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Wo die Liebe hinfällt
Ich lass mich einfach überraschen. Mal schauen, was auf mich zukommt. Bringt ja nichts, wenn ich mich jetzt verrückt mache. Sie ist doch mindestens genauso aufgeregt wie ich. Von daher bleib locker. Junge, lass einfach deinen Charme spielen. Mach ihr ein Kompliment, dann ist das Eis gebrochen. Wir lachen anschließend ein wenig und schon bin ich im Spiel. Genauso mache ich das. So, da ist schon ihr Haus. Ich klingel an und umarme sie sofort, einfach so, ohne Ankündigung. So können wir uns das peinliche Schweigen nach der Begrüßung ersparen und gehen sofort rein. Puh, bin ich aufgeregt, meine Fresse.
Von draußen sehe ich Melanie hinter dem Küchenfenster, die bereits ungeduldig auf mich wartet. Mit ihrer kleinen Stupsnase knickt sie ein paar Streifen der Jalousien um, damit sie unauffällig nach mir Ausschau halten kann. Ihre blauen Perlen funkeln dabei aus den Augenhöhlen auf die Straße, zum Vorhof des Hauses. Als ich sie erkenne, wird mir ganz mulmig. Ein Hitzeschub durchflutet meinen Körper und treibt mir kleine Schweißperlen auf die Stirn. In dem Moment will ich eigentlich gar nicht mehr zu ihr und gehe alle möglichen Probleme durch, die bei diesem Date auftreten könnten: Was soll ich zu ihr sagen, was wird sie antworten, mag sie mich überhaupt oder vertreibe ich ihr nur die Langeweile? Lauter Fragen, die jeden meiner Schritt zum Haus erschweren. Noch kann ich umkehren. Aber sie hat mich ja bereits gesehen. Wie kommt das denn rüber, wenn ich jetzt kneife?! Mein Gott, wie mickrig ich mir gerade vorkomme…
Ich hab noch nicht alle Gegenargumente aufgezählt, schon stehe ich direkt vor ihrer Tür. Nun muss ich durch. Ich klingel an und leg noch schnell mit der Hand die abstehenden Haare zurück. Ich höre sie aus einem weit entfernten Raum im Haus rufen: „Ja, ich komme sofort!“ Oh Mann, jetzt ist sie tatsächlich aus der Küche in einen anderen Raum geflitzt, damit ich ja nicht mitbekomme, dass sie bereits ungeduldig auf mich gewartet hat. Melanie, du saßt doch gerade noch in der Küche, der erste Raum am Hausflur. Jetzt habe ich dich ertappt. Wie süß von dir.
Ein Gefühl des Fremdscharms überwältigt mich und senkt meinen Kopf zu Boden. Ich trete kleine Kieselsteinchen abwechselnd hin und her.
Als sie die Tür aufreißt, strömt mir warme Luft entgegen, getränkt mit süßem Eau de Toilette. Ich hebe meinen Blick nur langsam, um ja kein Detail ihrer weiblichen Perfektion zu übersehen. Sie ist echt hinreißend. Sie begrüßt mich mit einem euphorischen: „Heeey Alex!“, und macht mich mit ihrer guten Laune ein Stück verlegener. Sie hat dazu noch Heimvorteil, was mich umso nervöser macht. Wie war das nochmal, was wollte ich direkt am Anfang machen? Scheiße, ich hab’s vergessen. Sie starrt mich schon so komisch an. Wie lange schweige ich denn schon? Oh nein, sie runzelt die Stirn, was war das doch gleich? Ach ja, eine Umarmung! Ich stürze mich auf sie und übersehe dabei die Stufe. Diese gottverdammte Stufe, an der man immer ein Warnschild daneben stellt, aber natürlich nicht an dieser. Ich verliere die Balance und suche mit unkontrolliertem Herumfuchteln nach einer Greifmöglichkeit in der Luft. Erfolglos. Wie ein nasser Sack falle ich zu Boden und reiße sie aus ihrem Rollstuhl mit. Wir liegen am Boden und lachen vollkommen unbeschwert.