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Unverhofft kommt oft

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10.04.2015
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Unverhofft kommt oft

Wütend riss ich die fünfte Bierdose auf, kippte sie auf ex herunter und fragte mich, wie ich diesen Claudell am besten umbringen könnte.
Vielleicht sollte ich mich aber erst einmal vorstellen: Mein Name ist Julio Bargas, ich bin 30 Jahre alt, ledig und in meinem Beruf als Maler recht erfolglos. „Was ist ein Aktmaler ohne Modelle?“, sage ich immer und lade mir so notgedrungen immer neue Bekanntschaften in mein Atelier in Madrid.
Aber ob Sie es glauben oder nicht, das Problem besteht für mich darin, Frauen zu finden, die sich ausziehen lassen, ohne angefasst werden zu wollen; sie sind zu Tode beleidigt, wenn man es nicht wenigstens versucht. Und so bin ich also verpflichtet, sie zu Geliebten zu nehmen, und das ist ganz schön anstrengend. Die letzte war Monique, eine kleine schwarzhaarige Französin mit Bubikopf, die ich eine Freitag Nacht im Joy Eslava, einer Disko in der Innenstadt, aufgegabelt hatte. Ich hatte sie erst für eine Prostituierte gehalten, aber Französinnen sind wohl nun mal so. Sie liebte es denn auch französisch, war aber leider etwas brutal. Während ich meine Zunge schüchtern in ihr recht ungewaschenes Geschlecht schob, dass die Schamhaare knisterten wie ein Akkupatz und sich meine Zunge wie durch gebrochenes dünnes Sperrholz bohrte, schlug sie ihre kariösen Zähne in meine Männlichkeit. Leider missverstand sie meinen Schmerzensschrei als Aufforderung nach mehr und biss erneut zu.
Dann war da noch Ursula, die Ukrainerin mit dem bäurisch stabilen Körper, so rosig im Gesicht, so fruchtbar anmutend, ich war versucht anzunehmen, dass sie nur ihren weißen geblümten Schlüpfer fallen lassen müsse, um schwanger zu werden, was aber dann zu meinen Glück doch nicht geschah.
Und Katrin, die sportive Deutsche, die ich mir gar nicht anders vorstellen konnte als in Radfahrhosen oder beim Liebesspiel. Selbst daraus machte sie eine Sportart, und ein dreifacher Orgasmus in Serie war ihr stetes Ziel. „Jetzt, ein bisschen nach rechts, tiefer, ja, nein, genau da.“ Ihr Ehemann konnte einem schon Leid tun. Sie sehen also, als Maler von Frauenakten habe ich kein leichtes Leben.

Schließlich zeichnete sich aber doch meine große Chance am Malerhimmel ab, als mir ein Galerist mir im nahen Toledo eine Einzelausstellung, meine erste, anbot. Doch wurde diese durch das Eingreifen dieses Jean Pierre Claudells, eines bekannten Kunstkritikers, zunichte gemacht. Ein einfacher Anruf bei meinem Galeristen hatte dazu genügt, eine Erklärung konnte der mir aber auch nicht geben. Wutentbrannt versuchte ich also diesen Claudell zu erreichen, bekam aber nur seine Sekretärin an den Apparat, die mir einen Termin gab.
Abends gegen acht Uhr sollte ich bei ihm sein. Da es Nachmittag war, nahm ich also ein Sechserpack Bier aus dem Kühlschrank, um mich etwas zu beruhigen. Schließlich warf ich mir eine Jacke über und fuhr mit der Metro los.

Endlich stand ich nun in seiner Suite, zugegebenermaßen etwas angetrunken, und sah ihn zum ersten Mal. Meine Fäuste zuckten konvulsivisch in froher Hoffnung, sich um seinen Hals legen zu dürfen oder ihm liebevoll alle Fingergelenke zu brechen, als ich eines meiner Bilder an der Wand sah. Verwirrt blickte ich dann auf Claudell, der gemessen auf mich zu schritt. Ein feiner Pinkel, wahrscheinlich ein ziemlicher Angeber. Obwohl, für seine 54 Jahre sah er gar nicht mal schlecht aus, mit seinen schwarzen Augen, den feinen Augenbrauen und den nicht zu seinem Alter passenden Koteletten. Er trug einen weinroten Bademantel und persische Pantoffeln, strömte den süßlichen Odeur irgendeines mir unbekannten, aber sicherlich äußerst teuren Parfums aus und hielt in jeder Hand ein gefülltes Sektglas, von denen er mir eines reichte. „Ich glaube, ich bin Ihnen, dir, eine Erklärung schuldig“, wobei er einen Seitenblick auf mein Bild warf. Ja, er sah wirklich umwerfend aus. Er trank das Glas in einem Zug aus und stellte es auf einem Glastisch ab. Ich tat es ihm nach, mir schwindelte und meine Augen suchten nach einem Stuhl. Schließlich ließ ich mich in das rote Plüschsofa plumpsen. „Was macht mein Bild hier?“, fragte ich benommen. „Ich habe es gekauft, die anderen auch, du hast wirklich großes Talent. Schon seit einiger Zeit verfolge ich deine Arbeiten und ausstellen solltest du in Madrid oder Berlin; übrigens kannst du mich Jean nennen.“ Er saß jetzt dicht neben mir und spielte mit einem Finger an einer seiner dichten Locken. Der Alkohol wirbelte in meinem Kopf, mein Blut kochte und ich merkte wie mir eine Schweißperle die linke Achsel herunter rann, während der Verkehrslärm der dichtbefahrenen Gran Vía gedämpft zu uns ins Zimmer drang. So langsam dämmerte mir, dass ich die Situation etwas missverstanden hatte. Verlegen griff ich mir die Sektflasche und füllte forsch nach.

Als ich am nächsten Morgen wach wurde, fühlte ich mich so gut wie schon lange nicht mehr. Nackt hüpfte ich aus dem Bett und schlüpfte in den roten Bademantel der auf dem Boden lag. „Bist du schon wach, Liebling?“, hörte ich Jeans Stimme aus der Küche rufen.

 

Hallo Eddi Coffin,

Dein Protagonist wirkt auf mich mit seinen Neigungen, die sich im letzten Abschnitt offenbaren, nicht glaubhaft. Ich beziehe mich hier auf deine Einleitung.
Deine Einleitung beschreibt die fast verzweifelten Versuche, gute Modelle für seine Aktbilder zu bekommen, was durchaus authentisch erscheint, auch die Praxen, die er dafür anwendet.
Dass der verhasste Claudell sich am Ende als stiller Bewunderer herausstellt und ihm große Ausstellungen organisieren könnte wird aber von der eigentlichen Aussage, dass Claudell schwul ist, wie dein Prot. auch, in den Hintergrund gestellt. Und dadurch bekommt dein Text die Qualität eines Groschenromans. Das finde ich bisschen schade.
Wenn du weitergeschrieben hättest, wie im ersten Abschnitt, hättest du den Tag Humor sogar verwenden können. Das geht aber meiner Meinung nach im weiteren Verlauf verloren.

Ich heiße dich aber erst mal bei uns Wortkriegern herzlich willkommen!

Sprachlich finde ich den Text nicht mal schlecht, Es sind einige Flüchtigkeiten drin:

Die letzte war Monique, eine kleine schwarzhaarige Französin mit Bubikopf, die ich eine Freitag Nacht im Joy Eslava, einer Disko in der Innenstadt, aufgegabelt hatte.

meintest du: ... die ich eines Freitags Nacht?

Schließlich zeichnete sich aber doch meine große Chance am Malerhimmel ab, als mir ein Galerist [mir] im nahen Toledo eine Einzelausstellung, meine erste, anbot.

dieses eingefügte „meine erste“ finde ich fehl am Platz. Was hindert dich, das als Extrasatz zu schreiben: ... im nahen Toledo eine Einzelausstellung anbot. Meine erste.
Ich fände den Lesefluss besser. Außerdem ist ein mir zu viel im Satz.

Während ich meine Zunge schüchtern in ihr recht ungewaschenes Geschlecht schob, dass die Schamhaare knisterten wie ein Akkupatz und sich meine Zunge wie durch gebrochenes dünnes Sperrholz bohrte, schlug sie ihre kariösen Zähne in meine Männlichkeit.

Das finde ich eklig und es hat mit der Geschichte nicht unbedingt zu tun. Und literarisch hat das Null Wert. Man könnte es auch als Effekthascherei abtun. Das hättest du auch subtiler unterbringen können. Wenn du Erotik als Tag angibst, willst du jemanden erreichen. So aber nicht.

Ihr Ehemann konnte einem schon Leid tun.

... konnte einem schon leidtun.

Das klingt bestimmt jetzt nicht alles so, wie du erwartet hättest, aber es nützt nichts, wenn ich deinen Text als etwas lobe, als das ich ihn nicht empfinde.
Ich wünsche dir aber weiterhin viel Freude am Schreiben.

Schönen Gruß
khnebel

 

Lieber Eddi Coffin,
du bist neu in diesem Forum und deshalb erst einmal „Herzlich willkommen“.

Also, was lese ich hier eigentlich:
Ein Maler, der alle seine Modelle

zu Geliebten … nehmen
muss, da sie sonst nicht zu haben sind.
Dabei trifft er auf
Französinnen, die
nun mal so
sind und es natürlich auch
französisch
lieben,
Ukrainerinnen,
mit dem bäurisch stabilen Körper, so rosig im Gesicht, so fruchtbar anmutend,
die nur
nur ihren weißen geblümten Schlüpfer fallen lassen müsse, um schwanger zu werden
und eine Deutsche, die
ich mir gar nicht anders vorstellen konnte als in Radfahrhosen

Hier hätte ich mir jetzt allerdings Lederhosen vorgestellt.
Greifst du hier nicht zu sehr in die Klischeekiste? Und so geht es ja weiter:

Zum Glück trifft er dann den Galeristen, der

In seiner Suite
gemessen auf ihn zu schritt
Wohl eher ‚zuschritt
und der einen
weinroten Bademantel und persische Pantoffeln
trägt und
den süßlichen Odeur
ausströmt. (Wohl eher das Odeur ….)
Er lässt sich in
das rote Plüschsofa plumpsen.
Das alles führt zu folgendem:
mein Blut kochte und ich merkte Komma wie mir eine Schweißperle die linke Achsel herunter rann, während der Verkehrslärm der dichtbefahrenen Gran Vía gedämpft zu uns ins Zimmer drang.
Warum nicht zwei (Schweißperlen) und warum nur die linke (Achsel) ?

Die überraschende Wende führt dann zu folgendem Ende:

Nackt hüpfte ich aus dem Bett und schlüpfte in den roten Bademantel

Es tut mir leid, aber ich kann deinem Text nicht sehr viel abgewinnen.

Vielleicht verstehe ich ihn ja auch nicht und habe seine ‚Feinheiten’ nicht erkannt. So kommt er mir recht grob geschnitzt daher.
Aber das ist natürlich nur meine Meinung.

Freundliche Grüße
barnhelm

 

Grüß dich,

also ich muss sagen, dass ich etwas ratlos bin. Deine Geschichte gefällt mir nämlich im Prinzip sehr gut. Die Szenerie und die Rollen sind prima, auch der Wechsel vom bösen Vollarsch zum Liebhaber und Fan hat mich überzeugt (zufälliger weise haben wir für unsere Auftaktgeschichte das gleiche Thema gewählt). Ebenfalls mag ich deinen Schreibstil, auch wenn die Anmerkungen von khnebel und barnhelm natürlich berechtigt sind. Trotzdem: der Text liest sich flüssig und hat ein flottes Tempo, weiter so!

Der Handlungsverlauf lässt mich allerdings ein bisschen grübeln. Dein Prot. ist also schwul, muss aber mit Frauen schlafen, weil diese sich sonst nicht malen lassen? Hmm... da werde ich irgendwie nicht so ganz draus schlau.

Bis dahin
Fred

 

Kein ausführlicher Kommentar, aber eine Gegenrede zu khnebels Anmerkung: Ich fand es absolut großartig, wie ungeil und fast schon abstoßend du es schaffst, in deinem ersten Absatz den heterosexuellen Geschlechtsakt darzustellen.

Während ich meine Zunge schüchtern in ihr recht ungewaschenes Geschlecht schob, dass die Schamhaare knisterten wie ein Akkupatz und sich meine Zunge wie durch gebrochenes dünnes Sperrholz bohrte, schlug sie ihre kariösen Zähne in meine Männlichkeit.

Das ist nicht nur unfassbar widerlich, sondern hinsichtlich deines "Twists" am Ende meiner Meinung nach auch einigermaßen relevant für den Text. Für mich war das die beste Stelle in deiner ganzen Geschichte, literarischer "Wert" hin oder her, deine Formulierung zeigt Wirkung und bleibt definitiv im Gedächtnis.

Gruß, Knoboter

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Eddi Coffin,

willkommen in der Firma! Da wollen wir mal die Ärmel hochkrempeln:

Wütend riss ich die fünfte Bierdose auf, kippte sie auf ex herunter...

...und hatte logischerweise den Bauch voller Blech. Bedaure.


Frauen zu finden, die sich ausziehen lassen, ohne angefasst werden zu wollen...

Das ist gut und glatt formuliert, aber ich versteh’s nicht. Ein Model zieht sich doch selbst aus und legt seine Kleidung irgendwo ab. Da fasst sie eh’ niemand an.
Hier muss der Maler diese Tätigkeit übernehmen, darf sie aber nicht anfassen?

Letzter Punkt meiner harmlosen Kritik: Die Zeichnung der drei Frauentypen hat mir ganz und gar nicht gefallen, zu plump und klischeehaft für meinen Geschmack. Und die Schilderung der französischen Liebe geht gründlich daneben. Soll wohl originell sein – ist es aber nicht. Das könnte ein Holzfäller auf diese Weise seinen Kumpels (bei der fünften Dose Bier) erzählen, doch hier sollte eine geistvollere und elegantere Formulierung den Ton bestimmen – bei einem Maler im Atelier!

Aber die Geschichte geht ja weiter. Da lese ich sie gerne - beinahe fehlerfrei, zügig und amüsant geschrieben. Alles in allem: Ein guter Start!

Schöne Grüße von
Joséfelipe

PS: ‚Akkupatz’ würde ich anders schreiben. Akkumulatoren kennen keinen patz.


PSPS: Ich widerrufe! April, April - und ich bin drauf reingefallen. Blöd von mir.
Konnte ja nicht ernst gemeint sein.
Gut gemacht! Tommy Jaud kam mir erst später in den Sinn (bin kein Fan von ihm).

Dann müsste ich nur eines beanstanden: 'Satire' wäre der treffendere Tag.

 

Kein ausführlicher Kommentar, aber eine Gegenrede zu khnebels Anmerkung: Ich fand es absolut großartig, wie ungeil und fast schon abstoßend du es schaffst, in deinem ersten Absatz den heterosexuellen Geschlechtsakt darzustellen.

Ich glaube, hier liegt der Grund, warum es für jeden Geschmack die entsprechende Auswahl in den Bücherregalen gibt. :) Eben alles Geschmackssache. Stellt euch vor, wir würden alle gleich schreiben und empfinden. Wäre nicht auszuhalten.

khnebel

 

Da hast du natürlich absolut recht, khnebel. Ich bin nur vorm kommentieren auf deinen Kommentar gestoßen, da hat es halt grad gut gepasst den einzubinden. Was Eddi Coofin da jetzt draus macht ist ja sowieso ihm überlassen.

Gruß, Knoboter

 

Vielen Dank an euch alle für die Kommentare, auch, und gerade, für die Arschtritte. Ich habe die Geschichte selber vor ca. 10 Jahren geschrieben (was aber keinesfalls als Entschuldigung missverstanden werden sollte), und habe daher selber die Möglichkeit, recht unbefangen an die Geschichte heranzugehen.
Dass sie sprachlich teilweise recht an die Grenzen des literarisch und ästhetisch Zumutbaren reicht, ist natürlich beabsichtigt. Der Vergleich mit dem Groschenroman hat mir besonders gefallen, vielleicht sollte ich denen mal eine Chance geben... Meine literarischen Idole sind allerdings nicht die Verfasser von Lassiter-Heften, sondern eher einige amerikanische Schriftsteller, die vor dem Gebrauch direkter Sprache keinen Halt machen wie Charles Bukowski, John Irwing, T.C. Boyle, Kurt Vonneguth, Michael Chabon usw. Wahrscheinlich habe ich auch diesen Text für den Beginn ausgesucht, weil er polarisierend wirkt. Ich finde es schön, dass Personen, die die Geschichte nicht mögen, an dem Stil Gefallen gefunden haben (ich lese mir meine Geschichten übrigens immer laut vor, da hört man am besten die Unstimmigkeiten heraus). Das mit dem Odeur war leider eine Änderung in letzter Sekunde, was dann natürlich in die Hose gegangen ist.

Da ich mich von der Geschichte zeitlich so weit entfernt habe, dass sie auch von einer anderen Person hätte geschrieben worden sein können, versuche ich mich selber mal daran, sie aufzuschlüsseln.

Also, unser armer Maler benötigt Nacktmodelle, da er aber in keinem Bordell wohnt (wie Tolouse Lautrec) und Modelle teuer sind, muss er also selber "Hand anlegen". Der darauf folgende Kommentar bezieht sich auf die weibliche Eitelkeit (irgendwie finden sich alle Frauen doch wenigstens in dieser Hinsicht attraktiv). Ich erinnere mich jetzt auch daran, dass ich beim Schreiben an einen Freund von mir gedacht habe, der mitten in der Nacht am Arsch der Welt von einem Mädchen vor die Tür gesetzt worden war, eben weil er nichts mit ihr versuchte hatte!... Frauen sind schon komisch ;)

Dann kommen die recht klischeehaften Beschreibungen... Da muss ich direkt an einen Song von Morrissey denken, wo es heisst: ... it's a cliche because it's true... Ich denke immer noch, dass diese Vorstellungen ganz gut zu meiner Hauptfigur passen, der Arme muss ja selber ein Klischee erfüllen, um zu seinen Modellen zu finden.

Übrigens noch kurz zu dem Kommentar mit dem Blech im Bauch. Man trinkt ja auch eine Flasche auf ex, ohne deswegen eine Magenperforation zu erleiden... "Ich schaffte mir Zugang zum Inhalt der blechernen Büchse, auf dass ihr güldener Malzsaft mir erquickend die Speiseröhre hinabflösse" klang mir einfach zu umständlich ;0)

Dann kommt es also zum erwarteten Treffen, das dann recht unerwartet (für beide) endet. Weiss meine Hauptfigur eigentlich, dass sie schwul ist? Ich bin nie davon ausgegangen. Wahrscheinlich hatte ich damals "Geheimnisse von Pittsburgh", von Chabon, im Hinterkopf. Auch da handelt es sich eher um einen sexuell noch nicht ganz definierten Charakter, der sich schliesslich auch homosexuell betätigt... Ich frage mich wirklich, ob ein Vermeiden gewisser Klischees dem Text wirklich geholfen hätte, wenn ich also einen Silvester Stallone in die Rolle Claudells gesteckt hätte (ich glaube, ich habe gerade richtig Spass mit Klischees!)...???

Also, noch einmal vielen Dank Euch allen, Dank auch für die herzliche Aufnahme (klingt jetzt vielleicht ein wenig zynisch...). Nein, im Ernst, wir sind ja nicht hier, um uns gegenseitig zu beweihräuchern, sondern um konstruktive Kritik zu erhalten. Die einzige Kritik, die nichts bringt, ist rein subjektive, verletzende Kritik. Und die wünsche ich keinem! Ich hänge mal einen Text von einer ganz anderen Spielart an.

Bis dann

 

Während ich meine Zunge schüchtern in ihr recht ungewaschenes Geschlecht schob, dass die Schamhaare knisterten wie ein Akkupatz und sich meine Zunge wie durch gebrochenes dünnes Sperrholz bohrte, schlug sie ihre kariösen Zähne in meine Männlichkeit.

Das ist ein grausamer Satz. Wortdoppler, kein Rhythmus, nichts. Und du liest das wirklich laut vor? Dann müsste es dir doch besonders auffallen, dass hier nichts passt.

Zum Text. Wo polarisiert der denn? Ist doch ein total zahmer Text, da passiert ja nichts, nur so auf Kalauerniveau. Und dann dieser Twist am Ende ... ich weiß nicht. Du sagst was von sexuell nicht eindeutig definiert -wie alt ist der denn, der Maler? 13? Mir fehlt auch der Zugang - was genau passiert da bei diesem Jean? Du beschreibst ihn, aber die Verführung, das, was man eigentlich lesen möchte, nämlich wie das passieren kann, die sexuelle Anziehungskraft, da liest man nichts von. Du musst den Sex nicht beschreiben, aber der Weg dahin. Mir geht das alles viel zu schnell, piff, paff, puff, und dann wacht er schon auf im Bett.

Nee, also mir hat das nicht gefallen, das hat für mich irgendwie weder Hand noch Fuß, und sprachlich wirkt das auch oft unbeholfen und holprig.

Gruss, Jimmy

 

Eddi Coffin,

ja, auch von mir ein herzliches Willkommen von den Wortkriegern.

Zuerst einmal: Deine KG liest sich für mich flüssig und sie hat mir im Gesamten gefallen. Interessantes Thema, schön geschrieben. Dennoch möchte ich mich den anderen Kritikern anschließen. Ich fand die Darstellung der drei Aktmodelle auch als zu klischeehaft. Na klar, die Französin musste natürlich kurze, schwarze Haare haben, die Ukrainerin wurde frisch von der Kolchose (schreibt man das so?) exportiert; schade, das kommt wirklich zu flach daher.

Das Ende? Ging mir zu schnell und ehrlich gesagt verspürte ich auch keinen Humor, wie in der ganzen Geschichte im Übrigen nicht. Dennoch: Lass dich nicht entmutigen, auch wenn meine Kritik härter klingt als sie sollte.

Weiter, immer weiter! Sagte bereits Oli Kahn und er hatte recht damit.

Gruß, Freegrazer

 

Hallo Jimmy, normalerweise bedanke ich mich ja für Kritik, aber zu deiner muss ich Folgendes sagen: Dieser grausame, von dir als unrhythmisch bezeichnete Satz und gar nicht polarisierende Text wurde von anderen Rezensenten als das genaue Gegenteil bezeichnet. Entweder hast du also keinen Respekt vor der Meinung anderer Personen, oder aber du bist davon überzeugt, dass deine Meinung sofort den Status einer umunstösslichen Wahrheit haben muss. Ausserdem muss ich mich fragen, was deine Kritik überhaupt soll? Eine Kritik ist ja bei weitem nicht nur ein Auffinden von Fehlern oder ein Kundtun dessen, was einem nicht gefällt. Sie muss konstruktiv sein, also von Verbesserungsvorschlägen begleitet sein. Hier finde ich aber nur heisse Luft. Das, was du als sprachlich unbeholfen und holprig empfindest, lässt sich von anderen flüssig lesen. Du willst was von sexueller Anziehungskraft lesen? Die interessierte mich an dem Text gar nicht! Sexuell undefiniert, daher pubertär? Der Protagonist von "Die Geheimnisse von Pittsburgh", zum Beispiel, ist Mitte 20.
Der Text wurde übrigens vor einigen Jahren im Rahmen eines Belletristik-Fernstudiums verschiedentlich "professionell" lektoriert und für eine Einsendung zu Literturwettbewerben empfohlen. Du siehst, dass ich das professionell selber in Anführungsstriche setze, denn wie viel Vertrauen darf man eigentlich vollberuflichen Lektoren schenken? Wenn ich in eine Buchhandlung gehe und mir Neuveröffentlichungen ansehe, überkommt mich gewöhnlich das Grauen. Heutige Leser scheinen auf Bücher zu fliegen mit so transzendentalen Titeln wie (erfinde ich gerade): Das Blut der Konkubine, Die Hexe und der Beichtvater, Der Papst im Gulag usw. Meine traurige Einschätzung ist die, dass die grossen Schriftsteller früherer Tage heute gar nicht mehr aufgelegt würden, wenn sie nicht schon bekannt wären. Wer findet denn heute noch Gefallen an Kafka, an Poe, an Lautreamont? In einem Interview sah ich kürzlich John Irving, der aus dem Zögern eines Kritikers bei einer Antwort hinsichtlich seines ersten Romans sofort (mit Sicherheit) schloss, dass dieser Roman heute in der Mülltonne gelandet wäre.
Da ich hier noch sehr frisch in diesem Forum bin, muss ich natürlich auch schauen, wer hier ernstzunehmen ist (das schliesst literaturbewandte Anfänger auf jeden Fall mit ein), und wer zu der Gruppe von Personen gehört, die sich am Rascheln des Strohs in ihren Köpfen berauschen oder meinen, dass hohle Köpfe lauter schallen...

 

Hallo Eddi Coffin,

Da ich hier noch sehr frisch in diesem Forum bin, muss ich natürlich auch schauen, wer hier ernstzunehmen ist (das schliesst literaturbewandte Anfänger auf jeden Fall mit ein), und wer zu der Gruppe von Personen gehört, die sich am Rascheln des Strohs in ihren Köpfen berauschen oder meinen, dass hohle Köpfe lauter schallen...

Zu welcher Gruppe du zu zählen bist, muss sich dabei allerdings erst noch herausstellen.

Freundliche Grüße
barnhelm

 

Das hast du schön gesagt, Barnhelm. So antwortet ein wahrer Wortkrieger! Worauf ich mit Luther erwidere: Hier stehe ich, ich kann nicht anders! (Na ja, eigentlich sitze ich gerade ;0))

Kannst dir ja meinen Kommentar zu Stadt voller Mädchen angucken, da wirst du absolut nicht das Gefühl haben können, dass ich irgendwie nachtragend sei oder den Text nicht in gebührender Weise literarisch besprochen habe, obwohl ich schon bass erstaunt war, gerade eine Kurzgeschichte loben zu müssen von jemandem, der mir eigentlich anhand seiner eigenen Kritik nicht besonders koscher schien.

;0)

 

Hallo, nochmal ich:

Jede Kritik ist immer subjektiv. Andere können sagen, das es sich flüssig liest oder da besonders tolle Sätze drin sind - das sind aber Geschmacksurteile und nicht allgemeingültig.

Ich kann diesen Text einfach nicht greifen. Der beginnt diffus mit einer Aufzählung von Geliebten, und endet dann in einem Stelldichein mit einem Kunstkritiker. Mir wird nicht klar, warum das genau passiert. Da ist für mich kein Konflikt erkennbar. Da wäre einer, der potente Maler, der alles nagelt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, und der schwule Kritiker, der Feingeist, der sich in ihn verguckt hat und ihn für die restliche Welt bannen möchte, da wäre von einer fatalistischen Beziehung bis zu einem Ende wie bei Betty Blue alles drin. Aber der Text macht sich diese Mühe nicht. Er deutet das auch nicht an, er umreißt das grob und stopft alles mit Beschreibungen voll, die aber nichts voranbringen. Und dann muss ich sagen, ich weiß nicht, was der Text genau möchte. Da, wo erzählerisches Potential wäre, verweigert sich der Text dem Leser und präsentiert ihm stattdessen Details, mit denen ich persönlich nichts anfangen kann: Er spielt sich in den Locken etc. Es gibt auch keine Dialoge, die die Beziehung der Figuren zueinander verorten könnten, die etwas preisgeben, die etwas verraten, etwas vorantreiben.

Gruss, Jimmy

 

Hallo Jimmy, Danke für deine Antwort, und schön, dass wir jetzt auch gesittet miteinander umgehen können ;), da in meinem Miniopus eine ganze Menge mehr drin steckt, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag, setze ich mich damit noch einmal kurz auseinander.
Zuerst aber noch einmal zur Subjektivität. Kunst hat immer eine subjektive Seite, deshalb ist es auch einfacher, Arzt zu werden als Künstler! Dennoch hat auch Kunst/Literatur eine "technische" Seite, die recht emotionslos und wissenschaftlich angegangen werden kann. Ernst Gombrich war ein ganz grosser Kunstkritiker des 20. Jahrhunderts; seine Werke über Kunstgeschichte sind sehr empfehlenswert. Aber derselbe Gombrich, der so viel zu alter Malerei zu sagen hatte, war einfach nur sprachlos gegenüber der Kunst seines Jahrhunderts, die er einfach nicht verstand. Er sprach Egon Schiele z.B. völlig ab, Künstler zu sein! (Ich weiss jetzt nicht, ob du diese Leute kennst oder nicht, will hier auch nicht als Klugscheisser auftreten, halte das aber gerade für das Verständnis sehr wichtig). Meine Meinung ist daher, dass selbst ein Text, den ich für totalen Schrott halte, Elemente aufweist, die sachlich untersucht und besprochen und daher auch verbessert werden können. Das Subjektive darf uns nicht daran hindern, Literatur oder was auch immer mit kühlem Kopf zu betrachten. Anfang der 80er Jahre löste der Film Amadeus von Milos Forman zum Beispiel unglaubliche Polemik aus, weil viele Liebhaber klassischer Musik einfach nicht wahrhaben wollten, dass ein furzender und flegelhafter Prolet solche Musik habe schreiben können. Das ist einfach nur borniert.

Jetzt zu meinem Opus. Normalerweise hat man ja nicht die Möglichkeit, eigene Texte seinen Lesern zu erklären, aber hier im Forum ist das ja möglich. Der Text bzw. die Miniatur, wie ich das gerne nenne, entstand aus einem Cluster (ist eine Schreibtechnik von Gabrielle L. Rico, sehr empfehlenswert, damit gehören Schreibblockaden der Vergangenheit an...) auf Basis der (hoffentlich) nicht trivialen Erkenntnis, dass die Verführung des weiblichen Geschlechts weniger ein zögerliches Nachgeben als Reaktion auf das Drängen des Männchens ist, als vielmehr der Bewusstheit der eigenen Attraktivität entspringt, der seitens des Männchens Rechnung getragen werden muss. Oder im Klartext: Selbst die unattraktivste Frau hält sich immer noch für begehrenswert genug, um die Zuwendung von Vergewaltigern fürchten zu müssen. Die zweite Zutat war die Lyrik der so abstossend wahrscheinlich noch nie durchgeführten Darstellung des weiblichen Geschlechtsorgans in starken Bildern. Daher halte ich den Text eben auch für polarisierend. Manche Leser verbinden mit Lyrik eben nur Reime auf den Apfelbaum im Elternhaus und keine Poesie wie sie Bukowski oder Henry Miller hervorzubringen wussten oder die einfach solche Bilder evoziert. Diese Bilder werden allerdings bei manchen Lesern im Kopf haften bleiben. Ich habe vor über zwanzig Jahren den empfehlenswerten Roman „God bless you, Mr Rosewater“ von Kurt Vonnegut gelesen, wo in einer Szene der Protagonist an seinem zwei Meter langen Schamhaar spielt. Ich habe keine Ahnung mehr, warum das wohl der Fall war, aber das Bild ist beklemmend frisch geblieben.
Und damit hat die Geschichte fast schon alle Ingredienzen. Aus zwei Keimzellen geboren und mit der begründeten Wut eines Kleinkindes und einem passenden Namen versehen (Namen sind unwahrscheinlich wichtig, aus John Rambo kann man keinen Theodore Rimbeaud machen, ohne eine ganz andere Figur zu schaffen), können wir nun unseren Maler auf die Reise schicken, damit er sein Potenzial entfalten und erwachsen werden kann. Die Situation und das Missverständnis sind meines Erachtens hinreichend, um die Wende glaubhaft zu machen. Aber ein Verführungsakt usw. hat mich eben überhaupt nicht an der Geschichte interessiert. Wer also auf ein gegenseitiges Naschen an ihren blutdurchpulsten Fleischhörnchen gehofft hatte, musste natürlich enttäuscht werden. Aber das Ende wird viel subtiler eingeleitet: Der verwirrte Maler weiss in dieser Situation noch nicht genau, wie er sich verhalten soll, wundert sich ja selber über seinen Sinneswandel und greift verlegen zur Flasche (wem ist das noch nicht passiert ist, nein!, nicht dass er schwul geworden wäre, sondern dass er einer verhassten Person plötzlich ungewollt etwas abgewinnen kann). Und dann kommt ein ABSATZ (der so lieblos überlesene). Dabei handelt es sich um die beste Stelle der ganzen Geschichte und kostet nicht ein Tintenatom! Stellen wir uns die Situation doch noch einmal vor. Wir lassen nun die beiden einen ganzen Absatz bzw. eine ganze Nacht lang alleine. Verdammt, da sind der Fantasie des Lesers doch keine Grenzen gesetzt und das Verhalten wird nachvollziehbar (in gewissen Grenzen, klar) und plausibel. Alles ist ja schon in den allein gelassenen Figuren definiert.
Wir sind heute viel zu sehr daran gewöhnt, alles sehen zu müssen und erklärt zu bekommen. Wird in einem heutigen Werk zum Beispiel eine Ehebruchsszene dargestellt, sieht man zwei nackte, aufeinander rumhopsende Ärsche. Früher hätte ein exponiert in einem fremden Schlafzimmer abgelegter Herrenhut dazu gereicht! Und die Fantasie des Lesers glüht.
Nach dem Absatz hätte ich die Geschichte auch schon enden lassen können, aber ich wollte den Leser nicht ganz im Unklaren lassen und die Metamorphose vollenden. Wie es weitergeht, weiss der Leser trotzdem nicht, und ich auch nicht. Seit dem Schreiben dieses Schlusssatzes ist der gute Bargas nämlich dazu verurteilt, nie älter zu werden.
Die Reminiszenz auf Gustave Flaubert vermittels des gedämpften Rauschens des Autolärms der Gran Vía, als Beispiel verschiedener Gleichzeitigkeitsebenen, ist auch völlig untergegangen. Ist auch eine schöne Vorstellung, anhand des Abnehmens des Fahrzeugstroms während dieser langen Nacht auf deren Fortschreiten zu schliessen…
Lesern, die nur an einer reinen Handlung und an Dialogen interessiert sind, wird sich die Geschichte natürlich nicht offenbaren.
Irgendwo oben kam mal eine Anspielung auf Groschenroman. Ich denke die meisten von uns (und ich! ;)) wären froh, Auflagen zu erzielen wie solche Autoren!
Zu den vermeintlichen Klischees. Französin und Oralsex in Verbindung zu bringen, mag ein Klischee darstellen, aber nicht in dieser neuen und frischen Verbindung mit Ako Pads (das war ein super Orthographiefehler von mir! Ich kannte das Wort noch aus Kindertagen, habe es aber nie geschrieben gesehen und auch nicht nachgeschaut) und Sperrholzplatten. Bei Ukrainerinnen denkt man sicherlich eher an Heiratsannouncen, nicht an fruchtbare Milchkühe und die deutschen Frauen werden gewöhnlich (vor allem im Ausland) mit behaarten Beinen in Verbindung gebracht, die sie auch noch stolz vorzeigen. Ganz generell: ein geldgieriger Politiker ist ein (natürlich wahres) Klischee. Lassen wir diesen aber Gespensterhefte sammeln, so ist er schon nicht mehr so alltäglich. Oder die Wasserstoffblondine… Aber wenn sie diese Tönung durch ein unfreiwilliges Bad im Säuretank erhalten hat, sieht es schon wieder anders aus. Ich habe so ein bisschen das Gefühl, hier sind einige Kritiker in ihre eigene Klischeefalle gefallen. Ich würde fast so weit gehen, zu sagen, dass jede Verbindung von Maler mit einem beliebigen Adjektiv als Klischee aufgefasst werden kann…
Du schreibst auch, dass du das Drehen an den Löckchen nicht verstehst. Viele Figuren basieren auf irgendeiner kleinen Handbewegung, Aussage, was auch immer (denk mal an die Hauptfiguren von Kunderas „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“, er geboren aus „einmal ist keinmal“, sie aus einem knurrenden Magen). Dieses jungenhaft verschämte, gleichzeitig aber auch feminine Gehabe macht unseren Bösewicht direkt ganz anders. Und damit wird Bargas ja auch konfrontiert.
Ob die Geschichte nun gefällt oder nicht bzw. ob das Beabsichtigte gelungen dargestellt worden ist, das muss nun jeder für sich selbst beurteilen, dass dieses Schreib(kunst)werk aber wesentlich literarischer und durchdachter ist als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag, ist vielleicht deutlicher geworden (mir selber auch, habe den Text seit Jahren nicht mehr gelesen. Daher auch bitte einfliessendes Eigenlob relativieren, weil ich selber zu dem Text einen riesigen Abstand gewonnen habe, dass er auch von jemand anderem hätte geschrieben worden sein können). Ich finde aber wirklich, dass es ein ziemlich rundes „Ding“ geworden ist.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Eddi Coffin,

auf Basis der (hoffentlich) nicht trivialen Erkenntnis, dass die Verführung des weiblichen Geschlechts weniger ein zögerliches Nachgeben als Reaktion auf das Drängen des Männchens ist, als vielmehr der Bewusstheit der eigenen Attraktivität entspringt, der seitens des Männchens Rechnung getragen werden muss. Oder im Klartext: Selbst die unattraktivste Frau hält sich immer noch für begehrenswert genug, um die Zuwendung von Vergewaltigern fürchten zu müssen.
Deine Veranschaulichung des ersten Satzes, dein Klartext, erklärt aber nicht besonders gut das, was er urspünglich erklären wollte. Und er klingt außerdem sehr überheblich. Ist dir schon klar, oder?
Recherchen zeigen außerdem, dass Vergewaltigungen oft gar nicht besonders viel mit der tatsächlichen oder auch nichtvorhandenen Attraktivität des Opfers zu tun haben. Er ist also auch inhaltlich sehr angreifbar.

Überhaupt hast du eine sehr wortreiche Art, deine Geschichte zu preisen. Da steht sie ja kurz vor dem Gewinn des Literaturnobelpreises. Warum klingt sie dann nicht so, wenn man sie liest?
Ich will dir mal ganz bewusst zu nahe treten, denn deine Idee, dein Konstruktionsplan, der klingt ja gut, aber die Geschichte selbst ist dann doch sehr zerfasert und folgt eben nicht der Logik, und den Vorstellungen, die du in deinem Kommentar hier äußerst. Ich hab mal die Kommentare gelesen, da sagen dir das viele. Wehr das nicht einfach so ab, da hakts wirklich, die Motive deines Hauptcharakters sind nicht nachvollziehbar und glaubwürdig. Auch nicht durch noch so formulierungsfreudige Nacherklärungen.

Die zweite Zutat war die Lyrik der so abstossend wahrscheinlich noch nie durchgeführten Darstellung des weiblichen Geschlechtsorgans in starken Bildern. Daher halte ich den Text eben auch für polarisierend. Manche Leser verbinden mit Lyrik eben nur Reime auf den Apfelbaum im Elternhaus und keine Poesie wie sie Bukowski oder Henry Miller hervorzubringen wussten oder die einfach solche Bilder evoziert.
Und dann lese ich diesen Satz hier:
Während ich meine Zunge schüchtern in ihr recht ungewaschenes Geschlecht schob, dass die Schamhaare knisterten wie ein Akkupatz und sich meine Zunge wie durch gebrochenes dünnes Sperrholz bohrte, schlug sie ihre kariösen Zähne in meine Männlichkeit. Leider missverstand sie meinen Schmerzensschrei als Aufforderung nach mehr und biss erneut zu.
Wir sind zwar kein Lyrikforum, aber Bukowski hat hier bestimmt schon jeder gelesen. Und Miller sowieso. Was hat aber das eine mit dem anderen zu tun? Die Kritik von fast allen war nicht, dass du den Heteroakt abstoßend darstellen willst, das musst du ja tun, wenn deine Geschichte stimmig sein will. Aber wie du es tust, das steht auf einem anderen Blatt.
Es ist wirklich eine Fülle von Klischees (ich denk jetzt gerade an die anderen Frauen mit). Und die Darstellung der Französin hier ist einfach nicht gut formuliert und bebildert. Er fällt auf durch Ekligkeit, ja, aber mehr noch durch den dringenden Wunsch des Autors, die Situation auch wirklich eklig wirken lassen zu wollen. Das musst du aber zeigen und nicht einfach durch ein paar unpassende Bilder oder Bemerkungen behaupten.

Es beginnt mit Füllseln, die hier nicht rhythmisch, sondern unterbrechend und geschwätzig wirken: recht ungewaschen. Das passt nicht. Stört wie gesagt den Rhythmus, weil es das Akkusativobjekt aufbläht. Bis man zu der Info kommt, in was er seine Zunge schiebt, muss man sich selbst auch durch drei Wörter durchschieben. Warum tust du das dem Leser sprachlich an?
Attributmäßig aufblähen muss immer gut überlegt sein. Und dann: dass es ungewaschen ist, das behauptet der Autor. Wieso riecht der Leser da nichts? Also ich würde die Info sinnlich machen, gerade weil die Stelle dir doch sowichtig ist. Beschreibungen, Atmosphäre lebt von allen Ebenen der sinnlichen Erfahrung.

knisterndes Schamhaar - wie Ako Pads. So schreibt man das übrigens. Wenn man Akkupatz schreibt, hat man bei Autoren meines Alters schon verloren und ist abgestürzt in die Kiste für unfreiwilligen Humor.
Ich geh nämlich davon aus, dass du diese Stahlwolle-Pads zum Polieren und Schleifen meinst. Hast du damit schon mal einen Kochtopf geputzt? Okay, ich bin sicher, du möchtest und wirst weder deine Zunge hineinversenken noch sonstige Körperteile, weil das gar nicht geht. Außerdem wirst du Aku Pads nicht wirklich knistern hören. Ich finde es zwar von der Idee her gut, auch in solchen Bereichen nach einem Vergleich zu suchen, aber Bild und Objekt müssen trotzdem was miteinander zu tun haben, sonst erzeugt es unfreiwillige Komik.

gebrochenes dünnes Sperrholz: Gemeint ist das verklebte Schamhaar der Französin? Auch hier wieder ein viel zu übertriebenes Bild, das Lachreiz auslöst, weil man den unbedingten Willen des Autors abliest, es möglichst fies klingen zu lassen. Aber auch hier ist es so: Ein Bild muss mit dem Objekt, das es verbildlichen will, etwas zu haben. Es wird sonst komisch. Und steck die Zunge mal in splitternde, weil gebrochene Sperrholzplatten, das machst du keine Sekunde. Also: Es ist die Kunst, einen Vergleich, ein Bild zu finden, das abstoßend, aber doch passend ist.

Ihre kariösen Zähne: Hat er Augen an den Eiern? Auch dieses Bild hat mit dem, was du erzeugen willst, nicht viel zu tun. Du willst die Französin und den Sex mit ihr schlecht machen. Das trieft aus der Beschreibung, aber du machst es arg vordergründig durch die Zähne. Wenn ihm die aufgefallen wären, dann hätte es dem Erzähler schon bei ihrem ersten Anblick auffallen müssen. So schauen Menschen. Und dann kann ihm das später vielleicht wieder einfallen. Okay, aber so einfach kariös reinhauen, das stinkt als Absicht wird aber nicht ausdrucksstrak durch den beschriebenen Sachverhalt.

Auch mal auf das Zusammenpassen der Sprachebenen achten. Natürlich kann und darf das auseinanderfallen. Aber so eine Ekelbeschreibung und dann "Männlichkeit" und "Geschlecht". Das fällt sehr stark auseinander. Für mein Gefühl an dieser Stelle zu sehr.

Insgesamt als Satz: Der ist ein echter Schachtelsatz. Ja, Thomas Mann hat verschachtelt geschreiben, aber der konnte das auch. Autoren, die sehr lange Sätze schreiben, machen das, indem sie mit Parataxen arbeiten, oder mit ähnlichen gleichrangigen Informationen. Die Hauptinformationen kommen dann meist an den Anfang, oder stehen eng beieinander. Grund: Man kann sich als Leser gar nicht so viel merken. Du hast hier einen Nebensatz, dem ein weiterer untergeordneter Nebensatz folgt, dem folgt dann ein durch und verbundener 2. Teil des untergeordneten Nebensatzes, und dann kommt überhaupt erst der Hauptsatz. Entschachteln wäre hier notwendig, gerade weil es dir auf die Informationen ankommt. Warum dann sie in Nebensätze sperren, die zweifach untergeordnet sind?
Also ich würde mich nicht auf die Kraft der Bilder verlassen, sondern diese überprüfen und den Satzrhythmus angehen.

Noch eine letzte Bemerkung, ich mache das normalerweise nicht, dass ich einen Satz so zerlege. Ich sehe einen Text meist lieber in seiner Gesamtheit. Aber du bist so stolz auf diesen Satz, verteidigst ihn wie Idefix seinen Riesenknochen. Am Ende schreibst du dann noch mehr solcher Sätze.
Mein Bitte wäre: guck ihn dir doch mit etwas Abstand noch einmal in Ruhe in einer Atmosphäre größerer Offenheit genauer an.
Deine Geschichte hat Potential, aber im Moment stehst du dir ein bisschen im Wege. Du siehst weder, wo es ganz erheblich knarzt im Geschichtenaufbau noch die stilistischen Übertreibungen.
Viele Grüße
Novak

 

Hallo Novak,

zu deiner Freude und der einiger anderer schreibe ich jetzt meinen letzten Kommentar. Ich will meine Zeit nicht vergeuden, und die Eure auch nicht.

Vielen Dank erst einmal für deine Kommentare, die ja teilweise sogar ganz lustig sind und wenigstens ansatzweise Verbesserungsvorschläge bringen. Die Augen an den Eiern finde ich richtig niedlich, dennoch ist der Zusammenhang etwas dünn, denn die Zähne wird er ja wohl schon gesehen haben, bevor seine Gespielin zubiss, es sei denn, sie habe auf dem Weg dorthin ihr Gebiss ausgewechselt ...

Du meinst, ich verteidige den von dir oben zitierten Scheisssatz wie Idefix einen Riesenknochen (na ja, ein bisschen infantil, aber gut). Das ist so aber gar nicht wahr, es handelt sich ja um einen Satz, der oben von einem anderen Rezensenten als wichtig für das Textverständnis angesehen wurde. Die ganze obige Antwort bezieht sich auch direkt auf das Problem, das Jimmy bei der Kritik des Textes hatte, und ich wollte ihm ganz einfach zeigen, dass der gesamte Text eine zusammenhängende Struktur hat. Ich behaupte doch nicht, er sei unangreifbar. Aber Ausgangspunkt war Jimmys Meinung, einfach gar nichts an dem Text zu verstehen oder konkret kritisieren zu können, weil er ihn so beschissen finde. Du hast zum Beispiel konkrete Kritikpunkte angesprochen, und das ist doch schon einmal ein Anfang! Dennoch bist du aber immer darum bemüht, verletzend zu wirken. Akkupatz, Ako Pads usw., da habt Ihr ja alle Recht, das habe ich auch nie bestritten, obwohl ich sagen muss, dass ich beim Schreiben die Orthographie nicht gerade an die erste Stelle setze. Einen Text aber generell wegen eines solchen Rechtschreibfehlers durchfallen zu lassen, wirft ein unschönes Bild auf dich, wenn du denn wirklich solche Prioritäten setzt. Dann dürfte der Duden ja dein Lieblingsbuch sein (solange du keinen Schreibfehler findest).
Auch die anschauliche Kritik des Schachtelsatzes ist völlig ok (kenne übrigens auch meinen Wolf Schneider, Deutsch für Kenner, Deutsch für Profis oder andere Stilbücher, die ich wärmstens empfehle), aber ich wollte das Bild zusammen in einem Satz unterbringen.

Ein ungewaschenes Geschlecht ist für dich nicht mit Gerüchen belastet? Ah,... ok….

Hier im Forum scheint alles sehr persönlich zu gehen, so dass sich meine anfängliche Befürchtung zu bewahrheiten scheint, dass es sich hier um eine geistig geschlossene Gruppe von Studien- oder Arbeitskollegen handeln, die sich gegenseitig kennen und schätzen, sich vor fremdem Gedankengut aber hermetisch abschotten, weshalb auch auf andere Rezensenten und ihre Meinung gar nicht erst eingegangen wird. Ich wünsche Euch noch viel Spass in Eurem luftdichten Universum. Dass mir da keiner einen Furz lässt!

 

Welche Rückschlüsse du von mir auf das Forum ziehen willlst und umgekehrt, Eddi, das überlasse ich dir. Schade jedenfalls, dass du so schnell kneifst. Ich hatte anderes von dir erwartet.

Mir geht es nicht darum, verletzend zu wirken. Ich habe deinen Satz angeschaut und analysiert. Und das sehr ernsthaft. Fand ich nötig angesichts deiner Erklärungen.

Noch drei Sachen zur Richtigstellung, dann bin ich auch schon wieder weg.
Ein Text hängt nicht an einem Rechtschreibfehler. Aber manche Rechtschreibfehler sind nun mal unfreiwillig komisch. So auch hier. So eine kleine Uzerei sollte ein Kerl schon aushalten können.
Und das "ungewaschene Geschlecht" solltest du erfahrbar machen, indem du nicht einfach die Abstraktion benutzt, sondern den Geruch beschreibst oder ähnliches. Natürlich riecht jemand, der ungewaschen ist. Aber diese Formulierung vergisst eben die Anschaulichkeit. Ist ein völlig anderes Argument als das, was du verstanden hast.
Auch bei den kariösen Zähnen war mein Argument anders. Dieses Adjektiv kommt hier zu unvermittelt, da hat es dann nichts mehr mit der Art und Weise zu tun, wie wir andere Menschen wahrnehmen. Dieser Hinweis müsste vorher kommen.

Ansonsten hatte ich, bevor ich den ersten Kommentar abgeschickt hatte, eine Wette mit mir selbst abgeschlossen, wie du wohl reagieren würdest. Leider habe ich verloren. Tja ... ich hatte deinen Text kritisiert, du beschimpfst die Leute hier. Merkst du den Unterschied?
Ich wünsch dir alles Gute.

 

Die zweite Zutat war die Lyrik der so abstossend wahrscheinlich noch nie durchgeführten Darstellung des weiblichen Geschlechtsorgans in starken Bildern.

Die Reminiszenz auf Gustave Flaubert vermittels des gedämpften Rauschens des Autolärms der Gran Vía, als Beispiel verschiedener Gleichzeitigkeitsebenen, ist auch völlig untergegangen.

Lieber Eddi,

ich glaube, du brauchst das Forum gar nicht. Du bist sowieso schon der allerbeste Autor, den es je gab. Wir sind alles nur ambitionierte Anfänger, die dein profundes Wissen nicht bereichern können.

Wünsch uns einfach viel Spaß beim Furzen!

Gruss, Jimmy

PS: Sorry, Mods ...

 

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