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Vom Traum zum Albtraum

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17.06.2015
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Vom Traum zum Albtraum

Ein schrilles Geräusch weckte Andrew Kendall. Das Telefon auf der Nachtkonsole läutete erbarmungslos. Der Seelsorger sah auf seinen Wecker. Es war halb drei Uhr in der Nacht.

Er hob den Hörer von der Gabel und meldete sich leise. Am anderen Ende hechelte eine atemlose Stimme: "Kommen sie schnell, mit meinem Vater geht es zu Ende."

Der Pfarrer wusste sofort wer der Anrufer war, und worum es ging. Er sagte knapp zu, legte auf und zog sich an, schnappte sich die Wagenschlüssel und rannte hinaus. Es war eine klare Mondnacht im Juni 1968.
Der Rover sprang ohne zu murren an. Mit Vollgas fuhr er die vier Kilometer zur Farm der Wellingtons. Tom, der jüngste Sohn von Jack Wellington, erwartete den Pfarrer schon, als dessen Wagen mit einer Vollbremsung kurz vor ihm zum stehen kam. "Bin ich zu spät?" fragte Andrew. Tom verneinte: "Er will Sie unbedingt sprechen, aber viel Zeit bleibt uns nicht mehr, der Doc meint, es geht zu Ende."
„Bevor es vorbei ist, wollen sie alle noch mal beichten“ sagte Andrew Kendall zu sich und eilte die Stufen zu dem Zimmer hinauf, in dem der alte Jack im Sterben lag.
Das Zimmer war recht groß, nur spärlich eingerichtet, eine Stehlampe sorgte für schummriges Licht. "Herr Pfarrer" röchelte Jack "bitte". Mit seiner knöcherigen Hand winkte er Kendall zu sich. Dieser setzte sich auf einen Stuhl, der neben dem Bett stand und packte seine Utensilien aus. "Noch nicht" ermahnte ihn Jack, erst muss ich Ihnen was erzählen."

"Ich höre zu". Der Pfarrer strahlte Ruhe aus, er war für seine Einfühlsamkeit bei der Gemeinde sehr beliebt. Er stellte den Stuhl beiseite und setzte sich auf die Bettkante um dem Sterbenden besser verstehen zu können. Jack Wellington war sehr schwach und sprach leise. Der Mann richtete sich auf, deutete dem Pfarrer, das er ihm ein Kissen zur Stütze hinter dem Rücken legen sollte und fing an zu erzählen. "Ich war dreizehn als ich von zu Hause wegging. Nachdem meine Mutter gestorben war, hatten mein Vater und ich uns nicht mehr viel zu sagen. Er machte eine kurze Pause und trank aus dem Glas, welches ihm Andrew reichte, etwas Wasser. Das reden strengte ihn an, aber er wirkte entschlossen. "Ich ging nach Queenstown. Von dort aus wollte ich mit einem dieser großen Pötte rüber ins gelobte Land.“

Er schloss kurz die Augen ehe er nach einer kurzen Pause weiter sprach: „Ich hatte etwas Geld von meiner Mutter bekommen, bevor sie starb. Es war nicht viel, und es reichte nicht für die Überfahrt. So beschloss ich erst mal in der Gegend zu bleiben, mir eine Arbeit zu suchen und mir das Geld für die Fahrt zu verdienen".

Wieder machte Jack eine Pause. Erschöpft ließ er sich zurück fallen. Andrew reichte ihm das Wasserglas und der Alte nahm einen kräftigen Schluck. "So gingen die Jahre ins Land" fuhr Jack fort, "das meiste Geld vertrank ich und träumte von einer glorreichen Zukunft in Amerika. Eines Tages war es wieder mal soweit. Ich war sturzbetrunken und kam auf dem Weg nach Hause an der Pier vorbei, an der dieses riesige Schiff vor Anker lag. Ich nutzte die Gelegenheit und kletterte heimlich an Bord. In meinem betrunkenen Zustand hatte ich beschlossen als blinder Passagier mitzufahren. Ich weiß nicht mehr, wie ich es geschafft habe, aber ich fand mich plötzlich in dem Ausguck des Dampfers wieder und wollte gerade ein Nickerchen machen, als..."

Jack bekam einen Hustenanfall, Tom kam ins Zimmer gestürzt "Vater!" Aber Jack winkte ab. "Ist alles in Ordnung, Junge. Lass mich noch einen Moment mit dem Pfarrer alleine". Der Sohn verließ das Zimmer wieder und Jack erzählte weiter. "Also, plötzlich hörte ich ein lautes Pfeifen und jemand rief "da oben, im Ausguck". Es dauerte nicht lange, und sie hatten mich. Zwei Wachleute schleppten mich zurück auf das Hafengelände und verpassten mir eine ordentliche Tracht Prügel.
Dort ließen sie mich dann in meinem Blut liegen. Aber ich verließ das Schiff nicht mit leeren Händen."
Er schloss die Augen, so, als ob die Geschehnisse noch einmal vor seinen Augen abliefen.

Draußen dämmerte es bereits, und es würde nicht lange dauern bis die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster ins Zimmer gelangen würden. "Unter dem Bett" sagte Jack. Der Pfarrer sah ihn fragend an. „Sehen sie unter dem Bett nach, dort ist eine Schachtel, holen Sie sie hervor"

Andrew stand auf und kniete sich hin und langte unter das Bett. Tatsächlich ergriff er eine Schachtel in der Größe einer Zigarrenkiste und gab sie dem alten Mann, der nun zusehends nervöser wirkte. Mit zittrigen Händen umklammerte er die zugebundene Schachtel. "Herr Pfarrer, bitte nehmen Sie das." Er reichte die Schachtel dem verdutzten Pfarrer rüber, der diese gleich öffnen wollte. "Nein, noch nicht, erst wenn alles vorbei ist. Nehmen sie die Schachtel mit, und erzählen Sie niemanden davon. Bitte!"
Der Prediger versprach es dem Sterbenden.
"Lassen sie nun meinen Sohn herein, es ist bald soweit."

Andrew ging zur Tür, öffnete sie und winkte Tom heran, der aufgeregt auf dem Korridor hin und her ging. Als beide das Bett erreichten war es bereits zu spät. Jack war tot. Während der Sohn auf die Knie sank und ein Gebet stammelte, packte Andrew die geheimnisvolle Schachtel in seine Tasche, holte ein Kreuz heraus und kniete sich ebenfalls hin um in dem Gebet mit einzustimmen.
Als er endlich zu Hause war, musste Andrew sich eingestehen, das er sehr neugierig war, auf das was in der Schachtel war, die ihm Jack im Angesicht des Todes überreicht hatte.

Er legte die Schachtel auf den Küchentisch, brühte sich einen Kaffee und machte sich daran das Paket zu öffnen. Langsam zerschnitt er mit einer Schere das Band das die Schachtel umgab und öffnete sie. Verwundert sah er sich den Inhalt an, bis es ihm bewusst wurde. „Mein Gott“ stammelte er und starrte auf ein Fernglas mit der Inschrift

RMS TITANIC.

Jack Wellington hatte am 11. April 1912, wenige Stunden, bevor die Titanic den Hafen von Queenstown verließ, aus dem Ausguck ein Fernglas gestohlen. Das Fernglas, welches drei Tage später vielleicht über eintausend fünfhundert Menschen das Leben gerettet hätte, lag wie neu in dieser Schachtel.
Die Tragweite wurde Nick erst langsam bewusst. Wie versprochen erzählte er nie jemanden von dem Geheimnis, das ihm Jack anvertraut hatte.

Wem sollte auch die Wahrheit jetzt noch nutzen.

 
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Hallo Nick Tember,

Herzlich willkommen bei den Wortkriegern.

Der Pfarrer in deiner Geschichte ist mir zu sehr ein Beobachter und Zuhörer. Du lässt uns kaum an seinen Gefühlen und Gedanken teilhaben und das macht den guten blass, wenig greifbar. Man kann nicht mit ihm mitfühlen und sich nicht mit ihm identifizieren. Er fungiert nur als Bindeglied zwischen der Geschichte des Sterbenden und dem Leser, quasi als bloßes Guckloch. Der Tod des Alten scheint ihn dann auch völlig kaltzulassen und das Auffinden des Fernglases entlockt ihm auch nur ein Mein Gott. Hier wünschte ich mir mehr. Mehr Gedanken, mehr Gefühle, ja, schlichtweg mehr Charakter.

Gut fand ich dagegen die Idee mit der Titanic. Ich bezweifle zwar, dass der Alte das einzige Fernrohr des Dampfers entwendet hatte, aber ich kann verstehen, dass er sich Gedanken darüber gemacht und eine Last mit sich durchs Leben getragen hatte. Was für Auswirkungen haben unsere Taten, mögen sie noch so klein und bedeutungslos scheinen? Was geschieht mit uns, wenn ein kleiner Streich oder eben Diebstahl mit unvorhersehbaren Konsequenzen verknüpft wird, ob man nun diese nun tatsächlich verursacht oder nur glaubt, diese verursacht zu haben? Dein Text liefert zwar keine Antworten, muss er auch nicht, aber das hat mich doch nachdenklich gestimmt.

Tom, der jüngste Sohn von Jack Wellington, erwartete den Pfarrer schon, als dessen Wagen mit einer Vollbremsung kurz vor ihm zum stehen kam.

Stehen

"Bin ich zu spät?" Komma fragte Andrew.

„Bevor es vorbei ist, wollen sie alle noch mal beichten“ Komma sagte Andrew Kendall

Dieser Fehler zieht sich durch den gesamten Text. Wenn du nach einer wörtlichen Rede den Satz mit sagte/fragte/sonstwas weiterführst, musst du ein Komma setzen.

Dieser setzte sich auf einen Stuhl, der neben dem Bett stand Komma und packte seine Utensilien aus. "Noch nicht" Komma ermahnte ihn Jack, erst muss ich Ihnen was erzählen."

"Ich war dreizehn Komma als ich von zu Hause wegging.

"Ich war dreizehn als ich von zu Hause wegging. Nachdem meine Mutter gestorben war, hatten mein Vater und ich uns nicht mehr viel zu sagen."

Das reden strengte ihn an, aber er wirkte entschlossen.

Reden

Draußen dämmerte es bereits, und es würde nicht lange dauern Komma bis die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster ins Zimmer gelangen würden.

„Sehen sie unter dem Bett nach, dort ist eine Schachtel, holen Sie sie hervor Punkt"

Während der Sohn auf die Knie sank und ein Gebet stammelte, packte Andrew die geheimnisvolle Schachtel in seine Tasche, holte ein Kreuz heraus und kniete sich ebenfalls hin Komma um in dem Gebet mit einzustimmen.

Als er endlich zu Hause war, musste Andrew sich eingestehen, das er sehr neugierig war, auf das Komma was in der Schachtel war, die ihm Jack im Angesicht des Todes überreicht hatte.

dass

Er legte die Schachtel auf den Küchentisch, brühte sich einen Kaffee und machte sich daran Komma das Paket zu öffnen. Langsam zerschnitt er mit einer Schere das Band Komma das die Schachtel umgab und öffnete sie.

Den Tag Seltsam finde ich nicht notwendig, da an der Geschichte tatsächlich wenig Seltsames ist. Seltsam sind eher wirre Gesichten, deren Aussage sich dem Leser nicht gleich erschließt ... also etwas in Richtung Franz Kafka.

Beste Grüße
gibberish

 

Hallo gibberish,

vielen Dank für Deine Kritik und Korrekturvorschläge. Ich werde die Geschichte überarbeiten.

Liebe Grüße
Nick

 

Hallo Nick Tember,

Mein Vorkommentator hat ganz richtig angemerkt, dass es auf so einem großen Schiff sicher ein zweites Fernglas gab. Deshalb könnte man meinen, dass sich der Sterbende die Schuld, die er vor seinem Tod beichtet, nur eingeredet habe - aber das wäre oberflächlich. Die Psychoanalyse lehrt, dass nicht nur reale Schuld, sondern auch empfundene Schuld, also Schuldgefühle, ernst zu nehmen sind.

Schuldgefühle sind psychische Realität - und für Realität gibt es ja das deutsche Wort "Wirklichkeit": Real, wirklich ist, was wirkt, und Schuldgefühle, ob sie nun aus einem wirklichen Verbrechen fließen oder nicht, üben eine Wirkung aus: Sie belasten uns, können uns zermürben, sind also ernst zu nehmen.

Meine Vermutung ist nun: Der Diebstahl des Fernglases steht für etwas anderes. Aber für was? Was symbolisiert hier ein Fernglas?

Und es fragt sich: Warum ist der Junge in den Ausguck geklettert?

Viele Jungen träumen ja davon, Lokführer zu werden, Pilot, Kapitän oder immerhin Matrose in verantwortlicher Stellung, der Mann, der rechtzeitig den Eisberg erkennt und Retter der Frauen auf dem Schiff wird. Der junge Bursch wollte sich eine Position anmaßen, die ihm nicht zusteht, für die er zu jung, zu unreif, nicht qualifiziert ist - daraus fließt meiner Meinung nach das Schuldgefühl. Und das Instrument, das Attribut des Mannes in dieser verantwortlichen Machtstellung, das Fernglas, hat er sich wiederrechtlich angeeignet.

Deine Geschichte ist gut geschrieben und hat Tiefgang - ich habe sie gerne gelesen
Grüße
gerthans

 

gerthans
@gibberish

Hallo,

bitte entschuldigt, das ich die Geschichte noch nicht korrigiert habe. Ich bin noch dabei, finde aber immer neue Sachen, die ich korrigiere oder neu schreibe. Die Geschichte wird sich doch mehr verändern als ich zuerst vermutet hatte. Also bitte noch etwas Geduld.
Vielen Dank

LG
Nick

 

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