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Unverhofft kommt oft
Wütend riss ich die fünfte Bierdose auf, kippte sie auf ex herunter und fragte mich, wie ich diesen Claudell am besten umbringen könnte.
Vielleicht sollte ich mich aber erst einmal vorstellen: Mein Name ist Julio Bargas, ich bin 30 Jahre alt, ledig und in meinem Beruf als Maler recht erfolglos. „Was ist ein Aktmaler ohne Modelle?“, sage ich immer und lade mir so notgedrungen immer neue Bekanntschaften in mein Atelier in Madrid.
Aber ob Sie es glauben oder nicht, das Problem besteht für mich darin, Frauen zu finden, die sich ausziehen lassen, ohne angefasst werden zu wollen; sie sind zu Tode beleidigt, wenn man es nicht wenigstens versucht. Und so bin ich also verpflichtet, sie zu Geliebten zu nehmen, und das ist ganz schön anstrengend. Die letzte war Monique, eine kleine schwarzhaarige Französin mit Bubikopf, die ich eine Freitag Nacht im Joy Eslava, einer Disko in der Innenstadt, aufgegabelt hatte. Ich hatte sie erst für eine Prostituierte gehalten, aber Französinnen sind wohl nun mal so. Sie liebte es denn auch französisch, war aber leider etwas brutal. Während ich meine Zunge schüchtern in ihr recht ungewaschenes Geschlecht schob, dass die Schamhaare knisterten wie ein Akkupatz und sich meine Zunge wie durch gebrochenes dünnes Sperrholz bohrte, schlug sie ihre kariösen Zähne in meine Männlichkeit. Leider missverstand sie meinen Schmerzensschrei als Aufforderung nach mehr und biss erneut zu.
Dann war da noch Ursula, die Ukrainerin mit dem bäurisch stabilen Körper, so rosig im Gesicht, so fruchtbar anmutend, ich war versucht anzunehmen, dass sie nur ihren weißen geblümten Schlüpfer fallen lassen müsse, um schwanger zu werden, was aber dann zu meinen Glück doch nicht geschah.
Und Katrin, die sportive Deutsche, die ich mir gar nicht anders vorstellen konnte als in Radfahrhosen oder beim Liebesspiel. Selbst daraus machte sie eine Sportart, und ein dreifacher Orgasmus in Serie war ihr stetes Ziel. „Jetzt, ein bisschen nach rechts, tiefer, ja, nein, genau da.“ Ihr Ehemann konnte einem schon Leid tun. Sie sehen also, als Maler von Frauenakten habe ich kein leichtes Leben.
Schließlich zeichnete sich aber doch meine große Chance am Malerhimmel ab, als mir ein Galerist mir im nahen Toledo eine Einzelausstellung, meine erste, anbot. Doch wurde diese durch das Eingreifen dieses Jean Pierre Claudells, eines bekannten Kunstkritikers, zunichte gemacht. Ein einfacher Anruf bei meinem Galeristen hatte dazu genügt, eine Erklärung konnte der mir aber auch nicht geben. Wutentbrannt versuchte ich also diesen Claudell zu erreichen, bekam aber nur seine Sekretärin an den Apparat, die mir einen Termin gab.
Abends gegen acht Uhr sollte ich bei ihm sein. Da es Nachmittag war, nahm ich also ein Sechserpack Bier aus dem Kühlschrank, um mich etwas zu beruhigen. Schließlich warf ich mir eine Jacke über und fuhr mit der Metro los.
Endlich stand ich nun in seiner Suite, zugegebenermaßen etwas angetrunken, und sah ihn zum ersten Mal. Meine Fäuste zuckten konvulsivisch in froher Hoffnung, sich um seinen Hals legen zu dürfen oder ihm liebevoll alle Fingergelenke zu brechen, als ich eines meiner Bilder an der Wand sah. Verwirrt blickte ich dann auf Claudell, der gemessen auf mich zu schritt. Ein feiner Pinkel, wahrscheinlich ein ziemlicher Angeber. Obwohl, für seine 54 Jahre sah er gar nicht mal schlecht aus, mit seinen schwarzen Augen, den feinen Augenbrauen und den nicht zu seinem Alter passenden Koteletten. Er trug einen weinroten Bademantel und persische Pantoffeln, strömte den süßlichen Odeur irgendeines mir unbekannten, aber sicherlich äußerst teuren Parfums aus und hielt in jeder Hand ein gefülltes Sektglas, von denen er mir eines reichte. „Ich glaube, ich bin Ihnen, dir, eine Erklärung schuldig“, wobei er einen Seitenblick auf mein Bild warf. Ja, er sah wirklich umwerfend aus. Er trank das Glas in einem Zug aus und stellte es auf einem Glastisch ab. Ich tat es ihm nach, mir schwindelte und meine Augen suchten nach einem Stuhl. Schließlich ließ ich mich in das rote Plüschsofa plumpsen. „Was macht mein Bild hier?“, fragte ich benommen. „Ich habe es gekauft, die anderen auch, du hast wirklich großes Talent. Schon seit einiger Zeit verfolge ich deine Arbeiten und ausstellen solltest du in Madrid oder Berlin; übrigens kannst du mich Jean nennen.“ Er saß jetzt dicht neben mir und spielte mit einem Finger an einer seiner dichten Locken. Der Alkohol wirbelte in meinem Kopf, mein Blut kochte und ich merkte wie mir eine Schweißperle die linke Achsel herunter rann, während der Verkehrslärm der dichtbefahrenen Gran Vía gedämpft zu uns ins Zimmer drang. So langsam dämmerte mir, dass ich die Situation etwas missverstanden hatte. Verlegen griff ich mir die Sektflasche und füllte forsch nach.
Als ich am nächsten Morgen wach wurde, fühlte ich mich so gut wie schon lange nicht mehr. Nackt hüpfte ich aus dem Bett und schlüpfte in den roten Bademantel der auf dem Boden lag. „Bist du schon wach, Liebling?“, hörte ich Jeans Stimme aus der Küche rufen.