, nur schaffe ich das heute gerade nicht mehr. Du hörst von mir, aber schon mal vielen, lieben Dank!

Gruß,
rehla

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Fliege,

so, jetzt schaffe ich es mit meiner Antwort. Wie gestern schon gesagt, aber ich finde, das kann man gar nicht oft genug sagen, vielen Dank für deinen Kommentar. Aus deinen Kommentaren nehme ich mir jedes Mal was mit, dieses Mal zum Beispiel, dass ich meinen "realen Anstand" in meinen Geschichten auch mal über Bord werfen darf oder sogar soll.

So eine ähnliche hatte ich auch mal in meiner Anfangszeit hier, aber deine ist besser .

Gibt's die noch? Das kann ich nämlich fast nicht glauben, dass diese hier besser sein soll. :D

Weniger gefallen hat mir inhaltlich, dass Du die Entwicklung der Prot. nur berichtend darstellst und nicht zeigst. Hätte ein paar mehr Zeilen gebraucht, aber ich denke, die Geschichte hätte es gut weggesteckt.

Das ist ähnlich wie die Kritik von Chutney und oisisaus, denen die Veränderung zu schnell geht. Ich werde noch einmal in mich gehen.

Ansonsten ist das alles irgendwie ganz lieblich, so pastell, so einfühlsam, so ... ach, weiß auch nicht.

Das plätschert so hübsch vor sich her

Stilistisch geh ich aber mal direkt rein . Sprachlich ist das auch alles so "sauber" irgendwie .

Das ist es, was ich oben gemeint habe, was ich mir für die Zukunft mitnehme. Niedergeschrieben dürfen auch meine persönlichen Anstandsgrenzen überschritten werden. Wenn das der Geschichte gut tut, dann werde ich das auf jeden Fall mal ausprobieren. Du nennst mir im Folgenden ja ein paar Anregungen.

Der Nachtrag zeigt, dass sie doch noch ziemlich abschätzig denkt. Als wüssten sie ... tse, tse, tse

Oder wenn sie ihre Blähungen nicht unterdrücken konnten oder dich zurechtwiesen. (Ende des Satzes)


Ich wusste, dass an diesem Satz etwas eigenartig war, danke.

Ähm, was genau hat ihr früher an solchen Erzählungen mißfallen? Abneigung kann ich nachvollziehen, aber tragische Schicksale - können die mißfallen?

Natürlich nicht. Das ist unglücklich ausgedrückt. Muss ich noch mal ran.

Sagt ihr das so? Aus der Zigarette? Bei uns sagt man: von.

Merkt man, dass ich Nichtraucher bin? Ich hab ehrlich gesagt momentan keinen Schimmer, ob bei uns tatsächlich jemand "aus der Zigarette" sagt. Ich glaub's nämlich gar nicht. Da mach ich lieber ein "von" daraus.

Menschen die ich mag, nenne ich nicht "die".

Das ist bei uns allerdings Usus. Du wirst mich nie, nie, nie einen Namen ohne Artikel sagen hören, das schaffe ich meist nicht einmal, wenn ich schönes Deutsch sprechen will. Und das soll jetzt natürlich nicht heißen, dass ich niemanden mag. :) Klar ist allerdings, dass es sich darüber streiten lässt, ob es genau diese Dialektdarstellung braucht, wenn ansonsten sprachlich nichts davon im Text zu finden ist. Da meine Geschichte aber doch ländlich angesiedelt ist (Anrede mit Vornamen, jeder kennt jeden), möchte ich es vorerst dabei belassen.

Später steht er am Schalter. Was ist das für eine Bank? Wo bin ich? Auf einem Dorf?

Ja, das spielt in einem Dorf. Wenn das nicht hervorgeht, muss ich das aber noch irgendwo einschieben.

Wieder dieses häßliche "die".

Mein Herz blutet! :aua:

Mir wäre, glaub ich, lieber gewesen, Du wärst an Kathi und Anja dran geblieben und den Zwispalt - allein sterben lassen oder doch den Enkel ... oder ihre Hand halten und dabei versuchen, das Monster von früher ... also irgendwie diese Klufft und ihren Umgang damit.

Ein ebenso interessanter Ansatz. Hmm ... Mein Problem ist immer, dass ich mir vorher denke, ich habe so wenige Ideen und wenn mich dann jemand darauf stößt, habe ich plötzlich das Gefühl, dass ich aus jeder Kurzgeschichte auch einen Roman machen könnte.

Lass Dir jetzt aber von mir nix erzählen. Schöne Geschichte und gern gelesen hab ich sie auch.

Das freut. Danke dir fürs Lesen und Kommentieren.

Grüße,
rehla

 

Hallo, meine liebe rehla,

auch mir hat deine Geschichte auch sehr gut gefallen! Sprachlich sauber und toll geschrieben und weitgehend nix zu meckern. Also, weitgehend, nenne mich Valentin. ;)

Weißt eh, Billa, Trafik, Polizeiposten und so
Ich muss ja zugeben, mit dem Billa an der Hauptstraße hast du mich gehabt! Seit meinem Jahr im Weinviertel bin ich der größte Fan vom „Hausverstand“ überhaupt. :D

Eine alte Frau herumführen, die sich ohnehin an nichts erinnern konnte, das hörte sich doch nach einer guten Einnahmequelle an.
Sauber, klingt urlaiband!

Aber was sollte ich zu einer Dementen schon sagen?
„Wie geht's dir?" Etwas Besseres war mir tatsächlich nicht eingefallen.
Hier würde ich denken, passt eine noch etwas stärkere Reaktion zur Ich-Erzählerin: „Etwas Besseres war mir tatsächlich nicht eingefallen. Ich kam mir selbst ein wenig bescheuert vor.“ Oder so.

Ich war nicht mehr die, die alte Menschen schräg von der Seite ansah, wenn sie mit ihren Rollatoren aufmerksamkeitsheischend über die Pflastersteine ratterten. Oder wenn sie aus dem mit Senioren vollgestopften Reisebus stiegen, mit einem Ausdruck von Glückseligkeit im Gesicht, als wäre diese Gruppenreise das schönste Erlebnis, das sie je hatten.
Den zweiten Satz finde ich etwas unglücklich. Da er mit dem „oder“ an den ersten anschließt steht da streng genommen: „Ich war nicht mehr die, die alte Menschen schräg von der Seite ansah, wenn sie aus dem mit Senioren vollgestopften Reisebus stiegen“ und das ist doppelgemoppelt.

In diesem Absatz kommt mir allgemein der Wandel der Prot. Etwas zu „dramatisch“ daher. Zu Beginn ging es nur darum, dass sie Breiessen und Windelnwechsel oder auch Sabbern und Pupen eklig findet. Dann spricht sie aber von einem grundlegenden Wandel ihrer Einstellung alten Menschen gegenüber und das ist schon nochmal ein anderes Level, würd ich meinen.

„Nicht, dass ich wüsste."
Ich wurde nachdenklich.
„Bekommt sie eigentlich nie Besuch?", fragte ich.
Ich finde, hier kann es ruhig persönlicher werden: „Das machte mich nachdenklich“ oder so. Ansonsten finde ich es etwas bezugslos: „Sie hat was gesagt.“ „Nein.“ „Doch.“ Ich wurde nachdenklich.

„Wahrscheinlich“, sagte ich und ließ es dabei bleiben.
Das hier ist mir Minimy zu viel Andeutung. „Ließ es dabei bleiben“ kann weg. Diese Dinge fallen daher so sehr auf, finde ich, da sonst einfach jedes Wort sitzt! Und somit brechen dann Kleinstigkeiten um so mehr heraus … Verstehst eh. :)

Die drei Weißweinspritzer
Vielleicht steht es schon irgendwo, hab nicht alle Kommentare gelesen, aber eventuell muss man das den daitschen Lesern erklären?

„Schau mal, wer da gerade reinkommt“, sagte Marina.
Peter.
Hier würde ein „Es war Peter“ gerade noch den Kontrast zum vorherigen „Kathi“ steigern, finde ich.

„Aber warum?“, brach es aus mir hervor. Ich wusste, es ging mich nichts an, aber Peter war schon immer redselig und er schien die nötige Distanz zu seiner Großmutter zu haben, um unbeirrt fortzufahren.
Das „redselig“ entschärft es etwas, was hier gar nicht nötig ist. Lass es scharf!

„Ist sie …?“, sprudelte es aus mir hervor.
Das „sprudeln“ finde ich etwas fehl: Wenn jemand schnell ein Ereignis erzählt, dann sprudelt es as ihm heraus. Aber eine abgehackte Frage sprudelt eher nicht.

Fazit: Vielschichtig, kurzweilig und sehr gut geschrieben. Daumen hoch von mir! :thumbsup:
Ein sonniges, langes Wochenende wünscht
die heiterbiswolkig

 

Hallo heiterbiswolkig,

auch mir hat deine Geschichte auch sehr gut gefallen! Sprachlich sauber und toll geschrieben und weitgehend nix zu meckern.l

Fazit: Vielschichtig, kurzweilig und sehr gut geschrieben. Daumen hoch von mir!

vielen Dank - damit ist das Wochenende gleich bei weitem sonniger, als es in Wirklichkeit wettertechnisch war.

Seit meinem Jahr im Weinviertel bin ich der größte Fan vom „Hausverstand“ überhaupt.

Glaub mir, wenn du diese Werbung regelmäßig im Fernsehen siehst, dann bist du alles andere als ein Fan vom "Hausverstand". :D

Sauber, klingt urlaiband!

Ich weiß, du meinst es nett, aber über diesen Ausdruck freuen sich maximal die Wiener. :Pfeif:

Den zweiten Satz finde ich etwas unglücklich. Da er mit dem „oder“ an den ersten anschließt steht da streng genommen: „Ich war nicht mehr die, die alte Menschen schräg von der Seite ansah, wenn sie aus dem mit Senioren vollgestopften Reisebus stiegen“ und das ist doppelgemoppelt.

Mir fiel der ganze Absatz schwer. Und ich habe das so oft umgeschrieben, weil ich mir nie sicher war, ob das noch Sinn ergibt. Da hab ich das dann wohl letztendlich noch immer falsch formuliert. Muss ich mir nochmal ansehen.

In diesem Absatz kommt mir allgemein der Wandel der Prot. Etwas zu „dramatisch“ daher. Zu Beginn ging es nur darum, dass sie Breiessen und Windelnwechsel oder auch Sabbern und Pupen eklig findet. Dann spricht sie aber von einem grundlegenden Wandel ihrer Einstellung alten Menschen gegenüber und das ist schon nochmal ein anderes Level, würd ich meinen.

Das ist vom Ansatz her ein ähnlicher Gedanke wie ihn auch andere schon hatten. Diese gesamte Wandlung wäre noch einmal zu überdenken.

Das hier ist mir Minimy zu viel Andeutung. „Ließ es dabei bleiben“ kann weg. Diese Dinge fallen daher so sehr auf, finde ich, da sonst einfach jedes Wort sitzt! Und somit brechen dann Kleinstigkeiten um so mehr heraus … Verstehst eh.

So hab ich das noch gar nicht gesehen, dass das zu viel Andeutung sein könnte. Oder wollte ich das sogar? Ich weiß es nicht wirklich.

Vielleicht steht es schon irgendwo, hab nicht alle Kommentare gelesen, aber eventuell muss man das den daitschen Lesern erklären?

Also ein Weißweinspritzer - eigentlich nennt man den eher nur Spritzer, aber das hätte sicher noch mehr Fragen aufgeworfen - ist zu gut Deutsch eine Weißweinschorle.

Auch deine restlichen Anmerkungen werde ich mir durch den Kopf gehen lassen.

Ich danke dir sehr für deine Anregungen und Bemerkungen und freue mich, dass es dir ansonsten gefallen hat.

Viele Grüße,
rehla

 

rehla schrieb:
heiterbiswolkig schrieb:
Sauber, klingt urlaiband!
Ich weiß, du meinst es nett, aber über diesen Ausdruck freuen sich maximal die Wiener. :Pfeif:
Nein, die Wiener freuen sich höchstens über urleiwand.
:D

 

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