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Copywrite Küssen und Zerreißen

Seniors
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19.05.2008
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Küssen und Zerreißen

Vielleicht sollte ich das schreiben, nachdem ich Vater geworden bin. Ich träumte, dass Noras Mutter mir ein gesichtsloses Baby reichte. Ich ließ es fallen, weil ich zu zimperlich zupackte, zerquetschte es, weil ich zu unsanft damit hantierte, ich stolperte darüber, trat gar darauf, badete es in heißem Wasser und setzte es dem Nachtwind aus. Am Ende verlor ich es. Ich hatte Brandnarben gesehen, gebrochene Fingerchen und große, tote Kulleraugen. Dabei ist es nicht die Angst, ein Scheißvater zu sein. Ein Teil meiner Gedanken wird für immer diesem Kind gehören. Und das will ich nicht. Noch nicht.

Nora lehnt an der Bettkante. Auf dem Teppich der Laptop, eine leere Tasse und etliche Bücher für die Hausarbeit. Ein Teebeutel hat einen Stoß Blätter aufgeweicht. Es riecht nach Fenchel und Duschgel. Unaufhörlich tippt sie, aber wenn ich ins Bett krieche und mit der Hand von hinten ins nasse Haar tauche und ihr den Nacken küsse, sehe ich bloß unzusammenhängende Sätze, Babynamen und Smileys. „Weitermachen wie bisher“, hatte sie gesagt. Jetzt steht sie vor dem Spiegel. Nackt und glücklich. Immer hatte sie etwas an sich auszusetzen. Das bisschen Bauch, zu blasse Haut trotz Schwimmbad den gesamten Sommer über, Äderchen, die blau am Bein durchschimmerten, die linke Brustwarze größer als die rechte, die nicht so schöne Vulva. Seitdem sie von der Schwangerschaft weiß, betrachtet sie sich mehrmals am Tag und sie mag sich genauso, wie sie ist.
„Da bin ja jetzt nicht nur ich“, sagt sie.
„Ja, da bist jetzt nicht nur du.“ Ich sage Hallo, küsse die Innenfläche meiner Hand und drücke den Kuss auf Noras Bauch, dorthin, wo ich das Kleine vermute.

Ich kann den Blick nicht von ihr lassen, als wären meine Augen bei einer Sollstelle eingerastet. Etwas in ihrem Gesicht fehlt. Es ist jener Teil, an dem ich mich niemals sattsehen konnte. Es klingelt.

Ich warte im Türrahmen. Das vorsichtige Stelzen und die Kopfbewegungen des Postboten haben etwas Storchenhaftes. Bevor er mich die Empfangsbestätigung unterschreiben lässt, setzt er das Paket ab und stöhnt. Die Lieferung hat die Größe einer kleinen Waschmaschine. Die hätte der schlaksige Kerl aber unmöglich in den fünften Stock bugsieren können. Er wünscht mir einen schönen Tag und stakst davon. Ich nicke und ziehe den Karton in die Wohnung. Auf dem Paket klebt ein Kuvert. Darin ein Schreiben.

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Ich zerknülle den Zettel und stopfe ihn in die Hosentasche. Sollte ich mich darüber nicht freuen? Ich weiß, dass Babys Windeln brauchen und dass man die wechseln muss, aber dieser geballte Vorgeschmack macht mir zu schaffen. Auf dem Balkon schaue ich einen Augenblick zu lange in die Sonne. Sie scheint, wärmt aber nicht. Die Frische der Nacht liegt noch in der Luft, zerstäubt von den Abgasen und dem Lärm des Verkehrs. Wie wohltuend ein Unfall wäre, der alles zum Stillstand bringen würde. Eine technische Panne ohne Verletzte für eine Viertelstunde oder so. Das bräuchte ich jetzt.

Der feurige Abdruck der Sonne verschwindet beim Blinzeln nicht. Für eine Studie habe ich Samen gespendet. Ich wollte das Ergebnis nie wissen. Meine Männlichkeit hätte darunter gelitten, klar, aber das war nicht ausschlaggebend gewesen damals. Hätten die mir gesagt, dass ich unfruchtbar bin, hätte ich das meiner damaligen Freundin sagen müssen.
„Du, mit mir wirst du niemals Kinder haben.“ Ich wollte aber sagen: „Ich will keine Kinder. Nicht jetzt. Irgendwann, ja. Vielleicht irgendwann.“ Ich stelle mir vor, dass ich dort anrufe. Dass die mir sagen, dass ich unmöglich der Vater sein kann. Ein tröstender Gedanke, der verdammt weh tut.

„Warum ich den Test gemacht habe, kann ich dir nicht sagen. Es war so ein Gefühl. Etwas war anders. Wenn ich krank werde, spüre ich das meistens eine Woche vorher. So war das auch. Nur andersrum. Ich hatte das Gefühl, dass bald etwas Abgefahrenes passiert. Eine unbestimmte Vorfreude.“

Von Abtreibung wagte ich nie zu sprechen. Wie auch? Am Abend, an dem sie mir erzählt hatte, dass sie auf diesen Streifen gepinkelt und der sich tatsächlich gefärbt habe, hatte sie mir gesagt: „Ich werde dieses Kind bekommen.“ Sie hatte das so dahin gesagt. Wir saßen in einem spanischen Restaurant, ich spürte den Wein und am liebsten hätte ich etwas zerstört, die Serviette zerrissen, das Glas zerschlagen, die Teller zersplittert, den Tisch in zwei Teile gehauen. Ich hatte mich zusammengenommen, all meine Gefühle zusammengefaltet und daraus etwas gebastelt, das klang wie: „Ich werde mich nicht drücken.“ Laut Nora soll ich zuvor an der Vaterschaft gezweifelt und nach der exakten Anwendung der Pille gefragt haben. Aber es war viel Wein an dem Abend. Ich konnte mich daran nicht erinnern. Nora nahm es mir nicht übel. Jedenfalls sagte sie das.
„Hätte ich heute Nacht etwas anderes geträumt, wäre ich dir vielleicht böse gewesen.“
„War ich so lieb?“
Nora schloss die Augen und sank zurück ins Bett. Bevor sie etwas sagte, belebte ein Lächeln, so winzig, dass ein Fremder es nicht bemerkt hätte, ihre Lippen.
„Du hattest rosa Farbe im Gesicht. Sie ist dir von oben auf den Mund getropft. Du hast die Wände mit rosa Küssen bedeckt und sie mit der Hand verwischt. Statt Finger hattest du Pinselchen, mit denen du mich gekitzelt und damit Marie zum Lachen gebracht hast. Ich weiß, wir haben noch nicht einmal über Namen gesprochen, aber so habe ich sie genannt im Schlaf, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob mir der Name überhaupt gefällt.“

Wir bestellen Pizza. Danach wollen wir einen Film schauen. So wie früher. Dass es nie wieder so sein wird, macht mich kaputt. Nora gefallen andere Filme. Sie lacht über Dinge, über die sie sich vor ein paar Monaten noch lustig gemacht hat. Außerdem hat sie ein starkes Interesse für das Making-Of entwickelt. Ehe wir miteinander schlafen können, bin ich hundemüde. Als Nora die Bestellung entgegen nimmt, entdeckt sie das Paket.
„Was ist das?“
„Ich dachte schon, es ist die neue Waschmaschine. Aber der Postbote hat es für die Nachbarn abgegeben.“
Sie nickt und hüpft ins Bett. Ohne zu schneiden, beginnt sie die Pizza zu verschlingen. Erst als sie die leeren Schachteln nach unten bringen möchte, begreift sie, was sich in Wahrheit in dem Paket verbirgt. Sie kreischt, zerfetzt es und reißt die erste Packung heraus. „Du Spinner hast echt gewonnen! Warum sagst du denn nichts?“ Sie tanzt zu mir und küsst mich. Der Kuss schmeckt nach einer Mischung aus Gericht zweiundsechzig und fünfundvierzig.

Ich muss an die Nacht denken, als Nora mich geweckt hatte. „Ich blute“, schrie sie. Ich machte das Licht an und das Laken war rot. Sie hatte Schmerzen irgendwo unterhalb des Bauchnabels, genauer konnte sie es nicht benennen. Es fühlte sich für sie an, als gehörte der Schmerz nicht zu ihr. Sofort sind wir in die Notaufnahme. Ich wartete vor der Tür. Eine ältere Frau lag in einem Bett auf dem Gang. Ich konnte nicht erkennen, was ihr fehlte. Sie starrte mich an und ich starrte zurück, aber sie wich meinem Blick nicht aus. „Ich sterbe und niemand merkt’s“, sagte sie.

Bitte lass es sterben, dachte ich. Ich hasste mich für diesen Gedanken, aber ich hörte nicht auf, ihn zu denken. Der junge Arzt trat aus dem Zimmer und lächelte dieses Alles-wird-gut-Lächeln. Er sagte, dass er sich nicht erklären könne, warum es zu den Schmerzen und der Blutung gekommen sei. Soweit er beurteilen könne, sei die Schwangerschaft regelrecht. Zur Abklärung müsse Nora über Nacht im Krankenhaus bleiben. Er kümmere sich um ein Zimmer. Ich war enttäuscht.

„Ich habe Angst“, sagte sie. Ich saß mit auf dem Bett und konnte sie gut verstehen. Allein der Geruch von Krankenhaus taute ein Unwohlsein in mir auf. „Ich hatte einen schrecklichen Alptraum. Irgendein Irrer hat mich ausgeschabt. Ich habe es tief in mir Kratzen gehört. Dann hat es aufgehört und etwas flutschte aus mir heraus. Er legte es mir auf die Brust und es war warm und nass und …“ Nora krallte die Fingernägel in meine Hand und setzte sich auf. „Ich kriege das Bild nicht aus dem Kopf. Mach, dass es weggeht.“

Ich bin in ihrer Umarmung gefangen. Nora döst mit einem Wolkenlächeln weg. Ich weine innerlich, als Nora schläft, richtig.

 
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Hallo Markus,

jetzt, nachdem ich deine, dann Flieges Original gelesen habe, nervt es mich, das Original gelesen zu haben. Mach' ich künftig nicht mehr, bevor ich eine Copy-Geschichte kommentiert habe. Da es viele Überschneidungen gibt, fällt es mir grade schwer, nur deine Version zu sehen.

Mir gefällt die Geschichte gut, das Herantasten ans Elternwerden, den Horror davor.
Heftig, aber im Vaterwerdenwirrwarr nachzuvollziehen, dann auch noch der Wunsch, dass das Baby aufgrund der Blutung stirbt.

Ich verurteile den Protagonisten in keinster Weise. Ihm hat ja auch keiner die Wahl gelassen. Er muss dazu stehen, ob er will oder nicht. Dieser Tod wäre noch die einzige Alternative zu seinem anbahnenden Schicksal gewesen.

Gut geschrieben, nah an dem Vater dran. Die Mutter ist etwas weiter weg, aber das liegt an der Erzählperspektive, von daher für mich okay.

Noch ein paar Kleinigkeiten:


„Da bin ja jetzt nicht nur ich“, sagt sie.
schön

Ich sage Hallo, küsse die Innenfläche meiner Hand und pappe den Kuss auf Noras Bauch, dorthin, wo ich das neue Leben vermute.
das neue Leben hört sich komisch an (Zeugenschutzprogramm). Die Szene ist doch liebevoll, dann kann das doch auch das Kleine / das Würmchen oder so sein.


Ich kann den Blick nicht von ihr lassen, als wären meine Augen bei einer Sollstelle eingerastet. Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem sie mich nicht länger halten kann.
Das nehme ich dem Protagonisten so nicht ab - oder du wolltest etwas sagen, was ich so nicht verstehe. Das sind so bedeutungsschwangere Sätze (wie übrigens der letzte genauso) die so schaumschlägerisch daherkommen - wenn ich was zu sagen hätte: weg damit.


Warum bist du schwanger? Ist das eine Frage, die ich Nora stellen darf?
Hä? Wieso denn nicht?


Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Markus,

ich habe das Original noch nicht gelesen und widme mich nun völlig uneingenommen deiner Geschichte. Das ist gut geschrieben, kein Zweifel. Schon ganz schön hart, aber - ich weiß - zum einen hältst du dich an eine Vorgabe und zum anderen sind diese Gedanken vermutlich gar nicht so weit hergeholt. Ein Kind zu bekommen, vor allem ungewollt, das ist tatsächlich so eine Wende um hundertachtzig Grad. Das ist wie ein neues Leben. Ich glaube, solche Gefühle sind gar nicht so selten, nur werden sie nicht offen ausgesprochen, das gilt als Tabu. Und ich glaube auch, wie du im ersten Satz richtig schreibst,

Vielleicht sollte ich das schreiben, nachdem ich Vater geworden bin.

würde es nach den ersten paar Wochen als Vater sicher anders aussehen. Aber diese Vorstellung von einem anfangs fremden Eindringling in die idyllische Zweisamkeit, diese Veränderung, die kann schon ziemlich hässliche Gedanken in einem hervorrufen, das kauf ich auf jeden Fall ab.

Im Moment ist Vatersein für mich wie ein schicker Anzug: einen Tick zu groß, aber irgendwann werde ich gewiss hineinwachsen.

Der Gedanke, dass er sich mit dem Vatersein irgendwann sicher abfinden wird, passt mir in diesem Moment nicht so recht zu den sonstigen Gefühlen des Protagonisten.

Immer hatte sie etwas an sich auszusetzen. Das bisschen Bauch, zu blasse Haut trotz Schwimmbad den gesamten Sommer über, Äderchen, die blau am Bein durchschimmerten, die linke Brustwarze größer als die rechte, die nicht so schöne Vulva. Seitdem sie von der Schwangerschaft weiß, betrachtet sie sich mehrmals am Tag und sie mag sich genauso wie sie ist.

Sehr schön und treffend beschrieben.

Ich zerknülle den Zettel und stopfe ihn in die Hosentasche.

Mann, der wird auch noch bald draufkommen, dass ein Jahresvorrat an Windeln ungefähr einem Jackpot im Lotto gleichkommt.

Aber ich verstehe nicht ganz

„Du Spinner hast echt gewonnen! Warum sagst du denn nichts?“

warum er überhaupt bei diesem Gewinnspiel mitgemacht hat?

Ein paar Probleme haben mir allerdings die Zeitsprünge bereitet. Trotz mehrmaligem Lesen kann ich nur schwer einordnen, wann was passiert. Das mit der Blutung habe ich vorerst für das offene Ende der Geschichte gehalten, aber dann ist mir erst aufgefallen, dass das ja im Präteritum geschrieben ist und somit schon früher passiert sein muss. Es ist zwar für den Inhalt und die gelungene Darstellung deines Protagonisten nicht wirklich von Bedeutung, aber für mich persönlich würde ein klarerer Verlauf die Geschichte noch etwas abrunden.

Bis auf diese Kleinigkeiten hat es mir aber gefallen, zwar nicht die Gefühle und Gedanken des Protagonisten, aber die Umsetzung, die ist gut.

Grüße,
rehla

 

Hej,

ich schließe mich rehla an, was die zeitliche Zuordnung betrifft. Ich hatte da auch Probleme. Zuerst dachte ich, das Vater-Werden steht unmittelbar bevor. Dann habe ich versucht, einzuschätzen, in welchem Teil einer Schwangerschaft sich das Ganze abspielen könnte. Manchmal wirkte alles noch ganz frisch, dann wieder etwas weiter fortgeschritten. Ich fände wichtig, dass das klar wird, weil es einen Unterschied macht, ob dieser Mann sich erstmal gegen die relativ neue Tatsache sträubt, dass seine Freundin schwanger ist, oder ob er eine grundsätzliche Abwehrhaltung eingenommen hat, die dann aber für mein Empfinden nicht ausreichend erklärt wird.

„Du hattest rosa Farbe im Gesicht. Sie ist dir von oben auf den Mund getropft. Du hast die Wände mit rosa Küssen bedeckt und sie mit der Hand verwischt. Statt Finger hattest du Pinselchen, mit denen du mich gekitzelt und damit Marie zum Lachen gebracht hast. Ich weiß, wir haben noch nicht einmal über Namen gesprochen, aber so habe ich sie genannt im Schlaf, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob mir der Name überhaupt gefällt.“
Konnte ich gar nicht zuordnen.

Am Ende fühle ich mich etwas desorientiert und kann vor allem die Verzweiflung (so lese ich den Schluss) des Mannes nicht nachvollziehen. Ich kenne die Vorlage nicht, aber ich hätte mir gewünscht, dass der deutlicher zeigt, was ihm genau Probleme bereitet. Ich hab nicht den Eindruck von jemandem zu lesen, der einfach an einer Veränderung in seinem Leben herum kaut. Ich kann auch nicht einschätzen, was die für eine Beziehung führen, ist das die große Liebe, die an einem Kind zerschellt (das haut als Grundlage nicht hin) ist er ein mieses Arschloch, das sich drücken will (auch nicht), ein armes Würstchen?

Also, das find ich schon etwas unbefriedigend. Das zerfasert irgendwie in alle möglichen Richtungen. Auch durch so etwas hier

Das vorsichtige Stelzen und der nach vorne eilende Kopf des Postboten haben etwas Storchenhaftes.
Ich kann das nicht sehen. Ein Storch mit einer Waschmaschinenverpackung? Und das geht nicht in den fünften Stock, aber wozu wird der erwähnt, wenn niemand etwas dahin trägt?

Auf dem Balkon schaue ich einen Augenblick zu lange in die Sonne. Sie scheint, wärmt aber nicht. Die Frische der Nacht liegt noch in der Luft, zerstäubt von den Abgasen und dem Lärm des Verkehrs. Wie wohltuend ein Unfall wäre, der alles zum Stillstand bringen würde. Eine technische Panne ohne Verletzte für eine Viertelstunde oder so. Das würde mir reichen.
Das bringt ihm doch absolut nichts. Wieso sollte er so etwas auch nur denken?

Meine Lösung:

Der Mann ist unheilbar krank. Und/oder weiß, dass das Kind es auch sein wird.

Tja, keine Ahnung. Jetzt ist es zu spät für bessere Ideen. Ich geh schlafen.

Gruß
Ane

 

Hallo M.Glass,

ich finde die Geschichte spannend. Über das Thema habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, aber das ist ja wirklich so, dass ein Mann bei der Frage, ob er Vater werden möchte, weniger ... hmm ... Entscheidungsfreiheit hat als eine Frau bei der Frage, ob sie Mutter werden möchte. Wenn sie sagt, sie möchte es bekommen, kann er ja schlecht sagen: ich aber nicht. Er hängt dann auf jeden Fall mit drin. :)

Und ich konnte die Anwandlung des Protagonisten, sich das ungeborene Kind tot zu wünschen, auch gut nachvollziehen, ich mache ihm da auch keinen Vorwurf draus. Das ist schon eine Art emotionaler Ausnahmezustand, denke ich. Auf der anderen Seite bemüht er sich ja unheimlich darum, sich auf das Vatersein vorzubereiten.

Sehr gut fand ich auch die Beschreibungen, wie sich die Nora äußerlich und innerlich verändert hat. Das finde ich ehrlich gesagt selbst ein bisschen gruselig an einer Schwangerschaft, dass da durch die Veränderung der Hormone und so auch psychisch Sachen mit einem passieren, die man nicht unter Kontrolle hat, dass man tatsächlich in gewisser Weise ein anderer Mensch wird. Ich möchte bitte schön selbst entscheiden, welche Filme ich mag! :lol:

Die Beschreibung des Postboten als storchenhaft gefällt mir, ich habe das so verstanden, dass die Vorstellung, der Storch würde die Kinder bringen, sich da aus dem Unterbewusstsein in seine Gedanken drängt. Das fand ich ganz witzig, also für mich passt das.

Grüße von Perdita

 
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„Du, mit mir wirst du niemals Kinder haben.“ Ich wollte aber sagen: „Ich will keine Kinder. Nicht jetzt. Irgendwann, ja. Vielleicht irgendwann.“

Ja, das ist seltsam in unseren Sprechgewohnheiten,

lieber Markus,

dass wir im Plural reden, wenn noch nicht mal ein Singular da ist, obwohl
„Du, mit mir wirst du niemals [(auch nur) ein ]Kind[…] haben.“ Ich wollte aber sagen: „Ich will kein[…] Kind[]. …
doch auch überhaupt nicht merk- oder fragwürdig wirkte. Aber die gewöhnlich Rede ist halt so.

Bis dass … schwanger wurde, war ich der Auffassung, dass die Welt eh übervölkert sei und ich kein Kind wolle. Nicht dass ich nicht mit Kindern umgehen konnte oder gar wie Stefan George der Auffassung war, schon unsere Zahl sei Frevel (die tote Stadt), aber eng würd’s werden.

Aber dass mir dann ähnliche Gedanken gekommen wären …

Ach ja, ich vergess immer, dass ich in einem Krankenhaus arbeitete, was selbstverständlich bei einem – sagen wir mal – erwerbslosen Vater durchaus bei dem anstehenden Ereignis eine andere Haltung auslösen kann.

Gleichwohl, solide von potentiellen Sorgen – ob begründet oder nicht – und der Unentschlossenheit des werdenden Vaters erzählt.

Zwo triviale Anmerkungen

…, zu blasse Haut trotz Schwimmbad den gesamten Sommer über, …
„trotz“ ruft nach dem Genitiv …
… und sie mag sich genauso[,] wie sie ist.

Schön, mal wieder was von Dir gehört, pardon, gelesen zu haben!

Friedel

Dass der erste Kommentar unseres biologischen Geschlechtes ein ungehobelter Klotz ist, sehe ich eher als zufällig an.

 
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It's the end of the world as we know it.
R.E.M.​

„Ich will keine Kinder. Nicht jetzt. Irgendwann, ja. Vielleicht irgendwann.“

Ich träumte, dass Noras Mutter mir ein gesichtsloses Baby reichte. Ich ließ es fallen, weil ich zu zimperlich zupackte, zerquetschte es, weil ich zu unsanft damit hantierte, ich stolperte darüber, trat gar darauf, badete es in heißem Wasser und setzte es dem Nachtwind aus. Am Ende verlor ich es. Ich hatte Brandnarben gesehen, gebrochene Fingerchen und große, tote Kulleraugen. Dabei ist es nicht die Angst, ein Scheißvater zu sein. Ein Teil meiner Gedanken wird für immer diesem Kind gehören. Und das will ich nicht. Noch nicht.

Natürlich könnte dein Erzähler um einiges entspannter sein, markus, würde er sich ganz pragmatisch und leidenschaftslos als das begreifen, was er in Wahrheit ist: Nicht mehr nämlich als das Exemplar einer Lebensform unter unzähligen anderen, und dass seine oberste und einzige Aufgabe dementsprechend die Fortpflanzung zum Zwecke der Arterhaltung ist. Er könnte sich entspannt in einen Wald zurückziehen und sich dort zum Sterben niederlegen, nachdem er nun seine biologische Funktion, die Weitergabe seiner Gene, erfüllt hat.
Leider ist dein Prot ein Männchen der Spezies Mensch, und diese Spezies ist nun mal mit so eigenartigen und extravaganten Features wie Bewusstsein, Gefühlen, Reflexionsvermögen usw. ausgestattet. Weiß der Teufel, was sich die Evolution dabei gedacht hat.
Und so wirft ihn die Erkenntnis, dass er sein Leben wie es bisher war, wohl abhaken kann, in ein entsprechendes Gefühlskuddelmuddel.
Klar ist das ein verdammter Zwiespalt, umso größer vermutlich, je jünger der (ungewollt) Vater werdende Mann ist. Auf der einen Seite die egoistischen Ansprüche, die Angst vor der Verantwortung, die Angst vor dem Verlust der Unbekümmertheit, sicherlich auch die Angst davor, die exklusive Liebe einer Frau plötzlich mit einem anderen Wesen teilen zu müssen, und auf der anderen Seite vielleicht doch so was wie Neugier und Freude auf das Wunder „mein eigenes Kind“.
Also für mein Gefühl hast du das schon sehr nachvollziehbar dargestellt.

Sprachlich hab ich kaum was auszusetzen. Du weißt ja, dass ich deine Art zu schreiben wirklich mag, markus. Wie bei allen deinen Texten spüre ich auch hier, wie sehr du dich um die Sprache bemühst, um neue Sprachbilder, um die Verwendung eindrücklicher Worte und Formulierungen. Selten lese ich bei dir einen Satz, wo ich mir denk, na ja, den hat er jetzt halt einfach so hingeschrieben. Ja, deinen ungemein bewussten Umgang mit der Sprache mag ich einfach.
Dass du in dem Streben um originelle Sprachbilder für mein Gefühl bisweilen übers Ziel schießt, ist wohl überwiegend Sache persönlichen Geschmacks (bzw. deines jugendlichen Ungestüms).
Wie auch immer, ich will dir ein paar Stellen zeigen, die ich nicht so toll fand:

... küsse die Innenfläche meiner Hand und pappe den Kuss auf Noras Bauch, dorthin, wo ich das Kleine vermute.
Das Wort pappen finde ich einfach unschön.
... küsse die Innenfläche meiner Hand und lege (drücke) sie auf Noras Bauch,
So gefiele es mir weit besser.

Sie denkt an nichts anderes und nichts ist verdammt viel.
Da kapier ich die Aussage nicht wirklich. Worauf bezieht sich das nichts? Ist es dasselbe nichts von nichts anderes? Nein, irgendwas stimmt mir an dem Satz nicht.

Das vorsichtige Stelzen und der nach vorne eilende Kopf des Postboten haben etwas Storchenhaftes.
Das passt nicht. Es klingt, als hätte sich der Kopf vom Körper des Postboten gelöst …
Vermutlich willst du dem Leser vermitteln, dass der Kopf vor und zurück ruckt, vogelhaft eben.

Am Abend, an dem sie mir erzählt hatte, dass sie auf diesen Streifen gepinkelt und der sich tatsächlich gefärbt habe, hatte sie mir gesagt: „Ich werde dieses Kind bekommen.“ Sie hatte das so dahin gesagt. Wir saßen in einem spanischen Restaurant, ich habe mir genug Wein eingeflößt, um …
Entweder Präteritum oder PQP

am liebsten hätte ich […] den Tisch zerborsten.
Etwas kann zerbersten, aber es kann nicht durch/von jemandem zerborsten werden. (Zumindest meinem Sprachgefühl nach nicht.)
Für mich klingt das ähnlich schräg wie: „Am liebsten hätte ich die Bombe explodiert.“

Ich bin in ihrer herzlichen Umarmung gefangen.
Denk noch mal drüber nach, markus, ob herzlich hier wirklich das treffendste Wort ist. Ich mein, sie hat ihm gerade von ihrem schrecklichen Alptraum erzählt, da stelle ich sie mir schutzbedürftig, durcheinander, anlehnungsbedürftig vor. Also da passt mir herzlich einfach nicht.

So, und jetzt schau ich mir mal das Original von Fliege an.
Hat mir gut gefallen, markus.

offshore


Edit:
Jetzt hab ich auch die anderen Kommentare gelesen.

rehla schrieb:
Ein paar Probleme haben mir allerdings die Zeitsprünge bereitet.

Ane schrieb:
ich schließe mich rehla an, was die zeitliche Zuordnung betrifft. Ich hatte da auch Probleme.

Dass der Text keiner streng linearen Chronologie folgt, ist mir zwar aufgefallen, aber mich hat das ehrlich gesagt überhaupt nicht gestört. Gerade dieses episodenhafte, sprunghafte Erzählen des Prot schien mir ganz gut zu seiner Verfasstheit zu passen, zu seiner Aufgewühltheit, zu seinen ambivalenten Gefühlen. Und was jetzt genau in der wievielten Schwangerschaftswoche passierte, war mir eigentlich egal.
Das wollte ich dir jetzt noch schnell sagen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo bernadette,

das Copy vom Original zu trennen, ist wahrlich ein schweres Unterfangen. Sich mit dem Original zu beschäftigen, gehört aber auch irgendwie zum Spiel dazu, wobei es nicht klar ist, ob nur jene spielen, die schreiben, oder auch jene, die nur lesen. Ich halte es so, dass ich die Geschichte erst eigenständig betrachte, etwas dazu schreibe. Nachdem ich mir das Original angesehen habe, entscheide ich, ob ich noch einen Vergleich anstelle oder eine Besonderheit hervorhebe. Im Grunde ist der letzte Teil aber eher für mich selbst. Im Vergleich erkennt man im besten Falle etwas vom Arbeitsprozess und kann etwas lernen. So oder so bewertet man am Ende etwas zwischen dem Copy und dem Original. Wenn wirklich keine einzige Überschneidung, keine Ähnlichkeit, gänzlich nichts Verbindendes erscheint, empfinde ich das Copy als nicht gelungen. Damit meine ich nicht misslungen, sondern am Spiel vorbei geschrieben. Dann hat man die Ursprungsgeschichte lediglich als Inspiration missbraucht, was ja auch nichts Schlechtes ist. Und obwohl gewisse Anspielungen oder Spielereien verloren gehen, ist die eigenständige Betrachtung des Textes auch wertvoll.

Zu deinen kleinen Anmerkungen:

das neue Leben hört sich komisch an (Zeugenschutzprogramm). Die Szene ist doch liebevoll, dann kann das doch auch das Kleine / das Würmchen oder so sein.
Habe ich eingesehen und entsprechend geändert. Das ist auch kein kleines Detail, wie ich finde. So entsteht der Eindruck, als sieht der Protagonist nichts Süßes, nichts Liebes in dem Baby. Er will es ja mögen, er will es ja lieben, schafft es halt nicht. Deswegen ist die Wortwahl in solchen Szenen kriegsentscheidend. Danke für den wichtigen Hinweis!

Das nehme ich dem Protagonisten so nicht ab - oder du wolltest etwas sagen, was ich so nicht verstehe. Das sind so bedeutungsschwangere Sätze (wie übrigens der letzte genauso) die so schaumschlägerisch daherkommen - wenn ich was zu sagen hätte: weg damit.
Den Vorwurf muss ich mir (leider noch zu häufig) anhören, aber ich arbeite daran und nachdem ich die Abwehrhaltung verlassen habe, kann ich dir nur zustimmen. Ich habe beides rausgenommen. Der angesprochene Satz lautet jetzt so:

Küssen und Zerreißen schrieb:
Ich kann den Blick nicht von ihr lassen, als wären meine Augen bei einer Sollstelle eingerastet. Etwas in ihrem Gesicht fehlt. Es ist jener Teil, an dem ich mich niemals sattsehen konnte. Es klingelt.
Das mit der Sollstelle ist zwar noch drin, aber das bezieht sich jetzt auf einen Mangel. Auf eine Veränderung vielleicht. Ich hoffe, den Schaum zerschlagen zu haben.

Hä? Wieso denn nicht?
Warum bist du schwanger? Ist das eine Frage, die ich ihr stellen darf? Auch alles gestrichen.

Schön, dass dir die Geschichte gefällt. Wie du die Perspektive und die Gefühlswelt des Protagonisten empfindest, zeigt mir, dass die Geschichte, so wie ich sie konzipiert habe, funktioniert. Interessant ist für mich, dass du ihn dafür nicht verurteilst.

Vielen Dank für deinen Kommentar. Du weißt ja, wie sehr ich dein Auge schätze, und dass du dieses Mal gar nicht so viel Kleinkrams bemängelt hast, deute ich als gutes Zeichen.

Beste Grüße
markus.


***


Hallo rehla,

oben habe ich bernadette schon etwas zu den Grundsatzfragen des Copywrite geschrieben, und es ist schön, dass du unvoreingenommen an den Text trittst. Ich mag deine Herangehensweise und du hast sofort viel entscheidende Dinge erkannt: ich halte mich an eine Vorgabe, es stecken aber auch einige eigene Gedanken darin, kurz: es ist nicht weit hergeholt. Dass du dem Protagonisten die hässlichen Gedanken abnimmst, ist schon einmal eine ganze Menge.

Sprechen wir nun über die Dinge, die du mir nicht abkaufst.

Der Gedanke, dass er sich mit dem Vatersein irgendwann sicher abfinden wird, passt mir in diesem Moment nicht so recht zu den sonstigen Gefühlen des Protagonisten.
Hier muss ich dir zu 40 Prozent widersprechen. Es ist ja durchaus die Zeitkomponente, die ihm zu schaffen macht. Deswegen verwundern mich tröstende Gedanken an eine Zukunft, in der er in den Vateranzug passt, nicht. Aber du sagst ja nicht, dass diese tröstenden Gedanken falsch sind, sie stehen nur an der falschen Stelle und das habe ich erkannt. Deswegen habe ich das auch gestrichen am Anfang. Wenn er sagt, dass er sich Kinder vorstellen kann, aber halt noch nicht jetzt, kommt der Gedanke im Verlauf des Textes eh.

Sehr schön und treffend beschrieben.
Es freut mich, dass du Noras Blick in den Spiegel so treffend fandest! Hab das einige Male umgeschrieben.

Mann, der wird auch noch bald draufkommen, dass ein Jahresvorrat an Windeln ungefähr einem Jackpot im Lotto gleichkommt.
An dieser Stelle habe ich einen Satz eingefügt:
Ich zerknülle den Zettel und stopfe ihn in die Hosentasche. Sollte ich mich darüber nicht freuen? Ich weiß, dass Babys Windeln brauchen und dass man die wechseln muss, aber dieser geballte Vorgeschmack macht mir zu schaffen.

Warum hat er bei dem Gewinnspiel überhaupt mitgemacht? Da spielt die Vorlage stark mit rein. Der Protagonist erfährt dort von seiner Vaterschaft und reagiert übermütig auf die Info, er meldet sich bei dem Pampers Club an, erkundigt sich nach Kindertagesstätten und bilingualer Erziehung, das könnte mein Protagonist auch gemacht haben am Anfang. Das lasse ich offen. Nichtsdestotrotz dachte ich, dass dies ein Zeichen dafür ist, dass er der Vaterschaft durchaus ins Auge blickt, dass er alles – zumindest vieles – dafür tut, dass die Zukunft schön wird. Beispielsweise wohnen sie auch zusammen. Das habe ich versucht, mit der neuen Waschmaschine zu verdeutlichen. Ich habe das aber alles sehr subtil gehalten, vielleicht einen Tick zu sehr versteckt. Aber es sollte schon ankommen, dass er der Vaterschaft nicht nur entgegen arbeitet. Das scheint bei dir nicht so angekommen zu sein.

Ein paar Probleme haben mir allerdings die Zeitsprünge bereitet. Trotz mehrmaligem Lesen kann ich nur schwer einordnen, wann was passiert. Das mit der Blutung habe ich vorerst für das offene Ende der Geschichte gehalten, aber dann ist mir erst aufgefallen, dass das ja im Präteritum geschrieben ist und somit schon früher passiert sein muss. Es ist zwar für den Inhalt und die gelungene Darstellung deines Protagonisten nicht wirklich von Bedeutung, aber für mich persönlich würde ein klarerer Verlauf die Geschichte noch etwas abrunden.
Mit dieser Kritik habe ich gerechnet und es ist toll, dass du schreibst, dass eine klare Chronologie für die Darstellung nicht von Bedeutung ist. In einer ersten Fassung hatte ich noch mehr Zeitebenen und noch mehr Zeitsprünge drin und in allen Zeiten hatte er jeweils unterschiedliche Gefühle, aber das war mir dann am Ende selbst zu krass. Dass du das mit der Blutung erst als offenes Ende interpretiert hast, war genau meine Intention. Und als Traumleserin hast du dann auch noch das Präteritum erkannt und es im Kopf sortiert. Für mich war es wichtig zu zeigen, dass die Zeit eine untergeordente Rolle spielt. (Nicht das Alter des Vaters. Das ist eine andere Geschichte. Auch wenn man nicht erfährt, wie alt die beiden sind.) Aber am Ende weiß man an keiner Stelle, zu welchem Zeitpunkt der Schwangerschaft dies oder jenes passiert, und die Geschichte funktioniert trotzdem. Hättest du gesagt, dass du dich null auskennst und das alles nicht verfolgen kannst, hätte ich vermutlich etwas geändert und zeitlich sortiert, aber so bestätigst du dich in meiner Entscheidung. (Zu der Entscheidung sage ich Ane am Anfang noch etwas.)

Vielen Dank fürs Lesen und Kritisieren und Gutfinden! Dass du dich mit den hässlichen Gedanken nicht identifizieren kannst, nehme ich dir nicht übel.

Beste Grüße
markus.


***


Hallo Ane,

im Gegensatz zu rehla stellt das zeitliche Wirrwarr für dich ein Problem für die Darstellung der Gefühlswelt des Protagonisten dar. Es ist die frische Auseinandersetzung mit der neuen Situation oder eine grundsätzliche Abwehrhaltung? Es ist eine Mischung aus beidem. Anfangs wollte ich eine richtige Argumentation einbauen, was alles gegen eine Vaterschaft spricht. In der jetztigen Fassung gibt es eigentlich nur einen einzigen Satz Argumentation. Die Erklärung von Gründen wollte ich also gar nicht zeigen. Viel mehr ging es mir darum: Ich wollte zeigen, dass sich einer frisch mit dem Gedanken, Vater zu werden, auseinandersetzt und darin eine aktuelle Abwehrhaltung sieht. Irgendwann werde ich bestimmt Vater ist jedoch eine Ausrede, weil er vielleicht nie Vater sein möchte. Insofern richtet die Erzählung ihren Fokus auf die Suche nach der grundsätzlichen Frage: Will ich Vater sein? Und das Gefühl dabei, das habe ich einzufangen versucht.

Und nun zu dem Grund, warum ich mich für die zeitliche Zersplitterung entschieden habe: Flieges Original heißt Filmriss, ich habe überlegt, den Titel auf zweierlei Art zu interpretieren: 1. Der Film, die chronologische Darstellung der Zeit, ist gerissen. Und so wie die Protagonistin von Fliege die Zettel zu Konfetti zerreißt, wollte ich Zeitkonfetti darstellen. 2. Der Film, der ein Happy End haben könnte, reißt und enden doof, kurz: mit dem Tod des Babys. Die zweite Variante habe ich dann in dem Zeitkonfetti untermischen können, ohne ein Happy End gänzlich ausschließen zu müssen. Boah, es ist immer schwierig, zu erklären, was man eigentlich machen wollte, und es ist fatal, weil das eigentlich alles aus dem Text fließen sollte. Ich weiß, du hast das Originalnicht gelesen, deswegen habe ich das hier so ausgeführt.

Ich kann auch nicht einschätzen, was die für eine Beziehung führen, ist das die große Liebe, die an einem Kind zerschellt (das haut als Grundlage nicht hin) ist er ein mieses Arschloch, das sich drücken will (auch nicht), ein armes Würstchen?
Dass du die beiden Varianten ausschließt, finde ich gut. Schade ist, dass du das als unbefriedigend empfindest. Mir ging es eben vordergründig um das Gefühl, nicht um die Gründe und die konkrete Situation, aber ich kann verstehen, dass du das vermisst. Das spielt freilich eine Rolle. Aber allein, dass er an keiner Stelle darüber nachdenkt, die beiden im Stich zu lassen, sagt sehr viel über die Beziehung aus.

Ich kann das nicht sehen. Ein Storch mit einer Waschmaschinenverpackung? Und das geht nicht in den fünften Stock, aber wozu wird der erwähnt, wenn niemand etwas dahin trägt?
Hier zitiere ich mal frech Perdita:
Die Beschreibung des Postboten als storchenhaft gefällt mir, ich habe das so verstanden, dass die Vorstellung, der Storch würde die Kinder bringen, sich da aus dem Unterbewusstsein in seine Gedanken drängt. Das fand ich ganz witzig, also für mich passt das.

Dass du mit dem rosa Pinseltraum nichts anfangen kannst, ist doof. Der Traum ist der Gegenpart zu dem hässlichen Traum am Ende. Vielleicht wird in dem kurzen Stück auch zu viel geträumt, aber ich finde, dass sich dadurch einiges zeigen lässt. Sie schwebt auf einer rosa Wolke und wird im Verlaufe der Schwangerschaft von den hässlichen Gedanken ihres Partners angesteckt. Seine dunklen Gedanken schleichen sich in ihre Traumwelt.

Und: Er ist nicht unheilbar krank. Dem geht es ganz gut.

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren! Ich denke, dass du den Text als unbefriedigend empfindest, liegt vor allem an unseren auseinanderklaffenden Erwartungshaltungen. Zumindest rede ich mir das ein. Dennoch ist mir deine Leseart wichtig. Sie zeigt mir, dass es durchaus problematisch sein kann, die Zeiten zu durchwirbeln und die Gründe unausgesprochen zu lassen.

Beste Grüße
markus.


***


Hallo Perdita,

ich habe dich eben, bei der Antwort auf Ane, schon zitiert und im Grunde steht in deinem Kommentar sehr verdichtet, was mir beim Schreiben wichtig war.

Wenn sie sagt, sie möchte es bekommen, kann er ja schlecht sagen: ich aber nicht.
Genau! Die Freiheit wird durch die Liebe zu Nora noch zusätzlich eingeschränkt und obwohl er sich der Situation fügt, entstehen hässliche Gedanken bei ihm, was du auch treffend beschreibst:

Das ist schon eine Art emotionaler Ausnahmezustand, denke ich. Auf der anderen Seite bemüht er sich ja unheimlich darum, sich auf das Vatersein vorzubereiten.
Schön, dass du das gemerkt und angesprochen hast. Ich war mir nicht sicher, ob es zu wenig herauskommt, dass er sich unheimlich bemüht, ein guter Vater zu sein bzw. sich auf die Vaterrolle vorbereitet. Bereits bei bernadette habe ich gesagt, dass ich es interessant finde, dass sie ihm keinen Vorwurf macht. Da ist ein Kerl, der möchte, dass seine Freundin das Kind verliert, und du (ihr) findet das erst einmal okay und den Umständen entsprechend nachvollziehbar. Damit habe ich nicht gerechnet.

Sehr gut fand ich auch die Beschreibungen, wie sich die Nora äußerlich und innerlich verändert hat.
Die Kamera schenkt Nora vergleichsmäßig wenig Aufmerksamkeit. Dass du die feinen Veränderungen wahrgenommen hast, fand ich sehr gut. Und je mehr es dich gruselt, desto mehr erfreut es mich. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass das gruslig sein muss. Man verändert sich gegen seinen Willen. Überhaupt handelt die Geschichte von Veränderungen gegen den Willen, mit dem Unterschiedig, dass sich Nora fügt und Nils dagegen sträubt, obwohl er sich gerne fügen würde.

Die Beschreibung des Postboten als storchenhaft gefällt mir, ich habe das so verstanden, dass die Vorstellung, der Storch würde die Kinder bringen, sich da aus dem Unterbewusstsein in seine Gedanken drängt. Das fand ich ganz witzig, also für mich passt das.
Den Absatz habe ich Ane geschrieben und du liegst goldrichtig mit deiner Interpretation. Dazu kommt, dass ich vor einiger Zeit eine Geschichte geschrieben habe, die hier zerschmettert wurde. Darin geht es um einen Postboten, der keine Kinder bekommen kann, sich aber ein kleines Mädchen klaut. Das Mädchen nennt ihn: böser Storch. Das als kleine Hintergrundinformation.

Ja, vielen Dank für deinen wohltuenden Kommentar! Du hast das ziemlich genau so gelesen, wie ich es geschrieben habe.

Beste Grüße
markus.


***


Hallo Friedl,

allen voran möchte ich sagen, dass ich es erfrischend finde, dass du bei dem Kopierspiel mitmachst. Wenn man bei dir Copy Paste drückt, entsteht zwangsläufig etwas vollkommen Unterschiedliches, und umgekehrt. Aber nun zurück zu Kind und Kindern. Du hast schon recht, wenn du sagst, dass es komisch wirkt, dass vom Plural gesprochen wird, wo noch gar kein Singular existiert. Auf der anderen Seite antwortet der dem Apfel Abgeneigte auch: Ich esse keine Äpfel, obwohl er im Moment nur den einen Apfel nicht essen wird. Hier klingt: Ich esse keinen Apfel äußerst seltsam, wie ich finde. Ich interpretiere deinen Fingerzeig nicht als Änderungsvorschlag, sondern als interessanten Hinweis.

Dass du das alles ganz anders erlebt und empfunden hast, mag sein und ich erlaube mir zu behaupten, das ist sogar sehr schön, weil sich ein werdender Vater lieber mit finanziellen Sorgen auseinandersetzen sollte, statt dem Ungeborenen Todeswünsche ins Leibe zu pusten. Ich habe noch nicht zur Überbevölkerung beigetragen, deswegen kann ich nur ausdrücklich auf den ersten Satz verweisen. Aus diesem Grund von solch einer Geschichte abzusehen, käme mir allerdings nicht in den Sinn. Zumal es ja geklappt zu haben scheint, wenn du schreibst:

Gleichwohl, solide von potentiellen Sorgen – ob begründet oder nicht – und der Unentschlossenheit des werdenden Vaters erzählt.

„trotz“ ruft nach dem Genitiv …
Ich höre den Ruf, es ist fast ein Schrei, aber irgendwas tief in mir drin sagt, dass das auch so geht. Und dabei vertraue ich deinem grammatikalischen Wissen mehr als meinem. Ich lese da noch einmal nach. „trotz Schwimmbads den gesamten Sommer über“ klingt mir jedoch auch befremdlich. Vielleicht liegt es daran, dass ich „Schwimmbad den gesamten Sommer über“ wie eine Krankheit verwende, also als ein Wort und wenn ich schriebe „blasse Haut trotz Sonnenallergie“ steht da doch auch kein Genitiv. Vermutlich ist das, was in meinem Kopf passiert, und das, was auf dem Papier steht, nicht deckungsgleich.

Den anderen trivialen Fehler habe ich beschämt beseitigt.

Danke fürs Lesen, Vorbeischauen- und hören!

Beste Grüße
markus.

PS:

Dass der erste Kommentar unseres biologischen Geschlechtes ein ungehobelter Klotz ist, sehe ich eher als zufällig an.
Ich nicht! :)


***


Weiß der Teufel, was sich die Evolution dabei gedacht hat.

Hallo ernst,

bei den ersten beiden Absätzen saß ich da und habe genickt und geschrieen, naja, eigentlich war es eher ein Murmeln: „Ja, verdammt, das ist es!“ Spätestens seit ich Erich Fromm gelesen habe und weiß, dass es fatal ist, wenn Eltern den Sinn des Lebens in ihren Kindern sehen, weil sie davor ja irgendwie keinen gehabt haben können, wenn sie nicht ihr Leben lieben, sondern nur jenes ihrer Kinder, wie soll das Kind jemals das eigene Leben lieben. Das alles führt zur banalen Erkenntnis, die du so schonungslos unter meine Geschichte gepappt (!) hast: Im Grunde dient alles der Fortpflanzung. Aber ich weiß nicht, ob das wirklich so ist, oder ob vieles einfach der Fortpflanzung dient, weil die Fortpflanzung der Vergänglichkeit ein Schnippchen schlägt und die Voraussetzung für etwas ganz und gar anderes ist. All diese Gedanken hätte ich in die Geschichte packen können und wollen, aber ich hab mich dagegen entschieden, weil es mir um den „Gefühlskuddelmuddel“ ging, den du ja als nachvollziehbar gezeichnet empfindest. Die Gründe sind nicht vorrangig, weil jeder die eignenen kennt oder hat oder hatte, oder mögliche andere vermuten kann. Kurz: Jeder kann erst einmal seine eigenen Bedenken reinprojizieren.

Sprachlich hab ich kaum was auszusetzen. Du weißt ja, dass ich deine Art zu schreiben wirklich mag, markus. Wie bei allen deinen Texten spüre ich auch hier, wie sehr du dich um die Sprache bemühst, um neue Sprachbilder, um die Verwendung eindrücklicher Worte und Formulierungen. Selten lese ich bei dir einen Satz, wo ich mir denk, na ja, den hat er jetzt halt einfach so hingeschrieben. Ja, deinen ungemein bewussten Umgang mit der Sprache mag ich einfach.
Was du über meine Sprache sagst, freut mich, wenngleich ich weiß, wie du zu meiner Schreibe stehst. Es könnte ja durchaus sein, dass ich bei einer Geschichte einmal einbreche und die Linie nicht verfolge.

Dass du in dem Streben um originelle Sprachbilder für mein Gefühl bisweilen übers Ziel schießt, ist wohl überwiegend Sache persönlichen Geschmacks (bzw. deines jugendlichen Ungestüms).
Da musste ich schmunzeln und lachen und grinsen und das mehrmals in unterschiedlicher Reihenfolge. Es ist gewiss nicht dein persönlicher Geschmack, der dich an manch einer Formulierung stört, du bist ja auch kein Verfechter der schlichten, schnörkellosen Sprache. Du magst es nur nicht, wenn die Sprache sich vom Inhalt löst und niemandem sonst dient außer sich selbst. Schon mein Deutschlehrer hat mich gefragt, warum meine Frösche exorbitante Laute von sich geben und nicht einfach quaken. „Triff den Ochsen direkt auf die Stirn!“ und „Mit einfachen Worten Großes sagen!“ hat er Philosophen und andere Dichter zitiert, um mir klar zu machen, dass ich manchmal zu weit gehe. Du musst mich korrigieren, falls ich das falsch einschätze, aber ich finde, ich reiße mich von Mal zu Mal mehr zusammen. Kill your darlings passt in der Geschichte auch besser als zu jeder anderen. Ich habe alle Hinweise eingesehen und geändert, beim Wein habe ich nicht nur die Zeit verbessert, sondern den Satz dann komplett gestrichen, dass sich die Röte des Blutes der des Weines angleicht, ist nicht nur too much, sondern auch medizinisch einfach falsch. Vielen Dank für die Palette an Fingerzeiger, auch weil du sie so nachvollziehbar herausgearbeitet hast. Das ist viel mehr wert als zu sagen: Das ist völliger Bullshit!

Bei einer Stelle widerspreche ich dir. Vehement sogar:

Das Wort pappen finde ich einfach unschön.
... küsse die Innenfläche meiner Hand und lege (drücke) sie auf Noras Bauch,
So gefiele es mir weit besser.
Ach, verdammt, jetzt habe ich mir die Definition vom Duden zurecht gelegt und wollte dir zeigen, dass „pappen“ das genau richtige Wort ist … Klar, es bezeichnet ja genau das, was er mit dem Kuss macht, aber – und das ist auch das, was dich stört – es passt nicht zum Moment. So wie bernadette gesagt hat, Leben klingt nach Zeugenschutzprogramm, ist pappen hier – zu mechanisch!? Auch diese Stelle habe ich noch geändert. Hab auch noch einiges andere reduziert.

Zu einem anderen Vorschlag noch eine Erklärung:

Denk noch mal drüber nach, markus, ob herzlich hier wirklich das treffendste Wort ist. Ich mein, sie hat ihm gerade von ihrem schrecklichen Alptraum erzählt, da stelle ich sie mir schutzbedürftig, durcheinander, anlehnungsbedürftig vor. Also da passt mir herzlich einfach nicht.
Allen voran: ich habe das herzlich gestrichen. Aber ich muss dich darauf aufmerksam machen, dass die Umarmung sich auf den Moment nach dem Tanzen bezieht. Wenn du dir die Zeiten anschaust, wirst du nicken und dann würde das herzlich eigentlich schon passen. Das ist sogar noch krasser, weil sie ihn verliebt und vorfreudig umarmt und er die Gesamtsituation immer noch beschissen findet. Das ist zerstörend. Nichstdestotrotz töte ich Adjektive gern, wenn sie nicht wirklich treffend sind.

Dass der Text keiner streng linearen Chronologie folgt, ist mir zwar aufgefallen, aber mich hat das ehrlich gesagt überhaupt nicht gestört. Gerade dieses episodenhafte, sprunghafte Erzählen des Prot schien mir ganz gut zu seiner Verfasstheit zu passen, zu seiner Aufgewühltheit, zu seinen ambivalenten Gefühlen. Und was jetzt genau in der wievielten Schwangerschaftswoche passierte, war mir eigentlich egal.
Das wollte ich dir jetzt noch schnell sagen.
Genial, dass du diese Kritik noch einmal aufgegriffen und mir deine Meinung dazu gegeben hast. Das war mir wichtig. Allerdings scheinst du – mit Bezug auf die herzliche Umarmung – zumindest einmal durcheinander gekommen zu sein. Aber es stimmt, so wie du das schreibst, habe ich das mir gedacht.

So, bald kann ich mich über deine Verwirrung meines Textes auslassen: Sei gespannt!

Vielen Dank für deinen ausführlichen, erhellenden, schmeichelnden und an den richtigen Stelle mahnenden Kommentar! Hat mir wie immer viel gebracht!

Beste Grüße
markus.


Euch allen Frohe Ostern und so!

 

Hey Marcus,

jetzt aber! Ich fühle mich so mies Dich so lang warten gelassen zu haben. Und nicht nur Dich. Aber Dich vor allem, weil es ja die Copy zu meiner Geschichte ist. Aber ich hätte gern einen 27 Stunden Tag, aber mein flehen und betteln bleibt scheinbar ungehört. Und dann sind da ja noch die anderen Copys ... oh je, oh weh! Genug geweint, jetzt Text.

Ich finde den Ansatz so toll. Ich finde das Thema spannend. Schönes, real-life-Dilemma. Na gut, dass Thema ist ja von mir, muss mir ja gefallen. Aber Du nimmst es ernst, was bei mir nicht der Fall war, Du behandelst es mit dem gebotenen Ernst und ich danke dir dafür.

Dabei ist es nicht die Angst, ein Scheißvater zu sein. Ein Teil meiner Gedanken wird für immer diesem Kind gehören. Und das will ich nicht. Noch nicht.

Den Anfang finde ich ja gut, mit den ganzen Mißhandlungen, diesen Alpträumen, die ihn da verfolgen und quälen und dann auch den Bogen dahin zu ziehen, woher sie kommen, was deren Ursache ist. Sprich, den Einstieg ins Thema finde ich schon clever gewählt. Aber ich versteh die Erklärung nicht. Vielleicht fehlt mir da was. Er hat nicht Angst davor, Vater zu sein. Er hat Angst davor, dass er an das Kind denkt? Das tut er doch aber genau in diesem Augenblick. Irgendwas kriege ich da nicht logisch zueinander. Ich glaub, ich brauch das dicker, deutlicher, um nicht fünf mal drüberlesen zu müssen. So was wie: Ich denk nur noch an das Kind und das kotzt mich an. Er hat ja nicht Angst davor an das Kind zu denken. Er hat eine Wut drauf, weil er es tut. Weil es ihn dominiert.

Seitdem sie von der Schwangerschaft weiß, betrachtet sie sich mehrmals am Tag und sie mag sich genauso, wie sie ist.
„Da bin ja jetzt nicht nur ich“, sagt sie.

Nice!
Wie wohltuend ein Unfall wäre, der alles zum Stillstand bringen würde. Eine technische Panne ohne Verletzte für eine Viertelstunde oder so. Das bräuchte ich jetzt.

Okay. Ich erkenne eindeutig die Vorlage. Aber wie so braucht er da jetzt einen Unfall? Ich versteh es schon wieder nicht. *heul*

Der feurige Abdruck der Sonne verschwindet beim Blinzeln nicht. Für eine Studie habe ich Samen gespendet. Ich wollte das Ergebnis nie wissen. Meine Männlichkeit hätte darunter gelitten, klar, aber das war nicht ausschlaggebend gewesen damals. Hätten die mir gesagt, dass ich unfruchtbar bin, hätte ich das meiner damaligen Freundin sagen müssen.
„Du, mit mir wirst du niemals Kinder haben.“ Ich wollte aber sagen: „Ich will keine Kinder. Nicht jetzt. Irgendwann, ja. Vielleicht irgendwann.“ Ich stelle mir vor, dass ich dort anrufe. Dass die mir sagen, dass ich unmöglich der Vater sein kann. Ein tröstender Gedanke, der verdammt weh tut.

Stark. Hat mir gefallen. Nicht nur der Satz, sondern die Idee als solche.

„Warum ich den Test gemacht habe, kann ich dir nicht sagen. Es war so ein Gefühl. Etwas war anders. Wenn ich krank werde, spüre ich das meistens eine Woche vorher. So war das auch. Nur andersrum. Ich hatte das Gefühl, dass bald etwas Abgefahrenes passiert. Eine unbestimmte Vorfreude.“

Zu wem sagt er das? Und warum sagt er es? Meno!

Wir bestellen Pizza. Danach wollen wir einen Film schauen. So wie früher. Dass es nie wieder so sein wird, macht mich kaputt. Nora gefallen andere Filme. Sie lacht über Dinge, über die sie sich vor ein paar Monaten noch lustig gemacht hat. Außerdem hat sie ein starkes Interesse für das Making-Of entwickelt.

Gekauft! Mag ich auch.

Der Kuss schmeckt nach einer Mischung aus Gericht zweiundsechzig und fünfundvierzig.

:lol:

Bitte lass es sterben, dachte ich. Ich hasste mich für diesen Gedanken, aber ich hörte nicht auf, ihn zu denken.

Für mich der Satz der Geschichte überhaupt. Schön das Du dich getraut hast! Jawohl! Wenn man sich ein Thema nimmt, in dem das eigene Denken im krassen Widerspruch zu den gesellschaftlichen Konventionen steht, dann bitte darf man dieses Denken auch nicht gesellschaftlich konform gestalten. Und dann müssen da eben auch solche Gedanken benannt werden. Ich habe von Anfang an genau darauf gewartet. Wann traut er sich ...

Ich war enttäuscht.

Und gleich noch mal. Gefällt mir, wenn Du mutiger wirst :).

Oh. Du hast das Ende gekürzt, oder? Das war doch mal anders. Ist jetzt so Luftleer irgendwie. Aber passt schon.

Wenn ich dem Text jetzt eines vorwerfen könnte, dann, dass er doch bitte, bitte - länger doller mehr wäre. Das ist schon mehr Speisekarte, als das Essen selbst. Und ich habe Lust, hier mindestens drei Gänge zu bestellen und den ganzen Abend zu verbringen. Ist Copywrite. Ist vielleicht nicht unbedingt ein Thema, was Dir auf der Seele brannte, aber Du hast da ein Potential angekratzt ... ich habe das selbst nie gesehen vorher. Und vielleicht hast Du auch gar nicht viel Zeit gehabt. Ist schon eine gute Copy, finde ich, aber ich kann die Geschichte nicht losgelöst vom Original lesen. Ich sehe da immerzu Parallelen. Auf jeden Fall würde ich aber gern die Geschichte lesen, wenn da mit Lust und Zeit eine richtige Glass-Geschichte draus wachsen würde. Muss aber auch nicht sein. Ist nur das, was die Geschichte mit mir macht.

Ich bedanke mich!
Liebe Grüße, Fliege

 

Liebe Fliege,

nur kurz: das Warten auf deinen Kommentar hat mich nicht gequält, sondern in einer freudigen Erwartung gehalten.

Wer weiß, was sich die Glücksfee dabei denkt, wenn sie mich zwei Mal an deinen Geschichten rumbasteln lässt. Deine Figuren sind überwiegend lieb. Das mag ich. Aber ich mag auch das Böse im Lieben, oder anders ausgedrückt: die bösen Gedanken in einer Liebe. Nachdem ich deine Geschichten durchforstet habe, schien mir diese dafür besonders geeignet. Wenn du am Ende schreibst, dass hier mit wenig Lust und Zeit gearbeitet wurde, tut mir das zu zwei Dritteln weh. Klar, ich hatte kaum Zeit, das stimmt schon, aber ich mache bei dem Spiel nicht vordergründig aus Lustlosigkeit mit, ich weiß, dass du das so nicht gemeint hast, aber dennoch möchte ich nicht verschweigen, dass es von der Geschichte drei Fassungen gibt, eine mit Happy End, wo er nur darüber nachdenkt, dass Kind aus ihrem Bauch zu schneiden, weil er es nicht mehr erwarten kann, eines das blöd endet, und zwar mit dem Tod des Kindes, weil die Gedanken des sich sträubenden Vaters mächtiger sind als die naive Freude seiner Freundin, und ich habe da viel rumgeschrieben, mehr als ein Dutzend Absätze gestrichen und am Ende habe ich es auf dieses Fragment reduzieren können.

Länger – doller – mehr: freilich würde eine Erzählung, die die Beziehung und die Unmöglichkeit aus der Liebe auszubrechen, mehr beleuchtet und die Entwicklung feiner zeichnet, krasser wirken. Vielleicht kommt das eines Tages. Vielleicht auch, nachdem ich Vater geworden bin. Aber es ist eben ein Copy und obwohl du dich – wie du beim letzten Mal gesagt hast – als denkbar ungeeignetste Kommentatorin siehst, bist du im Grunde die beste, weil du deine Geschichte ja vom Gefühl her in dir trägst und das hiermit abgleichen kannst.

Schön, dass dir bestimmte Formulierungen direkt ins Auge gefallen sind. Den Geschmack des Kusses, beispielsweise, habe ich – wie du gewiss erkannt hast - extra für dich komponiert. Lustig finde ich, dass bisher niemand die Änderung der Namen angesprochen hat. Spätestens du, so dachte ich, sagst etwas dazu.

Einige andere Dinge möchte ich aufklären:

Er hat Angst davor, dass er an das Kind denkt? Das tut er doch aber genau in diesem Augenblick. Irgendwas kriege ich da nicht logisch zueinander. Ich glaub, ich brauch das dicker, deutlicher, um nicht fünf mal drüberlesen zu müssen. So was wie: Ich denk nur noch an das Kind und das kotzt mich an. Er hat ja nicht Angst davor an das Kind zu denken. Er hat eine Wut drauf, weil er es tut. Weil es ihn dominiert.
Er ist nicht wütend, weil er jetzt über das Kind nachdenkt. Wut ist nicht das stärkste Gefühl in ihm. Ich schreibe: Er hat keine Angst, ein Scheißvater zu sein, sprich, er würde es sich zutrauen, er will es nur noch nicht und dann nenne ich den einzigen Grund, anderswertige Argumentation lasse ich vollkommen im Unklaren: Wenn das Kind erst einmal da ist, wird es immer einen Teil seiner Gedanken beanspruchen. Ihm geht es nicht darum, dass es jetzt nur um das Kind geht, sondern darum, dass es später immer ein bisschen um das Kind geht. Das ist SEIN Grund. Einige Freunde haben mir gesagt, das ist doch kein Grund, aber ich wollte das gar nicht so sehr ausführen, da schwingt sehr viel mit, übrigens auch das, was ich mit ernst offshore weiter oben über Lebenssinn usw. besprochen habe.

Okay. Ich erkenne eindeutig die Vorlage. Aber wie so braucht er da jetzt einen Unfall? Ich versteh es schon wieder nicht. *heul*
Es stimmt, es ist zu 60% die Vorlage. Die anderen 40%: Er hat das Gewinnspiel *zwinker* gewonnen, hat eine fette Packung Windeln im Flur stehen, und er weiß, dass es etwas Gutes ist, kann sich aber nicht freuen, seine Freundin liebt ihn, er liebt sie, sie freut sich auf das Kind und er findet alles scheiße, das macht ihn fertig und deswegen flüchtet er auf den Balkon und wünscht sich irgendetwas, das ihn ablenkt von diesen Gedanken. Dass die Welt einfach mal Still steht. Es ist auch etwas, was ich aus einem Roman mitgenommen habe. Das Leben der Wünsche von Thomas Glavinic. Aber vielleicht schreibe ich einfach, dass ein Unfall passiert und er es gut findet?

Zu wem sagt er das? Und warum sagt er es? Meno!
Das sagt tatsächlich Nora … Ohje … Ist das echt so missverständlich? Ich habe keine lineare Struktur drin, das stimmt schon, da sind Missverständnisse immer vorprogrammiert, aber bisher hat sich daran keiner gestört. Vielleicht schreibe ich „Schwangerschaftstest“ – dann ist es eindeutig.

Oh. Du hast das Ende gekürzt, oder? Das war doch mal anders. Ist jetzt so Luftleer irgendwie. Aber passt schon.
Ja, das ist kurz vor der Veröffentlichung entstanden und war gefüllt mit nichtssagenden Fragen, deswegen habe ich das rausgenommen.

Es hat mich gefreut, dass du einzelne Formulierungen und Gedanken hervorgehoben hast. Vor allem die Szene vor dem Spiegel, da dachte ich mir, das könnte dir gefallen. Die Samenspendergedanken - da hätte ich nicht gedacht, dass du den Gang der Gedanken stark findest. Umso besser! Dass du den hässlichen Gedanken – lass es sterben – auch gut findest, zeigt einmal mehr, dass das Böse in dir auch aufzutauen beginnt, das sieht man auch in deinen Kommentaren von dir zu anderen Geschichten.

Wenn du gerne sehen möchtest, wie daraus „eine richtige Glass-Geschichte erwächst“, verstehe ich das als Kompliment! Abgesehen davon, dass du niemals ein Copy von mir losgelöst von deinem Original lesen wirst, hoffe ich, dass ich dir nicht so nah dran war wie beim letzten Mal!

Vielen Dank für deinen Kommentar und das Original!

Beste Grüße
markus.

 

Wenn du am Ende schreibst, dass hier mit wenig Lust und Zeit gearbeitet wurde, tut mir das zu zwei Dritteln weh. Klar, ich hatte kaum Zeit, das stimmt schon, aber ich mache bei dem Spiel nicht vordergründig aus Lustlosigkeit mit, ich weiß, dass du das so nicht gemeint hast,

Anscheinend nicht. Totales Mißverständis! Ich liebe diese Copy. und zwar so sehr, dass ich sie gern länger, doller, mehr gehabt hätte. Ganz so:

Wenn du gerne sehen möchtest, wie daraus „eine richtige Glass-Geschichte erwächst“, verstehe ich das als Kompliment!

Und die Namen sind mir natürlich aufgefallen, aber sollte ich mir darüber echt Gedanken machen?

Das mit dem Unfall macht Sinn, wenn Du das so sagst, vielleicht brauche ich es einfach nur einen Ticken deutlicher, damit mir das auch aufgeht. Vielleicht bin ich aber die einzige, der da auf den Kopf gehauen wurde, von daher, muss es vielleicht auch nicht sein.

Und ja, ich habe den literarischen Wert des Bösen erkannt, oder vielmehr, die Möglichkeiten, die sich einen dadurch öffnen. Und ich liebe es!

Liebe Grüße und gar nicht traurig sein. Gibt gar kein Grund dafür!

 

Hallo Markus,

du fieses Gerät! :D

Das ist ein wunderschöner, böser, bissiger Text. Ihn noch polieren täte ihm gut. Eine Formulierungen; schlaksig und staksen in einem Satz, dann das "Storchenhafte", die würde ich persönlich überdenken, aber du warst auch in Eile.

Bester Satz: Wie wohltuend ein Unfall wäre, der alles zum Stillstand bringen würde.
Der ist so Trainspotting-mässig, total grenzwertig, und dann so halb relativierend, dass man denkt, so schlimm ist es ja nicht, aber dann zwei Zeilen weiter ... Moooment!

Auch diese Kongruenz, dass sie sich jetzt für Making Ofs interessiert, das ist gut gemacht, ich finde das auch auf eine seltsame Art und Weise logisch.

Das Ende, meine Fresse, das ist ein Tritt. Aber ich denke: So ist es. So wird gedacht und gefühlt, und die Erziehung ermöglicht es uns, dann doch miteinander umzugehen, sich zu verhalten.

Ich finde den Text, auch ohne das Copywrite, ganz für sich, sehr gut.

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Fliege,

danke, dass du das noch einmal auseinander geklaubt hast. Vermutlich habe ich deinen Kommentar anders verstehen wollen. Dass dir das Copy nämlich so gut gefallen hat, konnte ich nicht rauslesen.

Und die Namen sind mir natürlich aufgefallen, aber sollte ich mir darüber echt Gedanken machen?
Nein, Gedanken sollst du dir keine darüber machen, ich dachte nur, dass irgendjemand sagt, hey, das sind ja die falschen Namen, aber das zeigt mir, dass ihr ähnlich denkt wie ich: Namen sind im Grunde Schnurz. Das stimmt nur zum Teil, aber ob jemand jetzt Thomas oder Martin oder Nils oder Norman heißt, das hat, denke ich, ziemlich wenig Einfluss. Bei Kevin oder Abbdullah sieht das hier in Deutschland schon wieder anders aus. Oder bei Kunstnamen, also wenn der Name etwas transportiert.

Ansonst, danke für deine erneute Rückmeldung! Ein bisschen von der Essenz deiner Texte werde ich jetzt für die nächsten Jahre mit mir rumschleppen nach dem Copy-Trauma!

Beste Grüße
markus.

***

Hey jimmy,

vielen Dank für deinen Kommentar und die drei Adjektive: wunderschön, böse, bissig. Wenn das alle Leser so empfinden, hätte ich viel gewonnen. Denn: genau so will ich schreiben. Auch wie du den Wunsch-Unfall liest:

Der ist so Trainspotting-mässig, total grenzwertig, und dann so halb relativierend, dass man denkt, so schlimm ist es ja nicht, aber dann zwei Zeilen weiter ... Moooment!
Genial, dass du mir dein Leseerlebnis so unverblümt mitteilst. Und dass du den leisen Hinweis begriffen hast. Bei dem Making-Of sehe ich das wie du, es ist tatsächlich auf eine "seltsame Art und Weise logisch".

ihn noch polieren täte ihm gut. Eine Formulierungen; schlaksig und staksen in einem Satz, dann das "Storchenhafte", die würde ich persönlich überdenken, aber du warst auch in Eile.
Hm, gewiss war ich in Eile, aber die Storchenszene, die Worte darin habe ich schon bewusst und in Ruhe ausgewählt, überstürzt waren eher die letzten Abschnitte. Ich verstehe, dass es überfrachtet wirkt, das schlaksig und staksen und Storchenhaft, aber wenn du noch andere Stellen im Kopf hast, wäre es sehr hilfreich, wenn du da bloß grob drauf zeigen würdest. Denn für mein eigenes Empfinden habe ich größtenteils eine sehr reduzierte Sprache verwendet. Angesichts der übereifrigen Formulierungen, die ab und zu hervorstechen, wirkt diese Behauptung lächerlich oder in die falsche Richtung weisend. Jedenfalls: Ich bin bereit, das Poliertuch zu zücken und den Speichel zwischen die Zeilen fließen zu lassen, wenn ich nur wüsste: wo. Also ich weiß nicht, ob du den Einwand nur auf die Storchenszene oder den gesamten Text bezogen hast.

Ansonsten: Vielen Dank für deinen Kommentar, ich fühle mich verstanden und geschmeichelt! (Und ein bisschen (im positivstem Sinne) vor den Kopf gestoßen wegen der Sprache.)

Beste Grüße
markus.

 

Wow, das ist schon ein krasser Text. Der hat mich echt mitgenommen. Liegt zum großen Teil daran, dass du mein zentrales Lebensthema triffst im Augenblick. Aber das würde natürlich nix bringen, wenn der Text nicht so verdammt gut geschrieben wäre. Und das ist er. Beklemmend dicht und intensiv. Ich will nicht sagen, dass ich die gleichen Gedanken habe, mit denen sich dein Prot plagt, aber diese Zweifel, die Überforderung und die damit einhergehenden »Visionen«, die hast du erschreckend nachvollzieh- und erlebbar eingefangen.
Das geht in einem Rutsch durch, ich müsste eigentlich jede Szene benennen, jede für sich ist stark. Angefangen bei dem Traum, über den Gewinn bis hin zum Schock im Krankenhaus. Das ist schon beklemmend. Gerade, weil eben so alltäglich und normal. Im einen Augenblick so und im nächsten ist alles anders. Alles.
Nicht das, womit man hausieren geht, in meinen Augen auch sehr mutig, dieser schonungslose Einblick. In mir triggert es auf jeden Fall eine ganze Menge. Ich habe über die Tage siet ich sie gelesen habe, noch häufig daran denken müssen.
Die Geschichte ist in meinen Augen absolut rund geschrieben, aber zum Ende hin kommen meine zwei Lieblingssätze:
»Allein der Geruch von Krankenhaus taute ein Unwohlsein in mir auf.«
brrr, da habe ich sofort den Geruch in der Nase und das »Auftauen«, das ist echt fies. Wieder ein Paradebeispiel für die Macht des richtigen Verbes.

»Ich sterbe und niemand merkt’s“, sagte sie. «
Boah, das ist so krass. Ich stell mir vor, wie das wohl so ist, da an diesem Ort des gefühlten Grauens zu warten und dann diese »Geisterstimme« zu hören. Gänsehaut. Lynch-Feeling

Joa, zur Geschichte als Copy, da wurde ja schon einiges gesagt zu. Also ich sehe das ganz entspant. Das Reizvolle an diesem »Spiel« ist doch, dass alles erlaubt ist. Zu viel vom Original oder zu wenig davon ... Pfff, also für mich muss eine stimmige Geschichte bei rauskommen. Und das ist hier in jedem Fall gelungen. Zumindest für mich.
In der Ursprungsversion ging s aber noch weiter, oder? Ich weiß nicht mehr, was da noch kam oder überhaupt (?) aber in meiner Wahrnehmung war das Teil etwas länger. Kann nicht sagen, was ich besser finde oder fand. Beim ersten Lesen hat es mich mitgenommen und beim zweiten Mal auch. Dieses Ende hier ist auf jeden Fall krass. Mit dem Ausschaben, das ist schon ein wortwörtlich heftiger »cut«.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo weltenläufer,

ich habe mich wahnsinnig über deinen Kommentar gefreut! Es ist wichtig für mich zu sehen, dass es bei jemandem, der sich in dieser oder einer ähnlichen Situation befindet, genau das triggert, was ich mir gewünscht hatte. Freilich ist es nicht erstrebenswert, seinen Mitmenschen dunkle Gedanken in den Kopf zu setzen, aber ich denke, dass diese dunklen Gedanken in jedem verborgen sind, zumindest bei einem Großteil der Menschen. Diese möchte ich erforschen und dann aussprechen. Dazu muss man nicht einmal die gleichen Gedanken haben. Ich glaube, dass ich im Falle einer bevorstehenden, mehr oder weniger ungewollten Schwangerschaft, nicht solche Gedanken haben werde, vielleicht kommen sie mir in den Kopf, aber eher unterschwellig, sie würden mich nicht beherrschen. So wie jetzt alles ist, kann ich mir nicht vorstellen, Vater zu werden. Das war die Triebfeder des Textes. Dass dabei eine „erschreckend nachvollzieh- und erlebbar[e]“ Geschichte geworden ist, freut mich außerordentlich.

Beklemmend dicht und intensiv.
Fliege hat sich ja mehr gewünscht, eine ausführlichere, längere Variante und ich denke, dass du hier von deinen Lebensumständen „profitierst“, du hast die Gefühle, die ich bei anderen Lesern nur in einer längeren Erzählung heraufbeschwören könnte, gerade sehr präsent und deswegen wirkt sie vermutlich auf dich derart mächtig.

Das Reizvolle an diesem »Spiel« ist doch, dass alles erlaubt ist. Zu viel vom Original oder zu wenig davon ... Pfff, also für mich muss eine stimmige Geschichte bei rauskommen. Und das ist hier in jedem Fall gelungen. Zumindest für mich.
In der Ursprungsversion ging s aber noch weiter, oder? Ich weiß nicht mehr, was da noch kam oder überhaupt (?) aber in meiner Wahrnehmung war das Teil etwas länger.
Ich stimme dir da zu, wobei ich finde, dass ein anderer Reiz des Spiels ist, selbst die richtige Balance zwischen zu nah dran oder zu weit vom Original entfernt zu finden. Schreibe ich bloß ab oder gebrauche ich die Geschichte als Inspiration für eine neue, eigene Erzählung? Ich finde die Mischung interessant und die ist auch stets mein Ziel.
Zur Ursprungsversion: Ich hatte das Gefühl, Flieges Original weiterzuerzählen, ich glaube, bei Fliege ist der Zeitrahmen sehr viel kleiner. Weiter als die Offenbarung der Schwangerschaft reicht bei keinem von uns die Vergangenheit, aber ich spule noch etwas nach vorne in meinem Text, z.B. ist bei Flieges Text vom Gewinnspiel die Rede, aber nicht davon, dass die beiden das Gewinnspiel und die Jahresration gewinnen.

Über das Rauspicken deiner Lieblingssätze habe ich mich sehr gefreut. Andernorts im Forum wird ja wild darüber diskutiert, ob im Kommentar nur der Text als Ganzes kommentiert werden soll oder ob es auch okay ist, einzelne Sätze herauszutrennen und gesondert zu betrachten. Ich finde, das ist mehr als okay, weil sich selbst in einer ordentlichen Kette schwache Glieder verbergen können. Deswegen war ich beruhigt, dass du den „Lynch-Moment“, wie du ihn nennst, so empfunden hast, wie du ihn empfunden hast.

»Allein der Geruch von Krankenhaus taute ein Unwohlsein in mir auf.«
brrr, da habe ich sofort den Geruch in der Nase und das »Auftauen«, das ist echt fies. Wieder ein Paradebeispiel für die Macht des richtigen Verbes.
Und auch das.

Mit dem Ausschaben, das ist schon ein wortwörtlich heftiger »cut«.
Herzlichen Dank, weltenläufer, für deinen krassen Kommentar! Ich wiederhole hier nicht nur deine Wortwahl. Ob du es glaubst oder nicht, nach deinem Kommentar empfinde ich meine Geschichte selbst als dunkler und beklemmender. Dass mich ein Kommentar lächeln lässt oder ich am liebsten meine Geschichte löschen lassen würde, das kommt vor, aber dass sich meine Sicht auf die Geschichte noch einmal mehr als eine Nuance verändert, ist ausgesprochen selten. Danke dafür!

Beste Grüße
markus.

(PS: Und alles Gute!?)

 
Zuletzt bearbeitet:

So, neither last nor least, knüpfe ich mir auch noch Deine Kopie vor, lieber markus.

Etwas in ihrem Gesicht fehlt. Es ist jener Teil, an dem ich mich niemals sattsehen konnte.
Das ist fürch-ter-lich! Diese ganze Situation. Er ist darin gefangen, auch in seinem eigenen Anspruch ein anständiger Mensch zu sein, und unter ihm bröckelt alles weg. Es ist schon schlimm genug, wenn man in einer Zweierbeziehung merkt, dass einem die Liebe abhanden gekommen ist, so als wäre eine Münze in einen Gulli gerollt. Aber wenn da noch ein Kind mit drin hängt und man merkt schon von vorneherein, das stimmt nicht mehr, aber jetzt ist es zu spät, da sauber rauszukommen. Fürch-ter-lich! Macht mir Angst sowas. Ich kann nur hoffen, dass das eine Phase ist. So eine, wo etwas Winziges aus der Balance geraten ist und man sich selbst dabei zusieht, wie man in einen dunklen Strudel gerät, wo dann absolut gar nichts mehr stimmt. Manchmal wacht man am nächsten Morgen auf und alles ist wieder gut. Hoffe ich. Also gemeinsam mit Flieges Text sehe ich da so eine Dynamik aus Angst und Zuversicht drin, man weiß nicht, wo das Pendel stehenbleibt, ob es überhaupt je stehenbleiben wird. Bei Fliege ist erst Panik, dann verschnauft es kurz auf Beruhigung und Verschiebung auf später, dann geht es bei Dir mit Verzweiflung weiter, aber dabei muss es auch nicht bleiben. Der Blick auf das eigene Leben ist halt auch tagesformabhängig und er fürchtet sich ja prophylaktisch.
Vielleicht sollte ich das schreiben, nachdem ich Vater geworden bin.

Das ist natürlich ein heftiges Thema, aber auch so menschlich. Es gab ja gerade auch diese Welle von Bekenntnissen von Frauen, die es bereuen, Mutter geworden zu sein. Wahrscheinlich auch nicht jeden Tag, aber manchmal. Und wahrscheinlich ist es wichtig, auch die schlechten Tage aussprechen zu dürfen, um die guten wieder zu sehen.
Überhaupt Kinder. Sprießen um mich herum auch wie Pilze aus dem Boden im Moment. Eine Bekannte hatte ihr ganzes Lebensglück an die Mutterschaft gehängt. Mit Anfang 30 schon Panik und IVF und "sonst ist meine Existenz sinnlos"-Geheul. Dann hat sich das Baby doch ganz überraschend auf natürlichem Wege eingenistet, zwischen zwei künstlichen Befruchtungsslots. Großes Glück. Dann die ganze Schwangerschaft Kotzerei, jetzt Schreikind (ich würd auch schreien, wenn ich so nen bekloppten Namen hätte), Stillen klappt nicht (und das bei einer Eso-Hebamme) und die Mutter geht nach ein paar Wochen wieder arbeiten, weil sie es zuhause nicht erträgt. Was erzähl ich eigentlich? Ach so, ich glaub das Schlimmste, an dieser anstrengenden Situation ist dann tatsächlich das Glücksdiktat.

Deshalb finde ich den Text gut. Weil er diese bösen Gedanken mal ausspricht, so hart das auch ist. Hat doch bestimmt jeder, dass man sich manchmal ganz schlimme Sachen wünscht und sich dann vor sich selbst erschreckt. Diesen Kampf zwischen verbotenen Gefühlen und gesellschaftlich angemessenem Verhalten hast Du oft sehr gut auf den Punkt gebracht.

Ich hatte mich zusammengenommen, all meine Gefühle zusammengefaltet und daraus etwas gebastelt, das klang wie: „Ich werde mich nicht drücken.“

Aber so wie beim Radieren das Eigentliche verschwindet und bloß die bunten Fussel des Radiergummis übrig bleiben, war jenes Gespräch ausradiert und übertönt von den Nachwirkungen des Weins.
Wenn mich jemand nach meiner Lieblings-markus-Geschichte fragen würde, würde ich diese nicht nennen. Ich würde einen Text nennen, in dem man schwelgen und baden kann. Das ist dieser nicht. Das macht ihn aber nicht weniger gut, nur weniger typisch. Das ist alles recht nüchtern, auch sprachlich, und das gefällt mir. An manchen Stellen bricht das Poetische dann aber doch durch. Am besten und stimmigsten bei Noras rosa Wattebäuschchentraum, der einen perfekten Kontrast zur Finsternis im Inneren des Protagonisten bildet. Aber solche an sich schönen Radiergummi-Gleichnisse brechen mir zu grundlos und unvermittelt aus der Nüchternheit aus. Die stören mich. Aber ich kenn das auch. Wenn ich manchmal beschließe "es wird jetzt schlicht geschrieben", denk ich auch bei jedem Satz: "Ist das aber jetzt nicht zu fad? Sähe das mit etwas mehr Glitzerpulver nicht schicker aus?" Ich würd sagen, ohne sähe es hier tatsächlich besser aus. Viele Stellen sind es auch nicht. Den Storchenpostboten würd ich noch durchgehen lassen, weil der einfach verdammt cool ist.

„Ich hatte einen schrecklichen Alptraum. Irgendein Irrer hat mich ausgeschabt. Ich habe es tief in mir Kratzen gehört. Dann hat es aufgehört und etwas flutschte aus mir heraus. Er legte es mir auf die Brust und es war warm und nass und …“ Nora krallte die Fingernägel in meine Hand und setzte sich auf. „Ich kriege das Bild nicht aus dem Kopf. Mach, dass es weggeht.“
Da fragt sie ja gerade den richtigen. Das ist schon heftig, als habe sein Widerwille ihr den Fötus ausgeschabt. Extrem gruselig, auch wenn es natürlich Quatsch ist.

Dieser Text hat mich berührt, zwar auf ganz andere Weise als Deine anderen Texte, aber gerade das find ich ziemlich gut.

lg,
fiz

 

Hallo fiz,

ich mag, wie du den Text wahrgenommen hast.

Der Blick auf das eigene Leben ist halt auch tagesformabhängig und er fürchtet sich ja prophylaktisch.
Das ist ein kluger Satz. Deswegen verstehe ich auch nicht, wenn Menschen so verbissen auf eine Meinung bestehen, die sie vielleicht Jahre lang vertreten haben, aber jetzt nicht mehr gut finden, manche können die eigene Meinung nicht aktualisieren, auch wenn jemand in einem Streit oder einer tristen Stunde etwas Fieses sagt, etwas Unüberlegtes, das man dort nachtragend ist und dieses Bild nie wieder gegen ein neues austauscht, das man dem gar keine Chance gibt. Und so habe ich das auch in dem Text angelegt: Er sagt, er möchte keine Kinder: noch nicht. Und er sagt, wie du richtig erkannt hast, dass er jetzt so denkt, vielleicht – nachdem er Vater geworden ist – nicht mehr. Einstellung, Perspektive und Weltbild sind flüssig. Das muss man sich irgendwann eingestehen.

Das ist natürlich ein heftiges Thema, aber auch so menschlich. Es gab ja gerade auch diese Welle von Bekenntnissen von Frauen, die es bereuen, Mutter geworden zu sein. Wahrscheinlich auch nicht jeden Tag, aber manchmal. Und wahrscheinlich ist es wichtig, auch die schlechten Tage aussprechen zu dürfen, um die guten wieder zu sehen.
Dieser Kontrast ist notwendig, man muss ihn aber nicht ausleben, um ihn zu sehen, ich glaube, es geht auch ohne, aber sicher bin ich mir nicht. Fatal ist es jedenfalls, wenn man nicht ausspricht, was man fühlt, und im Grunde tut er genau das.

Überhaupt Kinder. Sprießen um mich herum auch wie Pilze aus dem Boden im Moment. Eine Bekannte hatte ihr ganzes Lebensglück an die Mutterschaft gehängt. Mit Anfang 30 schon Panik und IVF und "sonst ist meine Existenz sinnlos"-Geheul. Dann hat sich das Baby doch ganz überraschend auf natürlichem Wege eingenistet, zwischen zwei künstlichen Befruchtungsslots. Großes Glück. Dann die ganze Schwangerschaft Kotzerei, jetzt Schreikind (ich würd auch schreien, wenn ich so nen bekloppten Namen hätte), Stillen klappt nicht (und das bei einer Eso-Hebamme) und die Mutter geht nach ein paar Wochen wieder arbeiten, weil sie es zuhause nicht erträgt.
Du fragst dich, was du hier überhaupt erzählst, aber ich bin dir dankbar. Das ist – für sich – eine Geschichte, eine – wie ich finde – noch viel grausamere als Küssen und Zerreißen. Diese biologische Panik, das Glücksdiktat, wie du es treffend beschreibst, diese unnötige Verzweiflung, dieses Herbeisehnen, aber Nicht-wirklich-wollen, um dann auch noch zu flüchten, vor dem, was man sich herbeigewünscht hat. Du schreibst das mit den Worten der Abneigung und des Unverständnisses, aber selbst in neutralem Ton würde das vermutlich ähnliche Gefühle in mir auslösen. Da ist das Paar, das Sozialhilfe empfängt, und ein drittes Kind bekommt, um sich einen besseren TV leisten zu können, noch besser nachvollziehbar.

Deshalb finde ich den Text gut. Weil er diese bösen Gedanken mal ausspricht, so hart das auch ist. Hat doch bestimmt jeder, dass man sich manchmal ganz schlimme Sachen wünscht und sich dann vor sich selbst erschreckt.
Viele neben dir loben, dass es einmal offen gesagt wird, aber er sagt es ja nicht, er ist gefangen in der Umarmung. Ich fände es noch viel krasser, wenn er seiner Freundin ins Gesicht sagen würde: „Du, eigentlich wäre es mir auch recht, wenn das Kleine abkratzt. Ich bin mir einfach nicht so sicher gerade.“ Das ist nämlich einer der Sätze, die – entgegen dem, was ich oben gesagt habe – nachhaltigen Schaden zufügen können. Wenn man einmal so etwas sagt, kann man das nicht wieder ungeschehen machen und auch wenn dieser Konflikt an der Oberfläche beendet scheint, wirkt er in den Tiefen weiter, sie wird ein kaum fassbares Gefühl in sich tragen und ihm wird der Gedanke jedes Mal kommen, wenn er seine glückliche Tochter und seinen glücklichen Sohn sieht. Das wird er vielleicht auch so. Ich plane eine Fortsetzung der Geschichte, sobald ich Vater geworden bin. Da findet das Kind diese Geschichte und konfrontiert den Vater damit. Naja, wer weiß, wie lange das noch dauert. Es ist nämlich so: Ich kann mir das …

Es freut mich, dass du „Diesen Kampf zwischen verbotenen Gefühlen und gesellschaftlich angemessenem Verhalten“ als gut herausgearbeitet empfunden hast. Der Frage muss man sich auch zwangsläufig stellen. Was will ich und was wollen die anderen. Manchmal muss man das tun, was die anderen wollen, damit man das bekommt, was man will. Aber zu wissen: Ich will nicht so denken und die Gesellschaft sanktioniert so ein Denken, aber ich denke trotzdem so. Das stelle ich mir grausam vor.

Am besten und stimmigsten bei Noras rosa Wattebäuschchentraum, der einen perfekten Kontrast zur Finsternis im Inneren des Protagonisten bildet.
Schön, dass du das so empfindest. Insgesamt habe ich da sehr viel Träume drin, Nora spricht in der Geschichte eigentlich nur von Träumen, ich habe das bemerkt, aber dann angemessen gefunden, vielleicht ist das ihre Art der Verarbeitung.

Da fragt sie ja gerade den richtigen. Das ist schon heftig, als habe sein Widerwille ihr den Fötus ausgeschabt. Extrem gruselig, auch wenn es natürlich Quatsch ist.
Ein Grundgedanke der Geschichte war die selbstprophezeiende Erfüllung. Er will, dass das Kind stirbt, obwohl er es nicht will, und das Kind stirbt, ich habe das Prinzip nie so schonungslos verwirklicht gesehen wie bei Thomas Glavinic in Das Leben der Wünsche. Und wenn sie so etwas träumt, hat sie entweder Angst davor oder einen Teil in sich, der auch den Tod des Ungeborenen wünscht. Das Gruselige ist – in meinen Augen – kein Quatsch.

Aber solche an sich schönen Radiergummi-Gleichnisse brechen mir zu grundlos und unvermittelt aus der Nüchternheit aus. Die stören mich. Aber ich kenn das auch. Wenn ich manchmal beschließe "es wird jetzt schlicht geschrieben", denk ich auch bei jedem Satz: "Ist das aber jetzt nicht zu fad? Sähe das mit etwas mehr Glitzerpulver nicht schicker aus?" Ich würd sagen, ohne sähe es hier tatsächlich besser aus.
Ich stimme dir uneingeschränkt zu und es ist schön zu wissen, dass ich damit nicht alleine bin. Aber ich versichere dir: Ich habe über 500 Wörter Glitzerpulver rausgenommen! Es fällt mir jedes Mal verdammt schwer und ich finde, ich habe mich bei dieser Geschichte echt zusammengerissen, im Grunde müsste ich diesen Satz streichen, aber ich habe darüber nachgedacht – und man kann ja seinen Text immer verteidigen mit an den Haaren herbeigezogenen Interpretationen – aber, fuck, ich muss es streichen. Es ist so: ich finde den Satz schön, ich finde das Bild gut, ich mag den Klang, und ich mochte den Satz, als ich ihn geschrieben habe. Aber er passt dort sprachlich nicht hin, du hast recht. „Laut Nora soll ich zuvor an der Vaterschaft gezweifelt und nach der exakten Anwendung der Pille gefragt haben. Aber es war zu viel Wein an dem Abend. Ich kann mich daran nicht erinnern.“ Das fügt sich besser, lenkt nicht ab, aber ich frage mich, was will ich überhaupt mit meinem Schreiben? Ich will das ja nicht verkaufen, gelesen zu werden, ist ein schönes Gefühl, aber muss man dafür echt immer seine Darlings killen? Was ich aber vor allem will, ist: gute, stimmige Geschichten erzählen, Liebesgeschichten, die etwas über das Dunkle über uns verraten, und da komme ich damit klar, wenn man seine Zeilen ermordet, das ist ein höherer Grund, dem ich mich unterordnen kann. Aber mies ist es trotzdem.

Den Storchenpostboten würd ich noch durchgehen lassen, weil der einfach verdammt cool ist.
Das ist das Residuum einer Figur aus einer Geschichte, die hier komplett zerlegt wurde. Da geht es um ein kinderloses Ehepaar. Ein Querverweis von mir für mich sozusagen.

Dieser Text hat mich berührt, zwar auf ganz andere Weise als Deine anderen Texte, aber gerade das find ich ziemlich gut.
Vielen Dank, fiz! Ich habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut!

Beste Grüße
markus.

 

Nur kurz nochmal,

Viele neben dir loben, dass es einmal offen gesagt wird, aber er sagt es ja nicht, er ist gefangen in der Umarmung. Ich fände es noch viel krasser, wenn er seiner Freundin ins Gesicht sagen würde: „Du, eigentlich wäre es mir auch recht, wenn das Kleine abkratzt. Ich bin mir einfach nicht so sicher gerade.“ Das ist nämlich einer der Sätze, die – entgegen dem, was ich oben gesagt habe – nachhaltigen Schaden zufügen können. Wenn man einmal so etwas sagt, kann man das nicht wieder ungeschehen machen und auch wenn dieser Konflikt an der Oberfläche beendet scheint, wirkt er in den Tiefen weiter, sie wird ein kaum fassbares Gefühl in sich tragen und ihm wird der Gedanke jedes Mal kommen, wenn er seine glückliche Tochter und seinen glücklichen Sohn sieht.
Da hab ich mich vielleicht unklar ausgedrückt. Mit "er" meinte ich den Text, der das ausspricht, nicht den Protagonisten. Ich würd jetzt mal einfach spekulieren, dass die anderen das auch so meinten. Ansonsten stimme ich Dir zu. Gerade weil ich an dieses tagesformabhängige Glücks- bzw. Unglücksempfinden glaube, bin ich gar nicht so ein Verfechter gnadenloser Ehrlichkeit in jeder Sekunde. Eben weil sowas, wenn es einmal ausgesprochen ist, nie wieder ganz zurückgenommen werden kann, selbst wenn sich das Gefühl wieder geändert hat. Trotzdem glaub ich, dass das Aussprechen auch wichtig ist. Nur muss man sich dafür eben den richtigen Gesprächspartner aussuchen - beim Wunsch, der eigene Nachwuchs möge eine Fehlgeburt sein, eben besser einen Freund oder Therapeuten als den Partner oder später das Kind selbst.

Diese biologische Panik, das Glücksdiktat, wie du es treffend beschreibst, diese unnötige Verzweiflung, dieses Herbeisehnen, aber Nicht-wirklich-wollen, um dann auch noch zu flüchten, vor dem, was man sich herbeigewünscht hat. Du schreibst das mit den Worten der Abneigung und des Unverständnisses, aber selbst in neutralem Ton würde das vermutlich ähnliche Gefühle in mir auslösen.
Urks ja, beim nochmaligen Lesen klinge ich da wirklich ziemlich streng. Dabei tut es mir eigentlich echt leid für die Frau. Hab ich mich ein bisschen für geschämt, dass das so herablassend verurteilend klingt. :sealed:

lg,
fiz

 

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