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Weltgeschichte

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05.03.2013
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Weltgeschichte

Gott besah sich Himmel und Erde. Sie waren wüst, leer und finster. Verwesungsgeruch benebelte die Sinne. Von allen Seiten quälten ekelerregende Schmatz- und Blubbergeräusche seine Nerven. Schmerzhaft zog Trauer seine Brust zusammen: Das war das Ende seines Werkes! Die Menschen hatten die Schöpfung zerstört.
Der Geist Gottes schwebte über dem Dreckklumpen namens Erde und suchte Trost. Wo fand er ein Quäntchen Gutes in der Katastrophe?
»Es werde Licht!«, schrie er in das Dunkel. Seine rechte Hand fuhr hoch, um dem Befehl Nachdruck zu verleihen.
Nichts geschah.
Hoffnungsfroh war er damals ans Werk gegangen. Sein Leben werde erfüllt sein mit der Freude über die Menschen und die Welt.
»Es werde Licht!« Er wiederholte die Zaubergeste.
Schwarze Wolken waberten herbei und nahmen ihm beinahe vollends die Sicht.
Wie anders hatte die Geschichte begonnen! Das Chaos verwandelte sich in den Kosmos. Das Licht schuf Hoffnung. Gott sprühte damals vor Schaffenskraft.
Was hatte er nicht alles in fünf Tagen erschaffen. In Gedanken wandelte er nochmals durch den Garten Eden mit seinen Gewässern, Hügeln, Gebirgen, Tälern. Die Frösche, Fische, Quallen, die Gazellen, Elefanten, Löwen, die Adler, Schmetterlinge und Bienen: Wo waren sie jetzt?
»Die Harmonie der ersten Tage machte mich übermütig«, dachte Gott. »Hätte ich nur aufgehört! Der verfluchte sechste Tag.«
Falsch sind die Berichte, Gott habe am siebten Tag geruht. Nein, er verrichtete Schwerstarbeit: Er musste den sechsten Tag aufarbeiten und die Menschen zur Vernunft bringen!
Im Schweiße ihres Angesichts ließ er sie hart arbeiten, dann hatte er fast alle ertränkt, der Feuersturm über Sodom und Gomorrha sollte sie an bessere Sitten heranführen.
Es nützte nichts: Mit Mord und Totschlag fielen sie übereinander her.
Moses brachte ihnen die Gesetzestafeln, David spielte Harfe, Salomon übte Gerechtigkeit.
Es nützte nichts: Die Stärkeren rafften alles zusammen, was sie kriegen konnten.
Propheten ermahnten zur Tugendhaftigkeit, Sibyllen prophezeiten die Zukunft, Johannes taufte und predigte.
Es nützte nichts: Die Menschen befriedigten gierig jede Lust.
Da griff Gott zur letzten Waffe: seinen Sohn. Sein Vorbild hätte den Geist der Menschen reinigen und bessern sollen.
Es nützte nichts: Sie haben ihn verlacht, gefoltert, getötet.
Als er sein eigen Fleisch und Blut am Kreuz hängen sah, dachte sich der schwebende Geist: »Das war die letzte Chance, meine Schöpfung zu retten.«
Von diesem Augenblick an saß er starr in einem Sessel und sah, wie die
Gläubigen die Ungläubigen,
die Reichen die Armen,
die Weißen die Farbigen,
die Kommunisten die Kulaken,
die Nazis die Juden,
die Herren die Sklaven,
die Intelligenten die Dummen,
die Starken die Schwachen,
die Banker die Sparer,
die Ärzte die Kranken,
die Besitzenden die Besitzlosen
die Männer die Frauen
die Erwachsenen die Kinder
beraubten, schlugen, vergasten, folterten, versklavten, quälten, erhängten, köpften, vierteilten, bespuckten, beschissen, zerquetschten, betrogen, ausbeuteten, verlachten, verachteten …
Was interessierte Musik, Wissenschaft oder Kunst die Menschen? Waffen waren ihre Leidenschaft. Die brauchten sie für die Erfüllung ihrer Wünsche. Darin steckten sie ihre Erfindungskraft, in ihnen fanden sie ihre Seele.
»Gut«, dachte Gott, »ich habe ihnen Waffen zugestanden. Aber doch nur Schwerter, Pfeile, Speere, harmlose Geräte zu eigenem Schutz und zum Jagen der Nahrung! Ehrenwerte Waffen.«
Dann aber erfanden sie das Schießpulver. Muskete: Hey, wie das knallte und blitzte: Tot war der Feind!
Immer schneller kamen die Kugeln. Maschinengewehr: dadadadadad … Hey, wie das ratterte: Viele Feinde tot.
Das Gas waberte über Schützengräben. Hey, wie das quält: Noch mehr Feinde tot.
Die Bomben fielen vom Himmel: Flugzeuge: Hey, wie das spritzt: Der Tod vieler Feinde von oben.
Die Erde wird aufgegraben: Minen: Hey, wie das zerfetzt: der Tod der Feinde aus der Erde.
In hohem Bogen bringen sie die Botschaft: Raketen: Hey, wie die ausradieren: der Tod vieler Feinde aus der Ferne
Dann die Atombombe: hey, der Tod aller Feinde.
Gott schaute auf die atomisierte Welt und rekapitulierte die Situation der letzten Minute noch einmal.
Zuerst meinte Ostland, das Westland hätte es bedroht, und schickte eine Atomrakete zur Hauptstadt Westlands. Noch bevor die Atomrakete über der Hauptstadt von Westland explodierte, schickte Westland eine Atomrakete zur Hauptstadt von Ostland und zugleich eine Atomrakete zur zweitgrößten Stadt Ostlands. Weil aber Ostland mit Südland verbündet war und Südland sich von Westland bedroht fühlte, schickte es eine Atomrakete zur zweitgrößten Stadt von Westland, hatte aber die Route falsch berechnet, sodass die Rakete in Richtung der Hauptstadt von Nordland flog, das sich bedroht fühlte und, noch bevor irgendeine Atomrakete explodiert war, eine Atomrakete in Richtung der größten Stadt Südlands abschoss und zeitgleich eine in Richtung der drittgrößten Stadt Ostlands und sicherheitshalber noch zur viertgrößten Stadt, sodass sich zu diesem Zeitpunkt sieben Atomraketen in der Luft befanden, die aber noch durch weitere Raketen, welche die Länder aufeinander abfeuerten, ergänzt wurden, sodass in der Minute Null, noch bevor eine Atomrakete explodiert war, siebenhundertsiebenundsiebzig Atomraketen todbringend durch die Lüfte schwebten - eine Zahl, die sinnlos war, denn jede einzelne Atomrakete hatte die Gewalt, die gesamte Menschheit in sechzig Sekunden zu töten. ob sie über Feindesland oder über dem eigenen explodierte.
Hey, wie das krachte.
Sinnend packte Gott seine Habseligkeiten zusammen, schulterte seinen Rucksack und verließ den Drecksklumpen Erde. An anderer Stelle wollte er es noch einmal probieren.

 

Lieber Achillus
Ich bin nicht sicher, ob ich deinen Kommentar wirklich verstehe.

Konflikt und Kampf prägen die Natur auf allen Ebenen und in jeder Hinsicht. Kill or get killed lautet das Motto. Das ist keine Erfindung des Menschen, sondern ein Grundmerkmal jeder Art von Leben. Selbst auf Ebene der unbelebten Natur bestimmen gewaltsame Kräfte den Lauf der Dinge: Ohne die gewaltigen Supernovae, in deren Verlauf massereiche Sterne vernichtet werden oder auch die alles zerstörenden Schwarzen Löcher gäbe es das Universum, das wir kennen, überhaupt nicht. Zerstörung und Verfall sind konstituierende Faktoren unserer Welt und keine Privatangelegenheit des Menschen.

Ich nehme einmal dieses Zitat und versuche über die letzte Aussage nachzudenken. Grundsätzlich ist es sicher richtig, dass die Auseinandersetzung des Menschen mit den Gegebenheiten, mit der Natur und ihren Kräften, ein Grundprinzip ist. So funktioniert die Evolution.
Aber ist das, was in der unbelebten Natur, wie du es nennst, geschieht, gleichzusetzen mit dem, was zwischen den Menschen passiert? Ist Zerstörung und Verfall in unserem Kosmos gleichzusetzen mit der Zerstörung, die der Mensch anrichtet?
Vernunftbegabt, wie wir sind, haben wir m.M.n. Entscheidungsmöglichkeiten, so oder so auf Herausforderungen zu reagieren, Alternativen zu entwickeln. Auf eine Bedrohung können wir mit einer Gegendrohung reagieren, wir können aber auch Wege der Verständigung suchen, um die Aggression zu entschärfen.
Und da wir diesen Entscheidungsspielraum haben, tragen wir auch Verantwortung für das, was wir tun, wir tragen Verantwortung dafür, ob wir gut oder böse handeln. Dabei ist mir völlig bewusst, dass dieser Entscheidungsspielraum manchmal sehr eingeengt wird durch unsere speziellen Befindlichkeiten (unseren Körper, unsere Sozialistation), aber auch durch Abhängigkeiten und Machtverhältnisse, denen wir unterliegen usw.

Natürlich ist der Mensch nicht von Natur aus gut oder böse. Aber wir haben Antriebe, wie z.B. die Neugier, die je nachdem, wie wir sie ausleben, Gutes oder Böses bewirken können. Die Neugier hat uns zu medizinischem Fortschritt verholfen, Menschen können geheilt werden, dieselbe Neugier hat uns allerdings auch die Atombombe und genmanipulierte Lebensmittel beschert.

Du nennst die erste Wahrheit des Buddhismus „Alles Leben ist Leiden“. Dem folgt die zweite: „Alles Leiden hat seine Ursache in den Begierden.“
Ich stimme zwar dem ersten Satz nicht zu, da ich mein Leben nicht als „Leiden“ betrachten kann und das meines Hundes und meiner Katze auch nicht. Aber ich erkenne, dass wir alle mehr oder weniger unseren Begierden unterliegen. Könnten wir uns hier ungehindert austoben, so würde möglicherweise wirklich der Kampf aller gegen alle entstehen und der Mensch des Menschen Feind werden. Damit diese Seite des Menschen einigermaßen „gezähmt“ wird, hat die Menschheit seit Jahrtausenden Regeln formuliert: Hammurabis Gesetz, die Zehn Gebote, das BGB, den Kategorischen Imperativ usw.

...die Aspekte menschlicher Erfahrung, die sich um Liebe, Brüderlichkeit, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft…
haben
… keinen Platz

Hier stimme ich dir zu.
Wilhelm Berliner beleuchtet in seinem Text die zerstörerische und gewalttätige Seite des Menschen. Dem müssen wir natürlich die von dir angesprochene positive Seite, die Seite der Empathie gegenüberstellen. Auf diese und auf unsere Vernunft müssen wir bauen. Darin liegt m.M.n. unsere Hoffnung.

Freundliche Grüße
barnhelm

 
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Hallo Barnhelm, schön, dass wir in der Kategorie "Philosophisches" auch philosophisch über einen Text reden.

Aber ist das, was in der unbelebten Natur, wie du es nennst, geschieht, gleichzusetzen mit dem, was zwischen den Menschen passiert? Ist Zerstörung und Verfall in unserem Kosmos gleichzusetzen mit der Zerstörung, die der Mensch anrichtet?

Ja, das kann man gleichsetzen. Aber natürlich nur, wenn man dabei einige Dinge berücksichtigt. Das Gegenargument, das einem wohl als erstes einfällt, bezieht sich auf den freien Willen des Menschen, auf seine Fähigkeit bewusst zu entscheiden und zu handeln. Ein Mensch der einem anderen in den Rücken schießt wäre dann nicht gleichzusetzen mit einem Dachziegel der, vom Wind gelöst herabfällt, und einem Passanten auf den Kopf kracht.

Aus der persönlichen, individuellen Perspektive betrachtet mag das stimmen. Aber wenn man menschliche Interaktionen in ihrer Gesamtheit untersucht, sieht man dann doch wieder, dass die Ursachen und Bedingungen für bestimmte Entwicklungen nicht unter Kontrolle zu bringen sind.

Welche Faktoren haben dazu geführt, dass ein Mensch einem anderen in den Rücken schießt? Welche dieser Faktoren liegen allein beim Täter? Ist der Täter allein für das, was er tut verantwortlich zu machen? Wie sieht es mit seiner Familie aus, mit seinen Lehrern, mit seinen Freunden und Kollegen? Wie sieht es mit der Gesellschaft aus, in der er lebt und dem historischen Klima, in dem er aufwächst? Sind diese Einflüsse maßgeblich, nebensächlich oder irrelevant?

Mit anderen Worten: Von den Ursachen her gesehen, gäbe es nur dann einen Unterschied zwischen den Gewalttätigkeiten der Menschen und denen der Löwen oder denen der schwarzen Löcher, wenn die Gründe, Ursachen und Bedingungen dafür von den Menschen komplett kontrollierbar wären. Das sind sie aber nicht. Wenn ein Mann mit einer Pistole einem anderen Mann in den Kopf schießt, dann schießen zehntausend andere Menschen, Umstände, Faktoren, Bedingungen, Impulse, Zwänge mit.

Was ist die Schlussfolgerung daraus: Wir müssen das Wenige an kontrollierbaren Optionen zusammenkratzen und das Beste daraus machen. Das beginnt damit, dass wir unseren Kindern (und uns selbst) beibringen, Gefühle richtig wahrzunehmen und zu beurteilen. Das geht weiter, indem wir versuchen zu verstehen, welche Motive wir bei unseren Handlungen verfolgen und was die Konsequenzen dieser Handlungen sind. So können wir schrittweise mehr und mehr verstehen, warum wir etwas tun und was das langfristig für uns und die Welt bedeutet.

Aber ganz einfach zu sagen: Der Mensch ist böse, das führt in die entgegengesetzte Richtung. Es verhindert Erkenntnis. Aus diesem Grunde ist mir auch nicht klar gewesen, weshalb Wilhelm und Du (Ihr seid beide Historiker) mit dieser Fehlsicht experimentiert.

Du nennst die erste Wahrheit des Buddhismus „Alles Leben ist Leiden“. Dem folgt die zweite: „Alles Leiden hat seine Ursache in den Begierden.“ Ich stimme zwar dem ersten Satz nicht zu, da ich mein Leben nicht als „Leiden“ betrachten kann und das meines Hundes und meiner Katze auch nicht.

Buddhistische Meister verbringen viel Zeit damit, ihren Schülern die erste Wahrheit verständlich zu machen, denn so wie Du gehen viele Menschen davon aus, dass diese erste Wahrheit auf sie persönlich gar nicht zutrifft. Ohne den Kontext der buddhistischen Lehre ist letztlich keine der vier Wahrheiten verständlich. Die erste Wahrheit besagt nicht, dass das Leben in jeder Phase, jedem Moment leidhaft ist. Sie führt aus, dass es gänzlich unmöglich ist, leidhafte Erfahrungen grundsätzlich zu vermeiden. Es mag sein, dass er Dir heute gut geht, dass Du einige oder viele positive, glückliche Erfahrungen machst. Sicher ist eins: Das wird nicht so bleiben. Egal, was Du anstellst, egal wie klug, geschickt, weise, lebenserfahren Du auch bist, der Moment des Schmerzes, der Trauer, der Angst, der Niedergeschlagenheit wird kommen. Daran führt kein Weg vorbei. Deshalb bedeutet Leben immer, dass früher oder später – aber mit absoluter Gewissheit – die Erfahrung des Leidens kommen wird.

Aber ich erkenne, dass wir alle mehr oder weniger unseren Begierden unterliegen. Könnten wir uns hier ungehindert austoben, so würde möglicherweise wirklich der Kampf aller gegen alle entstehen und der Mensch des Menschen Feind werden. Damit diese Seite des Menschen einigermaßen „gezähmt“ wird, hat die Menschheit seit Jahrtausenden Regeln formuliert: Hammurabis Gesetz, die Zehn Gebote, das BGB, den Kategorischen Imperativ usw.

Ich glaube nicht an einen Kampf aller gegen aller. Ich glaube aber, dass Kampf eine Grundbedingung des Seins darstellt (Hey, ich bin Achillus! :D ) Sich weigern zu kämpfen, heißt sterben. Kampf findet gegen äußere Widerstände und Störungen statt, aber auch innerpsychisch. Auf der Ebene der Physik kämpfen wir gegen die Schwerkraft, gegen Strahlung, gegen Kälte und Hitze. Auf der Ebene der Chemie kämpfen wir gegen Säure-Basen-Ungleichgewichte. Auf der biologischen Ebene der Mikroorganismen kämpft der Körper gegen Keime, Viren, Bakterien, Krankheisterreger. Wir kämpfen auf der sozialen, psychologischen Ebene. Die Menschen kämpfen natürlich nicht immer mit den Mitteln der Gewalt, nicht mit Keule, Speer oder AK47. Das ändert aber nichts am Grundsätzlichen des Konflikts.

Barnhelm, vielen Dank für Deine Hinweise. Ich hatte Freude beim Nachdenken über Deine Argumente.

Gruß Achillus

 

Hallo Achillus,

ich habe mit Vergnügen Deinen Text gelesen.
Das freut mich, vielen Dank. Es beruht auf Gegenseitigkeit.
Einerseits finde ich, dass er handwerklich solide gemacht ist und andererseits hatte ich meine Freude daran, mich an der diesem Text meiner Ansicht nach zugrunde liegenden Weltsicht zu reiben. Ich möchte mich in meiner Kritik auf den philosophischem Background der Geschichte beschränken.
Was will man von einem Text mehr erwarten?
1) Die Dämonisierung der Menschheit

In der Studie Feindbilder – Psychologie der Dämonisierung wird Carl Rogers zitiert. Danach besteht eine Prämisse dämonisierender Beschreibungen darin, dass der Mensch im Grunde gefährlich sei. In diese Richtung gingen ja auch einige Kommentare zu Deiner Weltgeschichte, beispielweise von khnebel ("das grausamste Raubtier dieser Erde, der Mensch"), Marai ("Was Du in Deiner Geschichte beschreibst, ist heute schon weitgehend Realität. Und menschlich gesehen gibt es keine Lösung.") oder Barnhelm, die Deinen Text als "Bestandsaufnahme" auffasst. Ich kann der Grundannahme Deines Textes und den zitierten Interpretationen nur energisch widersprechen.

Sicherlich hast Du das Ganze absichtlich übersteigert, deshalb ist für mich unmöglich zu sehen, was Du in Wahrheit dazu denkst.

Was aber heißt "in Wahrheit" denken. Denken ist argumentieren aus unterschiedlichen Perspektiven. Ich denke Wahrheit, nicht in Wahrheiten. In Wahrheiten denken kann man nur im Glauben. Das ist der Endpunkt des argumentierenden Denkens.
Ich habe übersteigert, sicherlich, ich hoffe es, aber die Wirklichkeit übertrifft manchmal die Übersteigerungen.
Was der Text allerdings aussagt, hat mit einer Bestandsaufnahme überhaupt nichts zu tun, sondern stellt lediglich eine völlig verzerrte Sicht auf die titelgebende Weltgeschichte dar, wie ich finde. Ich halte es für möglich, dass Du absichtlich diese Falschsicht entwickelt hast, um die Urteilsfähigkeit des Lesers zu schärfen.
Hier scheinst mir du zu übersteigern. Schon der Begriff Falschsicht kommt aus dem Bereich der Wissenden, also der Religiösen, die wissen, was falsch und richtig ist. In Wirklichkeit sind es Konventionen, willkürlich oder ausgehandelte Setzungen.
Die Menschheit kommt nicht gut weg, in Deinem Text. Sie wird von Beginn an als fehlerhaft beschrieben.
Was die Bibel ja auch tut, denn sonst könnten sie nicht sündigen.
Gott muss den siebten Tag der Schöpfung damit zubringen, sie zur Vernunft zu bringen. Er bemüht sich, sie zu disziplinieren, aber alle Versuche scheitern.
Ist doch so: Wie oft droht der Gott den Menschen im AT?
Carl Rogers sagt auch, dass sich zu der Grundannahme (dämonisierender Beschreibungen), dass der Mensch gefährlich sei, auch immer die Vorstellung gesellt, der Mensch müsse kontrolliert werden. So wie es Gott in Deiner Geschichte
Und im AT
versucht. Und natürlich ist das vergebens, denn - sprechen wir es aus – der Mensch ist böse. Das jedenfalls behauptet Dein Text.
Nachdem ist nicht weiß, was ein böser und dann auch ein guter Mensch ist, kann das gar nicht sein. Gut und böse sind Begriffe, die frei in der Wertung sind: Für die einen ist das Töten eines Menschen Mord, für andere eine Hinrichtung gerecht. Alles war mal gut, mal böse. Die Begriffe sind Begriffe, die Grundlage für die Herrschaft einer Priesterkaste bilden.
Ein wesentliches Wort in meinem Text ist "Hey", also ein Lustschrei, eine Äußerung von Freude. Lust- oder Triebbefriedigung habe ich eher in den Mittelpunkt gestellt als das Böse. Oder noch anders: das kindische Zündeln mit dem Streichholz. Der Krieg bei mir entsteht aus Kindlichkeit, nicht aus Bosheit.
Rogers gehört sicher nicht zu den Dämonisierern, sondern zu den Beschönigern, Idealisierern. Das Idalisieren ist genauso schlimm wie das Dämonisieren: Wie viele Kriege wurden um eines Ideals willen geführt?
2) Eine unwissenschaftliche, ahistorische Weltsicht

Wenn man all die Grausamkeiten, die der Mensch bisher begangen hat, aus ihrem historischen Kontext herauslöst, stellt sich schnell die Überzeugung ein, der Mensch wäre "an sich" und exklusiv böse, aggressiv, feindselig, destruktiv. Interessant ist das im Kontext Deiner Geschichte besonders vor der Behauptung, die ersten fünf Tage wären so harmonisch gewesen - die Frösche, Fische, Quallen, die Gazellen, Elefanten, Löwen, die Adler, Schmetterlinge und Bienen. Die Wirklichkeit sieht jedoch vollkommen anders aus:

Nicht in der Bibel, auf die ich mich beziehe! Nicht die Elefanten essen vom Baum der Erkenntnis.

Konflikt und Kampf prägen die Natur auf allen Ebenen und in jeder Hinsicht. Kill or get killed lautet das Motto. Das ist keine Erfindung des Menschen, sondern ein Grundmerkmal jeder Art von Leben. Selbst auf Ebene der unbelebten Natur bestimmen gewaltsame Kräfte den Lauf der Dinge: Ohne die gewaltigen Supernovae, in deren Verlauf massereiche Sterne vernichtet werden oder auch die alles zerstörenden Schwarzen Löcher gäbe es das Universum, das wir kennen, überhaupt nicht. Zerstörung und Verfall sind konstituierende Faktoren unserer Welt und keine Privatangelegenheit des Menschen.
Kill or get killed bei den Tieren dient der Ernährung. In den menschlichen Kriegen essen sie sich nicht gegenseitig auf.

Gravierender aber ist, dass Deine (Welt-) Geschichte die Aggressivität und Gewaltbereitschaft des Menschen auf ihn selbst zurückführt, so, als gäbe es dafür keine Ursachen, keine Bedingungen, keine Gründe. In dieser Darstellung haben natürlich auch all die Aspekte menschlicher Erfahrung, die sich um Liebe, Brüderlichkeit, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft drehen, keinen Platz. Du machst es dem Leser leicht, den Menschen zu hassen, und ich glaube, das ist ein Vorwurf an den Text, über den es ernsthaft nachzudenken lohnt.
Gründe für menschliche Gewalt, die über die in der Natur (bei Tieren) zu findende hinausgeht, sind Ausreden, Legitimationen ihrer Lustbefriedigung.
Sicherlich wollte ich nicht über Liebe, Brüderlichkeit u. ä. schreiben. Die andere Sphäre ist mir gegenwärtig wichtiger.
3) Die Konsequenzen der Dämonisierung

Da Dein Text

Und die Bibel, die dies mit der Erbsünde ausdrückt
den Menschen als grundsätzlich fehlerhaft anschaut, kann er natürlich auch keine Lösungsansätze anbieten.
Gott hat es mit Feuersturm und Sündflut probiert und mit Christus.
In dieser Hinsicht ist es zwar erst einmal konsequent, dass Gott das Handtuch wirft, um es woanders zu versuchen. Bei genauerem Nachdenken zeigt sich aber erneut, dass der Text, das eigentliche Dilemma gar nicht begriffen hat: Jede Existenz ist Konflikt. Alles Leben ist Leiden. Das ist kein Fehler, sondern die Grundvoraussetzung für die Möglichkeit, zu existieren. Alles was existiert, "erkauft" sich dieses Recht mit den Nebenwirkungen von Verfall und Vernichtung. Ein Universum ohne Verfall zu wünschen heißt, überhaupt kein Universum zu wünschen.
Nun ist das allgemein ganz in Ordnung, was du schreibst, es macht die Dämonisierung des Lebens zum Normalzustand. So dämonisierst du die Weltgeschichte.
Alles Leben ist Leiden: Da hockt uns der Teufel doch im Genick. Alles Leben ist Freude! Was spricht dagegen? Und: Alles Leben ist Atomkrieg? Das finde ich wenig prickelnd.
Lebenseuphoriker meinen halt: Das Leben ist schön. Nihisten hätten wenig dagegen, wenn kein Universum exisistierte.
Kinder stecken beim Zündeln das Haus an. Na und? Natura vult! Dazu braucht man keine Philosophie, keine Naturgesetze; der Zauberlehrling braucht einen Meister, aber Gott ist ratlos im Himmel.

Wilhelm, ich möchte noch einmal wiederholen, dass ich nur das kritisiere, was mir der Text auszusagen scheint. Es ist gut möglich, dass ich mich komplett täusche. In diesem Fall wäre zu prüfen, wie dieser Fehleindruck entstehen konnte.
Die sprichst aus der Position eines Naturwissenschaftlers, ich aus verschiedenen Positionen: des Religionskritikers, des Zynikers, des Idealisten, des Dämonisierers. Der Krieg in meinem Text entsteht aus Jux und Dollerei. Die Tragödie ist eine Komödie.
Dafür lohnt es sich nicht zu sterben. O what a lovely war?
Mit intellektuellem Vergnügen gelesen.
Ganz meinerseits mit vielem Dank für die ausführliche und anregende Besprechung. Da kommt doch Freude auf.
Fröhliche Grüße
Wilhelm

 

Lieber Asterix!

Die Aussage deiner Geschichte, die mir aus der Seele spricht, erinnert mich sofort an einen Ausspruch einer Figur in einer Kurzgeschichte, die ich kürzlich abgeschlossen habe:
„Erhöhe deine Position, erkenne das Ganze, und begreife, was du angerichtet hast.“
Die Voraussetzungen zur Einleitung einer solchen globalen Katastrophe stecken in jedem Menschen. Das heißt, das Verhalten des Einzelnen im kleinen Rahmen schafft die geschilderten weltweiten Bedingungen.
Das Problem: Wären wir nicht so, wie wir sind, wären wir Kaninchen. Dazu gibt es keine natürliche Lösung.
Vielen Dank für das Lesen und die Rückmeldung.
Distanzierung ist auf jeden Fall richtig. Aber auch das Bewusstsein, dass wir nie über ausreichend Informationen verfügen, um eine wahre Aussage machen zu können. Wir eiern eben herum. Das hat etwas vom Spielen. Manche gehen darin auf, manche distanzieren sich, erhöhen sich. Gefährlich sind die, die im Spielen aufgehen. Die Kämpfen bis zum Untergang.
Vielen Dank für die Erhöhung
Fröhliche Grüße
Wilhelm

 

Hallo zigga,
vielen Dank für deine Rückmeldung.

ich habe deine kleine Menschheitsgeschichte/ Dystopie gern gelesen. Das geht voran, und ist handwerklich solide geschrieben. Ich finde das originell, wie du auf die Vergangenheit blicken lässt, dass Gott die Menschen immer versucht hat, zu zügeln, sie aber immer gegen seinen Willen gehandelt haben.
Das Verwunderliche ist, das man das in der Bibel tatsächlich so findet. Gott hat sich weiß Gott was angestrengt mit den Menschen,
Einzige die Atomkriegs-Beschreibung würde ich entweder von der Länge her runterfahren oder aber wie eine wirkliche Dystopie in der bevorstehenden Zukunft passieren lassen, nicht mit Ostland und Westland - das ist ja vorbei -, sondern mit Wasserknappheit, Westland und Wüstenland, Korea und Russland ... das hätte mir viel besser gefallen, als eine ausführliche Berichterstattung über den Verlauf des Raketenbeschusses.
Das ist überlegenswert. Die Himmelsrichtungen als Pauschale sind einfach. Ich wollte das so schlicht beibehalten. Dein Vorschlag ist komplexer. Vielleicht probiere ich mal rum.
schickte es eine Atomrakete zur zweitgrößten Stadt von Westland, hatte aber die Route falsch berechnet, sodass die Rakete in Richtung der Hauptstadt von Nordland flog,
Ah ... das ist die einzige Stelle, die ich dem Text nicht abnehme. Route falsch berechnet? Ich glaube, das wäre im Falle eines Atomkrieges sehr sehr sehr unwahrscheinlich.
Denke nur an die Atomunfälle, die es bis jetzt schon gegeben hat (und an die, die wir nicht wissen). Murphys Gesetz gilt.
Falsch sind die Berichte, Gott habe am siebten Tag geruht. Nein, er verrichtete Schwerstarbeit: Er musste den sechsten Tag aufarbeiten und die Menschen zur Vernunft bringen!
Das ist eine sehr gute Idee von dir.
Das finde ich auch.
Finde ich ein tolles Ende.
Im Gegensatz von anderen Kommentatoren sehe ich hier wenigstens eine kleine Hoffnung.
Vielen Dank für die positive Rückmeldung
Frohe Ostern
Wilhelm

 

Hallo MR Garcia,
ein Lob, ein Tadel,
zu düster?
Damit es das in Wirklichkeit nicht wird, kann es nicht düster genug sein in Worten.
Fröhliche Grüße
Wilhelm
Hallo Barnhelm,
schön, dass du die Diskussion inhaltlich aufnimmst.

Wilhelm Berliner beleuchtet in seinem Text die zerstörerische und gewalttätige Seite des Menschen. Dem müssen wir natürlich die von dir angesprochene positive Seite, die Seite der Empathie gegenüberstellen. Auf diese und auf unsere Vernunft müssen wir bauen. Darin liegt m.M.n. unsere Hoffnung.
Ausgewogenheit ist ja ganz schön, aber eine Seite allein darzustellen auch mal ganz heilsam, denn das "So ist es " und "So ist es auch" kann ganz schön einlullen. Putin hat recht, die Ukraine auch, der IS ist auch nicht ganz unrichtig, dafür hilft die EU, das Rote Kreuz schickt Decken, wir beten für die Toten und spenden für die Flüchtlinge, es wird schon nicht so schlimm werden, bei der Hälfte der Ukraine hören die Russen auf und ...
Was der Mensch ist, fragt der Philosoph, wie die Menschen sind, wie also Putin, die Separatisten, die Jeminiten, die Folterer sind, interessiert den Erzähler meiner Geschichte. Dem philosophischen Konstrukt Mensch kann ich vertrauen, er tut mir und anderen nichts. Dem konkreten Menschen, na, da bin ich mir nicht so sicher.
Vielen Dank für deinen Beitrag, der die Wirklichkeit einbezieht.
Frohe Ostern wünscht
Wilhelm

 
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Hallo Wilhelm, Du weißt ja, wie gern ich streite. In den letzten Tagen habe ich noch ein wenig über Deinen Text und die dazugehörigen Kommentare nachgedacht und möchte noch mal nachhaken. Vieles von dem, was Du sagst, leuchtet mir ein. Da Du aber von den anderen Kommentatoren schon ausreichend bestätigt wurdest, möchte ich mich auf ein paar Punkte des Widerspruchs beschränken:


1) Die Bibel hat es gesagt

Ich habe die Darstellung und Interpretation menschlicher Verhaltensweisen in Deinem Text kritisiert und Du antwortest unter anderem sinngemäß: Ja, aber so steht´s in der Bibel. Ich verstehe nicht, wie die Bibel Behauptungen eines Textes von 2015 legitimieren kann. Ist die Bibel neuerdings eine unantastbare Referenz für geistes- oder naturwissenschaftlich belegbare Erkenntnisse? In der Bibel wird der Hase als Wiederkäuer bezeichnet, die Fledermaus als Vogel, ganz zu schweigen von den biblischen kosmologischen Vorstellungen und dem Verhältnis, das die darin beschriebene Lehre zu Darwin Evolutionstheorie hat.

Natürlich ist deshalb (naturwissenschaftlich betrachtet) nicht alles falsch, was im Alten Testament steht, aber eine Portion Skepsis wird wohl angebracht sein. Mit anderen Worten: Wenn Dein Text Behauptungen aufstellt, muss er diese mit den Grundlagen heutigen Wissens belegen oder zumindest begründen können. Anderenfalls ist das, was er behauptet, so beliebig wie die Aussage, auf dem Mars lebten grüne Männchen. Dann kann man nicht ernsthaft darüber diskutieren. Und ich gehe doch davon aus, Du wünschst Dir, dass man Deinen Text ernst nimmt.


2) Was ein Text behauptet

Ein Autor besitzt in der Regel nicht die völlige Kontrolle über die Behauptungen, die sein Text aufstellt. Wäre es anders, dann gäbe es keine Diskussionen darüber, was der Subtext einer Geschichte bedeutet oder bedeuten kann. Tatsächlich geht man in der Literaturkritik davon aus, dass dem Autor viele Aspekte seines Schreibens deshalb verborgen bleiben, weil er viel zu dicht an der Sache dran ist, um sie zu sehen. Allein schon Stärken oder Mängel in der Ausdrucksfähigkeit können dazu führen, dass eine Geschichte bei der Mehrzahl der Leser ganz anders ankommt, als sie vom Autor gemeint war. Wir besitzen keine völlige Kontrolle über die Wirkung unseres Verhaltens auf andere, und das gilt auch für unsere Äußerungen und Texte.

... denn - sprechen wir es aus – der Mensch ist böse. Das jedenfalls behauptet Dein Text.

Nachdem ist nicht weiß, was ein böser und dann auch ein guter Mensch ist, kann das gar nicht sein.

Natürlich ist das eine Interpretation, die ich herauslese. Aber, dass man sie nicht herauslesen könnte, weil Du nicht wüsstest, was böse oder gut ist, kann nicht stimmen. (Ohnehin ist das ein etwas eitles Understatement, denn bereits Kinder wissen, wer beim Rotkäppchen oder Schneewittchen die Rolle des Bösen einnimmt und was das dem allgemeinem Empfinden nach bedeutet.) Ein Autor kann frauenfeindlich schreiben, ohne dass er weiß, was das ist. Er kann auch pathetisch, sentimental, wertend, großkotzig schreiben, ohne eine genaue Vorstellung von diesen Einfärbungen zu haben.

Ich habe übersteigert, sicherlich, ich hoffe es, aber die Wirklichkeit übertrifft manchmal die Übersteigerungen.

Es geht mir nicht um die Kritik von Übersteigerungen. Ich kritisiere, dass Dein Text Zusammenhänge falsch (im naturwissenschaftlichen und historischen Sinne) darstellt und dass er (Ab-)Wertungen vornimmt, die nicht dazu beitragen, das Verhalten der Menschen besser zu verstehen:

Der Geist Gottes schwebte über dem Dreckklumpen namens Erde und suchte Trost. Wo fand er ein Quäntchen Gutes in der Katastrophe?

Dieses Beispiel ist nicht eine Übertreibung, sondern eine Abwertung. Und hattest Du nicht behauptet, der Text würde nicht über gut und böse reflektieren, weil Du nicht wüsstest, was das ist?

Es nützte nichts: Die Stärkeren rafften alles zusammen, was sie kriegen konnten.

Historisch falsch. Wir wissen heute beispielsweise, dass die menschlichen Urgemeinschaften nicht etwa eine auf Handel und Geschäft basierende Güterverteilung pflegten. Lange Zeit wurde behauptet – auch gern von dem Neoliberalismus nahestehenden Philosophen – die Menschen hätten schon immer nach dem Motto gehandelt: Wenn du mir dieses gibst, gebe ich dir jenes. Wir wissen jetzt, dass das nicht stimmt. In urzeitlichen Gemeinschaft wurde nicht nach dem quid pro quo Prinzip geteilt, sondern auf Vertrauensbasis. Es gab keine Aufrechnung - die Sammler sammelten, die Jäger jagten, alles kam allen zugute.

Natürlich wird es immer wieder Anwandlungen von Gier, von Hass und Gewalt gegeben haben. Wäre die Menschheitsgeschichte aber so, wie Du sie beschreibst, hätte sie es erst gar nicht bis in die Antike geschafft. Aus der historischen Forschung wissen wir eins mit Sicherheit: Der Mensch ist deshalb so erfolgreich, weil er vor allen anderen Dingen ein Teamplayer ist.


3) Das Leiden am Tragischen

Weshalb sind wir so beindruckt von den Katastrophen, vom Leiden, von den grausamen Aspekten der Geschichte, von den Tragödien, die sich in der Welt abspielen? Weshalb reagieren wir darauf so irrational und beschuldigen Gott (der es vermasselt hat), Satan (dessen destruktive Geistesverfassung die Welt brennen lassen will) oder den Menschen an sich (der unvernünftig, aggressiv, feindselig ist) für diese schlimmen Zustände verantwortlich zu sein?

Während jeden Tag schlechte Nachrichten (Unfälle, Krisen, Terroranschläge, Kriegsausbrüche) durch die Medien flimmern, bleiben viele Ereignisse unerwähnt, die zeigen, dass Menschen sinnvoll, uneigennützig, manchmal sogar weise handeln können. Diesen Job übernimmt dann Hollywood, kitscht es auf und macht daraus eine Helden- oder Liebesgeschichte.

Wir nehmen schlechte Nachrichten deshalb intensiver wahr, weil sie uns angst machen, verunsichern. All das Negative ist viel stärker in unserem Bewusstsein, weil eine schlechte Nachricht subjektiv als wichtiger empfunden wird: Wenn sich mein Nachbar freut über den wunderbaren Waldspaziergang, den er heute nachmittag gemacht hat, ist das weniger wichtig, als die Nachricht von meinem anderen Nachbarn, der im Wald von einer Schlange gebissen wurde. Denn diese Nachricht warnt mich, bezieht sich scheinbar auf meine eigene Sicherheit.

Darüber hinaus zeigt auch gerade das Mitgefühl für die Menschen, die unter schrecklichen Ereignissen (Flugzeugabstürze, Kriege, Hungerkatastrophen) leiden, dass wir eben nicht die Menschen sind, von denen Deinen Text spricht.


4) Die Mär vom "bösen" Menschen und den "guten" Tieren

Dein Text beschreibt den Menschen in der Summe als gierig, aggressiv, feindselig, gewalttätig, rücksichtlos in ihrer Lustbefriedigung. Da der Text die Ursachen dieser Verhaltensweisen im Menschen selbst verortet und auch nicht auf andere Eigenschaften hinweist, ordnet er – ob gewollt oder nicht - dem Menschen das Attribut des Bösen zu. Das Böse wird gerade in religiösen Kontexten als eine das Weltgeschehen beeinflussende Grundkraft verstanden und als Quelle des Übels beschrieben. So läuft es auch in Deinem Text, ob Du nun das Wort "böse" aussprichst oder nicht.

Kill or get killed bei den Tieren dient der Ernährung. In den menschlichen Kriegen essen sie sich nicht gegenseitig auf.

Naturwissenschaftlich betrachtet ist das falsch. Tiere töten in unterschiedlichen Situationen, aus vermutlich vielen verschiedenen Gründen. Büffel zertrampeln Löwen (in direkter oder vorweggenommener Selbstverteidigung), Löwen töten Löwenjungen anderer Männchen, um die Löwinnen zu erneuter Paarung anzuregen, Löwen töten Hyänen, Leoparden und Geparden (vermutlich, weil sie diese als Nahrungskonkurrenten und potenzielle Bedrohung ihres Nachwuchses ansehen), Elefantenmännchen töten sich manchmal gegenseitig im Kampf um die Weibchen, Flusspferde kämpfen bis aufs Blut aus territorialen Gründen, Schimpansen verletzen und töten einander häufig allein aufgrund von aggressiven Affekten (die Motive dafür sind nicht immer offensichtlich).

Wir wissen, dass Delphine und Menschenaffen vergewaltigen, dass sexuelle Gewalt innerhalb bestimmter Tiergruppen ein Mittel zur Durchsetzung von Rangordnungen ist. Natürlich beurteilen wir das anderes als bei Menschen, ganz einfach, weil wir bei Tieren nicht von den gleichen ethischen Grundlagen ausgehen. Aber dass sich Tiere untereinander niemals oder nur zum Nahrungserwerb feindselig und aggressiv verhalten, stimmt ganz sicher nicht. Der Mensch ist nicht deshalb zur Aggression fähig, weil er ein Mensch ist. Der Mensch ist fähig zur Aggression, weil er (wie Millionen anderer Lebewesen) ein Tier ist und Teil einer langen natürlichen Entwicklungsgeschichte darstellt.


5) Der Text versteht die Welt und den Menschen nicht

Dem Text liegt einerseits die (aus naturwissenschaftlicher, historischer, empirischer und logischer Sicht) falsche Annahme zugrunde, all das Üble, Schlechte, Beklagenswerte wäre dem Menschen gewissermaßen eingeschrieben. Gott versucht immer wieder den Menschen zu verbessern, aber er schafft es nicht. Das heißt, der Mensch ist unverbesserlich, er ist an und für sich und in sich selbst schlecht.

Es gibt noch eine zweite fehlerhafte Grundannahme, nämlich, dass die Vernunftbegabung des Menschen (eigentlich) all die destruktiven psychischen Impulse auflösen müsste.

Falsch sind die Berichte, Gott habe am siebten Tag geruht. Nein, er verrichtete Schwerstarbeit: Er musste den sechsten Tag aufarbeiten und die Menschen zur Vernunft bringen!
Im Schweiße ihres Angesichts ließ er sie hart arbeiten, dann hatte er fast alle ertränkt, der Feuersturm über Sodom und Gomorrha sollte sie an bessere Sitten heranführen.
Es nützte nichts: Mit Mord und Totschlag fielen sie übereinander her.

Der Text begreift überhaupt nicht, dass er damit unmögliches fordert. Selbstverständlich kann die Kultivierung von Vernunft – betrachtet man einen einzelnen Menschen – dazu führen, dass dieser seine destruktiven Motivationen immer genauer durchschaut. Bei entsprechendem Training kann er lernen, diese Impulse schrittweise zu überwinden. Aber das ist ein Prozess, den jeder Mensch durchlaufen muss. Die Kinder von Weisen und Friedfertigen werden nicht automatisch weise und friedfertig. Man kann den Mensch überhaupt nur verstehen, wenn man ihn im Kontext seiner Auseinandersetzung mit destruktiven Impulsen betrachtet. Zu fordern, der Mensch müsse von vornherein friedliebend, mitfühlend, uneigennützig sein und zu beklagen, dass dies nicht so ist, heißt die menschliche Psyche in ihrer Prozesshaftigkeit und Bedingtheit überhaupt nicht zu erkennen.

Das heißt, es wird immer – gerade junge – Menschen geben, die grausam und verantwortungslos handeln. Das ist kein Defekt. (Wir wissen beispielsweise, dass die Mehrzahl islamischer Terroristen und Gewalttäter in Afrika jünger als 18 Jahre und somit rechtlich gesehen Kinder und Jugendliche sind.)

Und eine dritte Fehlannahme des Textes geht dahin, dass die Vernunft des Menschen es doch zustande bringen müsse, ein gerechtes Gesellschaftssystem zu entwickeln, das dann in der Lage wäre, die destruktiven Impulse der Menschen irgendwie aufzufangen und umzuwandeln. Der Fehler dieser Annahme basiert auf der Unterschätzung der ungeheuren Komplexität sozialer Gesetzmäßigkeiten.

Immer wieder überraschen Professoren ihre Studenten der Politik- und Sozialwissenschaften mit einem erstaunlichen Experiment: Die Studenten sollen sich zusammensetzen und eine ideale, gerechte Gesellschaft entwerfen. Sie dürfen sich alle Mittel dazu ausdenken. Das Ergebnis dieses Experiments ist immer gleich: Selbst in der Theorie ist eine ideale, gerechte Gesellschaft unglaublich schwer zu konstruieren. Gerade wenn man glaubt, alle Stellschrauben korrekt justiert zu haben, wird bei tieferer Analyse klar, dass es Lücken gibt, durch die Ganze dann doch wieder in Frage gestellt wird.

Wenn Menschen also bisher keine gerechte, ideale Gesellschaft entwickelt haben, dann liegt das nicht an ihrer grundeigenen, exklusiven Schlechtigkeit, sondern (neben der Tatsache, dass man eine Gesellschaft nicht einfach am Reißbrett entwerfen kann) unter anderem daran, dass das rein organisatorisch extrem schwierig ist und die menschlichen Kenntnisse und Methoden dafür bislang nicht ausreichen.


6) Warum passt der Elefant ins Auge?

Auf einer tieferliegenden Ebene hat der Text und die ihm zugrunde liegende Weltsicht ein philosophisches oder genauer gesagt erkenntnistheoretisches Problem. Er schließt aus Beobachtungen auf Zusammenhänge, was ja zunächst einmal die Grundlage von Erkenntnis ist. Das Problem ist, dass er erstens nicht genau genug beobachtet und zweitens, dass er dem Augenscheinlichen auf den Leim geht: Der Mensch handelt in diversen Situationen aggressiv, gewalttätig, gierig, lustorientiert. Daraus wird geschlossen, dass das dem Menschen innewohnt, die Weltgeschichte dominiert sowie das Schicksal/ die Zukunft des Menschen besiegelt.

Wir hatten ja kurz die buddhistische Lehre als Gegenentwurf. Bereits die ersten buddhistischen Meister waren von einer tiefen Skepsis gegenüber dem sogenannten gesunden Menschenverstand, gegenüber dem Augenscheinlichen geprägt. Wenn wir die Welt so wahrnehmen, wie sie ist, wie kann es dann sein, fragten sie, dass der riesige Elefant in das kleine Auge des Menschen passt? Wir nehmen die Welt nicht so wahr, wie sie ist. Wir spiegeln, wir skalieren, wir färben, filtern, drehen, lassen weg, fügen hinzu, wählen aus, deuten. In Wirklichkeit ruht nichts in sich selbst. Alles steht mit allem in Verbindung. Deshalb kann es auch nichts "an sich Böses", "an sich Gewalttätiges" geben. Es gibt überhaupt kein "an sich".

Diese Sichtweise gestattete es sehr früh in der Menschheitsgeschichte, Situationen nicht als Zustände, sondern als bedingte Prozesse zu begreifen. Nichts ist aus sich selbst heraus so, wie es ist. Alles ist Produkt von Bedingungen und selbst wiederum Bedingung von neuen Prozessen. Die Idee, der Mensch könnte "an sich", exklusiv irgendwie, irgendetwas sein (egal ob gewalttätig oder mitfühlend) stellt sich vor dieser tieferen Sichtweise als Illusion heraus.

Demjenigen, der anklagen oder verurteilen will, sind solche Zusammenhänge natürlich egal. Demjenigen, der verstehen will, können sie nicht egal sein.

Alles Leben ist Leiden: Da hockt uns der Teufel doch im Genick. Alles Leben ist Freude! Was spricht dagegen?

Dagegen spricht eine ganze Menge. Wenn man sich mit der buddhistischen Lehre auseinandersetzt, taucht diese Frage mit großer Sicherheit früher oder später auf: Wenn die Erfahrung von Freude ebenso sicher zu unserem Leben gehört, wie die Erfahrung von Leid, weshalb macht Siddharta dann das Leiden zur Grundlage seiner Lehre? Weshalb sagt er nicht "Leben ist Freude" ?

Man kann sich dieser Frage nähern, indem man versteht, dass der Buddhismus nicht allein Philosophie ist. Er sucht nicht lediglich nach Erkenntnis. Es ist eine Weisheitslehre, die fragt, welche Erkenntnisse wichtig sind, um die Grundlagen für ein gelingendes Leben zu entwickeln. Und da aus psychologischer Sicht nicht das Streben nach Glück problematisch ist, macht Siddhartha die Freude auch nicht zum Ausgangspunkt seiner Lehre. Das Problem ist die Illusion (die auch in Deinem Text präsent ist), es könne ein Leben ohne Leid geben.

Unser Neigung, positive, glücklich-machende Impulse zu suchen und festzuhalten und frustrierende, schmerzhafte Erfahrungen zu vermeiden, zu ignorieren, umzudeuten führt dazu, dass wir uns immer wieder täuschen und falsch entscheiden und um so stärker leiden. Jemand, der Leiden, Schmerz und Verlust als vermeidbar ansieht, wird immer wieder enttäuscht werden. So wie der enttäuschte Gott in Deiner Geschichte. Siddhartha hätte ihm helfen können ;)

_______________

Gruß Achillus

 

Hallo Achillus,

gerne nehme ich zu deinen Thesen Stellung, auch wenn die Meinungsuntersschiede nicht gar so groß sind, so ist doch meine Perspektive oft eine andere. Leider kann ich dir sicher nicht vor einer Woche antworten.
Fröhliche Grüße
Wilhelm

 

Hallo Wilhelm, das macht nichts. Ich freue mich auf Deine Antwort.

Beste Grüße und ein schönes Osterfest
Achillus

 

Hallo Achillus

Du weißt ja, wie gern ich streite.
Ganz meinerseits!
Widerspruch ist immer gut.

1) Die Bibel hat es gesagt

Ich habe die Darstellung und Interpretation menschlicher Verhaltensweisen in Deinem Text kritisiert und Du antwortest unter anderem sinngemäß: Ja, aber so steht´s in der Bibel. Ich verstehe nicht, wie die Bibel Behauptungen eines Textes von 2015 legitimieren kann. Ist die Bibel neuerdings eine unantastbare Referenz für geistes- oder naturwissenschaftlich belegbare Erkenntnisse? In der Bibel wird der Hase als Wiederkäuer bezeichnet, die Fledermaus als Vogel, ganz zu schweigen von den biblischen kosmologischen Vorstellungen und dem Verhältnis, das die darin beschriebene Lehre zu Darwin Evolutionstheorie hat.

Die Bibel ist mein Ausgangstext. Mir scheint es verwunderlich, dass irgendein Erzähler Gott sagen lässt, dass alles gut sei. Damit beginnt ja ein Euphemismus, den ich nicht teile. Mir geht es nicht um die naturwissenschaftlichen Aussagen, sondern um die Lebenseuphorie, die daraus entstand. Mir ist der Gott von Lüdtkehaus sympathisch, der sich die Schöpfung vorgenommen hat und sich und uns den Schlamassel ersparte: »Mein Gott, was für einen Fehler hätte ich beinahe gemacht.« (Ludger Lüdtkehaus: Nichts, Frankfurt am Main 2002, S. 18.
Natürlich ist deshalb (naturwissenschaftlich betrachtet) nicht alles falsch, was im Alten Testament steht, aber eine Portion Skepsis wird wohl angebracht sein.
Jetzt stellst du Naturwissenschaftlichkeit in der Bibel fest? Wo? Gegen eine Fiktion wie die Bibel und auch gegen Naturwissenschaften ist doch immer eine Skepsis angebracht. Warum betonst du diese Selbstverständlichkeit?

Mit anderen Worten: Wenn Dein Text Behauptungen aufstellt, muss er diese mit den Grundlagen heutigen Wissens belegen oder zumindest begründen können. Anderenfalls ist das, was er behauptet, so beliebig wie die Aussage, auf dem Mars lebten grüne Männchen.
Es geht hier nicht um Wissen, sondern um Wertungen: Also die grünen Männchen kann man nicht behaupten, aber dass ich den Mars schön finde schon.

Dann kann man nicht ernsthaft darüber diskutieren. Und ich gehe doch davon aus, Du wünschst Dir, dass man Deinen Text ernst nimmt.
Über Wertungen kann man immer diskutieren, ernsthaft und spaßig.
Welche naturwissenschaftliche Behauptungen werden in meinem Text von mir aufgestellt?

2) Was ein Text behauptet

Ein Autor besitzt in der Regel nicht die völlige Kontrolle über die Behauptungen, die sein Text aufstellt. Wäre es anders, dann gäbe es keine Diskussionen darüber, was der Subtext einer Geschichte bedeutet oder bedeuten kann. Tatsächlich geht man in der Literaturkritik davon aus, dass dem Autor viele Aspekte seines Schreibens deshalb verborgen bleiben, weil er viel zu dicht an der Sache dran ist, um sie zu sehen. Allein schon Stärken oder Mängel in der Ausdrucksfähigkeit können dazu führen, dass eine Geschichte bei der Mehrzahl der Leser ganz anders ankommt, als sie vom Autor gemeint war. Wir besitzen keine völlige Kontrolle über die Wirkung unseres Verhaltens auf andere, und das gilt auch für unsere Äußerungen und Texte.

So ist es wohl.
Zitat Zitat von Achillus Beitrag anzeigen
... denn - sprechen wir es aus – der Mensch ist böse. Das jedenfalls behauptet Dein Text.
Zitat Zitat von Wilhelm Berliner Beitrag anzeigen
Nachdem ist nicht weiß, was ein böser und dann auch ein guter Mensch ist, kann das gar nicht sein.

Natürlich ist das eine Interpretation, die ich herauslese. Aber, dass man sie nicht herauslesen könnte, weil Du nicht wüsstest, was böse oder gut ist, kann nicht stimmen. (Ohnehin ist das ein etwas eitles Understatement, denn bereits Kinder wissen, wer beim Rotkäppchen oder Schneewittchen die Rolle des Bösen einnimmt und was das dem allgemeinem Empfinden nach bedeutet.) Ein Autor kann frauenfeindlich schreiben, ohne dass er weiß, was das ist. Er kann auch pathetisch, sentimental, wertend, großkotzig schreiben, ohne eine genaue Vorstellung von diesen Einfärbungen zu haben.

Gut und Böse sind willkürliche Setzungen. Dass man die Stiefmutter für böse hält und einen Prinzen für den Guten, nun ja, naturwissenschaftlich ist das auch nicht gerade. Deswegen habe ich die literarischen Figur Gott, die ja viele für »echt« halten, mal ein wenig arbeiten lassen, weil er gepfuscht hat. Dass alles gut war, wie sein Autor ihn behaupten lässt und wie es viele Gläubige und Lebeneuphoriker annehmen, ist mir fremd. (Übrigens, um deine Aussage zu den Märchen zu relativieren, solltest du Iring Fetscher lesen).
Aber merkwürdig ist deine Aussage, es wäre ein Understatement von mir, dass ich im Verständnis von Gut und Böse sehr unentschlossen bin, wenn doch schon Kinder wüssten, was Gut und Böse ist. Aber ich weiß eines: Böse ist der, der mich erschießt, beraubt, mich schlägt usw. Auf der konkreten Ebene wird alles klar. Das Pauschalieren, ob der Mensch gut ist oder böse, ob die Welt gut ist oder nicht, ob Menschen sich umbringen oder helfen, das ist ein Spiel mit Sprache. Und gegen die Einseitigkeit »Die Welt ist gut« wollte ich polemisieren. Das Heraufziehen eines großen Krieges wird uns dann darüber belehren, ob sie die Atombombe zünden oder sich umarmen und mit leichteren Waffen sich umbringen.
Zitat Zitat von Wilhelm Berliner Beitrag anzeigen
Ich habe übersteigert, sicherlich, ich Hoffe es, aber die Wirklichkeit übertrifft manchmal die Übersteigerungen.
Es geht mir nicht um die Kritik von Übersteigerungen. Ich kritisiere, dass Dein Text Zusammenhänge falsch (im naturwissenschaftlichen und historischen Sinne) darstellt und dass er (Ab-)Wertungen vornimmt, die nicht dazu beitragen, das Verhalten der Menschen besser zu verstehen:
Die Übersteigerung liegt darin, dass ich pauschaliere und damit provoziere, denn es sind ja nie alle Menschen, die einen Krieg anfangen. Gemeint ist die kritische Masse, unter deren Einfluss der Rest schweigt und mitmacht. Insofern ist es dann nicht ganz falsch von »den« XXX zu sprechen. Noch schlimmer ist es allerdings dann, » der Mensch« zu sagen, den es ja auch nicht gibt.
Zitat Zitat von Wilhelm Berliner Beitrag anzeigen
Der Geist Gottes schwebte über dem Dreckklumpen namens Erde und suchte Trost. Wo fand er ein Quäntchen Gutes in der Katastrophe?
Dieses Beispiel ist nicht eine Übertreibung, sondern eine Abwertung.
Abwertung wessen?
Und hattest Du nicht behauptet, der Text würde nicht über gut und böse reflektieren, weil Du nicht wüsstest, was das ist?
Ich argumentiere gegen den Euphemismus der Gut-gläubigen
Zitat Zitat von Wilhelm Berliner Beitrag anzeigen
Es nützte nichts: Die Stärkeren rafften alles zusammen, was sie kriegen konnten.
istorisch falsch. Wir wissen heute beispielsweise, dass die menschlichen Urgemeinschaften nicht etwa eine auf Handel und Geschäft basierende Güterverteilung pflegten. Lange Zeit wurde behauptet – auch gern von dem Neoliberalismus nahestehenden Philosophen – die Menschen hätten schon immer nach dem Motto gehandelt: Wenn du mir dieses gibst, gebe ich dir jenes. Wir wissen jetzt, dass das nicht stimmt. In urzeitlichen Gemeinschaft wurde nicht nach dem quid pro quo Prinzip geteilt, sondern auf Vertrauensbasis. Es gab keine Aufrechnung - die Sammler sammelten, die Jäger jagten, alles kam allen zugute.
Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
das ist im Grund der Herren eigener Geist.
In dem die Zeiten sich bespiegeln
Du kennst sicher den Kommentar von Faust. Die Urzeiten sind weit weg. Sie als naturwissenschaftlichen Beweis anzuführen, ist mehr als bibelgläubig. Die Verteilung des Reichtums auf dieser heutigen Welt ist denn doch etwas ungleich.
Natürlich wird es immer wieder Anwandlungen von Gier, von Hass und Gewalt gegeben haben. Wäre die Menschheitsgeschichte aber so, wie Du sie beschreibst, hätte sie es erst gar nicht bis in die Antike geschafft. Aus der historischen Forschung wissen wir eins mit Sicherheit: Der Mensch ist deshalb so erfolgreich, weil er vor allen anderen Dingen ein Teamplayer ist.
Da gibt es eine These Gottes und vieler Lebenseuphoriker: Die Welt ist gut, das Leben ist schön. Ich stelle eine Gegenthese auf. Die Welt ist schlecht, das Leben ist Leiden
Dass die Teamplayer zur Zeit wieder mit Atomwaffen plänkeln, mag Spiel sein, Aber gerade Spiele schlagen manchmal schnell ins Gegenteil um, dann aber ist es aus mit dem Teamplayer, der so erfolgreich war. Ob der Mensch gut oder böse ist, seis drum. Ob sie sich umbringen oder nicht, das interessiert mich mehr. Und bisher haben sie noch immer einen Grund gefunden, jemanden umzubringen. »Die Menschenleit, die, die bringen, wanns sein muss, an jeden ans Kreiz.« (Carl Orff). Sicherlich, die Babies tun das nicht, vielleicht auch manche der Mütter, und wir alten Leute auch nicht, Aber wenn eine kritische Masse die Domianz erhält, gings doch Immer los, oder habe ich die Ostunkraine falsch verstanden?
So viel für heute. Rest folgt.
Fröhliche Grüße
Wilhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Mahlzeit!

Sinnend packte Gott seine Habseligkeiten zusammen, schulterte seinen Rucksack und verließ den Drecksklumpen Erde. An anderer Stelle wollte er es noch einmal probieren.

Er soll bloß die Finger davon lassen!

Gott schuf doch die Menschen nach seinem Ebenbild, nicht wahr? Also ich muss sagen, wenn dem so war, dann hat uns ein naiver Sandkastenbub gebastelt. Völlig grün hinter den Ohren. Ein Gutmensch. Das hat man davon, wenn man nicht die Profis ranlässt.

Na ja, da ich eh weder glaube noch sonst irgendeiner Form von Religion anhänge, habe ich jetzt grad mal ein wenig phantasiert, polemisiert.

Wilhelm, Du nimmst den für 1,4 Milliarden Menschen aktuellen Gott, um sein Ansinnen als Rahmen zu verwenden für den seit tausenden Jahren geltenden Status quo der Menschheit. Und es gibt auch keine Auflösung. Nur Resignation. Denn warum sollte es ihm beim nächsten Mal besser gelingen? Gott hat ja nicht nur die süßen Koalas und die knuddeligen Pandas erschaffen, sondern bspw. auch die Wanderameisen, die mordend und verheerend durch die Lande ziehen und alles dem Erdboden gleichmachen, was nicht fliehen kann. Ebenso schuf er die Ameisen, die sich entlang der Mittelmeerküste über hunderte Kilometer ausbreiten, deren einzelne Staaten sich nicht mehr untereinander bekämpfen, sondern Kooperativen gründen, die natürlich auf Ausnutzung der Ressourcen beruhen.

Wann immer es zu Ressourcenmangel kommt, geraten Spezies aus ihren Fugen im Überlebenskampf. Tod des Anderen ist nur ein Mittel, um zu überleben. Dass man dabei Befriedigung und auch Spaß empfinden kann - oder gar nichts - ist ein Nebenprodukt der Evolution, der Sinnbarmachung von Gewalt. Eine Art evolutionäre Absolution.

Im Prinzip ist Dein Text zwar eine gute Schullektüre, würde aber zu nichts führen. Ist so, wie die Umfrage unter der Jugend, die zeigte, dass 86% aller Klamotten kaufenden Jugendlichen genau wissen, unter welche unmenschlichen Bedingungen diese gemacht wurden - und die sie selbst niemals erleben wollten - aber trotzdem werden sie gekauft.

Das Prinzip ist Verdrängung. Ausblenden. Babys zwar nicht, schlicht, weil sie noch nicht so weit sind, also die Unschuld liegt nicht in der Menschlichkeit, sondern im geringen Alter begründet. Und die Mütter und Älteren haben sich schon oft die Finger schmutzig gemacht: Stichwort Drittes Reich.

Nichts und niemand bleibt also von der Trost- und Hoffnungslosigkeit verschont, die ja auch nur Metaphern sind für den "Kampf um die Ressourcen".

"Lasset, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!", so steht es auf dem Tor, durch das die beiden Kollegen schritten, die heute vielleicht Mitglieder bei den Wortkriegern wären. Immer wieder beschrieben die Wortkrieger durch die Jahrhunderte also des Menschen Niedertracht. Am Ende aber die Niedertracht des Universums, das bei aller Schönheit immer grausam bleiben wird. Das Universum selbst, wird von sich nicht behaupten, grausam zu sein. Nur wir bewerten es so, können jedoch nichts dagegen tun.

 

Lieber Morphin,

schön hast du das gesagt. So ist es. Deshalb muss man nicht traurig sein, das macht es nicht besser. Deine Überlegungen, die ja meinen ähneln, entlasten sogar von der Krampfigkeit, die vorgenommenen Ideen auch in der Natur und Wirklichiet zu suchen und natürlich zu finden.
Ja, richtig weist du darauf hin, dass Gott und wir uns ähnlich sehen. Nachdem sich vor allem die griechischen Götter - wieso komme ich auf Griechenland -, die früher auf eine strenge Trennnung achteten, sich immer öfter mit weiblichen Erdenbewohnerinnen paarten, sodass allmählich immer mehr Leute mit göttlichem blut herumliefen. So kam die göttliche Seele in den Menschen, so sind wir alle im schönsten sinnem Kinder Gottes.
Aber was soll es, die Russen stationieren doch nur die Raketen in Richtung Norden, wo die Bodenscshätze zu heben sind,
Da heben wir lieber einen Wein im Wienerwald.
Fröhlichst
Wilhelm

 

Hallo lieber ,Wilhelm Berliner ,
deine Geschichte gefiel mir sehr gut . Ich finde deine Sprache sehr ausdrucksstark. Du erfindest eine schreckliches Szenario ,welches sich an Wahrheiten orientiert. Du erzeugst eine fesselnde Spannung .
Mach auf jeden Fall weiter so .
Lieber Gruß ,
michaelpoe

 

Hallo michaelpoe,

vielen Dank für deine so positive Rückmeldung. Vor allem freut mich immer, wenn die Sprache positiv eingeschätzt wird. Ich "erfinde" nicht nur ein Szenario, sondern finde als Historiker genügend Originalangebote, in der Vergangenheit und in der Gegenwart. Das hast du richtig beobachtet.
Sicher mache ich weiter so, hoffentlich noch recht lange.
Fröhliche Grüße
Wilhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

solltest du die Buntheit des Textes übersehen haben?
Moin, moin, exilfranke,
So ist es wohl richtig.
Ach ja, die german angst, die in Wirklichkeit eine dänische ist und damit wieder eine religiöse, wenn sie nicht französisch marxistisch sarterisiert und geekligt ist, um im Schwarzwald das Rotkäppchen zu finden, das vertrauensvoll sich vom Wolf fressen lässt: Hattse davon. Spielt german angst nicht gerade wieder eine Rolle in der Finanzpolitik, wo Schäuble (Schwabe! = doppelte german angst) auf Angstsparen setzt, während die Griechen tapfer Geld ausgeben? Angst und Mut?
Das kann auch produktiv sein.
Das ist aber ein großes Lob – vielleicht.
Eine ausführlichere Kommentierung zum Text gebe ich bei Achillus. Biedermann und die Brandstifter ist von der Idee her immer noch aktuell. Die Miefigkeit bedrängt ja auch Gott. Ein neues Thema zu schaffen, das könnte wohl niemand. Schon Homer stellt die Schrecken des Krieges zur Abschreckung dar, allerdings umfangreicher als ich. Sicher strahlt Putin nationalistische Miefigkeit aus. Biedermeierlich dezent agiert Merkel.

Ich hatte mit "den 68ern" und 80gern wenig gemeinsam, auch wenn es so scheint.

was auch nicht unwichtig ist.
Dank für Lob und Tadel
Fröhlichst
Wilhelm


Moin Wilhelm,

ich nochmal. Tadel würde ich das nicht nennen, getadelt wird, wenn Tadelbedarf besteht. Da es hier nichts zu tadeln gibt, wollte ich nur schreiben, dass ich das Weltbild, welches du zeichnest, nicht mit meinem synchronisieren konnte. Dies führte zu einem Gefühl der Ablehnung, welche sich am Ende auf den Lesegenuss niederschlug. Dies wurde umso deutlicher in deiner Diskussion mit Achillus, die ich mit Vergnügen und angeregt verfolgt habe. Es berührt eine subjektive Ebene, ob einem die message zusagt. Das kann ich gut vom Handwerklichen trennen, welches du ja auch unter Lob verbucht hast (denn da gehört es hin). Es bedarf auch keiner Änderung oder Verbesserung, denn Autoren, die anderen nach dem Mund schreiben, braucht niemand.

Insofern war meine Äußerung natürlich wenig konstruktiv, aber Zustimmung oder Ablehnung gehört ja zum Prozess des Lesens dazu. Also weitermachen!

Ich hatte mit "den 68ern" und 80gern wenig gemeinsam, auch wenn es so scheint.

Ich habe mal ein Buch von Adorno gelesen, gefunden im Buchregal meines Vaters. Dabei belasse ich es.;)

Besten Gruß!

Exilfranke :)

 

Gott ist in jeder Hinsicht vollkommen – mit einer Ausnahme: Er existiert nicht.
Slavoy Žižek

Achillus,
ich mache mal weiter, ohne auf die Konsequenzen des obigen Satzes näher einzugehen.

4) Die Mär vom "bösen" Menschen und den "guten" Tieren
Der Unterschied zwischen Mensch und Tier mag ein technischer sein: Tiere vergasen niemanden, Tiere foltern niemanden … Tiere töten ehrlich (im Sinne des Kampfes Mann gegen Mann).
Aggressionen haben beide, ist schon klar. Das Böse, wenn man es den so nennen will, wäre dann das berechnende Töten, das ein Tier mangels Rationalität nicht hat. Mag man das das Böse nennen oder nicht.

5) Der Text versteht die Welt und den Menschen nicht
Die Grundannahme lautet: a. Eine spezifisch ist dem Menschen berechendne Vernuft eingeschrieben, die er zu Durchsetzung seiner Lustbefriedigung gebraucht, eine Verbesserung des menschlichen Verhalten hat es nicht gegeben, in historischer Zeit. b.
Gott sah den Menschen als gut an. Es geht um das Urteil Gottes, das der Text referiert, nicht um das Urteil des Textes.

Wenn Menschen also bisher keine gerechte, ideale Gesellschaft entwickelt haben, dann liegt das nicht an ihrer grundeigenen, exklusiven Schlechtigkeit, sondern (neben der Tatsache, dass man eine Gesellschaft nicht einfach am Reißbrett entwerfen kann) unter anderem daran, dass das rein organisatorisch extrem schwierig ist und die menschlichen Kenntnisse und Methoden dafür bislang nicht ausreichen.
Nun ja, die Produzenten von Idealen sagen das Gegenteil, ob Marx, Bibel oder Psychotherapeuten. Von deren Sicht aus ist alles, was ihnen recht gibt, gut, alles was ihnen nicht recht gibt, ist böse. Der Erzähler in meinem Text ist Zyniker, der die Idealsproduktion entlarven will, und darauf hinweist, denn hier fordern die Erzähler, dass man ihren Erläuterungen glaubt. Es geht in dem Text um Wörter. Wörter sind nur Wörter, auch wenn sie manchmal daherkommen, als wären sie Wirklichkeit. Das eben nicht alles gut ist, was ein Gott,der nicht existiert, postuliert. Auch deine Darstellung des tierischen Verhaltens hat etwas von Idealismus, der den Geist des Erzählers spiegelt.
Gut sind drei Buchstaben, Böse vier. Der Rest ist Sättigungsbeilage.

Unser Neigung, positive, glücklich-machende Impulse zu suchen und festzuhalten und frustrierende, schmerzhafte Erfahrungen zu vermeiden, zu ignorieren, umzudeuten führt dazu, dass wir uns immer wieder täuschen und falsch entscheiden und um so stärker leiden. Jemand, der Leiden, Schmerz und Verlust als vermeidbar ansieht, wird immer wieder enttäuscht werden. So wie der enttäuschte Gott in Deiner Geschichte. Siddhartha hätte ihm helfen können.
Auch Siddharta ist Produzent eines Ideals, das aus Wörtern besteht. Und Buddha hat ja viele Wörter gebraucht. Nun wendet sich mein Text tatsächlich gegen die Idealproduzenten mit dem Hinweis, dass ihr Ideal nur selbstreferentiel ist, ansonsten bedeutungslos. Sie produzieren schöne Sprachspiele, doch Spiele nur. In der Wirklichkeit hält sich niemand daran und die Menschen schlagen sich, lieben sich, sind mal nett, mal garstig. Mir ist das alles wurst: Ich muss damit rechnen, dass Russen die Atombomben hervorholen, Islamisten ein paar Kinder sich in die Luft sprengen lassen, dass Drohnen Hochzeitsgesellschaften umbringen; sicherlich, die Mutter Theresa rennt durch die Straßen und hilft. Das Konkrete siegt immer über die Wörter. Und das wollte mein Text sagen.
Weder Siddhartha hätte Gott, noch Gott hätte Siddharta helfen können: Sie haben beide nie gelebt.
Etwas ausufernd war unsere Diskussion, im Kern vertreten wir ähnliche Ansichten, aber wir haben zu unterschiedlichen Themengeschrieben. Du hast den Blick auf die Wirklichkeit gerichtet, ich auf die Wörter. Das war der kleine Unterschied.
Vielen Dank für die Anregungen und die Diskussion
Fröhlichst
Wilhelm

 

Vielen Dank, Wilhelm, für Deine Antwort. Das war eine wunderbare Diskussion. Und glaub mir, wären wir in einem Philosophieforum, würde ich jetzt erst richtig loslegen. :D

Nur ein letzter Hinweis sei mir gestattet:

Weder Siddhartha hätte Gott, noch Gott hätte Siddharta helfen können: Sie haben beide nie gelebt.

Siddharta war eine reale Person, das ist von der Geschichtswissenschaft belegt. Ich weiß, dass sich Historiker noch um Details seines Lebensweges streiten (genaues Geburts- und Todesdatum z.B.), aber dass er gelebt hat, ist unumstritten.

Gruß Achillus

 

Auch wenn es eventuell offtopic ist, ich will das jetzt einfach sagen:

Die Geschichte selbst, Wilhelm, hab ich ja eher mit einem Achselzucken gelesen, die war mir einfach zu, ich weiß nicht recht, irgendwie zu augenzwinkernd moralisierend und gleichzeitig konnte mich der von dir gewählte - halt doch sehr konstruierte - Erzählrahmen nicht wirklich packen.
Aber die Diskussion, die sich dann unter der Geschichte entwickelt hat, vorwiegend zwischen dir und Achillus, also die hab ich mit wirklich großem Interesse und wachsender Begeisterung verfolgt. Einfach weil sie mir einmal mehr vor Augen führte, was Literatur im besten Fall tun kann, tun soll, tun muss: Position beziehen, kontrovers sein, zum Nachdenken anregen, den Leser, so wie hier eben Achillus, zu eindeutiger Stellungnahme zwingen.

Auch wenn ich mich da nur als Zaungast herumgetrieben habe, ein ganz großes Dankeschön euch beiden für eure stellenweise wirklich großartigen Beiträge.

offshore

 

Ich schließ mich dem offshore mal an, lieber Wilhelm.
Als ich deine Geschichte las, gefiel mir natürlich auf jeden Fall die sprachliche Gestaltung, die Wiederholung des Hey ... (als Beispiel) mit der du die ignorante, verspielte Drauflosdreschstimmung der versauten Menschen dargestellt hast. Ja sprachlich mochte ich das, aber dass du sprachlich was auf dem Kasten hast und je nach Bedarf die Sprachebenen super wechseln kannst, das weißt du eh.
Den Inhalt fand ich aber nicht besonders interessant oder die Sache neu beleuchtend, der war mir zu altlastig. Dass der Mensch eine versaute Kreatur ist, steht mindestens in jedem zweiten Text und hat schon als ideologische Unterweisung für Heerscharen von Sozialkundeschülern herhalten müssen oder als Hintergrundideologie für Polizei und Recht und Ordnung. Weil der Mensch so ist, wie er ist, braucht es Staat und staatliche Gewalt und ihn eingrenzende Gesetze und Gott dankt eh ab. Ja klar.
Mir fielen zu deiner Geschichte zwei, drei Sachen ein:
1. Immer sind solche Geschichten ein Widerspruch in sich. Sie operieren mit der Allmacht einer höheren Instanz. Aber besonders allmächtig scheint die Schaffenskraft der höheren Instanz nicht zu sein, wenn ihm so ein unfertiges Gerät entweicht wie der Mensch.
2. Ich denke mir bei solchen Geschichten immer, dass sie nur funktionieren, weil man jeden gesellschaftlichenZusammenhang tilgt. Weil man z. B. jeden Inhalt einer Konkurrenzgesellschaft rausschmeißt, die einander ausschließenden Gegensätze und die Wirkungen, die in einer solchen Gesellschaft existieren, gar nicht kennen und wissen und zeigen will. Und dann zeigt man nur die Wirkungen dieser Konkurrenzgesellschaft, das Verbrechen, das Gegeneinander, die Kriege, lässt aber alles, was diese Gegensätze kontrolliert und überhaupt nur eingerichtet ist wegen dieser Gegensätze, weg. Und schwups, schon ist es kein Wunder, dass der Mensch qua Natur ein verspielt böses aus lauter Lust an der Zerstörungagierendes Etwas sein soll.
3. Und der Gott deiner Geschichte ist schon ein lustiger Vogel. Was wundert der sich denn, dass die Brut so missraten ist, hätte er mal besser ein Pädagogikseminar oder einen "Wie werd ich ein guter Vater-Ratgeber" gelesen. Der straft ja nur und von vornherein. Was soll denn dann aus der Rasselbande werden, wenn er sie gleich nur straft, maßregelt, rummordet, verbrennt und sonstwie verdrasselt?

Falsch sind die Berichte, Gott habe am siebten Tag geruht. Nein, er verrichtete Schwerstarbeit: Er musste den sechsten Tag aufarbeiten und die Menschen zur Vernunft bringen!
Im Schweiße ihres Angesichts ließ er sie hart arbeiten, dann hatte er fast alle ertränkt, der Feuersturm über Sodom und Gomorrha sollte sie an bessere Sitten heranführen.
Es nützte nichts: Mit Mord und Totschlag fielen sie übereinander her.
Die Küken haben vom Oberhahn nichts anderes gelernt.
Eigentlich von dem her, hätt ich es inhaltlich schön gefunden, deine Geschichte hätte so geendet:
Sinnend packte Gott seine Habseligkeiten zusammen, schulterte seinen Rucksack und verließ den Drecksklumpen Erde. An anderer Stelle wollte er es noch einmal probieren. Aber dieses Mal wollte er sie nicht gleich mit dem göttlichen Rohstock vermöbeln. Oder: Aber dieses Mal mit ein bisschen mehr Zuneigung.

Also ansonsten, Ich will mich da eigentlich eh überhaupt nicht einmischen , man kann, solange ein Text so allgemein bleibt, nur über den Inhalt hin und her streiten. Deshalb hatte ich dazu auch nichts geschrieben. Ich fand das sinnlos und für mich persönlich zu anstrengend.
Aber jetzt wollte ich anbei einfach doch mal meine Gedanken sagen, der Hintergrund aber war der hier:
Eure Auseinandersetzung Wilhelm und Achillus, die fand ich ausgesprochen schön und spannend. Ich hab das ganz ganz gerne gelesen. Und muss das auch einfach mal loswerden. Chapeau euch beiden.
Liebe Grüße von Novak

 

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