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Der letzte Wähler

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30.03.2015
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Der letzte Wähler

Mein Name ist Arnolf von Dieling und in den kommenden Minuten werde ich – wieder einmal – über das Schicksal der Welt bestimmen. Mit einem Klick. Mit einem Kreuz. Mit einer Stimme. Der letzten Stimme, auf die sich die Geschicke der Welt stützen, seit die Weltregierung mehrheitlich beschlossen hat, dass 1 Stimme die vollkommene absolute Mehrheit darstellt und daher die demokratischste aller Wahlen ermöglicht.

Dass diese Entscheidung aus einer Not getroffen wurde, ist heutzutage vermutlich nur noch einigen wenigen Politikern und Historikern bekannt. Die Propaganda-Maschinen liefen jahrelang auf Hochtouren, um die Tatsache zu verschleiern, dass stetig sinkende Wahlbeteiligungen die globale Soziokratie zu zersetzen drohten. Aufgrund der konstanten omnimedialen Konsumbotschaften und politisierten “Nachrichten” wurde die Menschheit mehr und mehr ein Passiv, der auf die intelligente Steuerung und Selektion durch immer mächtigere Algorithmen vertraute. Einst, als ich noch Sozioanalyst bei einem der größten Technologie-Konzerne war, trug ich nicht unerheblich zur Schaffung und Gestaltung dieser Algorithmen bei. Vermutlich ist dies mit ein Grund, weshalb ich stets politisch aktiv blieb und meine Stimme abgab.

Ich kann mich noch an die Anfangszeit erinnern, als Wähler rar wurden und die Parteien die kläglichen Reste auf immer subtilere und personalisiertere Arten und Weisen in ihrer Meinungsbildung und Stimmabgabe manipulieren wollten. Als wir weltweit nur noch eine Handvoll waren, glich der Wahlkampf mehr einer Menschenjagd als einem politischen Prozess. Viele von uns gaben einfach auf und kapitulierten, um sich und ihre Freunde und Familie vor der immer brutaleren Hand der Demokratie zu schützen. Die Todesfälle, zu denen es aufgrund von Selbstmorden oder übereifriger Wahlhelfer kam, wurden entweder medial ausgeblendet oder ominösen antidemokratischen Terrororganisationen angekreidet.

Inzwischen bin ich allein. L’état c’est moi! Wie sehr wünschte ich, es wäre anders. Doch da ich mich ständig auf der Flucht befinde, meine Identität ständig neu erfinde und eine Untergrundbewegung in die Welt rufen musste, deren einziges Mitglied ich bin, habe ich keine Chance und keine Zeit, andere davon zu überzeugen, ihre Stimme zu erheben und auf die Schieflage des weltweiten Wahlsystems hinzuweisen. Das einzige, das mir bleibt, ist am Tag der Wahl durch technische Manipulationen meinen Aufenthaltsort zu verbergen und in der Zeit zwischen den Wahlen zu einem Schatten zu werden.

So viel hängt von mir ab. So viel wird stürzen, wenn ich meine Bürgerpflicht nicht mehr wahrnehmen kann. Einst wollte ich die Welt retten. Jetzt versuche ich nur noch, sie am Laufen zu halten. Doch auch meine Zeit geht zu Ende. Ich bin alt und die Jahrzehnte der Flucht haben ihre Spuren hinterlassen. Vermutlich wird es für mich keine nächste Wahl geben. Meine Hände zittern von Tag zu Tag mehr und wenn ich in den Spiegel blicke, sieht mich ein Mann an, dessen Mutter ihn wohl nicht mehr erkennen würde. Erkenne ich mich doch selbst kaum noch.

Vor mir erhellt das Display wie ein tröstendes Lagerfeuer die Nacht. Die hochauflösenden Flaggen der Parteien wehen im virtuellen Wind. Perfekt trainiertes Lächeln ziert die Gesichter der Video-Avas der Politiker als wären sie Eiskunstläufer. Euer Eis ist dünn, meine Freunde. Vermutlich wisst ihr gar nicht, wie dünn tatsächlich. So dünn wie ein Menschenleben, das durch die ständige Reibung, die eure Propaganda und Verfolgung in die Welt schleudert, stetig dünner wurde. Wenn mein Lebensfaden reißt, werdet auch ihr stürzen.

Mein Finger fällt. Meine Stimme zählt. Ein letztes Mal.
Lebt wohl und viel Glück.
Klick.

 

Hallo,

mich hat der Text nicht überzeugt. Es ist auch keine Kurzgeschichte, da fehlt es an allem, kein Dialog, keine Szene, keine Handlung, kein Protagonist. Das ist eine Nacherzählung. Alles was du im Text verortest, sollte für den Leser anhand des Plot nachzuvollziehen sein, die handelnden Personen sollten durch ihr Tun wirken, "durch den Text", das ist hier nicht der Fall.

Also, ich finde das auch sehr verkompliziert. Es geht darum, dass es nur noch einen Wähler gibt? Eine Weltregierung, die so mächtig wäre, würde die sich noch Demokratie nennen, etwas vorgaukeln müssen? Ich glaube kaum. Aber vielleicht habe ich da auch etwas missverstanden.

Mir ist das zu wenig Erzähltes, und viel zu viel Erklärung und Botschaft.

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo bildwortwolke,

und herzlich Willkommen im Forum.

Deine Botschaft ist klar und jimmysalaryman hat viele Punkte mit seiner Kritik schon aufgezeigt.

Die größte logische Schwachstelle, meiner Meinung nach, ist, dass der Protagonist ja noch von Wahlhelfern und Parteien bzw. deren Mitglieder bedrängt und gejagt wird. Die können ja aber auch selber abstimmen. Da sie den Protagonist zum Abstimmen überreden, haben diese selber ein Interesse abzustimmen und werden dies auch tun. Es ist also nicht so, dass er der Einzige ist. Damit fällt das Fundament deiner Geschichte zusammen.

Warum ist er eigentlich auf der Flucht? Wenn es niemand interessiert, dann interessiert es ja auch niemanden, ob er nun abgestimmt hat oder nicht.

Der letzten Stimme, auf die sich die Geschicke der Welt stützen, seit die Weltregierung mehrheitlich beschlossen hat, dass 1 Stimme die vollkommene absolute Mehrheit darstellt und daher die demokratischste aller Wahlen ermöglicht.

Der Inhalt hier ist eigentlich überhaupt nicht schlüssig. Eine Regierung beschließt durch Abstimmung (da nur mehrheitlich), dass eine Stimme (aus der Bevölkerung) die absolute Mehrheit darstellt. Warum ist das die demokratische aller Wahlen? Es schließt ja mal per se alle Wähler außer einen aus. Denn bei zwei Stimmen gibt es ein Problem. Und warum beschließt nur die Weltregierung über ein so wichtiges Gesetz und nicht die Bevölkerung? Damit ist schon klar gezeigt, dass die eine Stimme überhaupt keinen Einfluss hat. Erinnert mich ein bisschen daran, dass gewisse Regierungen ihre Kandidaten selber vorschlagen und die anderen verbieten.

Ich hoffe, ich konnte dir meine Überlegungen aufzeigen.

Aus dem Thema kann man aber garantiert eine tolle Geschichte schreiben. Bring ein bisschen mehr Pep rein.

Viele Grüße
Kroko

 

Hallo bilwortwolke,

Mir hat dein Tect gut gefallen.
Könnte ich mir sehr gut als den Anfang eines Scififilms bzw. -romans vorstellen, in dem der Protagonist vorgestellt wird.
Wäre schön, wenn es noch eine Fortsetzung gäbe.

Gruß, GoMusic

 

Hallo bildwortwolke!

Ich finde den Text sehr flüssig geschrieben und spannend zu lesen. Dass hier Dialoge fehlen finde ich überhaupt nicht schlimm, da hier die Gedanken der Hauptfigur in Monologform dargelegt werden und der Text dadurch lebendig wirkt.
Ich finde die Gesellschaft, wie du sie im Text beschreibst, völlig absurd und das ist das zweite, was mir sehr gefällt. Eine solche Gesellschaft, eine derart perverse Demokratie, können wir uns heute wahrscheinlich gar nicht wirklich vorstellen. Darum ist es nicht auf den ersten Blick klar, warum der Protagonist auf der Flucht ist. In den letzten Abschnitten wird es aber deutlicher und verständlicher.
Mach weiter so.

Grüsse,
kvgunten

 

Hallo bildwortwolke,

das erste was mir zu deinem Text eingefallen ist: die Story kenne ich
allerdings wenn ich mich richtig erinnere, nicht aus der Ich-Perspektive erzählt.
Sie ist von Isaac Asimov und handelt davon, dass die statistischen Hochrechnungen so weit fortgeschritten sind, dass aus einer einzigen Stimme das Wahlergebnis abgeleitet werden kann.

Aber in deiner Geschichte sind die Hintergründe ja andere... ich würde nur gern wissen, ob dich die Geschichte vielleicht zu deiner inspiriert hat?

Ich mag die Idee hinter deiner Erzählung.
Was mich noch ein wenig stört ist, dass du sehr viel nur beschreibst. Es wirkt ein bisschen auf mich wie ein Text aus einem Lehrbuch. Vor allem der 2. Absatz. Vielleicht kannst du das noch mehr so erzählen, wie es deine Figur erlebt hat?

lg
Little witch

 

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