Neil Gaiman - Der Ozean am Ende der Straße
Kurz: Kauft es nicht. Ich habe es sehr bereut.
Und warum schreibe ich noch eine Rezension? Dies ist eigentlich weniger eine Rezension als Ausdruck meiner Gedanken zur verwunderlichen Rezeption dieses Buches. Immerhin habe ich mir dieses Buch gekauft, weil ich noch keinen Gaiman gelesen habe, weil es ein Hardcover ist, weil Gaiman mich schon immer interessiert hat und weil der Klappentext viel verspricht:
"Ich habe 2013 nichts mit größerer Begeisterung gelesen. Das Buch ist ein kleines Meisterwerk der Schauerromantik, ein poetisches Juwel, wie man es nicht oft zu lesen bekommt - Daniel Kehlmann".
Auch auf Amazon gibt es viele sehr positive Rezensionen: http://www.amazon.de/Der-Ozean-Ende-Straße-Roman-ebook/dp/B00K685YZ2.
In Großbritannien war das Buch gar das Book of the Year 2013!
Nach der Lektüre des Buches musste ich jedoch feststellen, dass es in jeder Hinsicht enttäuscht. Die Sprache ist nicht poetisch, im Gegenteil. Einen trister geschriebenen Roman habe ich vermutlich seit meiner Schulzeit nicht gelesen. Die Handlung ist flach, einfallslos und folglich uninteressant. Die Gedanken, die Gaiman hier zu Papier bringt, würde ich bereits im Ansatz als Ärgernis verwerfen, da sie viel zu gewöhnlich und im Gehirn eines Autors des magischen Realismus ohnehin im Überfluss vorhanden sind. Ich habe nach dem Lesen zwei Stunden lang völlig ratlos in den Rezensionen recherchiert, um herauszufinden, warum manche Leute das Buch gut finden. Bei den Zwei- und Ein-Stern-Wertungen hatte ich Hassrezensionen erwartet, allerdings trafen sie die Sache auf den Punkt:
http://www.amazon.de/review/R2ON17FAUR4CXJ/ref=cm_cr_pr_perm?ie=UTF8&ASIN=3847905791Der Schlichtheit und Naivität der Fabel entspricht die forcierte Schlichtheit der Sprache Gaimans. Mitunter gelingen ihm dabei einige schöne Sätze, aber im Ganzen ist diese lapidare Art der Prosa doch so charakterlos wie ein Pressetext.
[...]
Es gibt kein Jenseits dieser Sätze und dieser Geschichte. Man liest sie, klappt das Buch zu, und das Leben geht weiter, als hätte es den Ozean am Ende der Straße nie gegeben. Kein Zauber, keine Poetisierung der Wirklichkeit. Gar nichts.
Die schlechteren Rezensionen weisen oft darauf hin, dass andere Bücher Gaimans viel besser sind.
Auch ein Rezensent der Zeit zeigt sich erstaunt über den Erfolg des Buches: http://www.zeit.de/2014/47/neil-geiman-der-ozean-am-ende-der-strasse-roman
Die guten Wertungen kann ich mir nur so erklären:
- Die Rezensenten haben noch kein gutes Buch aus dem Genre gelesen. Wenn sie dies hätten, müssten sie den Ozean am Ende der Straße deutlich schlechter bewerten.
- Es ist der wohlbekannte Effekt, dass ein berühmter Künstler unverhältnismäßig mehr Aufmerksamkeit und gute Kritiken bekommt als ein unbekannter. Werden seine neuen Werke erstmal von einer bestimmten Masse gelobt, gesellen sich noch mehr Jubelkritiker dazu.
Hier auf wortkrieger drücken sich Neulinge oft weitaus poetischer aus als Gaiman in diesem Buch. Eigentlich sollte man dieses Attribut gar nicht im Zusammenhang mit diesem Buch benutzen, es passt einfach nicht. Vermutlich ist das auch nur ein Nachgeplapper der Kritiker, weil irgendjemand das Wort "poetisch" mal benutzt hat. Einer schrieb sogar "hochpoetisch"!
Gaiman verrät im Nachwort übrigens, dass er eine Auftrags-Kurzgeschichte hatte schreiben wollen, die aber leider zu einem Roman anwuchs. Das erklärt vielleicht auch einiges.
Für mich ziehe ich das Fazit, dass ich in Zukunft eher den schlechten als den guten Kritiken traue. Die schlechten Kritiken werden möglicherweise von Leuten mit mehr Ahnung geschrieben.