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Die Fremden

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23.05.2015
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Die Fremden

Die Fremden

Ein holperndes Herz mit hastigen Händen öffnete ihm die Tür zu ihrer Wohnung. Entgegen der drückenden Schwere, die ihren Brustkorb zu sprengen drohte schien sich die störrische Tür an diesem Tag mit schwungvoller Leichtigkeit aus dem Schloss heben zu lassen. Ganz, als belächelte sie, dass ihrer schwachen Gestalt dies sonst nur unter mühsamen Aufwand aller Kräfte gelang.

„Du bist es.“, begrüßte sie ihn, als wäre er nicht nur einer bewussten Verabredung gefolgt. Als seien sie sich reinem Zufall wegen nach einem einsamen Jahr wieder begegnet. Die Zeit war so schnell vergangen, wie sie immer verging. Eine leere Zeit, die sie beide in verschiedene Richtungen verformt und verbogen hatte, dass ihre Handlungen, Gesten und Gedanken an diesem Tag schattenhaft aneinander vorbei huschten.

Mit geschickten schnellen Bewegungen nahm er ihr noch in der Diele den Boden unter den Füßen. Erst in dem kühlen Raum mit den kahlen hohen Wänden, in dem sie zu schlafen gewohnt war, ließ er sie zurück auf das staubige Holz finden. Still blies der Wind dort durch die offenen Fenster. Sicher wollte er die beiden nicht stören, wie sie sich da im Bett unbeholfen wiederfanden, ohne sich zu finden. Die dünnen Vorhänge blähten sich auf und tränkten den Raum zaghaft mit milder Morgensonne.

Ihre Blicke trafen sich. Unsicher blieben sie aneinander haften. Unbeholfen verschränkten sie sich ineinander, ohne dabei aufgelöst in ihre Einzelteile ganz Eins zu werden. Für sie fühlten sich diese wenigen Sekunden unendlich endlich an. Kostbar und vergänglich.

Kurz zuvor hatten ihre scheuen Augen nur vorsichtig und zögernd seinen nackten Körper ertastet – seine breiten Schultern, seine schützenden Arme, seine starke Brust. Fehlte da nicht etwas? Hatte sich etwas verändert? Verbarg seine allzu darbietende körperliche Nacktheit nicht die Scham seiner Seele? Krampfhaft zuckend drängten ihre Augen danach hinter das Blau seiner Iris zu gelangen. Dort hatte sie früher seine Seele berühren können, wenn sie lachend einander festhielten oder er behutsam ihre Stirn küsste.

Sah sie diesmal nicht mehr in ein milchiges Grau? Undurchlässiger als die gläserne Farbe, die vor ihr nie etwas verborgen hätte? Nackte Angst ließ sie plötzlich verzweifeln. Sie fürchtete er würde ihr diesmal Vertrauen und Wahrheit vorenthalten.

Doch trägt nicht ein jeder, wie er an diesem Tag, täglich mit größter Sorgfalt das Wahre hinter seiner Maske versteckt? Schließlich kann sie ein treuer Freund sein - schützend vor den Gefahren, die gierig in der Liebe lauern. Versiegelt schlummert die Empfindsamkeit dahinter. Sie ruht eingesperrt und gekleidet in undurchdringlich lachenden Mienen, während ihr Inneres zu zerspringen, zu zerschmelzen, zu vergehen droht – vor Leidenschaft oder Kummer…

Der kahle Raum war jetzt von schwachem Licht erfüllt, das sorgsam die kalten Körper der beiden streichelte. Nackt saßen sie sich gegenüber, während sie lautlos zu fragen begann wer er war. War das wirklich er? Und warum wartete er neben ihr auf einen Moment, der sie sowieso im Stich lassen würde? War er sich dessen bewusst?
Gern hätte sie seine Seele mit ihren fordernden Blicken entblößt, so wie zuvor ihre dünnen Finger zitternd seine nackte Haut. Was wollte er? Was wollte sie?

„Einfach die Zeit zurückdrehen.“, denkt sie später, „Wir hätten zeitreisen können - wie wir da auf meinem knarrenden Bett verwundet warteten, dass sich unsere Seelen heilsam berührten, die doch so sehr einander glichen.“.

Stattdessen holte die Gegenwart das Vergangene ein und sorgte dafür, dass das Ungesagte ungesagt, die Körper starr und eisig blieben. Statisch formten ihre Zungen falsche Schläge. Falsche Laute verließen allzu bedacht die feuchten Lippen der beiden Fremden, als sie sich ohne Liebe liebten.

 
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Hallo Lotte,

Herzlich willkommen bei den Wortkriegern.

Ein holperndes Herz mit hastigen Händen öffnete ihm die Tür zu ihrer Wohnung. Entgegen der drückenden Schwere, die ihren Brustkorb zu sprengen drohte schien sich die störrische Tür an diesem Tag mit schwungvoller Leichtigkeit aus dem Schloss heben zu lassen. Ganz, als belächelte sie, dass ihrer schwachen Gestalt dies sonst nur unter mühsamen Aufwand aller Kräfte gelang.

Ein typischer Anfängerfehler. Dein Text ist überladen mit Adjektiven. Zu viele Adjektive machen den Text zäh, der Stil ist zu beschreibend, es entwickelt sich kaum Dynamik. Kurz: zu viele Adjektive machen den Text langweilig und rauben jegliche Spannung. Das zieht sich bei dir so durch den Text und da sollte man stets drauf achten. Auch ich habe diese Fehler gemacht und muss mich daran erinnern, weniger Adjektive zu benutzen, weil es die Leser häufig vergrault.

Mein Vorschlag als: Streich die Hälfte der Adjektive raus und überlege, welche gar nicht notwendig sind, z.B. schwungvolle Leichtigkeit. Bei Leichtigkeit stell ich mir automatisch etwas Schwungvolleres vor. Ein weiteres Beispiel wäre die drückende Schwere. Ist Schwere nicht immer in gewisser Weise drückend?

Wie gesagt, dein Text strotz vor Adjektiven und ist daher schwer zu lesen und einfach öde, um es mal drastisch zu formulieren. Das ist aber kein Beinbruch, denn diese Fehler machen alle am Anfang. Also nicht verzweifeln, einfach den Text dahingehend entschlacken, und dann kann man auch über den Inhalt diskutieren, der dann gewiss spannender daherkommen wird. ;)

„Du bist es.“, begrüßte sie ihn, als wäre er nicht nur einer bewussten Verabredung gefolgt.

Kein Punkt in der wörtlichen Rede. Durch das begrüßte sie ihn wird der Satz ja fortgesetzt.

In dem Sinne beste Grüße und nicht verzagen
gibberish

 

Hallo Lotte,

mir hat der Text ganz gut gefallen. Er beschreibt eine interessante zwischenmenschliche Situation. Eventuell könntest du noch ein bisschen mehr darauf eingehen, weshalb die beiden nicht miteinander reden, was sie davon abhält, obwohl doch gerade sie sich sehr danach zu sehnen scheint.

Die Sache mit den Adjektiven stimmt. Ich muss aber zugeben, dass es mir auch erst nach dem Kommentar von gibberish aufgefallen ist. Insofern habe auch ich noch etwas gelernt :-)

Weiterhin viel Spaß und viele Grüße,
Sebastian

 

Hallo,

vielen Dank für die beiden Kommentare!

Durch den Hinweis auf die überzähligen Adjektive ist mir nun auch aufgefallen, dass der Text dahingehend ziemlich überladen wirkt. Demnach - vielen Dank für die Kritk.

Ich werde versuchen den Text in den kommenden Tagen zu überarbeiten und eure Anmerkungen einfließen zu lassen.

Bis dahin freue ich mich natürlich weiterhin auf konstruktive Kritik, Ratschläge und Beurteilungen. : )

Viele Grüße
Lotte

 
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Hola Lotte,

Dein Text ist neu und gut und rutscht und rutscht ins ‚Schwarze Loch’ – das darf auf keinen Fall passieren!
Natürlich gehört deine Sprache in ein anderes Jahrhundert. Sie erinnert an die Sprache des frühen 19. Jahrhunderts. (Dein richtiger Name ist nicht zufällig ‚Charlotte’?)
Die jungen Leute wird diese Sprache wohl eher nicht ansprechen. Die lieben es kurz und knapp und eindeutig. Mir dagegen, der ich schon ein bisschen älter bin, hat dein Text und der Stil, den Du bevorzugst, sehr gut gefallen.

Wenn ich Fehler jage, dann finde ich die in meinen eigenen Texten wie auch in anderen – und leider auch in manchen Kommentaren.

Als Leser genieße ich Deine Poesie und wenn ich hier etwas anmerke, dann empfinde nur ich an der jeweiligen Stelle eine leichte Verwerfung. Nicht immer muss der Kommentator recht haben, oftmals ist etwas stilistisch gewollt.

Entgegen der drückenden Schwere, die ihren Brustkorb zu sprengen drohte K
Ich kenne Schwere, die auf dem Brustkorb lastet – oder inneren Druck, der ihn zu sprengen droht. Oder eine Implosion.

schien sich die störrische Tür an diesem Tag
Schien es nur so oder hat sie die Tür ...?

mit schwungvoller Leichtigkeit aus dem Schloss heben zu lassen.
tatsächlich aus dem Schloss gehoben – statt sie zu öffnen?

dass ihrer schwachen Gestalt dies sonst nur unter mühsamen Aufwand aller Kräfte gelang.
‚Unter Aufwand aller Kräfte` ist die gängige Formulierung. Da ist ‚mühsam’ inbegriffen.

Als seien sie sich reinem Zufall wegen nach einem einsamen Jahr wieder begegnet.
Besser: ‚zufällig’.

Mit geschickten schnellen Bewegungen nahm er ihr noch in der Diele den Boden unter den Füßen.
Die ’geschickten schnellen Bewegungen’ würde ich eintauschen gegen ‚mit kraftvollem Schwung’ o. Ä.

Die dünnen Vorhänge blähten sich auf und tränkten den Raum zaghaft mit milder Morgensonne.
Das finde ich gelungen.

Krampfhaft zuckend drängten ihre Augen danach K hinter das Blau seiner Iris zu gelangen.
Guter Gedanke! Aber auf den Leser prasselt es nieder wie dicker Hagel.

Sah sie diesmal nicht mehr in ein milchiges Grau?
Ist statt ’nicht mehr’ vielleicht ‚nicht eher’ gemeint?

Sie fürchtete K er würde ihr

während sie lautlos zu fragen begann K wer er war.

Gern hätte sie seine Seele mit ihren fordernden Blicken entblößt, so wie zuvor ihre dünnen Finger zitternd seine nackte Haut.

Das gefällt mir sehr.

Ich lese in Deinem Profil:

... Entwicklung eines eigenen Stils und eines eigenen Autorenbewusstseins.
Wenn Du diesen unverwechselbaren Stil beibehältst, dann hast Du m.M.n. bald eine Anhängerschaft. LANGSAMES Lesen ist mega-out, ist deshalb eine Rarität. Vielleicht wirst Du die Gründerin von Slow-Reading, wie ich gerne der Gründer von Slow-Food gewesen wäre.

„Einfach die Zeit zurückdrehen.“, denkt sie später, „Wir hätten zeitreisen können - wie wir da auf meinem knarrenden Bett verwundet warteten, dass sich unsere Seelen heilsam berührten, die doch so sehr einander glichen.“.

Stattdessen holte die Gegenwart das Vergangene ein und sorgte dafür, dass das Ungesagte ungesagt, die Körper starr und eisig blieben. Statisch formten ihre Zungen falsche Schläge. Falsche Laute verließen allzu bedacht die feuchten Lippen der beiden Fremden, als sie sich ohne Liebe liebten.

Das sind schöne Passagen!

Ich habe Niveauvolles gelesen. Wie oben schon gesagt – eine Rarität. Liebe Lotte, Du hast es drauf!
Über Deinen Text huscht der Leser nicht mal so eben drüber, sondern er liest – er muss lesen! Ich glaube, das ist das Anliegen der Literatur.

In diesem Sinne grüßt Dich
José

7. Juni - einen Tag später: Ich lese Deine Geschichte zum dritten Mal, meinen Rat befolgend, langsamer, aber aufmerksamer zu lesen ;). Ich muss feststellen, dass ich mich im Fieber des Kommentierens an einigen Stellen vergaloppiert habe. Das tut mir leid, soll nicht wieder vorkommen.
Ich hab's gestrichen.

 

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