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Hassliebe

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27.03.2015
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Hassliebe

Prasseln. Lautes Prasseln der herabfallenden Regentropfen, die unbarmherzig auf die Straßen einschlugen. Dieses beruhigende Geräusch, wenn der Himmel weinte. Sie liebte es.
Jeden einzelnen Tropfen genoss sie. Sie verliehen ihr ein Gefühl von Melancholie.
Die hellen Scheinwerfer eines Autos erschienen. Es rauschte an ihr vorbei, doch sie nahm es kaum wahr.
Ihr leerer, nachdenklicher Blick war schon seit gefühlten Stunden auf das Plakat gerichtet.
Es wölbte sich im Regen, die ersten Ecken begannen bereits abzublättern von der dicken Pappe.
Sie beneidete die Frau. So glücklich, unbeschwert. Die Reklame ließ sie alles um sich herum vergessen.
Unwillkürlich dachte sie daran, wie unglücklich sie war. Wie verloren, und einsam.
Eingesperrt. Das traf es wirklich gut. Ja, sie war eingesperrt.
Ein Teil von ihr wünschte sich, diesen Körper einfach zu verlassen. Aus ihrer Hülle auszutreten und über all das hier hinweg zu schweben. Die Welt, wie sie ist, aus einer anderen Perspektive zu sehen.
Manchmal fragte sie sich, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie einige dieser Fehler nicht begangen hätte. Wenn sie damals nicht von zu Hause abgehauen wäre. Wenn sie sich einen vernünftigen Job gesucht hätte, etwas aus ihren Leben gemacht hätte. Etwas, was sie glücklich gemacht hätte.
Sie erinnerte sich an die vergangenen Wochen, als ihr Vater sich bei ihr meldete.
Völlig unerwartet.
Und ihr sagte, er wäre stolz auf sie.
Worauf? Worauf war er stolz? Nichts an ihr war bewundernswert. Im Gegenteil, sie war verächtlich.
Plötzlich verwandelte sich ihr Neid in Wut.
Die Frau verspottete sie.
Am liebsten würde sie die gesamte Pappe mit der Reklame von der Laterne reißen. Und schreien.
Wie oft hatte sie doch dieses Gefühl sich zu befreien. Alles aus sich rauszuschreien.
Doch sie tat es nicht. Aus irgendeinem gottverdammten Grund tat sie es nicht.
Eine junge Frau riss sie aus ihren Gedanken.
,Wann ist es denn soweit?` fragte sie freundlich.
Einen Moment schwieg sie. Ihr Blick huschte zu der Fragenden.
Hübsch war sie. Ein freundliches Lächeln.
,Ein Monat noch` sagte sie leise, kaum hörbar.
,Wie schön, herzlichen Glückwunsch`
Ihr Blick heftete sich wieder auf die Reklame.
Und sie dachte nur daran, wie glücklich diese Frau sein musste. Die Hände auf den kugelrunden Bauch, den Mund zu einem Lächeln verzogen. Diese Reklame, diese Reklame zeigte eine lebensfrohe Frau.
Bedrückung, das empfand sie jetzt.
Ihre Hände legten sich automatisch auf ihren Bauch, ihren ebenso runden Bauch.
Vier Wochen.
Dann wäre alles vorbei.
Wie es danach weitergehen würde, das wusste sie nicht.
Wie ihr Leben sich entwickeln würde.
Ihr Gewissen. Ihr Herz. Was geschah damit?
Würde sie sich schuldig fühlen?
Nein.
Sie wusste, sie würde es nie lieben können.
Dieses Kind.
Wird es die gleichen Augen wie sein Vater haben?
Sie würde nicht in diese Augen schauen können.
Nicht ohne diese unglaubliche Unglücklichkeit, diesen Hass.
Es wären seine Augen.
Die Augen des Mannes, der ihr das angetan hatte.
Der Mann, der ihr Leben zerstörte.
Vergewaltiger.

 
Zuletzt bearbeitet:

Zufall?

Hallo Lora -

und herzlich willkommen hierorts -

die Frage vorweg ist keine Kritik, kein Kommentar, sondern buchstäblich das, ws da steht: ZUfall! Aber ich komm auf Deinen Text zurück, versprochen, nur heut nicht mehr.

Gruß

Friedel

 

Ja, das war gestern ein riesiger Zufall, dass wir mit wenigen Minuten Unterschied auf je andere Weise zu diesem Thema Texte einstellten,

liebe Lora!

Ich fang mal von hinten an und frag mich bezüglich der Passage über die Augen des Kindes, ob das Kind irgendwelche Schuld darum trüge, dass es eher ungewollt denn gewollt ist. Natürlich kommen solche Gedanken auf, wie von Dir dargestellt. Insofern empfind ich Deinen Erstling als soliden Einstieg hierorts, auch weil die heile, aber fiktive Werbewelt auf eine unheilige Wirklichkeit trifft.

Einiges wäre zu korrigieren, wie hier Satzzeichen nachzutragen sind

Wie oft hatte sie doch dieses Gefühl[,] sich zu befreien.
,Wann ist es denn soweit?`[,] fragte sie freundlich.
,Ein Monat noch`[,] sagte sie leise, kaum hörbar.
,Wie schön, herzlichen Glückwunsch[!]`

Diverses und Vermischtes

Die hellen Scheinwerfer eines Autos erschienen.
Erschienen ist sicherlich nicht falsch, aber das gesamte Auto „erscheint“ ja, die Scheinwerfer kommen ja nicht allein daher. Genauer wäre m. E. „Die hellen Scheinwerfer … scheinen (schienen) auf“ und ich denk mal, dass scheinen, das wie „brauchen“ ja auch in aller Regel nach einer Infinitivkonstruktion ruft, ist also ganz in der Nähe der Hilfsverben angelangt. Ich kann mir sogar vorstellen, dass auch eine schwache Beugung möglich ist, etwa der Form „Die hellen Scheinwerfer … scheinten auf.“ Aber Vorsicht: Die Dudengrammatik weiß nix von schwacher Beugung.

Hier schnappt die Fälle-Falle zu

Wenn sie sich einen vernünftigen Job gesucht hätte, etwas aus ihre[m] Leben gemacht hätte.
Sie hat ja nur eins!, hätte sie mehr, wäre Deine Konstruktion korrekt
Im Gegenteil, sie war verächtlich.
Das könnte nur ein Außenstehender meinen. Tatsächlich verachtet sie sich selbst, sicherlich aus dem Gefühl heraus, die Gewalttat nicht verhindert zu haben … Aber wäre dann nicht das Unglück viel größer geworden?
Und sie dachte nur daran, wie glücklich diese Frau sein musste.
Hier wäre der Konjunktiv „sein müsste“ angesagt, denn wer weiß, wie’s der Frau aus der Reklame wirklich geht …
Bedrückung, das empfand sie jetzt.
„Die“ Bedrückung, also entweder „Bedrückung, die empfand sie jetzt“ (was auch ohne Relativpronomen und also kürzer ginge „Bedrückung empfand sie jetzt“ oder, wieder relativ umständlich „Bedrückung, dass empfand sie jetzt.“
Hier will mir eine gewisse Angst um Besitzansprüche zu bestehen in der Inflation des Possessivpronomens
Ihre Hände legten sich automatisch auf ihren Bauch, ihren ebenso runden Bauch.
„Ihre Hände … ihren Bauch, ihren … runden Bauch.“ Da genügte auch gelegentlich ein einfacher Artikel, denn dass nicht die Abbildung auf der Reklametafel gemeint ist, ahnt auch der letzte Leser.
Nicht ohne diese unglaubliche Unglücklichkeit, diesen Hass.
„Unglücklichkeit“ ist m. E. eine unpassende Konstrukion (gibt’s Glüchlichkeit, also die Aneinanderreihung der Endungen „…lich“ und „…keit“?) Da wird doch getrauert – oder seh ich das falsch?

So viel oder wenig für heute vom

Friedel,
der noch ein schönes Wochenende wünscht und gleich Enkel hütet

 

Hallo :)

Deine Kurzgeschichte gefällt mir recht gut. Ich finde, die Gefühlswelt der Frau wird gut beleuchtet.
Aber mir persönlich hätte es gut gefallen, wenn du am Ende der Geschichte den Konflikt der Mutter etwas mehr ausgebaut hättest. Es muss doch einen Grund haben, warum sie das Kind nicht abgetrieben hat oder warum genau sie sich dazu entschieden hat, dass Kind zu behalten - wenn sie doch genau weiß, dass sie das Kind nicht lieben kann und dessen leiblichen Vater bis auf den Grund ihres Herzens hasst?

Aber das sind nur Nebensächlichkeiten, die mir durch den Kopf gegangen sind. Dein Stil an sich gefällt mir auch sehr gut.

Mit lieben Grüßen
Edenka

 

Hallo Lora Eneuila,

also zuerst einmal auch von mir: Herzlich willkommen hier bei den Kriegern des Wortes! ;)

Ja, dein Erstling hat mir gefallen. War flüssig zu lesen, nachvollziehbare Gedanken.

Trotzdem große Kritik an dich: Mit dem Titel greifst du zu weit vor. Spätestens als man liest, dass die Frau auf dem Plakat einen kugelrunden Bauch hat und die Protagonistin "unglücklich" ist, weiß man, mit dem Titel im Kopf, worum es geht. Solltest du ändern, bevor du jemandem anderen den Text gibst.

Gruß, Freegrazer

 

freegrazer schrieb:
Trotzdem große Kritik an dich: Mit dem Titel greifst du zu weit vor.
Hallo Lora,
Das war ebenso mein erster Gedanke nachdem ich die Geschichte gelesen hatte. Ich finde es auch wichtig, dass du das änderst.

Ansonsten stören mich die einfachen und zudem falschen Anführungszeichen bei der wörtlichen Rede etwas - das schließende scheint mir eher ein Betonungszeichen zu sein. Auch die Zeichensetzung in/nach der wörtlichen Rede ist noch nicht richtig:

,Wann ist es denn soweit?` fragte sie freundlich.
"Wann ist es denn soweit?", fragte sie freundlich.

,Ein Monat noch` sagte sie leise, kaum hörbar.
"Ein Monat noch", sagte sie leise, kaum hörbar.

Aber das sind jetzt natürlich nur Kleinigkeiten, ansonsten schon mal ein ganz ordentlicher Einstieg hier.

Viel Spaß noch
oisisaus

 

Hallo :)

Erst einmal danke für deinen Beitrag und es freut mich natürlich, dass dir meine Geschichte gefällt.
Mein Gedanke bei Kurzgeschichten ist der, dass ich persönlich das eigene Bild sehr wertschätze, nicht alles offensichtlich zu machen.
Damit habe ich bei dieser Geschichte natürlich einmal daneben gegriffen mit der Überschrift, aber vielen Dank für den Tipp. Das werde ich in Zukunft natürlich beachten.
Liebe Grüße
Lora

 

Du darfst alles an der Geschichte ändern, inklusive Titel (bitte einem Moderator sagen, denn Titel können nur die ändern). Es ist auch erwünscht, dass an den Geschichten gearbeitet wird, nur so lernt man dazu :).

 

Hallo Lora,

herzlich willkommen hier.

Ich habe deinen kurzen Text gern gelesen, auch wenn ich in zwei Punkten den anderen Kommentatoren vollkommen zustimmen kann:
Als erstes würde ich tatsächlich den Titel sofort ändern lassen für deine zukünftigen Leser, damit die nicht sofort dieses klare Bild vor Augen haben, sondern sich das im Verlauf der Geschichte selbst zusammenreimen können.
Und zweitens kann auch ich nicht nachvollziehen, warum sie denn das Kind unbedingt behalten will?

Sie wusste, sie würde es nie lieben können.

Damit schließt du für mich nämlich den Beweggrund aus, dass sie zumindest versuchen möchte, das Kind, das rein gar nichts dafür kann, lieben zu lernen. Ist es der Gedanke, Abtreibung sei Mord? Was auch immer, mir fehlt das einfach.

Ich möchte auch hier noch einhaken:

Sie erinnerte sich an die vergangenen Wochen, als ihr Vater sich bei ihr meldete.
Völlig unerwartet.
Und ihr sagte, er wäre stolz auf sie.

Das verstehe ich nicht. Warum ist er stolz? Weil sie das Kind bekommen will? Und warum zeigt er plötzliches Interesse an seiner Tochter, wenn der Anruf als völlig unerwartet dargestellt wird? Entweder ausbauen, falls es überhaupt eine Bedeutung für die Geschichte hat oder ansonsten finde ich, dass es diesen Einschub gar nicht braucht.

Viel Spaß noch hier.

Gruß,
rehla

 

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