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Die Küche

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22.04.2015
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Die Küche

Sie war einfach plötzlich da gestanden. Aus dem Nichts. Als hätte sie ihn tagelang verfolgt, sich angepirscht, nur um ihn in einem schwachen Moment zu ertappen. Und da war sie nun. Stumm schrie sie nach ihm, er musste sich die Ohren zuhalten, doch es half nicht. Einem lauernden Feind gleich fasste er sie ins Auge. Bedächtig, mit tastenden Schritten näherte er sich ihr. Ein Moment der Angst quälte ihn, als er spürte, dass ihm die Kontrolle entglitt. Mit stummem Entsetzen musste er zusehen wie seine Rechte nach vorne schnellte und zielsicher den zarten Hals packte nach dem er sich so sehnte. Er verlor sich. Erst der stechend-heiße Geschmack ließ ihn wieder zu sich kommen. Sein Mund spuckte angewidert von sich was sie ihm in die Kehle geleert hatte. Nur eine Armlänge von seinem Gesicht entfernt umklammerten seine Finger schraubstockartig ihren Hals. Er hätte sie nicht loslassen können. Sein Körper gehorchte ihm nicht mehr, er war ihr mit Haut und Haaren verfallen. Ihre ganze Erscheinung eine Aufforderung. „Na los, trink! Mach schon. Lass dich volllaufen bis dir Hören und Sehen vergeht. Wir beide wissen, dass es am Ende darauf hinausläuft auch wenn du jetzt noch eine Weile den Helden spielst. Diese Rolle kaufst du dir genauso wenig ab wie ich, dazu ist schon zu viel passiert. Du kannst es doch kaum erwarten dir für ein paar Stunden die Sinne zu vernebeln weil du es einfach nicht mehr erträgst, dieses Leben. Dieses Leben dass sich anfühlt wie ein zu enges Kleidungsstück, dass du nicht ausziehen kannst. Nur ich kann dir dabei helfen für ein paar Stunden aus der Nummer raus zu kommen. Und das weißt du.“, zischte sie ihm verschwörerisch zu. Seine Hand zitterte so stark, dass er hören konnte wie der Schnaps gegen den Körper der Flasche schwappte. Ein atemberaubendes Geräusch, dass für ihn klang wie das Lachen eines alten Freundes. Er atmete panisch ein aus und bekam doch keine Luft. Schließlich ließ er sich auf den Stuhl fallen und senkte seinen Arm samt Flasche auf die Tischplatte. Das Gewicht der Flasche verschwand und sein Arm lockerte sich ein wenig. Beschwörend starrte er die völlig fremd wirkenden Finger an, die noch immer die Flasche umklammert hielten. Loslassen, dachte er. Er würde die Flasche nur loslassen müssen. Dann hätte er vielleicht eine kleine Chance, auch wenn er die erste Runde verloren hatte. Langsam, wie ein vorsichtig gelockerter Knoten öffneten sich seine verkrampften Hände. Sie gaben den Hals frei und glitten kraftlos am Schaft der Flasche herunter bis sie den Tisch berührten. Er stöhnte. Erleichterung und Schmerz zugleich. Mit aller Kraft versuchte er sie zu ignorieren. Sein Blick wich ihr aus, ein Zucken durchfuhr ihn wenn er sie versehentlich doch streifte. Doch seine Gedanken konnten der Flasche nicht ausweichen. Tausendmal schickte er sie in die Ferne, zu allem was weit weg von seiner düsteren Küche, dem Esstisch, der Flasche war. Sie kehrten immer wieder zu ihr zurück. Wie ein Magnet neben einem Kompass fälschte sie den Kurs seiner Gedanken ab. Das Streiflicht eines vorbeifahrenden Autos glitt geräuschlos durch das Zimmer, als wäre es zufällig hineingestolpert und hätte seinen Irrtum sofort bemerkt als es einen Blick auf die kalten verdreckten Fliesen und den Porzellanturm in der Spüle warf der allmählich zu riechen begann. Nach einem Moment verschwand es wieder auf die halbdunkle Straße im Neonlicht der Laternen und ließ die Küche im blassen Schein des Mondlichts hinter den Gardinen zurück. Und dann wurde es still. Seine Gedanken waren so ohrenbetäubend gewesen, dass er nichts anderes mehr wahrgenommen hatte. Jetzt kroch die Stille aus einer fernen Ecke hervor und breitete sich langsam schleichend im Zimmer aus. Kein Geräusch drang an seine rauschenden Ohren, kein Laut der sich erboten hätte ihn von seinem Martyrium abzulenken. Seine Beine fühlten sich wieder stärker an. Weniger zittrig, der eine große Schluck hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Eine Wirkung die bald verfliegen würde. Beim Aufstehen half er sich mit den Händen, da das Vertrauen in seine Beine noch nicht vollständig wiederhergestellt war. Er lief zum weißlich schimmernden Kühlschrank und versuchte die Zettel daran zu entziffern. Er las sich selbst die Müllabfuhr Termine des kommenden Jahres vor. Daneben ein Zeitungsartikel, den er ausgeschnitten aber nie mehr gelesen hatte und eine Grußkarte. Das Problem an Grußkarten war, dass sie irgendwann nervten oder traurig machten bis man sie nicht mehr sehen konnte, sie aber trotzdem nicht wegwarf weil man es nicht übers Herz brachte sie im Müll zwischen dem Altpapier liegen zu sehen. Diese Karte war schon ein halbes Jahr alt. »Alles Gute« stand in bunten Buchstaben darauf, die zu tanzen schienen weil sie schief und krumm nebeneinander in der Luft hingen. Das Bild zeigte die fünf Zehen eines Fußes die mit lachenden Gesichtern bemalt waren. Er wandte schnell den Blick ab. Nach kurzem Suchen fand er den Lichtschalter und musste blinzeln bis seine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten. Er füllte Wasser in die Kaffeemaschine. Zwischen schmutzigem Geschirr suchte er nach einer Tasse und erschrak als ihm ein rötliches, aufgedunsenes Gesicht im silbrigen Spiegelbild eines Topfes begegnete. Die gefundene Tasse reinigte er und stellte sie auf die vorgesehene Markierung in der Kaffeemaschine. Ein entspanntes Gefühl rieselte warm durch seine Brust, als er dem gleichförmigen Brummen und Gurgeln des Automaten lauschte. Der Kaffee versprach klare Gedanken und bot ihm einen vertrauten und daher beruhigenden Geschmack, der jedoch nur ein schwacher Ersatz für das war was er eigentlich wollte. Keine Milch, kein Zucker, kein furchtbarer Süßstoff durfte den Geschmack verfälschen. Er kaufte nur den billigen Kaffee vom Discounter, der war besonders bitter - genau was er wollte. Er behielt ihn lange im Mund, heiß und bitter, damit er zu sich kam. Bald war die Tasse leer. Und als er mit einem letzten kleinen Schluck den Bodensatz des Kaffees austrank, konnte er sich das erste Mal an diesem Abend vorstellen, wie es sein könnte sie einfach stehenzulassen. Er hatte das Licht angeschaltet, das war wichtig gewesen. Im Dunkeln fühlte er sich unbeobachtet und wurde schneller schwach. Nun hieß es warten. Bis er müde wurde und ihn der Schlaf endlich fand. Aber er wusste, dass das nicht möglich war. Noch nicht. Er hielt die Tasse immer noch in der Hand, versuchte sich hinter ihr zu verstecken, als er zum Tisch sah. Die Flasche stand immer noch da. Ganz selbstverständlich und völlig ungerührt von allem was er getan und gedacht hatte. Ein paar Mal blinzelte er. Und dann, zwischen zwei Atemzügen lief er zum Tisch und packte sie blitzschnell. Er bewegte sich hektisch, geradezu panisch. Wenn er auch nur einen Moment Zeit hatte um sich das ganze zu überlegen, es wäre zu spät. Dieses Wissen schlummerte in einer dunklen, weit entfernten Ecke seines Verstandes während er zurück zur Spüle stürzte. Seine Finger rutschten mehrmals am Verschluss ab. Sein Füße führten einen nervösen Stepptanz auf als stünde er auf einer glühenden Herdplatte. Ein ganzer Chor von Stimmen schrie in seinem Kopf durcheinander. Der Verschluss gab nach, ließ sich entfernen und fiel zu Boden. Mit letzter Kraft stellte er sie auf den Kopf und verfolgte mit starren Augen wie die Flasche sich leerte. Das gedrückte Glucksen aus dem Flaschenhals war kaum zu ertragen. Ein Sturzbach klarer Flüssigkeit prasselte in die Spüle. Wehmütig sah er zu wie die letzten Reste zuerst in weiten Kurven, dann in immer enger werdenden Kreisen auf den schmutzigen Ausguss zuflossen und schließlich schlürfend darin verrannen. Klirrend fiel die Flasche in die Spüle. Seine Lungen brannten, er hatte es nicht gewagt Luft zu holen bevor sie leer war. Panik befiel ihn. Es war nichts mehr da. Kein Notvorrat, keine Reserve für den schlimmsten Fall. Tränen liefen warm sein Gesicht hinunter. Er hatte sich selbst eingesperrt und den Schlüssel weggeworfen. Jetzt hieß es warten.
Kein Vogelgezwitscher, nicht die warme Morgensonne weckten ihn. Es war bereits Mittag als er sich das erste Mal regte. Er hob den schmerzenden Kopf von der Tischplatte. Benommen schlurfte er zur Spüle, stellte den Hahn an und beugte sich vor. Das kalte Wasser traf sein verschlafenes Gesicht wie ein Faustschlag. Mit einem hoffentlich sauberen Geschirrtuch, dass er blind vom Haken angelte, trocknete er sich ab. Ein Blick auf die Uhr, dann dachte er nach. Es war später Mittag. Wenn er wieder bis nach Mitternacht wach wäre müsste er bis dahin über zwölf Stunden durchstehen. Das war viel. Vielleicht zu viel.

 

Hola Hannibal Lektor,

herzlich willkommen im elitären Verein der Wortkrieger!
Unser Volk stirbt aus, doch der Wortkrieger werden mehr und mehr – wunderbar.

Und jetzt sogar einer, der Küchengeschichten schreibt. Der hat uns grad’ noch gefehlt! Also beginne ich händereibend mit der Lektüre.

Der erste Satz ist wohl süddeutsch eingefärbt, okay. Aber ich werde wieder ausgebremst:

Stumm schrie sie nach ihm, er musste sich die Ohren zuhalten,

Dichterische Freiheit? Aber bitte – wenn Du darauf bestehst.

Ich bleibe dran, aber verstehen tu’ ich nix. Nix.
Bin ich nicht reif für diesen Text?
Denn dieser Fragezustand hält an bis zum letzten Wort. Da komme ich einfach nicht mit.
Ich lese eine skurrile Mischung von allem Möglichen und verliere die Orientierung. Ich hoffte, dass wenigstens das Ende die Erleuchtung schenkt, aber nix da. Nix.

Lieber Hannibal Lektor, es gäbe viel zu sagen, aber vielleicht nur so viel: Dein Schreibtalent und Deine Wortblumen in allen Ehren, aber m.M.n. musst Du Dich intensiv mit Kommatologie (ich wollte einen Witz machen, aber Google sagt, das gäbe es wirklich), also mit diesen kleinen, krummen Dingern beschäftigen, und mit den Theorien der Kurzgeschichtengestaltung ebenfalls.
Gestatte dem Leser Atempausen und rassle nicht alles in einem Tempo runter, mehr Struktur!
Und schau, was die anderen (nur die Guten!) so schreiben, kommentiere auf Teufel komm raus und fahre Vollgas!
Du wirst das stemmen.

Mit dieser Überzeugung grüßt Dich

Joséfelipe

 

Mahlzeit!

Alla hopp, ein Trinker kämpft verzweifelt darum, seine letzte Geliebte zu meucheln, die da heißt "Vodka"? Oder "Bommerlunder"? Ja, als Sohn eines schon lange verstorbenen Alkoholikers, der vor 25 Jahren ebenso kurz davor war, kann ich das nachempfinden. Einzig: Komma und Absatz, diese beiden Elemente kommen mir viel zu kurz. Ich hab den Text extra nach Word kopiert, andere Schrift, großer Zeilenabstand, weil ich es so NICHT lesen konnte.

Wenn beim Lesen das Hirn dauernd stoppt und sagt: "He, da fehlt ein Komma", dann muss man zu oft den Satz von vorne beginnen. Lesefluss = 0. Und das ist schade, denn bis auf einige wenige, ZU blumige Kombinationen, ist das schon ein guter Text, weil er genau beschreibt, wie das letzte bisschen Hirn sich zur Vernunft hinbewegen will, aber die gedehnte Zeit dagegen arbeitet, wie sich Minuten zu Stunden und Stunden zur Ewigkeit dehnen, die Sehnsucht nach der Geliebten stärker brennt als die Sonne in der Gobi. Es gibt keinen Ausweg.

Überarbeite das mit der Kommasetzung und mach ein paar Absätze rein, dann haben wir sogar etwas wirklich Lehrreiches. Mir hat es gefallen, keine Frage.

Gruß
Morphin

 

Hola Hannibal Lektor,

ich lese Morphins Komm und schlage mir vor die Stirne. Was bin ich doch für ein Esel!
Da habe ich mich gründlich blamiert - und dass ich nix verstanden habe, liegt nicht an Dir, sondern an mir und der späten Stunde.

Mit dem mir jetzt klar gewordenem Inhalt würde ich auch die Formatierung so beibehalten, denn der Leser soll ja gar nicht verschnaufen. Das reißt ganz schön mit!

Ich hoffe, Du hast ein großes Herz und siehst mir diesen Fauxpas nach. (Mein Verdacht, für diesen Text noch nicht die nötige Reife zu haben, hat sich auf blamable Weise bestätigt.)

Joséfelipe

 

Ich hoffe, Du hast ein großes Herz und siehst mir diesen Fauxpas nach.
Möglicherweise heißt er nicht umsonst "Hannibal Lektor", und Du hast jetzt ein kleines Problem ... :D: :Pfeif:

Aber ich han dat och ers nachem zähnten Satz su jelesen und jeraaff. Mach Dir nix draus, José. Et is wie et is, un et kütt wie et kütt.

Ach ja: Ein herzliches Willkommen noch von mir!

Morphin

 

Lieber josefelipe,
ich bin froh, dass ich mich wohl doch nicht zu schleierhaft ausgedrückt habe.
Selbstverständlich habe ich ein großes Herz und habe nie daran gedacht, dir etwas krumm zu nehmen.
Dass dieser Text geradezu "kommatös" war, ist gut möglich. Mit diesem kleinen Satzzeichen stehe ich seit jeher auf Kriegsfuß weil ich sie immer nach Gutdünken einschiebe wo es mir gerade in den Sinn kommt.

Lieber Morphin,
es freut mich wenn du in diesem Text tatsächlich reale Bestandteile von alkoholischem Suchtverhalten wiedererkennen konntest. Das ist ein großes Kompliment für mich, weil es mir zeigt, dass diese Geschichte zwar Fiktion ist, aber möglicherweise so stattgefunden haben könnte. Nach dem ersten Schluck/Glas wieder aufzuhören ist das schwerste was ein Alkoholiker sich, dem Vernehmen nach, vorstellen kann. Genau darauf wollte ich mich beziehen und die geistige Isolation von Suchtkranken beschreiben.

Eine Bitte:
Ich höre häufiger, dass ich mit meinen blumigen Formulierungen irgendwann übertreibe und das ganze dann dämlich wird. Meine Frage ist an welchen Stellen, Sätzen und Formulierungen genau du dich gestoßen hast. Das wäre äußerst hilfreich.

Danke auch für die Tipps was die Formatierung angeht, das werde ich künftig beachten.

 

Das Streiflicht eines vorbeifahrenden Autos glitt geräuschlos durch das Zimmer, als wäre es zufällig hineingestolpert und hätte seinen Irrtum sofort bemerkt als es einen Blick auf die kalten verdreckten Fliesen und den Porzellanturm in der Spüle warf der allmählich zu riechen begann. Nach einem Moment verschwand es wieder auf die halbdunkle Straße im Neonlicht der Laternen und ließ die Küche im blassen Schein des Mondlichts hinter den Gardinen zurück.

Das z.B. ist recht umfangreich, ein Block aus Beschreibungen. Stell Dir vor, Du fährst mit einem Bentley über eine neu geteerte Straße, 60 km/h, ein Gleiten, von einer Sekunde auf die andere wechselt der Belag in Kopfsteinpflaster ...

 

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