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Über das Lernen

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01.04.2015
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Über das Lernen

wieder bin ich im Auto (mein heimliches Wohnzimmer) unterwegs. So richtig da bin ich nicht. Die Landschaft fliegt an mir vorbei und meine Gedanken fliegen auch. Von einer Geschichte zur nächsten und dann doch wieder zur Ursprungsgeschichte zurück. Es geht mir gut. Das ist eine Feststellung. Geht es mir wirklich gut? Ja, so im Großen und Ganzen. Nein es geht mir gut. Wieder einmal in einer Umbruchsituation. Wieder auf dem Weg etwas abzuschließen und etwas neues anzufangen. Das scheint wohl mein Gusto, mein Lauf der Dinge zu sein.

Jetzt habe ich doch schon eine Menge solcher Veränderungen hinter mir. Soviel Neues angefangen und gelernt. Sich gutes Wissen aufgebaut und manchmal auch schlichtweg vernichtet. Und nun wieder auf zu neuen Ufern. Ach ja, an welches Ufer schwimme ich denn? Ich habe beschlossen, ich werde Redner. Ja Vortragsredner! Oder besser gesagt Speaker. Na da habe ich mir ja was vorgenommen. Aha! Jetzt ist es erst einmal raus. Puh, wie fühlt sich das an? Na, wie wohl? Gut fühlt sich das an. Der Anfang ist gemacht. Eine Entscheidung getroffen. Ja und nu? Wie wird man Speaker? Eine spannende Frage. Bin ich überhaupt dafür geeignet? Ach ich bin doch nicht gut genug dafür! Das können andere besser. Viel besser. Darf ich das eigentlich dürfen? Komische Frage wirst du dir jetzt sagen. Fragen über Fragen. Und ich werd nicht schlau draus.

Aber fangen wir vorn an. Was heißt vorn? Na da wo ich mal angefangen habe zu arbeiten. Wann war das eigentlich? Ich weiß es noch wie heute. Am 27. Mai 1977. Also schon mehr als drei Tage her. Wie alt oder besser wie jung war ich da noch? 14. Noch 14. Ich hatte am 26.Mai 1977 meinen letzten Schultag und war so froh diesen Tag zu erleben. Endlich keine Schule mehr. Das war für mich der Horror. Ich war einfach faul und noch nicht reif genug (tolle Ausrede, solltest du auch in deinen Wortschatz aufnehmen) um zu begreifen, was das ganze Gelerne eigentlich soll. Nun hatte ich einen Hauptschulabschluss. Bitte schön aufgepasst; einen qualifizierten Hauptschulabschluss. Ja und was mache ich jetzt damit? Weitermachen und den Realschulabschluss anstreben? Nein! Für mich war von Anfang an klar: Ich packe heute meinen Koffer und nehme mit? Mein Sensibelchen, ein paar Klamotten und ansonsten nur mich. Wo geht’s denn eigentlich hin? Vom Harz in die Lüneburger Heide.

Wow. Für mich war’s die große weite Welt und Hauptsache weg von zu hause. Nein ehrlich, es war für mich ein riesiger Schritt raus aus dem Umfeld zuhause in eine andere Welt. Egal wie es wird, auf jeden Fall besser. Nun wurde ich am 27. Mai 1977 vom Bahnhof in Lüneburg abgeholt. Ein dicker Mann mit österreichischem Dialekt und einem Befehlston, der nichts an Widerspruch duldete, lud mich in seinen roten Ford Granada mit schwarzem Stoffdach. Er brachte mich so 20 Kilometer außerhalb von Lüneburg in einen Ort den sowieso keiner kennt. Auf einen Reiterhof. Es war der Wilhelmshof. Denn so hieß die Familie zu der ich gekommen bin.

Der Kneipenwirt in meinem zuhause im Harz begrüßte mich früher immer mit den Worten: hallo Herr Rittmeester. Na soll’s wieder mal Bier für den Vater sein? Ich wollte also Bereiter werden. Ja so ein Kerl der Pferde ausbildet und und auf Turnieren zum Erfolg reitet. So hatte ich es mir jedenfalls vorgestellt. Mein offizieller Ausbildungsberuf hieß also: Pferdewirt mit Schwerpunkt Reiten und Bereiten. Dafür habe ich geträumt und das wollte ich unbedingt werden. So saß ich jetzt tatsächlich jeden Tag auf den Pferden und habe daran gearbeitet für Deutschland zu reiten. Das war so meine naive Vorstellung, meine Träumerei. Für mich war das tatsächlich das Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde. Es hat mich einfach glücklich gemacht.

Dabei saß ich auf Haflingern, Trabern die zu Dressurpferden ausgebildet waren und durfte so bei der Besitzerin des Wilhelmshofes - ich nenne sie der Einfachheit halber meine Pflegemama - die hohe Kunst des Reitens lernen. Und es ist wirklich eine hohe Kunst. Nicht jedem ist es vergönnt, die entsprechende Sensibilität für diesen Beruf zu entwickeln, da ihm schlicht die Fähigkeit dazu fehlt, diese Sensibilität, das Gefühl und die Liebe dafür zu entwickeln. Ich würde das mal ganz platt als Popometer bezeichnen. Das Gefühl welches man bekommt, wenn sich das Pferd in die eine oder andere Richtung bewegen will und man durch Gewicht, Anspannung von Rückenmuskeln und Einsatz von Wadendruck im Millimeterbereich, alles wieder in die Richtung lenkt, in die man tatsächlich auch will. Eine Fähigkeit, die man entwickeln und fördern kann, durch das trainieren von Meisterschaft. Jeder kennt den Spruch und hat ihn bestimmt mehr als einmal in seinem Leben gehört: Übung macht den Meister! Ja ja, habe ich auch gedacht. Aber ich muss dem Meister der das erfunden hat sagen: Meister, sie haben recht gehabt.

Jung und stürmisch habe ich da eine Situation erlebt, in der ich mir selbst im Nachhinein recht lächerlich vorkomme. Ein Schmunzeln und Lächeln kann ich mir aber nicht verkneifen. Ich hatte es in der Reiterei geschafft junge Pferde zuzureiten und ihnen die Grundlagen für das weitere Pferdeleben beizubringen. Dazu gehört auch das Rückwärtsgehen. Es würde nun zu weit führen, wenn ich erklären würde, wie man so etwas einem Pferd beibringt. Es ist eben nicht einfach. Das Pferd lernte schnell und konnte auch diese Übung. Nur manchmal, einfach nur manchmal hatte es schlichtweg keine Lust. An diesem späten Nachmittag im Herbst des Jahres 1978 hatte mein Pferd einfach keine Lust diese Übung auszuführen. Was ich auch tat, versuchte und unternahm, es wollte nicht! Keine Chance! Na ja so mit 15 ist man dann nicht immer ausgeglichen und reagiert souverän. Kurzum, ich war alles, nur nicht souverän. Laut brüllend und schreiend saß ich auf dem Pferderücken und lamentierte, dass das Pferd doch verstehen müsse, dass es gefälligst rückwärts zu gehen habe. Es war dem Pferd egal! Wir sprachen jeder in einer anderen Sprache. Also was machen?

In meinem jugendlichen Jähzorn sprang ich wütend vom Pferd, stellte mich davor und setzte meine Jungmannesschulter an die Brust meines Pferdes. Es hieß übrigens Gatwick. Ja, wie der andere Flughafen in London. Mit all meiner jugendlichen Kraft versuchte ich mit meinen irren 72 kg. einen 630 Kilokoloss mal eben schnell rückwärts zu schieben. Mal eben so. Gatwick sagt no! Und das machte mich noch wütender. Ich heulte vor Wut und schaffte es trotzdem nicht mein Pferd dazu zu bewegen endlich den Rückwärtsgang einzulegen.

Mittlerweile hatten sich zu diesem Schauspiel alle Leute auf dem Hof auf dem Reitplatz versammelt, um zu sehen wie ein kleiner jähzorniger Wichtel einen Riesen wegschieben wollte. David gegen Goliath. Nur Goliath hat gewonnen. Irgendwann habe auch ich dann mitbekommen, dass ich mich gerade der absoluten Lächerlichkeit preisgegeben habe und gab mein Vorhaben mit anerkennen der brutalen Realität auf.

Meine Pflegemama kam zu mir, setze sich auf das Pferd, redete auf Gatwick ein, sprach diesem armen Zossen Mut zu und - siehe da - das Pferd ging rückwärts. So als wenn es niemals etwas anderes gemacht hätte. Die anderen nahmen mich herzlich in den Arm und trösteten mich und so konnte ich mich auch wieder beruhigen. Diese törichte Lernstunde hat mich im Nachhinein tief beeinflusst. Meine Pflegemama kam hinterher zu mir und hat mir erklärt was möglicherweise „nicht so gut“ gelaufen ist. Ich habe es verstanden und beim nächsten mal auch umsetzen können. Nur so habe ich es zu einem halbwegs ordentlichen Reiter gebracht.

Nachdem ich mich nun trotz der Jugendlichkeit durch die täglichen Übungen auf unterschiedlichsten Pferden reiterlich schnell weiterentwickeln konnte und durfte, habe ich in kürzester Zeit anderen Menschen Reitunterricht gegeben. Ich bin mit Gästen ausgeritten und habe ihnen die wunderschöne Welt der Lüneburger Heide gezeigt. Manchmal tatsächlich bis zu acht Stunden lang. Wir sind durch eine Waldlandschaft geritten, bei der man innerhalb von Stunden nicht einen Menschen getroffen hat. Wir konnten die Pferde laufen lassen und sie sind von ganz allein langsam geworden. Mitten im Wald picknicken mit Satteltaschen voll mit Essen. Was für eine Welt. In meiner Welt, habe ich es damals geschafft, genau das zu tun womit ich glücklich war, was ich mir vorgestellt habe.

Ihr müsst Euch das so vorstellen: in dem Reitstall gab es noch keine automatischen Tränken; d.h., dass ich jeden Tag alle Pferde nach draussen führen musste und aus einem Riesenbottich mit Wasser saufen lassen musste. Habt ihr schon mal gesehen wenn ein Pferd mit richtig großem Durst trinkt? Man kann vom Kopf über den langen, langen Hals jeden Schluck an der Kehle verfolgen und beobachten, bis es im Pferdekörper irgendwo verschwindet. Ja, tatsächlich, dass habe ich mir immer wieder mit Staunen angeschaut. Oder ich habe mich einfach auf den Rücken eines Pferdes geschwungen, denn jedes Pferd kannte ja den Weg zur Tränke von allein, und dann habe ich auf dem Rücken gelegen und von dort aus Abends beobachtet wie der Sternenhimmel wächst. Keiner hat mir Vorschriften gemacht. Hauptsache die Arbeit war getan. Ich bin morgens mit den Pferden aufgestanden und abends mit ihnen ins Bett gegangen. Es war meine Welt. Ich durfte es lernen. Wie schön. Ich war weg von zuhause. Konnte zeigen was ich drauf hatte und habe mich jeden Tag ein Stückchen weiter entwickelt.

Aus der Rückschau betrachtet wunderbar. Aus der damaligen Sicht eine wirklich harte körperliche Arbeit. Es waren insgesamt 17 Pferde zu betreuen. Vom füttern und tränken, bis hin zum ausmisten und Futter besorgen. Die Pferde auf die Weide bringen, Kutschfahrten organisieren und Gäste bewirten. Heute wäre das gar nicht mehr möglich, weil nicht Ausbildungskonform. Zur damaligen Zeit völlig normal. Ich kann aber mit aller Überzeugung sagen: das war gut so! Ich habe mir beigebracht mit den Augen und den Ohren zu klauen. Damals (ich weiß, hört sich so besserwisserisch an) habe ich jede Möglichkeit genutzt um bei anderen zuzuschauen und auch Reitunterricht mitzuerleben, wie man das was man schon kann, besser macht. Halt einfach auf dem Weg zur Meisterschaft. Es ist aber auch die Leidenschaft gewesen, die Kreatur Pferd besser zu verstehen.

Abgesehen davon, das es die Pferde einem manchmal nicht leicht machen, ist es aber auch so, dass wir Menschen es dem Pferd häufig auch nicht leicht machen. So hatte ich die Chance bei tollen Ausbildern zu lernen und mich immer weiter zu entwickeln. Bis ich eines Tages soweit war, dass ich auf einem Hof in der Nähe, Pferde reiten durfte, die bis in die höchste Klasse (Grand Prix Special) ausgebildet waren. Ich kam mit meinem Pferd zum Unterricht bei dem Reitlehrer und bin halt so herumgeritten und habe alles gezeigt, was ich mit meinem Pferd bis dahin gelernt hatte und dem guten Gatwick beigebracht hatte. Ich hab mich halt weiterbilden lassen.

Nach Beendigung der Lehrstunde kam der Ausbilder, nennen wir ihn Dieter, auf mich zu und sagte: weißt du was, das was du da deinem Pferd beibringst, kannst du ganz gut. Dafür brauchst Du mich nicht. Lerne einfach auf guten Pferden, was du deinem Pferd beibringen willst und das kannst du am besten wenn du bei mir die Pferde reitest. Du bist gut und hast eine Menge gelernt. Wow, das hat mich umgehauen und glaubt mir, ich war mächtig stolz. Nachdem mein Pferd versorgt war und im Stall stand, habe ich dann auch gleich nachgefragt, welches Pferd ich reiten soll. Ja dann nimm dir mal das Pferd, das da Hinten rechts in der Ecke steht. Der Gute kann alles was du noch nicht geritten bist.

Mann, war ich aufgeregt. Jetzt konnte ich all das Erlernte endlich einmal ausprobieren. Wir beide beäugten uns und es war ein schönes Gefühl von Vertrauen da. Nachdem ich das Pferd geputzt, gesattelt und gezäumt hatte, bin ich nach draußen gegangen, bin aufgestiegen und hab mich sofort sehr wohl gefühlt auf dem Rücken dieses Pferdes. Es war so ein Gefühl, als das wir uns beide mögen. Jetzt wirst Du sagen: wie kann man so ein „Gefühl“ entwickeln. Doch das ist so, sage ich, denn es ist so wie bei Menschen. Da braucht es nur wenige, kleine Momente und du weißt sofort ob es passt oder nicht. Es passte! Der Ausbilder rief mir noch zu: Der Gute kann alles, also probier es auch aus, ich komme nachher und schaue mir an was Du mir dann so alles vorreiten kannst. Gesagt, getan, nach einer Aufwärmphase fingen wir beide an so richtig zu arbeiten.

Ob du es glaubst oder nicht, man vergisst alles um sich herum. Es ist wie ein Tunnelblick. Wie soll man das beschreiben, was man schwer beschreiben kann? Es hat ja mit Gefühlen zu tun. Ich will es einfach mal probieren. Es hat fast etwas meditatives. Du nimmst dein Umfeld gar nicht mehr so richtig wahr. Es war wie ein kleiner Rausch. Ich bin alles auf diesem wunderbaren Pferd geritten, was ich konnte und gelernt hatte. Wenn Du Pirouetten reitest dann drehst du dich mit deinem Pferd im Galopp auf einer Kreislinie. Es ist ein bisschen wie Walzer tanzen. Alles im Takt, alles ganz leicht, mühelos. Es ist wie ein verschmelzen mit diesem Klassepferd. Du denkst, gibst auf minimaler Basis die Reiterhilfen, die man geben muss, um das eine oder andere zu tun und dann passiert das auch. Tatsächlich eine gelebte Einheit zwischen Mensch und Tier. Ganz leise, ganz konzentriert, wunderschön.

Achtung, jetzt für die Fortgeschrittenen: Wenn Du 21 Einergaloppwechsel an der langen Seite machen kannst und das Pferd gar nicht mehr aufhört und das alles passiert mit einer Leichtigkeit die unbeschreiblich ist, dann fühlst du dich wie ein Held. Aber nicht allein, sondern nur als Team, eben mit dem Pferd gemeinsam. Es ist einfach wunderbar, diese Harmonie zu fühlen und für diesen kleinen Moment der Perfektion auch zu leben und diese zu genießen. So jetzt war es aber etwas doll gefühlsbetont. Musste aber sein. Denn ich will ja versuchen diesen Moment auch rüber zu bringen. Ich war glücklich und wie. Mein Pferd war zufrieden, ich auch und so schritten wir entspannt und gemächlich über das Außengelände dahin. Mittlerweile war auch der Ausbilder (damals einer von drei Reitmeistern in Deutschland) mit seinem Pferd in der Halle fertig und kam zu mir nach draussen. Ich habe ihm frei erzählt wie glücklich und dankbar ich gerade bin und strahlte dabei wie ein kleiner Junge. In Gedanken bin ich das heute noch.

Ende

 

Hola Klaus Gerber,

Salute und Willkommen! Du scheinst ein alter Hase zu sein, denn Dein Text ist der eines geübten Schreibers. Dennoch bereitete mir das Lesen einige Mühe, weil ich alles zu weit und umständlich ausgewalzt empfand, fast selbstverliebt. Beispiel:

Am 27. Mai 1977. Also schon mehr als drei Tage her. Wie alt oder besser wie jung war ich da noch? 14. Noch 14. Ich hatte am 26.Mai 1977 meinen letzten Schultag

Nun wurde ich am 27. Mai 1977 vom Bahnhof in Lüneburg abgeholt.

Ja, ja – der Mai 1977!
Das liest sich nicht gut. Der Leser ermüdet.

Bitte schön aufgepasst;

Das scheint mir doch sehr oberlehrerhaft. Es sei denn, Du bist Österreicher.


Ich war einfach faul und noch nicht reif genug (tolle Ausrede, solltest du auch in deinen Wortschatz aufnehmen) um zu...

Wenn Du meinst.

Achtung, jetzt für die Fortgeschrittenen: Wenn Du 21 Einergaloppwechsel an der langen Seite machen

Hier bin ich als Leser überfordert und meine Konzentration zerrieselt. Aber das tat sie vorher schon. Könnte es sein, dass Du uns ein paar Seiten aus Deinen Lebenserinnerungen überreichst?
Das ist eine ehrenwerte Sache, doch m.E. passen sie nicht in den hier vorgegebenen Rahmen.

Mit der Rechtschreibung hast Du als Vielgeübter ja keine Probleme, jedoch fehlen viele Kommas (oder wie wir hier zu sagen pflegen: Kommata). ;)

Die Geschichte wird auf gutem Niveau erzählt und erzählt und .... Aber es ist doch eine Geschichte über Pferde!! Menschenskind, da muss doch die ganze Gefühlswelt in Aufruhr geraten!
Tut sie aber nicht. Die Gefühle bleiben unberührt und unangesprochen. Sehr schade.

Zum Titel würde ich sagen, dass er nicht die Neugier und die Lust weckt, die Geschichte zu lesen, andrerseits trifft er den Nagel auf den Kopf: Er avisiert, was den Leser erwartet – genau.

Bitte bedenke, dass alles nur meine unmaßgebliche Privatmeinung ist.

Wortkriegerische Grüße!
Joséfelipe

 

Hallo,
Dein Schreibstil ist weitgehend recht gut lesbar. ich glaube aber, der Text kann viel gewinnen, wenn du ihn durchgehend kürzt, es sind doch einige Wiederholungen drin.
Die ersten Absätze sind Assoziationen, die der Ich-Erzähler viele Jahre später hat. Im Prinzip nicht schlecht, aber diese Form, Fragen zu stellen, ermüdet die Leserin recht schnell. Außerdem wird das Thema dieser Einleitung - viele Veränderungen im Leben des Erzählers und eine weitere steht bevor - nicht wieder aufgegriffen. Du solltest gegen Ende entweder den Kreis zur Gegenwart schließen (was hat die Reiterei mit der aktuellen Situation zu tun), oder auf gute Teile in der Einführung verzichten.
Im restlichen Text geht es dann weiter: du schreibst viel von der Entwicklung des Erzählers - da wäre es meiner Meinung nach besser, bestimmte Episoden für sich stehen zu lassen, zu beschreiben, was sich durch sie verändert hat, ohne jedes Mal darauf hinzuweisen, dass er sich weiterentwickelt hat.
Einige Punkte erscheinen mir auch widersprüchlich oder unglaubwürdig: dass jemand, auch wenn er erst 15 ist, sich vor ein Pferd stellt und es verzweifelt anschreit, damit es rückwärts geht, zum Beispiel. Dass er einerseits seine ganze Zeit beim Reiten zu verbringen scheint, andererseits aber von früh bis spät die Stallarbeit verrichtet.
Insgesamt ansprechender würde der Text, wenn du ihn insgesamt kürzt, die Schlüsselstellen aber zuspitzt und intensiver beschreibst.
Eine Kleinigkeit: ich glaube nicht, dass es 1977 so etwas wie einen qualifizierten Hauptschulabschluss gab.
Viele Grüße
Kersidra

 

Hallo Klaus,

dem Bedürfnis nach Kürzung würde ich mich ganz unbedingt anschließen! Ich möchte einmal versuchen dir das am Text zu verdeutlichen, wo und warum das m.E. notwendig ist:

wieder bin ich im Auto (mein heimliches Wohnzimmer) unterwegs. So richtig da bin ich nicht. Die Landschaft fliegt an mir vorbei und meine Gedanken fliegen auch. Von einer Geschichte zur nächsten und dann doch wieder zur Ursprungsgeschichte zurück. Es geht mir gut. Das ist eine Feststellung. Geht es mir wirklich gut? Ja, so im Großen und Ganzen. Nein es geht mir gut. Wieder einmal in einer Umbruchsituation. Wieder auf dem Weg etwas abzuschließen und etwas neues anzufangen. Das scheint wohl mein Gusto, mein Lauf der Dinge zu sein.*
Hier bringst du den Leser gleich in eine Gefühlslage, in der er hin und her gerissen wird. Die Gedanken fliegen und dem Prot. geht es gut. Das ist sogar eine Feststellung. Fein!, denke ich mir da als Leser: Super! Dann ist ja eigentlich schon alles gesagt. Aber dann: „Geht es mir wirklich gut?“ Also, vielleicht doch nicht? „Ja, so im Großen und Ganzen.“ Also was jetzt. „Nein es geht mir gut.“ Puh – denke ich mir als Leser da, nochmal Glück gehabt. Also ist das jetzt endlich geklärt und wir können in die Handlung einsteigen: „Wieder einmal in einer Umbruchsituation.“ Sehr gut, denke ich mir: Los geht! Aber dann: „Wieder auf dem Weg etwas abzuschließen und etwas neues anzufangen.“ Da denke ich eigentlich an das Ende einer Geschichte: Etwas abgeschlossen und nun geht’s auf ein Neues. „Das scheint wohl mein Gusto, mein Lauf der Dinge zu sein.“ Und jetzt gerate ich als Leser ein bisschen in Panik, weil ich mir denke: Oh je, die ganze Geschichte wird sich also darum drehen, dass nun etwas losgeht, was dann doch nicht losgeht … Verstehst du, was ich meine? Der wankelmütige Zustand des Prot. wirkt jedoch nicht spannend oder animierend („Wie geht es jetzt wohl weiter??“), sondern nach meinem Dafürhalten eher ermüdend, da man so das Gefühl hat: Oh man, der Typ weiß selbst nicht wie es ihm geht und es folgt jetzt eine endlose Aneinanderreihung von „Jetzt bin ich angekommen. Oder auch nicht? Oder doch. Doch, ich glaub schon. Ja, bin ich das? Bin ich das wirklich? Ich weiß nicht so recht. Also irgendwie schon, ja. Oder doch nicht? … „
Und „wieder“ am Anfang übrigens groß.

Damit möchte ich vor allem ergänzend verdeutlichen, was im Text die Langatmigkeit erzeugt. Vielleicht hilft es dir weiter.

Ein sonniges, langes Wochenende wünscht
die heiterbiswolkig

 

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