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Höhenangst

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15.06.2014
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Höhenangst

Die Wiese unter mir entfernt sich langsam. Das Gelände wird steiler, steiniger. Ich klammere mich an den Sitz des Sessellifts. Auf dem Platz neben mir mein Gepäck, ein riesiger schwarzer Sack. Er ist so groß, dass sich der Haltebügel nicht ganz schließen lässt. Wenn ich die Fußstütze mit den Füßen nach unten drücke, ist er fast zu, wippt aber bei jeder Erschütterung gefährlich.

Ich schaue nach unten. Der Abstand ist größer geworden. Felsen tauchen auf. Sie sind spitz, mein Sitz hängt weit über ihnen. Gelegentlich tun sich Abgründe auf. Meine Hände verkrampfen sich, die Knöchel stechen weiß hervor, mein Bauch kribbelt.

„Jeder fährt Sessellift“, denke ich, „es gibt tausende von den Dingern und dass jemand herausfällt, hört man so gut wie nie.“ Ich versuche, mich zu entspannen. Für ein paar Sekunden gelingt es. Dann holpert die Gondel über die Rollen einer Stütze. Wieder wird mir flau im Magen. Ich umfasse den Sicherheitsbügel noch fester.

In einer der hinabfahrenden Gondeln kommt mir ein Vater mit seinem vielleicht zweijährigen Sohn entgegen. Das Kind steht auf der Sitzfläche, auf den wackligen Bügel gestützt und wippt mit den Füßen. In meinem inneren Film stürzt es zwanzig Meter tief zu Boden. Ich möchte schreien. Der Vater lächelt mir freundlich zu.

Eine halbe Stunde später stehe ich oben auf dem Berg, vor mir ein steil abfallender Hang. Ich starre hinunter. Meine Hände sind schweißnass, die Knie aus Pudding, ich muss leichenblass sein. Der Hang ist holprig, voller Kuhfladen und mit Steinen übersät. „Ich werde mir die Füße brechen, wenn ich hinunterlaufe“, denke ich. „Und das ist der gute Ausgang.“

Markus sieht mich von oben bis unten an. Prüft meine Ausstattung.
Die Windfahne zeigt fast keinen Wind.

"OK, Kerstin“, sagt er und lächelt mir aufmunternd zu. Ich nehme meinen Mut zusammen. Renne los, den steilen, holprigen Hang hinunter. 35 Quadratmeter Stoff halten mich zurück, zu Beginn komme ich kaum voran. Mit den Leinen bewegen sich meine Hände langsam nach oben. Der Widerstand lässt nach. Hände etwas anziehen, etwa auf Schulterhöhe, so habe ich es gelernt. Weiterlaufen. Meine Füße berühren gerade noch den Boden. Der nächste Schritt berührt nur noch Luft. Noch ein paar Schritte, warten. Ich ziehe die Beine an. Lasse mich nach hinten gleiten, in einen bequemen Sitz.

Ich fliege. Der Gleitschirm trägt mich, ich schwebe weit, weit über dem Boden, steige sogar noch etwas höher. Um mich herum sehe ich nun die Alpen, weit unten ein breites Tal, etwas rechts einen kleinen See. Die Landschaft ist wunderschön. Mit einem Mal bin ich ruhig.
Die Angst ist verschwunden.

 

Hallo Kersidra,

ich empfinde den Text als flüssig geschrieben, man kommt ohne Stocken hindurch. Und dann ist er vorbei.
Hm. Du schreibst vom Überkommen der Höhenangst. Was auch gelingt. Essenz: Mut überwindet Angst. Ja. So kann man das sehen.
Aber irgendwie fehlt mir hier der wesentliche Teil für eine Geschichte. Die handelnde Person. Das ist alles so schrecklich passiv und letztlich belanglos. Also ich hab da niemanden vor Augen, niemand mit dem ich mitfiebern kann und damit auch keinen Jubel in mir, als letztlich die Angst schwindet. Einen Verdienst kann ich der Prota auch nicht zuschreiben, es passiert ja einfach. Von daher ist der Konflikt in meinen Augen auch kein richtiger Konflikt. Es tröpfelt so vor sich hin und ... ist dann eben zu Ende.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Kersidra,

Eine Geschichte über Höhenangst, bei der ich allerdings die Plausibilität vermisse. Jemand der sich mit einem Gleitschirm die Klippen oder den Hang hinabstürzt, fürchtet sich nicht vor der Seilbahn oder dem Gondelfahren. Wenn eine Geschichte nicht stimmig ist, verliert der Leser schnell die Lust daran.

In einer der hinabfahrenden Gondeln kommt mir ein Vater mit seinem vielleicht zweijährigen Sohn entgegen. Das Kind steht auf der Sitzfläche, auf den wackligen Bügel gestützt und wippt mit den Füßen. In meinem inneren Film stürzt es zwanzig Meter tief zu Boden. Ich möchte schreien. Der Vater lächelt mir freundlich zu.

Zweijährig? Wie weißt du das? Tut es überhaupt etwas zur Sache? Du schreibst "Sohn" und danach wieder "Kind" wenn schon Sohn, was du nicht wissen kannst, dann danach auch Bub. Das Kind danach mit "Es" zu bezeichnen ist der dritte Fehler in dieser Szenen. Also entweder oder.

Meine Hände sind schweißnass, die Knie aus Pudding, ich muss leichenblass sein.

Das Knie fühlt sich vielleicht an wie Pudding, ist aber nicht aus Pudding, wie du beschreibst. Außerdem sind Mutmaßungen über das eigene Aussehen unpassend. Show, don't tell, ist hier die Devise.

Mich hat die Geschichte nicht überzeugt. Du konntest keine Spannung reinbringen und auch schwer glaubhaft Bilder erzeugen. Ist alles etwas unstimmig.

LG

BRM

 
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Servus Kersidra,
Streng genommen hast du hier alle Ingredienzien einer klassischen Kurzgeschichte: Eine lineare Handlung, eine Protagonistin mit einem inneren Konflikt, sogar einen Twist zum Ende …
Und tatsächlich schaffst du es, obendrein Spannung aufzubauen. Zuerst dachte ich nämlich, Mann, schleppt die in dem schwarzen Sack gar eine Leiche den Berg hinauf?
Letztendlich löst sich die ganze Sache wunderschön auf, also wirklich schön, ich mein, gibt‘s was Schöneres als diese Art des Fliegens?
Dass die Protagonistin ihre Höhenangst ausgerechnet mit Gleitschirmfliegen zu überwinden versucht, ist natürlich eine hübsche Idee, um nicht zu sagen eine einigermaßen mutige Strategie, und du beschreibst das auch alles wirklich gut, ja, das ist wirklich gut und schön geschrieben, aber … ja, großes Aber: Irgendwie ist es mir als Geschichte trotzdem zu wenig, es ist halt mehr sowas wie … nein, ich sag jetzt nicht: mein schönstes Ferienerlebnis, aber beinahe kommt's mir so vor. Also viel zum Nachdenken gab mir das Ding nicht.

Sprachllich hab ich nichts auszusetzen, also das ich schon sehr sicher und souverän geschrieben, einzig diese Formulierung würde ich noch einmal überdenken:

In einer der hinabfahrenden Gondeln
Offenbar um eine Wortwiederholung zu vermeiden (Sessel, Sitz?) wählst du hier einen neuen Begriff. Der ist aber einfach nicht passend, ja, eigentlich sogar missverständlich, weil ich unter einer Seilbahngondel einfach was ganz anderes verstehe als unter einem Sesselliftsessel.

Ist auf jeden Fall ausbaufähig, glaub ich.

offshore

 

Hallo,
vielen Dank für eure Kritiken.

Ihr alle sagt, als Geschichte sei euch der Text zu wenig, das kann ich nachvollziehen. Es ist wohl eher eine Episode, ein Ausschnitt, keine ganze Geschichte. Ich werde das aber so stehenlassen, nächstes Mal gibt es dann wieder etwas "Vollständigeres".
Zum Thema "unplausibel": Die Episode ist als solche schon real; ich habe einen Kurs im Gleitschirmfliegen gemacht, und ja, ich habe Angst im Sessellift. Vielleicht habe ich die etwas übertrieben, aber ich klammere mich schon immer an der Armlehne fest. Und kam mir auf dem Weg zum ersten Höhenflug entsprechend blöd vor.
(Ziel war gar nicht die Überwindung der Höhenangst, ich habe einfach gehofft, dass es funktioniert.)
Viele Grüße
Kersidra

 

Hallo Kersidra,

um nicht voreingenommen zu sein, habe ich die Geschichte gelesen und schreibe meinen Kommentar, ohne vorab die bereits geschriebenen Kommentare zu lesen.

Hat mir insgesamt gut gefallen, obwohl ich weiß, dass eine solche Aussage nicht weiterhilft. Du spielst mit der Angst und setzt die sichere Bergauffahrt im Sessellift in Kontrast zum Fliegen mit dem Gleitschirm. Schöne Idee!

Also, ich fand es durchaus gelungen, sprachlich gut. Natürlich keine "richtige" KG, aber das muß auch nicht unbedingt sein (in meinen Augen). Würdest du die KG noch ausbauen wollen, könnte man zum Beispiel versuchen aufzuzeigen, woher die Ängste auf dem Sessellift kommen; ggf. frühere Erlebnisse?

So, jetzt lese ich die anderen Kommentare.

Gruß & weiter so,

Jürgen

 

Hallo Freegrazer,
vielen Dank für deinen positiven Kommentar.
Zu deinem Vorschlag, den Text auszubauen: Ich hätte den Eindruck, dass in dem Fall die Sessellift-Geschichte zu viel Raum bekommt, im Vergleich zum fliegen. Der Text ist ja insgesamt sehr kurz. Und ist Höhenangst wirklich so erklärungsbedürftig?
(außer vielleicht, wenn man unterwegs ist, um fliegen zu gehen)
Viele Grüße
Kersidra

 
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Hallo Kersidra,

ich kann mich gut in die Situation im Sessellift hineinversetzen, denn mir geht es genauso, wenn ich in einem sitze. Ich finde die äußere und innere Beschreibung hier sehr gut, schon allein beim Lesen hat mein Bauch gekribbelt, vor allem an der Stelle, als die Gondel über die Rollen der Stütze holpert. Das hier mochte ich besonders:

Ich möchte schreien. Der Vater lächelt mir freundlich zu.
Das macht ganz gut deutlich, wie verkrampft Kerstin ist und wie entspannt wiederum die anderen.

Hier fehlen die Anführungszeichen:

OK, Kerstin“, sagt er

Obwohl ich selbst Höhenangst habe, funktioniert das Ende für mich. Ich kann mir gut vorstellen, dass man in einem Gleitschirm ruhig wird. Vielleicht ein Trick der Psyche, die einem suggeriert, man hätte hier doch ein wenig mehr Kontrolle über sein Schicksal, da man ja selbst lenkt, als in einem Lift, in dem man einfach nur sitzt und nichts tun kann.

Hat mir gefallen!
Viele Grüße
RinaWu

 

Hallo Rina Wu,
ich habe die Anfürhungszeichen noch eingefügt. Schön, dass dir der kleine Text gefallen hat.
Viele Grüße
Kersidra

 

Hallo Kersidra,
ich bin kein Mensch mit Höhenangst, aber ich konnte mich durch deine Schreibweise (Satzlänge, Satzinhalt, Wortwahl) sehr gut in die Situation hinein versetzen. Einen Wechsel zwischen Wörtern wie "Sohn" und "Kind" halte ich aus Abwechslungsgründen für positiv. (Natürlich muss es inhaltlich gleich sein.) Ich nehme die Geschichte als eine kleine Erzählung einer stolzen Aktivität wahr.
Viele Grüße

 

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