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Kafkaeske Kosmetik

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29.05.2015
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Kafkaeske Kosmetik

Bunt wehen die Flaggen in der Arena. Schon schreitet der erste Mann herein; hochgewachsen, schwarz gekleidet, mit einer Aktentasche unter dem Arm. „Das Versprechen ist erfüllt!“, schreit er laut in die fernen Winkel der Tribüne. „Die Wirksamkeit ist unumstritten.“ Aus der Tasche zieht er Papiere, wirft sie zum Beweis in die Luft und lässt sie vom Wind ins Publikum tragen. „Es ist bewiesen, von jedem Labor. Dermatologisch bestätigt! Von freiwilligen Testern gelobt! Was wollt ihr mehr?.“

Schlicht gekleidet, fast unbemerkt, tritt der zweite Herr in den Kampfkreis ein. „Versprechen erfüllt? Ihnen schaden zu wollen!“, brüstet er sich hämisch und zieht in die Schlacht. „Silikone, Glycerine, Paraffine und mehr! Billig produziert! All die Umwelt belastenden und die Haut verklebenden Inhaltsstoffe willst du uns unterschlagen? Zur Hölle mit dir!“

Mit einem breiten Grinsen nimmt der erste Herr die Kampfansage seines Gegners an. „Nichts ist erwiesen. Alles hat Sinn.“, spricht er ruhig und wendet sich dem Publikum zu: „Der Konsument will Wirkung sehen. Ein glatter Teint und feine Poren. Ist es nicht so?“

„Wie kannst du Narr die Inhaltsstoffe verdrängen? Nur natürliche Öle nähren die Haut! Sie sind teuer und edel, rar, kaum anzutreffen. Hier muss nichts versprochen werden! Die Natur ist perfekt, nicht in Frage zu stellen. Erfüllt sich von selbst.“, erklärt der zweite Herr triumphierend.

Sie sehen sich starr in die Augen, rennen beide gleichzeitig los und schleifen eine junge Dame aus der ersten Reihe in die Manege. Mit der ausgestreckten Hand fährt der erste Herr über das Gesicht der Dame: „Glatt, geschmeidig und fein. Willst du das nicht eingestehen? Wo ist die Schädigung, von der du sprichst?“

Der zweite Herr sticht mit dem Zeigefinger brachial auf das Gesicht der stark verunsicherten Frau ein: „Pickel, Mitesser, deine Chemie ist komedogen! Die Vorstufe von Krebs, wie es sich in Tierversuchen zeigt. Krebserregende Geschwüre, von euresgleichen begünstigt! Was seid ihr Lumpenpack doch für merkwürdige Verbraucherschützer. Verschweigt die inkurablen Inhaltsstoffe eurem Klientel. Schön sollen sie sterben und die Umwelt mit sich ins Verderben reißen.“

Von den Worten unbeeindruckt trägt der erste Herr mit geschmeidigen Bewegungen eine Pflegecreme auf der linken Gesichtshälfte der Dame auf. „Die Creme zieht sofort in die Haut ein. Keine Irritationen. Ein durch und durch gepflegtes Erscheinungsbild.“ Lächelnd blickt er auf die Frau und ergänzt: „Sie sehen verjüngt aus, meine Dame. Das Versprechen ist erfüllt.“

Kaltblütig kratzt der zweite Herr mit dem Fingernagel die Creme aus einer feinen Linie ihrer linken Gesichtshälfte. „Verstopft, verklebt, die Falten zugekittet.“ Kopfschüttelnd sieht nun auch er die Frau direkt an und sagt mürrisch: „Machen sie das ein paar Jahre lang und sie werden vermutlich daran sterben. Die Haut muss atmen; frei und unbeschwert.“

Hysterisch lacht der erste Herr auf, während der zweite Herr eine andere Emulsion großzügig auf der rechten Gesichtshälfte der Dame verteilt. „Wunderbar, der geschmeidige Duft. Die leichte Textur, durch das natürliche Öl. Vom Feinsten, will ich meinen.“, kommentiert er die Prozedur und bestätigt: „Nur ein am Wohlergehen des Konsumenten orientierter Verbraucherschutz achtet auf natürliche Ingredienzien. Ihre Haut wird genährt und ihr Erscheinungsbild auf natürliche Weise, ohne Schadstoffe, geglättet.“

„Ranzige Öle! Bis hier her kann ich sie riechen. Wie dieser eklige Schmierfilm auf der Haut zu stehen scheint. Ich traue mich nicht, darüber zu streichen. Das nennst du Kosmetik? Kuhdung und Entengrütze. Was ist der Konsument für dich? Ein Gemüsebeet?“, fährt der erste Herr den zweiten an.

Wütend fuchteln beide Männer vor der Dame herum, wischen abwechseln eine Gesichtshälfte ab, um im Anschluss darauf ihre Creme auftragen zu können. Verzweifelt versucht die Frau sich zu wehren, schützend ihre Hände vor das Gesicht zu halten, doch ständig ist sie dabei einem der beiden Männer unterlegen.

Nicht mehr mit den Verführungskünsten ihrer Rhetorik wirken die Verbraucherschützer jetzt auf die Dame ein, sondern mit brutaler Gewalt. Während das Publikum sich empören müsste, ergreifen sie jedoch Partei für den ein oder anderen und jubeln ihrem Favoriten zu.

Die Frau bricht regungslos zusammen, liegt am Boden und ihr Gesicht ist unnatürlich aufgedunsen, faltenlos entschlackt, ölig erstickt und chemisch zu Tode genährt.

 
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Hallöchen Andreas, willkommen bei den Wortkriegern!

Der Titel deiner Geschichte ließ mich skeptisch werden. Sobald der Name eines berühmten Schriftstellers darin auftaucht (auch, wenn es nur ein von seiner Art und Weise abgeleitetes Adjektiv ist), werde ich das immer - wirkt ein wenig plakativ, wenn man mich fragt, als wäre man sich nicht sicher, ob es erkannt wird und man es daher noch einmal betonen muss. Was aber deine Geschichte nicht schlechter macht, so nur meine ersten Gedanken, noch bevor ich darauf geklickt habe.

Die Geschichte selbst - ja, doch, hat mir gut gefallen. Die stilisierte Sprache kam bei mir gut an, auch wenn keine "Wow-Sätze" dabei waren, die man sich am liebsten an die Zimmerwand hängen würde, um sie nicht zu vergessen.

Um ehrlich zu sein, ich weiß gar nicht was ich alles darüber sagen soll. Fehler sind mir keine aufgefallen, um einen direkten Bezug zu Kafkas Texten herzustellen hab' ich nicht genug von ihm gelesen (Asche auf mein Haupt; und falls die Geschichte das überhaupt soll) - ich kann nur sagen: Gut gemacht, weiter so.

Ich hoffe du verzeihst mir meinen kurzen Kommentar, ich bin mir sicher, andere werden folgen, denen deutlich mehr zu sagen einfällt.

Gruß
Algaliarept

 

Hallo Andreas,

und herzlich Willkommen hier.

Du stellst ein Pro/Contra-Szenario dar. Inhaltlich gibt der Text mir leider überhaupt nichts neues - natürlich/chemisch - oder bio/konventionell - die Argumente sind schon jahrzehntelang die gleichen. Von daher habe ich den ganzen Text hindurch auf einen Überraschungsmoment, eine interessante Wendung oder sozusagen auf eine Pointe gewartet, die aber leider nicht gekommen ist.
Das lässt mich Leser dann mit einem schalen Gefühl zurück.

Aus was für einem Beweggrund hast du dir die Thematik so ausgesucht? Als Schreibübung finde ich den Text recht gelungen, aber die Aussage hat für mich nicht mehr Kraft, als wenn du schreiben würdest: Zitronen sind sauer. Denn was du schreibst, weiß man schon alles. Da es in so einem Debattenstil verpackt ist, gibt es auch keine Möglichkeit, erzählerisch was rauszuholen.

Das in Kürze von mir,
liebe Grüße
bernadette

 
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Hallo Algaliarept!

Vielen Dank für dein Kommentar. Ja, du hast mich ertappt (... ob es erkannt wird und man es daher noch einmal betonen muss). Vielleicht unterschätze ich den Leser oder möchte ihn sogar bevormunden; das kann schon sein.

Auf jeden Fall freut es mich, dass dir die Geschichte gefallen hat.

Liebe Grüße
Andreas


Hallo Bernadette!

Mein Text hat bei dir die Wirkung ausgelöst, die ich beabsichtigte. Seit Jahren versuche ich über die beiden Positionen zu recherchieren. Empirische Studien konnte ich keine finden. Letztendlich, um das Thema für mich zu beenden, muss ich mit dem unbefriedigten Gefühl der Verwirrung und Ratlosigkeit verbleiben. - Leider keine neuen Erkenntnisse, wie du richtig schreibst. Für mich ist diese Geschichte der Versuch eines persönlichen Abschlusses und die Verarbeitung meiner Verwirrung bezüglich des Themas. Übrigens ist hier am Ende mehr zu deuten. Wenn du davon ausgehst, dass die Chemie sie bzw. ihre Haut getötet hat, so ist das nicht richtig. Mein Text soll bewusst am Ende manipulieren. Doch tatsächlich ist der Schluss offen.

Vielen Dank für dein Feedback und

liebe Grüße
Andreas

 

Hallo Andreas,
Kafka ist hintergründiger. Du bleibst bei der Diskussion nur auf der Sach- bzw- Werbeebene. Offenbar findet das Ganze als Festspiel in einer Arena statt. Wo bleibt das Publikum? Eine Frau wird umgebracht. Wieso ist sie da? Was bewegt die beiden Kontrahenten?
Es könnte ein Gottesdienst sein, ein staatliches Ritual, ein Menschenopfer. Ich finde, jetzt solltest du die Geschichte schreiben, ich finde den Ansatz gut, aber es fehlt daas Wesentliche. Kafka.

Während das Publikum sich empören müsste, ergreifen sie jedoch Partei für den ein oder anderen und jubeln ihrem Favoriten zu.
Das ist zu wenig.
Fröhliche Grüße
Wilhelm Berliner

 

Hallo Andreas, da kann ich gleich in die gleiche Kerbe hauen wie bernadette und Wilhelm.

Der Text ist mir auch zu seicht, man wartet gespannt auf den zündenden Bruch im ganzen Schlagabtauschgeplänkel, welches zum Ende im fragwürdigen Tod des Opfers dieser Pflegeproduktedauerwerbesendungsshow gipfelt. Auch das Publikum bleibt Staffage, wie bei einer Soap mit eingeblendeten Lachern.
Damit löst du bei mir - eher unfreiwillig - eine ganz andere (TV-)Gesellschaftskritik aus:
"Ein interessantes Thema", sprach der Moderator, "aber leider ist unsere Sendezeit bereits wieder zu Ende. Danke, dass sie eingeschaltet haben, gute Nacht."
Diese Infotainement-Manie, aus jedem Wetterfrosch-Pups einen unterhaltsamen Sendeblock zwischen Werbeeinblendern zu basteln, ist mir einfach zuwider. Aber das war hier wohl nicht deine Intension.

Die unfreiwillig zur Test-Konsumentin proklamierte Frau, die da auf die Bühne gezerrt wurde und sich erst gegen Ende des Spektakels ein bisschen zur Wehr setzt, hat eindeutig mehr Spielzeit verdient. Wäre schön, wenn du noch etwas ausholen könntest, gerader als Abschluss (d)einer Recherchezeit. Und nehme den Kafka aus dem Titel, diesen Erwartungshaltung generierenden Faktor brauchts nun wirklich nicht.

Gruss dot

 

Hallo, Wilhelm Berliner und dotslash!

Bleibe ich wirklich nur auf der Sach- und Werbeebene? Eher hat euch doch meine Manipulation dazu geführt, diese Haltung anzunehmen.

Wo steht denn z.B. im Text, dass die Frau gestorben ist? Das ist eine Interpretation bzw. Mutmaßung, herbeigeführt durch den angeblich doch so trivialen Inhalt. In die Falle getappt.

In den bisherigen Kommentaren ist noch niemand auf die tatsächliche Ebene und Aussage meines Textes gekommen. Zu verführerisch sind wohl die, allen bekannten, angebotenen Argumente der beiden Parteien.

Zitate ausKafkas „Der Prozess“: „Richtiges Auffassen einer Sache und Missverstehen der gleichen Sache schließen einander nicht vollständig aus.“, und, „Du hast nicht genug Achtung vor der Schrift und veränderst die Geschichte“. - Diese zwei Gedankengänge habe ich bei der Umsetzung meiner Geschichte berücksichtigt. Die bisherigen Kommentare zeigen mir: Scheinbar mit Erfolg.

Dass ich mir nicht anmaße, den Tiefgang oder die Ausdrucksweise eines Kafkas zu besitzen, steht fest. Aber kafkaesk bedeutet dies auch nicht. Der Begriff soll als Hinweis verstanden werden, dass ein beklemmendes Szenario, in dem nicht alles so ist, wie es scheint, behandelt wird (und ganz offensichtlich braucht es diesen Hinweis leider auch).

Obwohl wir mit unseren Meinungen weit auseinander liegen, danke ich euch beiden doch für euer umfangreiches Feedback.

Liebe Grüße
Andreas

 

Hallöchen, ich nochmal.

Wo steht denn z.B. im Text, dass die Frau gestorben ist? Das ist eine Interpretation bzw. Mutmaßung, herbeigeführt durch den angeblich doch so trivialen Inhalt. In die Falle getappt.

ölig erstickt und chemisch zu Tode genährt.

Wenn mein Gesicht 'erstickt und zu Tode genährt' wurde, ist davon auszugehen, dass auch ich tot bin. Zumindest ist das der Gedanke, der mir kommt - als Autor muss man auch aufpassen, keine zu verschleiernden Aussagen von sich zu geben. Ist es der Leser, der eigentlich immer im Bezug auf die Geschichte dümmer ist als der Autor, oder der Autor, der ja ohnehin mehr weiß als der Leser, der die Schuld trägt, wenn die Message nicht ankommt?
Ist es der Lehrer, der dem Schüler nichts beibringen kann, oder der Schüler, der es nicht versteht, welcher die Hauptschuld an den schlechten Noten trägt?

Wenn mir jemand diesen Satz hinwirft und dann kommt mit "wer sagt denn, dass sie tot ist?", fühle ich mich - blöd gesagt - verarscht.

Gruß

 

Darf ich mal fragen, wie und wo du recherchiert hast? Ich stelle seit vielen Jahren hochwertige Kosmetik selbst her, was eine Menge Recherchearbeit mit sich bringt. Ehrlich gesagt kann ich die Recherche in deinem Text nicht sehen. Die Argumentation der beiden macht für mich einfach nicht den Eindruck, als hätte sich der Autor groß mit der Thematik auseinandergesetzt.

Abgesehen davon verstehe ich die Geschichte nicht. Sie ist gut geschrieben, enthält kaum Fehler, aber ihre Aussage erschließt sich mir nicht.

In den bisherigen Kommentaren ist noch niemand auf die tatsächliche Ebene und Aussage meines Textes gekommen. Zu verführerisch sind wohl die, allen bekannten, angebotenen Argumente der beiden Parteien.
Dann hast du es nicht geschafft, deine Intention verständlich zu machen. Merke: Der Leser hat immer Recht. ;)

Eine Anmerkung:

Alles hat Sinn.“, spricht er ruhig
Hier wird kein Punkt gesetzt, da der Satz ja fortgeführt wird.

Und wieso eigentlich Verbraucherschützer?

Liebe Grüße
raven

 

Zuerst einmal vielen Dank an alle, denn mit so viel Feedback hätte ich nicht gerechnet. Eine Diskussion, ob und wie ich recherchiert habe, möchte ich an dieser Stelle jedoch nicht führen (da dies zwar die Motivation für meine Geschichte erklärt, aber mit der eigentlichen Geschichte nichts zu tun hat – kurz gesagt, das falsche Forum dafür wäre).

Die Frage, ob der Leser oder Autor die Verantwortung dafür trägt, wie seine Geschichte verstanden wird, ist interessant. Da kommt es, nach meiner Meinung, doch sehr auf die Zielgruppe an, die ich als Autor ansprechen möchte. Demnach ist die Frage wohl nicht einfach und pauschal zu beantworten. Gerade hier ist euer Feedback für mich wichtig. Bisher bin ich von der erzielten Wirkung sehr angetan.

Algaliarept, verarschen möchte ich niemanden, sondern Raum zur eigenen Interpretation bieten. Im ganzen Text geht es nicht um die Frau, sondern ihre Gesichtshaut. Sie wird auf eine Sache reduziert. Meine Formulierung bietet demnach Raum, das „ölig erstickte und chemisch zu Tode genährte“ Gesicht auf die Haut oder die zusammengebrochene Frau zu beziehen.

Mein Ziel war es, dass jeder in der Geschichte findet, was er selbst an vermeintlichem Wissen und Vorurteilen mitbringt. Gerne gebe ich den Hintergrund der Geschichte Preis. Allerdings finde ich das sehr schade, da mit einer Vorgabe der Raum zur eigenen Interpretation stark eingeschränkt wird. Wer sich nicht beeinflussen lassen möchte, lässt bitte den nächsten Abschnitt aus.

Es gibt zwei große Institute, die sich beide den Verbraucherschutz auf die Fahne schreiben. Ökotest geht nie auf die Wirkung der Produkte ein, sondern bewertet ausschließlich die Inhaltsstoffe. Stiftung Warentest bewertet hingegen nur die erfüllten Versprechen und damit entstandenen Erwartungen (des Konsumenten) an das Produkt. In der Manege (Symbol für jeden Anlass, bei dem beide Parteien aufeinander treffen) möchte niemand ein Produkt verkaufen, sondern ausschließlich die Konsumenten auf seine Seite ziehen und von der eigenen Meinung, bis hin zur Gewaltanwendung, überzeugen. Dies steigert sich bis zu dem surrealen Szenario einer Misshandlung/Vergewaltigung. Während sich die Menge gegen die Gewalttätigkeit wehren und die Frau schützen sollte, unterstützen sie jedoch nur eine der beiden Meinungen, von der sie selbst überzeugt sind. Die Dame bricht letztendlich zusammen und die beiden Meinungen vereinen sich in einer völligen Verwirrung, denn chemische Wirkstoffe sind nicht nährend (können damit also nicht zu Tode nähren) und Öle (bis auf Paraffine und Silikonöle) verkleben nicht die Poren (können nichts ersticken). Der ganze Text enthält Widersprüche. Um die eigene Meinung aufzuwerten behauptet der erste Herr z.B., alles sei bewiesen. Gegenüber der Argumentation seines Gegners gibt er jedoch an, nichts sei erwiesen (Doppelmoral, wie man es gerade instrumentalisieren kann). Gleichzeitig darf aber z.B. auch sehr gerne der Eindruck entstehen, dass die Frau durch eine Verkaufsveranstaltung mit all der chemischen Kosmetik zu Tode gefoltert wird; was jedoch nicht meiner Sicht entspricht. Wenn man dem Text dann eine Trivialität vorwirft, so liegt sie doch beim Leser, der das so sehen möchte (und darf).

Welche Urteile oder Bewertungen jeder einzelne Leser in meine absurde Geschichte legt, interessiert mich sehr. Die Wirkung halte ich für bedeutend, wobei ich eben nicht auf eine bestimmte Aussage ziele und keine Übereinstimmung wünsche. So kontrovers, wie die Geschichte ist, so kontrovers dürfen gerne die Meinungen sein.

 

Hallo Andreas,
das Lachen der Thrakerin wäre auch bei dir fällig.

Eher hat euch doch meine Manipulation dazu geführt, diese Haltung anzunehmen.
Dass ein jeder Autor manipuliert, das ist dot und mir bekannt. Auch du manipulierst also. Das sagt nichts über die Qualität der Manipulation aus.
Wo steht denn z.B. im Text, dass die Frau gestorben ist? Das ist eine Interpretation bzw. Mutmaßung, herbeigeführt durch den angeblich doch so trivialen Inhalt.
Nirgendwo steht das im Text. Aber als eine Auferstehung kann ich folgenden Satz auch nicht verstehen.
Die Frau bricht regungslos zusammen, liegt am Boden und ihr Gesicht ist unnatürlich aufgedunsen, faltenlos entschlackt, ölig erstickt und chemisch zu Tode genährt.
Dass Leser, also auch dot und ich, interpretieren, das ist das Recht jedes Lesers. Dass man nicht das denken muss, was der Autor meint, ist auch klar. Die Falle, die du gestellt haben willst, siehst du und magst dich freuen darüber, dass alle sie nicht sehen. Das kann aber auch an der Qualität deiner Falle liegen.
Das mag klar werden, wenn du dich auf zwei Sätze aus dem Prozess beziehst.
Zitate ausKafkas „Der Prozess“: „Richtiges Auffassen einer Sache und Missverstehen der gleichen Sache schließen einander nicht vollständig aus.“, und, „Du hast nicht genug Achtung vor der Schrift und veränderst die Geschichte“. - Diese zwei Gedankengänge habe ich bei der Umsetzung meiner Geschichte berücksichtigt. Die bisherigen Kommentare zeigen mir: Scheinbar mit Erfolg.
Bei diesen Zitaten handelt es sich um die Interpretation eines Geistlichen und von Josef K. von „Vor dem Gericht“, aus deren Ausführlichkeit von 2470 Wörtern du völlig losgelöst vom Kontext eine Falle gestellt haben willst. Kafka hat viele Fallen, in die man hineinfallen kann wie manche in den thrakischen Brunnen.
Schließlich endet diese Stelle mit dem Satz: »Die Lüge wird zur Weltordnung gemacht.«
Ich wollte hier noch weiter argumentieren, aber dein neues Statement und deine Erklärung entheben mich dieser Aufgabe.
Wenn man dem Text dann eine Trivialität vorwirft, so liegt sie doch beim Leser, der das so sehen möchte (und darf).
Wenn der Leser mit Kafka gelockt wird und nur eine Marketingstory bekommt, darf er dieser Geschichte Trivialität vorwerfen.
Mit fröhlichen Grüßen ins Wochenende
Wilhelm Berliner

 

Hätte ich keine Forenerfahrung, würde mir die Sezierung meiner Aussagen als rüde erscheinen. So ist mir allerdings bekannt, dass eine gewisse Selbsterhöhung und der Kampf um Geltung, ein weit verbreitetes Phänomen ist. Aber auch hier greift Kafka, die sich selbst erfüllenden Systeme, die jeder Notwendigkeit entbehren und nur den Mächtigen dienen.

Während ich von der möglichen Wirkung und meinen beabsichtigten Stilelementen schreibe, wird es schon persönlich. Dann reiße ich Kafkas Zitate, die mich in meinem Schreibstil beeinflussten, aus dem Kontext; und ich werde dafür gebissen. Gar diebische Freude soll ich haben, dass Leute in „meine“ Falle getappt sind. Und trotzdem bleibt mein Text trivial.

Nun gut, das ist die Meinung, die meiner nicht entsprechen muss. Mir liegt es fern, mich selbst zu erhöhen oder eine gegenteilige Meinung zu überzeugen. Ich denke anders, nicht im Mainstream verankert - zu oft quer. Das kommt nicht an; ich weiß. Deshalb sollte ich mich besser weiterhin in meine dunkle, stille Stube zum Schreiben zurückziehen und nicht den Misanthropen in mir, durch entsprechende Forenbeiträge nähren. Freunde, Familie, Musik und Zigarren sind sicherlich ein besserer Zeitvertreib.

Was, wenn mir eine Geschichte wirklich etwas bedeuten würde, persönlich wäre und aus meinem Herzblut stammte? Der Eitelkeit und Hierarchie eines Forums opfern?

 

Auf der Suche nach ehrlichem Feedback möchte ich meine "Schreibübungen" hier gerne veröffentlichen.

Deine Worte, Andreas.

Wir arbeiten hier gerne mit Worten, Sätzen, Inhalten - und investieren auch viel Zeit dafür. Wenn aber schon beim ersten Text die Persönlichkeit des Autors und seine Empfindsamkeiten in den Vordergrund rücken und die Textarbeit an der Geschichte selbst in den Hintergrund driftet, gibt es nur eines: Notbremse ziehen.
Komm' zurück zum wirklichen Grund deines Hierseins, nimm dich zurück, sonst verlieren wir uns in Belanglosem.

 

Ich mach hier mal zu. Wir haben so einen Diskussions-Verlauf in der Vergangenheit schon oft genug miterlebt, um zu wissen, dass an der Stelle nichts Gutes mehr erwachsen kann.

Andreas: Das Forum hier kann man sich im Vorfeld anschauen und sich fragen, ob man daran teilhaben will oder nicht. Wenn du Kritik an deinen Texten auf die Kritiker zurücklenken willst und sagst, die wollten sich auf deine Kosten profilieren, ist das extrem schwierig.

Schreiben und sich Kritik stellen heißt auch, sich verletzlich zu machen. Es ist völlig okay, wenn man das nicht auf sich nehmen möchte.

Aber hier im Forum veröffentlichen und dabei unangreifbar sein, wird nicht funktionieren. Es wird dein Ego verletzen, hier zu schreiben und zu veröffentlichen. Wenn du das nicht willst, dann solltest du "in deine dunkle, stille Stube" zurückkehren.

 
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