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Die letzte Reise

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24.01.2015
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Die letzte Reise

"Nein, ich lasse mich nicht umstimmen. Es ist entschieden." Müde legte Ella den Hörer auf. Sie war es leid, weiter darüber zu diskutieren. Ihre Tochter hatte sie angefleht, es sich nochmals zu überlegen.
"Mama, wir lieben Dich doch und wir helfen Dir. Du kannst nicht einfach gehen. Denk doch an Sophie, Deine Enkelin."

Seit ihr der Hausarzt vor drei Jahren die Diagnose Lungenkrebs mitgeteilt hatte, war für Ella eine Welt zusammengebrochen. Sie, die früher immer für andere sorgte, war nun selber auf Hilfe angewiesen. Nach der Operation und zwei Chemotherapien hoffte sie, die Krankheit besiegt zu haben.
Aber nun hatte sich der Krebs vor einem halben Jahr zurückgemeldet, mit Metastasen in anderen Organen.
Die körperliche Kraft hatte stark nachgelassen und ohne Sauerstoff war das Atmen mühsam. Aus Angst einmal ersticken zu müssen, hatte sie sich bei einer Sterbehilfeorganisation angemeldet. Morgen würde sie ihre letzte Reise antreten.

Sie wusste, dass ihre Tochter mit diesem Schritt nicht einverstanden war.
"Mama", hatte sie gesagt, "wenn Du Dein Leben selber beendest, geht etwas Wichtiges verloren. Es ist wie bei einer Stickerei, auf der einen Seite laufen die Fäden wirr durcheinander. Drehst Du die Stickerei um, kommt ein schönes Bild zum Vorschein. Wenn Du durch Selbsttötung Dein Leben beendest, bleibt das Bild unvollendet."

Ella hatte sich nie viel aus Kirche und Glauben gemacht. Für sie war es einfach wichtig, dass jetzt alles zu einem Ende kam.

Sie schaute sich im Wohnzimmer um. Den Flügel hatte sie Sophie, ihrer Enkelin, versprochen. Sie war eine gute Klavierspielerin und würde es weit bringen. Das Talent hatte sie von ihrem Grossvater. Sie hätte schon gerne noch erlebt, Sophie am Flügel in einem grossen Konzertsaal spielen zu hören. Aber es war besser so. Sie wollte niemandem zur Last fallen.
Ihr Blick wanderte weiter zu einem Bild, das sie von ihrem Vater geerbt hatte. Es war eine Landschaft von Gustav Klimt. Sie hatte das Bild geliebt. Nun sollte es ihre Tochter bekommen.

Ihr Leben war nicht leicht gewesen. Als Arthur, ihr Mann, bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, stand sie mit der kleinen Tochter allein da. Sie nahm ihren alten Beruf wieder auf und arbeitete für ein Modegeschäft als Änderungs-Schneiderin. Die Arbeiten konnte sie zu Hause erledigen. So musste sie Julia, ihr kleines Mädchen, nicht weggeben.
Früher war sie kein Kind von Traurigkeit gewesen. Mit ihrem Mann besuchte sie Theater und Konzerte und traf sich mit Freunden. All das hörte mit einem Schlag auf, als ihr Mann starb. Dafür fehlte die Zeit und das Geld. Doch war sie immer stolz darauf gewesen, dass sie für ihre kleine Familie selber sorgen konnte und von niemandem abhängig war. Aber das war lange her.

Vor ihr lag die letzte Nacht.

Ella knipste die Nachttischlampe aus und starrte mit offenen Augen in die Dunkelheit. Plötzlich erinnerte sie sich an ihre Mutter. Als sie klein war, kam Mutter abends an ihr Bett, sprach ein kurzes Gebet, deckte sie zu und gab ihr einen Kuss. Da fühlte sie sich immer so beschützt und geborgen. Ob sie die Worte noch zusammenbrachte? Laut sprach sie:

"Müde bin ich, geh zur Ruh, mache meine Augen zu. Vater, lass die Augen dein über meinem Bette sein.
Hab ich Unrecht heut getan, sieh es lieber Gott nicht an. Deine Gnad und Jesu Blut machen allen Schaden gut.
Alle, die mir sind verwandt, Gott lass ruh'n in deiner Hand. Alle Menschen gross und klein sollen dir befohlen sein.
Kranke Menschen heile du, nasse Augen trockne du. Nimm uns endlich allzumal auf in deinen Himmelssaal."

Ella staunte. Nach so vielen Jahren konnte sie den Text ohne Mühe abrufen. Aber etwas fehlte, das Gefühl von damals war nicht mehr da
.
Sie schlief in dieser Nacht unruhig. Ob es am Vollmond lag? Vor ihr sah sie im Dämmerlicht eine endlose Ebene. Kein Baum, kein Strauch, keine Blume war zu sehen. Alles kahl und leer. Sie glaubte eine Stimme zu hören:
"Ella, warum bist du hier. Ich habe dich nicht gerufen."
"Ich wollte niemandem zur Last fallen; aber wer bist du und wo bin ich?"
"Schau dich um, Ella, was siehst du?
"Ich sehe nichts."
"Sieh genauer hin."
"Das ist ja schrecklich," rief Ella. "Ich sehe lebende und sich unruhig bewegende Totengerippe. Was tun sie hier?"

"Sie haben das Leben abgelehnt und sind ungerufen gekommen", antwortete die Stimme. "Jetzt suchen sie verzweifelt das, was sie verloren haben.
Geh zurück, Ella, geh zurück, geh zurück"

Schweissgebadet wachte Ella mitten in der Nacht auf. Ihr Herz klopfte wild. Der Atem ging mühsam. Sie versuchte ruhig zu atmen und sich klar zu machen, wo sie war. Gott sei Dank, sie lag hier in ihrem Bett.
Tief im Innern wusste sie, was ihr der Traum sagen wollte. Aber alles sträubte sich dagegen. Pflegebedürftig und von anderen abhängig zu sein, war das Schlimmste, das sie sich vorstellen konnte. Auch hatte sie Angst vor Schmerzen. Sie war schon immer ein Angsthase gewesen, wenn es darum ging Schmerzen auszuhalten. Vor allem aber fürchtete sie sich davor, andern und sich selbst eine Last zu sein...

Aufgewühlt und völlig verzweifelt rief sie:
"Ich war mir doch so sicher. Was soll ich nur tun?"
Die Stille im Zimmer bedrückte sie.
Plötzlich erinnerte sie sich an einen Satz, den sie früher einmal bei einem Fernsehgespräch über das Altwerden gehört hatte. Er stammte von einem Mann, der an Parkinson litt und im Rollstuhl sass:
"Das Leiden annehmen und sich ganz und gar Gott überlassen, sei die wichtigste Aufgabe des Alters."

Damals war Ella beeindruckt, glaubte jedoch nicht, selber einmal in eine solche Lage zu kommen.

Als die Pflegerin am Morgen vorbeikam, um Ella beim Aufstehen, Waschen und Ankleiden zu helfen, musste sie als erstes einen Termin absagen. Die letzte Reise wurde aufgeschoben.

 
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Hallo Marai,

kein einfaches Thema, das du dir ausgesucht hast. Ganz so bewandert bin ich in dieser Thematik nicht, ich weiß nur, dass aktive Sterbehilfe in einigen wenigen Ländern erlaubt ist. Und was ich gar nicht weiß ist, was genau Sterbehilfeorganistationen dabei ausrichten können. Klar, das sind Infos, die ich mir selber aus dem Netz ziehen kann, aber im Hinblick auf deine Geschichte wäre ein tieferer Einblick schon interessant, um auch Ellas Handeln und Denken besser nachvollziehen zu können.

Einhaken möchte ich auch bei der Diskussion mit ihrer Tochter. Dieses Flehen und Bitten der Tochter auf der einen Seite und die entschlossene Ella auf der anderen Seite. Das ist für mich das Drama an dieser Geschichte, hier möchte ich mehr erfahren, genau an dieser Stelle kannst du den Leser mitfühlen und verstehen lassen. Was macht Ella so konsequent, mit welchen Argumenten hält sie dem Betteln ihrer Tochter stand? Wie fühlt sich ihre Tocher? Ist es nur die Angst, einen geliebten Menschen zu verlieren, die sie dazu treibt, ihre Mutter davon abzuhalten oder gibt es auch andere Gründe, vielleicht gesellschaftlicher Natur?

Da ich weiß, dass deine Texte meist einen religiösen Kern beinhalten, um den herum alles aufgebaut ist, habe ich ehrlich gesagt schon darauf gewartet. Ich hab auch nix dagegen, nur scheint mir das doch zu unschlüssig. Dieser plötzliche Sinneswandel, der wäre für mich plausibler, wenn Ella gläubiger dargestellt wird, als es in der jetzigen Form der Fall ist. So erfährt man nur, dass es sich um eine willensstarke Frau handelt, die ihre Entscheidung nicht in Frage stellt und so eine Frau wirft ein einfacher Traum vor ihrem vermeintlich letzten Lebenstag nicht derart aus der Bahn, dass sie komplett umdenkt. Schlüssiger wäre für mich, wenn sie vorher mit ihrer Entscheidung auch schon hadert, wenn sie vielleicht tiefgläubig ist und Sterbehilfe/Selbstmord eigentlich verurteilt, sich aus reiner Nächstenliebe dennoch dafür entscheidet, letztendlich aber durch eine Art Erscheinung davon abgehalten wird.

Also das Thema finde ich interessant, das bietet Stoff für gute Geschichten, nur finde ich die Umsetzung ausbaufähig. Ich würde sagen, das ist vielleicht doch etwas zu kurz geraten, um sich in deine Protagonistin hineinfühlen, um ihren aufkommenden Lebenswillen nachvollziehen zu können. Ich würde da echt gerne mehr erfahren.

Grüße,
rehla

 

Liebe Marai,

du wagst dich an ein sehr ernstes und sehr persönliches Thema und beziehst, wenn ich dich richtig verstehe, Position.
Die Protagonistin verzichtet darauf, selber den Zeitpunkt ihres Todes zu bestimmen, und sich stattdessen in Gottes Hand zu begeben. Das ist nachvollziehbar, wenn man einen tiefen Glauben besitzt und davon ausgeht, dass Gott einem beisteht.
Wie sieht es aber aus, wenn man nicht gläubig ist und diese Gewissheit nicht hat? Wenn man klar erkennt, dass es keine Veränderung zum Besseren mehr geben wird, dass jetzt alles nur noch ein Warten auf das Ende sein wird, dass ein würdevolles Dasein nicht mehr möglich ist? Ich habe mich bisher nur oberflächlich mit diesem Thema beschäftigt und kann mich deshalb auch nur vorläufig dazu äußern. Grundsätzlich meine ich, dass es uns möglich sein muss, selber über unser Leben und auch über den Zeitpunkt unseres Todes zu entscheiden. Allerdings sehe ich auch die vielen Probleme, die dies mit sich bringt.
Deine Geschichte erinnert mich sehr an den Anfang des Spiegelartikels von Georg Diez (Ausgabe 11) über den Freitod von Fritz Raddatz. Hier wird unter dem Titel „Die größte Freiheit“ die Problematik m.M.n. sehr gut beschrieben.

Freundliche Grüße
barnhelm

 

Hallo Marai!

Kann mich den anderen nur anschließen. Interessantes Thema, aber zu glatt umgesetzt. Überschrift "letzte Reise" - es ist sofort klar, worum es geht.

Dieser Satz hier ist zu kurz (inhaltlich) und vielleicht sogar etwas unrealistisch:

Seit der Diagnose einer unheilbaren Krankheit, die sie früher oder später ans Bett fesseln würde, war Ella Mitglied einer Sterbehilfeorganisation. Morgen würde sie ihre letzte Reise antreten.

Mich als Leser würde unbedingt interessieren, um welche Krankheit es sich handelt. Und um welche Organisiation.
Es wirkt so, als ob Protagonist gleich nach der Diagnose diese schwerwiegende Entscheidung getroffen hat und sofort einen "Termin" bekommt, aus dem Leben zu scheiden.

Ich würde evtl. früher ansetzen: Diagnose - welche Krankheit?; Überlegungen zum Verlauf der Krankheit und ganz konkret die Auswirkungen auf das eigene Dasein beschreiben; dann ggf. die Entscheidung zur Sterbehilfe mit einbeziehen - um dann den Schlenker zu vollziehen, den Du in der Geschichte anvisierst.

Ist es nicht auch so, dass Menschen die Sterbehilfe bekommen (dürfen), schon relativ "schwach" sind? Ich kenn mich ebenfalls nicht 100% damit aus, aber hier wirkt es so, als ob eine noch sehr gesunde Frau "einfach so" Sterbehilfe in Anspruch nehmen dürfte - das wirkt unrealisitisch.

Trotzdem denke ich, dass da einige gute Ansätze drin sind, die du evtl. mal mit einer anderen Umsetzung (barnhelm hatte da eine Geschichte genannt), vergleichen könntest. Dann würdest Du sehen, was bei Dir schon "drin" ist und wo es ggf. noch hakt.

Beste Grüße

Runa

 
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Liebe rehla,

Vielen Dank für Deine konstruktive Kritik und Deine Anregungen. Du hast recht. Ich werde versuchen, die Geschichte an den angesprochenen Stellen etwas auszubauen.

Du schreibst:
Und was ich gar nicht weiss ist, was Sterbehilfeorganisationen dabei ausrichten können.

Wir haben in der Schweiz zwei Sterbehilfeorganisationen (Dignitas und Exit), welche schwerkranken Menschen, die sterben möchten, nach ausführlicher Beratung beim Suizid helfen. D.h. der Sterbewillige muss in der Lage sein, das tödliche Medikament im Beisein einer Person von Dignitas oder Exit selber einzunehmen.
Bei uns wird Beihilfe zum Selbstmord nur dann unter Strafe gestellt, wenn sie aus selbstsüchtigen Motiven geschieht.

Ich verurteile niemanden, der Selbstmord begeht und kann schwer leidende Menschen verstehen, die Hilfe zur Selbsttötung in Betracht ziehen. Mir selber sind solche Gedanken auch nicht fremd, lebe ich doch seit vielen Jahren mit einer chronischen Schmerzkrankheit und bin in meinen Aktivitäten stark eingeschränkt.
Ist das aber die Lösung?

Was mich bei aller Diskussion über Sterbehilfe nachdenklich stimmt ist, dass das Leben nach dem Tod völlig ausgeblendet wird. Keiner macht sich Gedanken über Auswirkungen, die Selbsttötung auf das Leben danach haben könnte. Und doch ist unser Leben eine wichtige Vorbereitung auf das, was nach unserem physischen Tod kommt.
Ich persönlich glaube, dass wenn ich durch Selbsttötung ungerufen in die unsichtbare Welt Gottes eintrete, kürze ich den Ausreifungsprozess meines Lebens ab. Er bleibt unvollendet.

Liebe rehla, ich danke Dir nochmals.
Herzlich grüsst Dich
Marai

 

"Das Leiden annehmen und sich ganz und gar Gott überlassen, sei die wichtigste Aufgabe des Alters."
Ja, da hastu ein heikles Thema angerissen,

liebe Marai,

und da weiß ich gar nicht, ob ein irreligiöser Mensch wie ich, selbst wenn er einmal einer der jüngsten Presbyter hier vor Ort war, Dir überhaupt antworten darf. Wenn es denn einen Gott gibt, muss er nicht nur viel Geduld, sondern vor allem viel Humor haben. Aber unbestritten ist die größte Freiheit eines Menschen, über sein Leben selbst zu bestimmen und somit auch über sein Sterben, das doch Teil allen Lebens ist.
Ein Lehrer in der Realschule brachte es mal vor nun fast einem halben Jahrhundert von der anderen Seite her auf den Punkt: Er sei nicht gefragt worden, ob er auf die Welt kommen wolle ..., was das Leben und die letzte Entscheidung eines gläubigen Menschen sicherlich nicht einfacher machen wird, aber die Konsequenz dieser Haltung ist eben, wenigstens das Ende zu bestimmen.
Aber das muss jeder für sich entscheiden, wobei bei mir der Verdacht aufkommt, dass die Sterbehilfe auch als ein lukratives Geschäft betrieben wird. Das Gebot, Du sollst nicht töten, ist aber auch eindeutig, nur, wie man heute weiß, falsch übersetzt und umfasst doch in der korrekten Fassung "Du sollst nicht morden" den Selbstmord, selbst wenn er mit freundlicher Unterstützung einer fremden Hand vollzogen wird.

Paar Schnitzer (sehr überschaubare Zahl)

Geh zurück, Ella, geh zurück, geh zurück......................"
Da lag der Finger aber unnötig lange auf der Punktetaste ...
Vor allem aber fürchtete sie sich davor[,] andern und sich selbst eine Last zu sein[...] ...
Hier kann die Leertaste zwischen " und Ich eigentlich wegfallen
" Ich war mir doch so sicher. Was soll ich nur tun?"

Gruß und schönes Wochenende vom

Friedel

 

Lieber barnhelm,

Danke, dass Du die Geschichte gelesen hast. Ich weiss, es ist ein schwieriges Thema.

Du schreibst: " .. es muss uns möglich sein, selber über unser Leben und auch über den Zeitpunkt unseres Todes zu entscheiden."

Früher war auf den Todesanzeigen fast immer zu lesen: "Es hat Gott, dem Herrn über Leben und Tod gefallen, Herr oder Frau X in die Ewigkeit abzuberufen."
Heute tönt das wie ein Märchen aus längst vergangener Zeit.

Selbstbestimmung ist das, was heute zählt in der Politik, in der Gesellschaft. Wir bestimmen den Zeitpunkt unseres Todes. Wir bestimmen, ob ungeborene Kinder leben dürfen. Wenigstens in der Schweiz ist das so. Ob das für unser Land ein Segen ist?

Weiter schreibst Du: "Wie sieht es aber aus, wenn man nicht gläubig ist und diese Gewissheit nicht hat? Wenn man klar erkennt, dass es keine Veränderung zum Besseren geben wird, dass jetzt alles nur noch ein Warten auf das Ende sein wird, dass ein würdevolles Dasein nicht mehr möglich ist?"

Das ist eine schwierige Frage und ich weiss eigentlich auch nicht, was ich darauf antworten soll.
Der bekannte Wiener Psychiater und Begründer der Logotherapie Victor Frankl, der mehrere Konzentrationslager überlebt hat sagt, dass das Leben bis zu unserem letzten Atemzug nicht aufhört Sinn zu haben. Und dass in der Weissglut des Leidens, das Leben Form und Gestalt gewinnt."

Ein grosses Wort!

Und ich denke jetzt noch an ein Wort von Anselm Grün, der einmal gesagt hat:
"Auch mich überfällt manchmal die Angst vor dem Zustand der Hilflosigkeit und Pflegebedürftigkeit. Ich stelle mir dann vor, wie das denn bei mir wäre, wenn ich nur noch ein Pflegefall wäre, wenn ich nicht mehr denken, schreiben, sprechen könnte. Und ich muss gestehen, es fällt mir nicht leicht, das auszudenken. Aber wenn ich mich frage: Was trägt dich dann, was macht deinen Wert aus? Dann spüre ich: Es gibt in mir eine unantastbare Würde, die mir niemand nehmen kann, auch die Krankheit nicht, auch nicht das Verwirrtsein. Die Krankheit wäre dann wirklich Einübung in das Vertrauen. Ich kann nichts mehr festhalten, alles muss ich loslassen. Ich kann mich nur noch in Gottes Hände fallen lassen und vertrauen, dass es so gut ist."

Ich bin froh, dass in der Schweiz die Palliative-Pflege gefördert wird. Dabei sind nicht sinnlose, quälende und komplizierte Therapien gemeint, sondern eine liebende Fürsorge für den Schwerkranken, ein Eingehen auf seine Bedürfnisse und Sorgen und eine wirksame Schmerzbehandlung. Und somit eine Förderung seines Wohlergehens im letzten Lebensabschnitt.


Lieber barnhelm, ich wiederhole mich, wenn ich sage: es sind schwierige Fragen. Ich bin da selber am Buchstabieren.

Alles Gute wünscht Dir
Marai


Hallo Runa Phano,

Auch Dir danke ich herzlich für das Lesen und die Anregungen. Wie ich rehla geschrieben habe, werde ich versuchen, die Geschichte an gewissen Stellen noch etwas auszubauen.
Ich neige dazu, alles möglichst kurz zu halten. Dabei geht manches verloren, was den Leser interessieren könnte.

Du fragst: "Ist es nicht so, dass Menschen, die Sterbehilfe beanspruchen, schon relativ schwach sind?"
Das ist schon so. Und wahrscheinlich wirkt mein Prot tatsächlich noch zu gesund.

Nochmals vielen Dank.
Alles Gute wünscht Dir
Marai

 

Hallo :)

Du sprichst mit dieser Geschichte ein ziemlich anspruchsvolles Thema an. Sterbehilfe wird (zumindest in meiner Gegend) im Moment stark diskutiert und ich finde, du hast einen guten Beitrag dazu geschrieben. Deine Wortwahl ist schön und der Text lässt sich gut lesen. Einige Stellen hätten etwas weiter ausgebaut werden können, zum Beispiel die Stelle, wo deine Protagonistin träumt. Wenn man da etwas mehr auf die Emotionen eingegangen wäre und vielleicht noch die Sinne des Lesers angesprochen hätte, hätte man tiefer in deinen Text eintauchen können.

Ich finde es auch gut, dass du die Gründe angesprochen hast, warum sie diese Entscheidung am Anfang gefällt hat. Gerade wenn man noch nicht die Endphase einer Krankheit erreicht hat, ist die Angst vor dem was kommt und die Trauer um das, was man verliert vielleicht am größten.

Mit freundlichen Grüßen
Edenka

 

Danke, lieber Friedel, dass Du trotz heiklem Thema den Text gelesen hast.
Wer sonst könnte zu diesem Thema etwas sagen, als gerade Du.

Dass Gott viel Geduld und vor allem viel Humor hat, daran besteht für mich kein Zweifel. Und das ist unsere Chance!

Was nun die Freiheit des Menschen angeht, so gebe ich Dir recht, dass sie ein hohes Gut ist. Ob wir im Namen dieser Freiheit aber selbst bestimmen dürfen, wann wir sterben, ist für mich sehr fragwürdig.

Aber Du hast recht. Jeder muss das für sich entscheiden und dann auch die Verantwortung übernehmen.

Die sehr überschaubaren Schnitzer habe ich beseitigt. Ich bin direkt stolz, dass es mit Deiner Hilfe immer weniger werden! Danke.

Ein gutes Wochenende wünscht Dir
Marai

 

Hallo Marai,

ich nochmal kurz.

Was mich bei aller Diskussion über Sterbehilfe nachdenklich stimmt ist, dass das Leben nach dem Tod völlig ausgeblendet wird. Keiner macht sich Gedanken über Auswirkungen, die Selbsttötung auf das Leben danach haben könnte. Und doch ist unser Leben eine wichtige Vorbereitung auf das, was nach unserem physischen Tod kommt.
Ich persönlich glaube, dass wenn ich durch Selbsttötung ungerufen in die unsichtbare Welt Gottes eintrete, kürze ich den Ausreifungsprozess meines Lebens ab. Er bleibt unvollendet.

Genau das ist es, was ich an deiner Protagonistin vermisse. Ich spüre doch, wie wichtig dir dieses Thema ist, warum lässt du Ella diese Gedanken nicht weiterspinnen? Klar ist es schwierig, das in Worte zu fassen und dir ist sicher auch bewusst, dass es dazu sehr kontroverse Meinungen gibt. Aber trotzdem bin ich der Ansicht, genau dieses Herzblut würde deiner Geschichte noch gut tun.

Grüße,
rehla

 
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Liebe Edenka,

Danke, dass Du Dich für diese Thematik interessierst und den Text gelesen hast.
Ich werde versuchen einige Stellen etwas auszubauen. Ich habe lange an dieser Geschichte herumgebastelt; denn es ist ein Thema das mir zu schaffen macht.

Ich bedaure, dass wir in der Schweiz bezüglich Sterbehilfe eine der liberalsten Gesetzgebungen haben. Leider wird das Leben nach dem Tod ausgeblendet. Kaum jemand macht sich darüber Gedanken, ob Selbsttötung Auswirkungen auf das Leben danach hat.

Nochmals herzlichen Dank.
Eine gute Woche wünscht Dir
Marai


Liebe rehla,

Ich danke dir, dass Du nochmals in den Text reingeschaut hast. Ich werde versuchen den Gedanken, den Du erwähnst, etwas weiter auszuführen. Ob mir das gelingt, weiss ich nicht.

Alles Gute wünscht Dir
Marai

 
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Hallo Marai,
immer, wenn ich Geschichten von Dir lese, weiß ich warum ich nicht christlich, ja überhaupt gläubig bin. Ich empfinde dieses infantile Drohen mit der Hölle, das teilen zwischen schwarz und weiß, gut und böse als extrem lästig und kindisch. So geht es mir, wenn ich die Bibel lese, in die Kirche gehe, mit gläubigen Menschen rede, oder eben Geschichten von Dir lese.
Mich befällt sofort ein übersteigerter Widerwillen.

Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie man auf einen "du musst, sonst"-Glauben reinfallen kann.

Hinsichtlich der gewählten Thematik macht es mich zornig. Jedem Menschen soll es in meinen Augen selber überlassen sein seine Beziehungen zu wählen, gut und böse mit der eigenen Moral zu bewerten, ein Baby zu bekommen, oder nicht, schwul oder hetero zu sein, monogam oder polygam und vor allem, über das eigene Leben oder Sterben selbst zu entscheiden.

"Du muss leben, sonst kommst du in die Hölle" ist für mich voller Niedertracht.

Für mich ein Text voller Scheinheiligkeit über eine Thematik referiert, über die man sich nicht anmaßen sollte zu erheben, solange man nicht selber von einer unheilbaren Krankheit gezeichnet ist.
Die Entscheidung freiwillig aus dem Leben zu scheiden ist für mich eine unantastbare, sehr private Angelegenheit.
Ich hoffe, dass wir uns von der Schweizer Liberalität bald ein Scheibchen abschneiden.
Lang wird das sicher nicht mehr dauern, die kirchlichen Stimmen bleiben ja zum Glück immer ungehörter in Deutschland und ihre Brachialmoral spielt keine große Rolle mehr.

Ich würde in dem Fall jetzt kein "gerne gelesen" drunter schreiben, aber immerhin reizen mich Deine Texte immer wieder dazu, noch mal ein dickes Ausrufezeichen hinter meinen Atheismus zu machen.
Liebe Grüße,
Gretha

 

Liebe Gretha,

Da wir das Heu nicht auf der gleichen Bühne haben, wie wir im Schweizerdeutsch sagen, wundert es mich, dass Du meinen Text überhaupt gelesen hast.

Ich respektiere Deine Ansicht und es liegt mir ferne, Dir mit der Hölle zu drohen. Gott will das Angebot seiner Liebe niemandem aufzwingen. Und das tue ich auch nicht.

Was mich getroffen hat, ist folgende Aussage:
"Für mich ein Text voller Scheinheiligkeit über eine Thematik referiert, über die man sich nicht anmassen sollte zu erheben, so lange man nicht selber von einer unheilbaren Krankheit gezeichnet ist."

Seit Jahren lebe ich mit einer chronischen Schmerzkrankheit und grosser Müdigkeit. Ich bin in meinen Aktivitäten stark eingeschränkt und weiss von was ich rede.
Die persönliche Beziehung zu Gott und seinem Sohn Jesus Christus sind mein Lebensfundament und geben mir Halt. (Das war nicht immer so.)
Immer wieder darf ich erleben, wie Gott mir in meiner schwierigen Situation Hilfe, Frieden und Durchhaltevermögen schenkt.

Dir wünsche ich von Herzen alles Gute.
Marai

 

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