Mitglied
- Beitritt
- 20.04.2015
- Beiträge
- 2
Der Apfel
Der 7 jährige Jack saß auf der himmelblauen Hollywoodschaukel auf der Veranda seiner Eltern. Ein kleines Stück Urlaub im Garten. Es war ein strahlender Tag mitten im Sommer und heute schien die Sonne besonders warm. Auf dem Sonnendach der Hollywoodschaukel sammelten sich die Blüten der Kirschbäume die im heimischen Garten standen. Jack´s blonde Locken wehten im Wind der sanft durch die Bäume hauchte. Die Hollywoodschaukel schwang langsam vor und zurück und Jack´s Beine baumelten über dem Boden. In der Hand hielt der kleine Junge einen Apfel. Er war gelb mit ein paar rötlichen Schattierungen und durch die kleinen Schrammen, die er, noch am Baum hängend durch Wind und Wetter abbekommen, hatte sah er ein wenig mit genommen aus. Jack´s Blick haftete auf der Frucht.
Zusammen mit seinem Opa hatte er den Apfel vor ein paar Tagen in dessen Garten gepflückt. Sein Opa hatte ihn auf seine Schultern genommen und Jack musste nur seine Hand ausstrecken und sich den schönsten Apfel aussuchen. Jack´s Opa war aus seinem Bürojob bereits früh in Rente gegangen und hatte somit viel Zeit für seinen kleinen Enkel , die er jede Sekunde genoss, der kleine Knirps hielt ihn ganz schön auf Trab. Mit seinen weißen, lockigen Haaren und seinem vollen, langen Bart sah er aus wie der Weihnachtsmann. Es gefiel Jack mit seinem Opa im Garten zu Arbeiten. Im Sommer freute sich Jack immer ganz besonders darauf die Kartoffeln, die sein Opa im Frühling in die Erde eingepflanzt hatte, mit seiner kleinen, grünen Schaufel aus zu buddeln. Dabei hatten sie einen riesen Spaß, sie machten einen Wettbewerb daraus, wer die größeren Kartoffeln aus buddelte. Und jedes mal, wenn Jack aus dem Garten kam, hatte seine Mutter mit Grasflecken und Erdresten auf seiner Latzhose zu kämpfen. Auch an den anderen Beeten gab es für Jack viel zu entdecken. Es gab Gurken und Tomatensträucher, Himbeeren und Erdbeeren von denen genascht werden durfte. Salat hatte Jack´s Opa ebenfalls angepflanzt, den seine Mutter mitnehmen konnte um diesen an die Hasen zu Hause zu verfüttern. Auch ein kleines Planschbecken hatte sein Opa für ihn aufgeblasen und aufgestellt. Und an besonders heißen Tagen stand sogar der Opa in seiner knallbunten Badehose vor dem Becken. Mit seinem Opa erlebte Jack auch außerhalb des Gartens große Abenteuer. Sobald seine Oma aus dem Haus war um den Einkauf zu erledigen, schnappten er und sein Opa sich den Softfußball und kickten ein paar Runden im Haus. Softball hin oder her, natürlich ging dabei die Ein oder andere Vase zu Bruch. Sein Opa war ein großartiger Geschichtenerzähler und so entführte er seinen Enkel in fabelhafte Welten um Piraten und ihren Schatz, weit entfernte, magische Orte und zu Cowboys und Indianern im wilden Westen. Wenn das Wochenende vorbei war, brachte sein Großvater ihn wieder nach Hause und Jack freute sich bereits auf die nächsten gemeinsamen Abenteuer.
Heute trug Jack nicht seine geliebte Latzhose sondern einen schwarzen Anzug mit einer Krawatte. Vor einer halben Stunde war er, zusammen mit seinen Eltern von der Beerdigung nach Hause gekommen. Vor fünf Tagen war sein Opa morgens nicht mehr aufgewacht. Jack´s Mutter musste nicht nur den Tod ihres Vaters verkraften sondern auch ihrem einzigen Sohn erklären warum sein Opa nicht mehr auf Erden war. Einen Satz wie den, dass Opa friedlich eingeschlafen war wollte sie vermeiden denn sie hatte die Sorge dass Jack Angst bekommen würde morgens selbst nicht mehr aufzuwachen. Sie wollte ihren Sohn immer vor diesem Thema „Tod“ bewahren, sie wollte ihren Sohn davor beschützen und ihn nicht in Angst und Sorge davor aufwachsen lassen. Als vor ein paar Wochen das Meerschweinchen des Kindergartens, in den Jack ging, gestorben war, wurde das Thema dort auch, zusammen mit den Kindern aufgegriffen. Jedes Kind malte ein Bild von seiner Vorstellung des Himmels. Jedes Bild sah anders aus und doch waren sie alle gleich: Menschen und Tiere die zusammen auf einer Wolke stehen und glücklich sind. Anhand der vier Jahreszeiten wurde den Kindern erklärt: Der Frühling steht für einen Neubeginn, der Sommer für die Entwicklung und Reifung, der Herbst für das Verweilen und der Winter für den Stillstand. Der Verlauf eines Lebens .
Jack´s Mutter erklärte ihrem Kleinen dass sein Opa nun im Himmel bei den Engeln sei und von dort oben auf ihn aufpassen werde Für Jack war das kein Trost. Sein Opa war für immer fort. Er schaute auf den Apfel in seiner Hand, den Apfel den er vor fünf Tagen mit seinem Opa zusammen gepflückt hatte. Er strich sanft mit den Fingern über die Schale des Apfels. Eine sanfte Brise blies durch den Garten, der warme Wind umgab Jack vollkommen und er spürte die Präsenz seines Opa´s ganz deutlich, er fühlte die Wärme in seinem Herzen. Jack biss in den Apfel. Der herb süße Geschmack der Frucht war intensiv. Eine Träne rollte über Jack´s rote Wange. Sein Opa war gegangen. Dem Auge zwar fern aber dem Herzen ewig nah….