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Die Pistole im Rücken

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09.06.2015
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Die Pistole im Rücken

Freitagmittag. Die letzte Patientin hat die Praxis verlassen, Susanne Straub tritt ans Fenster, öffnet es und lehnt sich weit hinaus. Eine leichte Brise streicht um die Häuser. Tief unten eilen Menschen mit Taschen und Tüten bepackt durch die enge Gasse. Der kleine Zeiger der Kirchturmuhr nähert sich der Zwölf.
Susanne lächelt, sie denkt an Stephan. “Lass uns übers Wochenende in die Berge fahren“, hatte er vorgeschlagen. Dann hatten sie sich geküsst.
Die Tür fliegt auf. Susanne wirbelt herum, sie wendet sich dem jungen Mädchen zu, das im Türrahmen erschienen ist.
„Ich bin dann mal weg. Schönes Wochenende!“
„Danke, Pia, Ihnen auch!“.

Nachdem die Helferin die Tür hinter sich geschlossen hat, beginnt die Psychologin den Schreibtisch aufzuräumen. Therapieberichte verschwinden schnell im Aktenschrank, Gedanken an die letzte Patientin verscheucht sie mit einer raschen Handbewegung durch ihr krauses Haar. Susanne genießt das Gefühl der Vorfreude auf zwei freie Tage.
Noch ein paar Einkäufe sind zu erledigen, vor allem Getränke, Obst, Schokolade für Stephan, und natürlich Geld. Ich muss mich beeilen, überlegt sie, die Banken schließen um Eins.

Einige Minuten später verlässt Susanne die Praxis. Mit raschen Schritten eilt sie bei sommerlicher Hitze durch die verwinkelten Gassen der Kleinstadt, nach wenigen Minuten hat sie die Sparkasse erreicht. Beim Betreten der Halle schlägt ihr eine angenehme Kühle entgegen. Nur wenige Kunden befinden sich um diese Zeit in der Filiale. An einem der Kontoauszugdrucker entdeckt sie ihre letzte Patientin, Gisela Helfrich. Die ältere Frau, mit den zurückgekämmten Haaren, trommelt sichtlich nervös mit den Fingern auf den Schaltknöpfen herum. Sie ist schon lange in Behandlung bei ihr, wegen Panikattacken. Sie fürchtete sich vor Hunden, vor Katzen, sie kann keinen Aufzug benutzen und in Räumen, wie diesem hier, bekommt sie Schweißausbrüche. Nach einem kurzen Gruß stellt sich Susanne in der Reihe an der Kasse an. Vor ihr eine alte Dame mit gebeugtem Rücken, ein hochgeschossener Junge und direkt am Schalter eine Marktfrau in robustem Kleid und grüner Schürze. Die Bankangestellte zählt die Geldscheine einzeln und schiebt sie der drallen Frau über den Tresen zu. Ihre Augen wandern über die Kundin hinweg durch den Raum. Sie erstarrt. Susanne folgt ihren Blicken. Zwei Männer haben die Halle betreten. Der eine untersetzt und dick, der andere lang und dünn, beide schwarz gekleidet. Sie verbergen ihre Gesichter hinter Mützen, die nur ihre Augen freilassen. Susanne erschrickt, Bankräuber, ist ihr erster Gedanke.


„Überfall! Hinlegen! Alle hinlegen!“ Mit einer blitzschnellen Bewegung zieht der Dicke eine Pistole aus der Hosentasche, beschreibt damit einen Kreis in der Luft und hält sie dann auf die erschrockenen Kunden gerichtet. Susanne beobachtet die Menschen, die genau wie sie, langsam in die Knie gehen und sich hinlegen. Rasendes Herzklopfen macht ihr genauso zu schaffen, wie der dumpfe Geruch des Teppichs, auf dem sie sich der Länge nach ausstreckt. Während der eine Mann die Kunden im Auge behält, bedroht der andere nun die Kassiererin hinter dem Schalter. Aus den Augenwinkeln heraus sieht Susanne die Bankangestellte, die nach und nach Geldbündel in den Rucksack steckt, der vor ihr auf dem Tresen liegt.
„Beeilung! Schneller!“ Die Stimme des Bankräubers klingt bedrohlich.
Frau Helfrich richtet sich plötzlich auf. Taumelnd ringt sie nach Atem.
„Hinlegen, sofort hinlegen!“, brüllt der Aufpasser und hält ihr die Pistole an die Brust.
Die Frau ist schneeweiß im Gesicht, sie keucht und wischt sich mit einem Tuch Schweiß von der Stirn. Susanne springt hoch.
„Sehen sie nicht, dass die Frau krank ist?“ Sie kann nur mühsam sprechen, panische Angst kriecht in ihr hoch.
„Köpfe runter, los!“ Der Bankräuber ist irritiert. Er fuchtelt mit der Waffe herum.
Frau Helfrich läuft ein paar Schritte und fällt in einen Sessel. Ihr Atem geht rasselnd.
Susanne versucht ihre Patientin zu erreichen, doch der Dicke hält sie auf.
„Hinlegen hab ich gesagt, kannst du nicht hören?“
Von der Straße dringt Sirenengeheul in die Halle.
„Verdammte Scheiße!“. Der lange Dünne am Tresen hebt die Pistole in die Luft und schießt in die Decke, Putz rieselt herab. Susanne zuckt zusammen.
„Los, weg hier!“ befielt er mit schneidender Stimme und buckelt den Rucksack. Susanne fühlt sich hart am Arm gepackt.
„Mitkommen!“


Die Männer schieben sie vor sich her zum Ausgang. Sie spürt die Pistole im Rücken und tritt mit zitternden Knien hinaus auf die Straße. Das Sirenengeheul kommt näher.
„Einsteigen! Schneller!“ Der Dicke schubst sie in den Wagen, der vor der Filiale geparkt ist.
Der Geruch von Schweiß steigt Susanne in die Nase, als sich das Fahrzeug mit quietschenden Reifen in Bewegung setzt.
Die Männer schieben die Mützen hoch. Ihre Gesichter glänzen vor Nässe. Susanne stockt der Atem. Jetzt wird es gefährlich, jetzt habe ich sie gesehen. Sie zieht den Kopf ein und macht sich ganz klein.
Eine lange Strecke geht die Fahrt über eine belebte Landstraße, dann biegt der Wagen in eine Seitenstraße ab. Schon haben sie einen schmalen Waldweg erreicht, der an einem See endet.
„Aussteigen!“ befielt der lange Dünne, der den Wagen unter Bäumen angehalten hat.
Mit schlotternden Knien steht Susanne vor den Männern. Der Dünne vergräbt seine Hände in den Hosentaschen und runzelt die Stirn.
„Knall sie ab Kalle!“, sagt der Dünne.
Susanne fühlt, wie das Blut aus ihrem Kopf in die Beine sackt. Es ist aus. Aus! Susannes Stimme zittert. „Ja, tötet mich und dann geht ihr lebenslänglich in den Knast!“
Der Dicke lacht, der Dünne wehrt mit den Händen ab.
„Halts Maul! Scheißgeisel!“
„War es meine Idee, sie mitzunehmen?“, wirft Kalle, der Dicke, ein. Er schwitzt. Dunkle Flecken bilden sich auf seinem Hemd.
„Natürlich war es deine Idee, Blödmann!“
„Ihr seid so armselig, ihr schafft es nicht einmal mich zu töten.“ Verzweifelt kämpft Susanne um ihr Leben. Jetzt bloß nicht bitten und betteln. Noch einmal gibt sie sich einen Ruck.
„Erst mutig eine Bank überfallen und dann die Nerven verlieren.“
„Halt deine gottverdammte Schnauze, du dämliche Mistgeisel! Die Stimme des Langen überschlägt sich. Er fasst sich an den Hals, hustet und spuckt auf den Boden.
„Mach voran Alter, wir müssen los!“, drängt er und schubst den Dicken in Susannes Richtung.
Kalle fuchtelt mit den Armen „Lass die Finger von ihr!“
„Gut, ich erschieße sie.“ Der Lange scheint es ernst zu meinen.
„Nein, das tust du nicht!“
„Scheißer!“, brüllt der Lange, wuchtet den Rucksack aus dem Auto und bewegt sich fort in Richtung See. Susanne sieht die beiden Motorräder am Ufer. Der Dicke schaut Susanne stumm aus seinen Schweinsäugelein an, dreht sich um und folgt seinem Kumpel. Die Männer streiten noch eine Weile, dann steigen sie auf die Motorräder.

Wenige Augenblicke später schaut Susanne den Maschinen nach, auf denen die Räuber davon düsen. Was nun? Langsam kehrt das Blut in ihre Wangen zurück. Wie in einem schlechten Film. Ob ich mich später an die Gesichter erinnern werde? Susanne betrachtet den abgestellten Wagen. Unglaublich, der Schlüssel steckt. Ihre Beine zittern, sie fühlt sich benommen, doch sie steigt ein und lenkt das Auto sicher auf die Landstraße zurück. Schon von Weitem sieht sie den Streifenwagen am Straßenrand stehen. Eine Straßensperre! Die kommt gerade recht.
"Anhalten! Keine Bewegung!", tönt es aus einem Megaphon.
Wie bin ich froh dass jetzt alles vorbei ist. "Keine Bewegung!", ein Polizist mit gezogener Waffe läuft langsam auf sie zu.
Vielleicht kriegen sie die Räuber noch, sie haben noch nicht viel Vorsprung. Hastig reißt sie die Tür auf und springt aus dem Wagen.
Den Scharfschützen, welcher hinter einer Mauer Stellung bezogen hat, bemerkt Susanne nicht mehr. Sie ist sofort tot.

 

Hallo Amelie ,

Man merkt, dass du schon eine Weile schreibst (oder?). Die Geschichte ist spannend, ich mag auch den Prota, also Susanne. Eine starke Frau, die sich durch das Wissen als Psychologin aus ihrer misslichen Lage befreien kann. Um so tragischer ist die plötzliche Wendung am Schluss.

Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob bei einem Raubüberfall wirklich Scharfschützen eingesetzt werden, die auch sofort zuschießen.

Viele Grüße

Saana

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo AmelieS,

eine spannende Geschichte mit traurigem Ausgang. Du hast die Geschichte im Präsens geschrieben, wahrscheinlich, um die Spannung im Moment einzufangen. Das ist dir auch gelungen. Ich hatte einen Fehler gemacht, indem ich geschaut hatte, wie lang der Text ist und dabei die letzten vier Worte gelesen: Sie ist sofort tot. Dadurch habe ich mir selbst die Spannung und das Wow am Schluss genommen.
Ein klein wenig verliert die Geschichte ihren Rhythmus, als Susanne mit den Räubern im Wald am See ist. Da musst du mal sehen, ob du da bisschen was kürzen kannst. Durch die vielen Dialoge verschiebt sich meines Erachtens auch ein bisschen die Position des Betrachters, da der Leser sich ja von Anfang an ganz nah an Susanne befindet. Ich weiß auch nicht, ob Ausdrücke, wie Mist Geisel, authentisch wirken. Das wirkte für mich aufgesetzt. Vielleicht fällt dir dafür noch was anderes ein. Ansonsten fand ich es als eine wirklich gelungene Geschichte, die ich sehr gern gelesen habe.

Eine leichte Brise streicht um die Häuserfassade.

Die Fassade eines Hauses ist die Vorderansicht, die also dem Haus sein Gesicht gibt. Deshalb kann der Wind nicht um die Fassade streichen, sondern nur über sie hinweg oder an ihr entlang.

Der Zeiger der Kirchturmuhr nähert sich der Zwölf.

Welcher? Ist es irgendeine volle Stunde, oder Mitternacht?

Sie ist schon lange in Behandlung bei ihr, wegen Panik Attacken.

Panikattacken

Sie fürchtete sich vor Hunden, vor Katzen, sie kann keinen Aufzug benutzen und in Räumen, wie diesem hier, bekommt sie Schweißausbrüche.

Ich glaube, es ließe sich besser lesen, wenn du statt des Präteritums den PPQ verwendest:

Sie hatte sich vor Hunden und Katzen gefürchtet, noch immer kann sie keinen Aufzug benutzen und in Räumen, wie diesem hier, bekommt sie Schweißausbrüche.

Ist aber nur mein Gefühl :)

„Halt deine gottverdammte Schnauze, du dämliche Mist Geisel!

Mistgeisel würde ich schreiben.

Sehr gerne gelesen.

Schönen Gruß
khnebel

 

Hallo Kinaski,

diese Geschichte verdient ein wenig mehr als nur eine lapidare Bemerkung. Dein Kommentar bürgt nicht dafür, dass du dich damit auseinandergesetzt hast.

Schönen Gruß
khnebel

 

Hallo Saana ich freue mich sehr, dass dir meine Geschichte gefallen hat. Ob es wirklich Scharfschützen gibt, bei einem Banküberfall? Ich weiß es auch nicht so genau. Doch in meiner Geschichte musste Susanne sterben, leider, sie war eine so tapfere Frau. :)

"Man merkt, dass du schon eine Weile schreibst (oder?)."

Mit 75 habe ich mir überlegt, dass das noch nicht alles sein kann, in meinem Leben. Ich entschloss mich ein Fernstudium aufzunehmen und habe zwei Jahre lang Belletristik studiert. Seit dieser Zeit, ich bin inzwischen 81, habe ich Freude am Texten. Eine meiner Geschichten ist in einer Anthologie veröffentlicht und einmal habe ich einen Preis gewonnen. Jetzt schreibe ich an meinem Manuskript, Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg.

Danke, für dein Interesse!

Einen schattigen Platz wünsche ich dir!
Amelie


Danke auch dir, khnebel fürs Lesen und ganz besonderen Dank für Verbesserungsvorschläge, um die ich mich kümmern werde.

Die beiden Gangster mit ihrer Fäkalsprache. Zugegeben, etwas lang. Ich gönnte mir diese Szene, und glaube mir, die beiden standen vor mir und haben genau so geredet. ----Ich möchte halt auch mal. :D

Der Zeiger der Uhr nähert sich der Zwölf.
Noch ein paar Einkäufe sind zu erledigen, vor allem Getränke, Obst, Schokolade für Stephan, und natürlich Geld. Ich muss mich beeilen, überlegt sie, die Banken schließen um Eins.

Das kann unmöglich Mitternacht sein. Doch kann ich hier etwas ändern, wenn das den Leser verwirrt.

Panikattacken. Schreibfehler, wird geändert.

Nun zu Frau Gisela Helfrich. Die Frage ist, hat sie diese Attacken überwunden? Ist die Psychologin tatsächlich eine so gute Therapeutin, dass die Patientin keine Angst mehr vor Hunden und Katzen hat?
Ich glaube es nicht, ich denke, die Frau ist nicht geheilt, weil ich keiner Ärztin traue. Erfahrungssache. :hmm:

Mistgeisel ist ok. wird geändert, genau wie die Häuserfassade.

Vielen herzlichen Dank, du hast mir viel Zeit geschenkt!

Auch dir wünsche ich ein schattiges Plätzchen!
Amelie


KK, ich grüße dich! Für das Lesen meiner Geschichte, so dies tatsächlich geschehen sein sollte, bedanke ich mich.
Mit deiner Kritik kann ich leider nichts anfangen, sie bringt weder meinen Text, noch den Inhalt der Geschichte weiter.

Einen schönen und recht heißen Tag wünsche ich dir!
Amelie

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo AmelieS, in einem hat der mehrfach gescholtene Kinaski aber schon Recht: Der Schluss ist wenig plausibel und wenig durchdacht. Schade, dass du da über dieses Argument in der Antwort an ihn und auch in dem Kommentar an Saana (die Ähnliches moniert hat) so locker und charmant drüber weggegangen bist. Aber wir sind jetzt schon drei. Bei mir ist das weniger der Punkt, dass Scharfschützen eingesetzt werden, bei Geiselnahme kann das schon sein, aber wieso ausgerechnet irgendwo auf derStraße und wieso drückt der Scharfschützenkerl so befehllos ab, die Einsatzkräfte wissen doch, dass die Geiselnehmen zwei Gangster waren, dass die Geisel eine Frau ist. Und da schießen sie ausgerechnet auf eine einzelne weibliche Person? Das müssen ja sehr verpeilte Einsatzkräfte sein.
Also ich will sagen, du solltest vielleicht den Ort wechseln, dort, wo die Bankräuber die Motorräder abgestellt haben, wenn sich um so einen letzten Fluchtpunkt alle Polizeikräfte zusammenziehen, da könnts schon eher so sein, dass genau dort Scharfschützen eingesetzt werden. Und dann könnten sich die Geiselnehmer trennen, wenn bei der Frau noch ein Mann dabei ist, kann es vielleicht eher zu Problemen kommen.
Und der letzte Punkt ist, du schreibst den Text die ganze Zeit aus der Perspektive von Susanne, wie aber kann die feststellen, dass sie zum Schloss tot ist. Das passt für mich niht richtig, weil du da so urplötzlich ins Auktoriale gehst.

Ansonsten hab ich deine Geschichte schon gerne gelesen, sie ist spannend und interessant.
Aber ein paar Tipps habe ich noch. Ich denke fast, es ist ein bisschen Geschmackssache dabei, aber ich wollte es trotzdem mal loswerden. Du schreibst ja meistens sehr klar, sehr naja, wie man es vielleicht auch in Schreibschulen lernt, keine Ahnung, sehr glatt vielleicht, sehr kantenlos, keinen Angriff bietend. Ich weiß, das tut ein bisschen weh, sowas zu lesen, ich will dich aber echt nicht ärgern, das ist einfach mein Gefühl beim Lesen. Ich habs mir lang überlegt, was es eigentlich ist. Also es wirkt für mich oft so unpersönlich, so sehr austauschbar, das gilt besonders für die Personen. Es bleibt auf einer sehr oberen Ebene. Du deutest zwar ihre Gefühle an, aber auch das bleibt sehr austauschbar. Halt krauses Haar, mit dem sie einen Gedanken an eine letzte Patientin vertreibt. Ja, klar, sie will ins Wochenende, aber die Frau wär mir als Leserin viel näher, vielleicht auch unangenehm sogar, aber ein echter Mensch eben, wenn sie mal was Scheißiges über die letzte Patientin denken würde. Und das tun Psychodocs mit Sicherheit. So wie jeder über seinen Job ablästert. Das würde sie aber zu einer echten Person machen. Und dann ist genau die, über die sie so gelästert hat, in der Sparkassenhalle. Na schau, dann kanns losgehen mit dem Zundern.
Bei dieser Susanne hier, ich weiß nicht, ich kriege kein Bild von ihr her. Du bleibst in so einer sehr allgemeinen Personenbeschreibung und -inszenierung, da sieht man krauses Haar, folgt ihrem alltäglichen Treiben, aber das trifft für so furchtbar viele Frauen zu, es wirkt manchmal geradezu stereotyp. Du musst da auch aufpassen, dass du nicht versehentlich kitschig wirst. Aber das ist hier ja jetzt nicht der Fall. Aber: Ich sehe keinen Grund, keinen einzigen, um genau dieser Frau folgen zu wollen, um sie zu fürchten und mir dabei in die Hose zu machen, weil ich will, dass sie am Leben bleibt. Wenn du zum Beispiel ihren inneren Konflikt ein bisschen mehr ausgearbeitet hättest, als sie in dem Bankraum liegt. Das würd einen mitreißen. Oder irgendwas andres.
Also ich meine, das ist doch schon ein Ding, du liegst da, bist Psychdoc, deine Patientin röhrt rum, du kannst sie noch nicht mal besonders ab, du weißt, wenn du dich ums sie kümmerst, kriegst du vielleicht ganz existenziell Ärger, also wegen so einer Flunsen sich in Gefahr bringen? Lässt du es aber bleiben, fühlst du dich feige, vielleicht hat sie dich sogar gesehen und wenn ihr beide überlebt, erzählt sie wieter, was für eine schreckliche Therapeutin du bist, die ihre Patienten in der größten Gefahr alleine lässt. Es reicht aber auch schon total, wenn sie sich selbst einfach furchtbar feige findet. Man hat ja einen Berufsethos selbst bei schwieirigen oder unsympathischen Patienten.
Also eigentlich hast du da ja jede Menge Potential für einen echt hammerigen Konflikt und du übergehst das leider, lässt Susanne aufspringen wie den Teufel aus der Büchs, völlig konfliktlois, nur um ihr am Ende eine Kugel zu verpassen. Das ist, wie wenn du eine echte Geschichte für einen Gag geopert hättest.

Liebe Grüße von Novak
Und bitte wünsch uns allen ein paar kleine süße Schäfchenwölkchen, die ab und an sich zwischen die dürstenden Menschenleiber und die Glühsonne stellen. :)

 

Hallo Novak,

mit der Beurteilung meiner Geschichte hast du dir viel Mühe gegeben. Herzlichen Dank!

Mit dem Ende stimmt etwas nicht, ich sehe es ein. Dein Vorschlag gefällt mir. Ich werde den Polizeieinsatz zum Waldplatz verlegen. Doch erst einmal bleibt der Text unverändert stehen. Ich ärgere mich immer, wenn ich korrigierte Texte lese, bei denen die Kommentare nicht mehr stimmen.

Nun zu meinem Schreibstil. So wie du es beschreibst weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe. Seltsam? Nein! Hier geht es um das Schreiben von Kurzgeschichten, nicht um das Schreiben eines Romans. Die Kurzgeschichte zählt zu einer ganz bestimmten Art. Und was ist diese bestimmte Art?
Die Kurzgeschichte ist eine Blitzaufnahme, die einen ganz besonderen Augenblick festhält.

(Otto Schumann) –„richten sie daher bei der Kurzgeschichte den Scheinwerfer auf eine einzige Stelle, und tasten sie nicht Himmel, und Erde mit dem Leuchtfinger ab.“

Hemingway hat von einem Eisberg gesprochen: man sieht nur einen Zipfel aufragen, weiß aber, dass sich der größte Teil unter der Wasseroberfläche – also außerhalb der Geschichte – verbirgt.

Die Figuren haben oft keine Namen und wir erfahren wenig über ihren Charakter.

Die Kurzgeschichte erzählt nie ausschweifend, beleuchtet nicht mal diesen, mal jenen Aspekt eines Problems, sondern konzentriert sich auf einen bestimmten Moment, eine Handlung oder eine Begebenheit.

__________________________________

Das soll nicht heißen, dass sich jeder, der hier veröffentlicht, an diese Regeln halten muss. Hier darf jeder texten wie er will, es soll ja vor allem Spaß machen. Ich schreibe halt so, wie ich es zwei Jahre lang gelernt und geübt habe. Dafür und für meine Kritik an fremden Texten, bitte ich um Verständnis.

"Ich weiß, das tut ein bisschen weh, sowas zu lesen, ich will dich aber echt nicht ärgern, das ist einfach mein Gefühl beim Lesen."

Das tut nicht weh, das ist ehrlich und ich weiß es zu schätzen.

Kennst du Roald Dahl? "Küsschen, Küsschen?" Wunderbare Kurzgeschichten und genau wie ich es gelernt habe. Leider wäre es vermessen, mich mit diesem Künstler zu vergleichen. Aber träumen darf man, oder nicht?

Einen ruhigen Platz unterm Sonnenschirm wünsche ich dir!
Amelie

 

Hallo AmelieS

Ich habe deine Geschichte gestern gelesen, wollte dir heute auch einen Kommentar schreiben, und es ist erstaunlich, er deckt sich praktisch 100% mit dem von Novak. Ich kann ihr in allen Punkten nur zustimmen, ich hätte es ganz ähnlich geschrieben - die Geschichte ist nicht schlecht erzählt, aber sie bietet auch wenig Stoff, um darüber zu diskutieren, sie ist glatt (genau der Begriff kam mir beim Lesen auch in den Sinn, daher wiederhole ich Novaks Bezeichnung).

Ich schreibe halt so, wie ich es zwei Jahre lang gelernt und geübt habe. Dafür und für meine Kritik an fremden Texten, bitte ich um Verständnis.

Du musst dich dafür nicht rechtfertigen. Das ist absolut legitim und ok. Aber man merkt es der Geschichte eben auch an. Das kannst du jetzt natürlich erstmal auch als Kompliment sehen, denn es zeigt ja, dass das Lernen und das Üben erfolgreich war. Man merkt, du bist kein Anfänger. Auf der anderen Seite fände ich es aber auch schade, wenn du jetzt bei diesem Schritt verharren und dich auf - mehr oder weniger - akademische Definitionen von "Kurzgeschichte" berufen würdest.

Was dem Text fehlt, ist eine Seele. Das klingt jetzt hochgestochen und abstrakt, daher versuche ich es etwas greifbarer zu formulieren (auch wenn das mein Gedanke beim Lesen war): Er ist weder inhaltlich noch stilistisch mutig. Du bewegst dich auf sicherem Terrain, in einer Art Comfort Zone. Das bedeutet, du machst wenig falsch - gehst aber auch kein Risiko ein. Das wiederum ist natürlich auch legitim, es kommt auch immer darauf an, was du für Ansprüche an dich und deine Texte hast. Auf diese Art entstehen meist nette, gefällige Texte (das ist nicht negativ gemeint), manchmal Gute, selten Schlechte - aber nie Großartige. Dem Text fehlt etwas Individuelles, etwas, das mich nach dem Lesen an ihn denken lässt. Das meine ich mit Seele. Du bist weit weg von den Figuren, erzählst kühl, eben sehr technisch und funktional.

Kennst du Roald Dahl? "Küsschen, Küsschen?" Wunderbare Kurzgeschichten und genau wie ich es gelernt habe. Leider wäre es vermessen, mich mit diesem Künstler zu vergleichen. Aber träumen darf man, oder nicht?

Ich persönlich liebe seine Geschichten. Ein tolles Vorbild, es ist kein Fehler, ihm nachzueifern. Ich sehe jetzt auch die Idee deiner Pointe - auch viele von Dahls Geschichten sind gespickt mit schwarzem Humor und einer verblüffenden Pointe am Ende. Die hast du auch versucht, aber in deiner Geschichte klappt sie nicht, weil sie zum einen die genannten Logiklöcher aufweist und zum anderen auch zu erzwungen und konstruiert daher kommt - eine gute Pointe fügt sich natürlich in eine Geschichte ein und ergibt sich zwingend aus dem Verhalten der Figuren (s. bspw. in "Des Pfarrers Freude" von Dahl). Bei dir kommt sie zu sehr aus heiterem Himmel und passt deshalb nicht so recht.

Ich hoffe, du fasst meine Kritik jetzt nicht zu negativ auf. Denn wie gesagt, das ist kein schlechter Text (ich habe auch "Die knallrote Badehose" von dir gelesen, den fand ich auch ok). Aber ich sehe das als Station auf einem Entwicklungsweg, und deshalb sind ja viele von uns hier - um sich zu entwickeln. Wichtig finde ich jetzt, die Kritik zu verinnerlichen und dann auch zu versuchen, einen weiteren Schritt zu gehen. Ich habe deinen Roman nicht gelesen, könnte mir aber vorstellen, dass du dort diesen Schritt vielleicht schon gegangen bist und aufgrund des gewählten Themas und deinem Hintergrund persönlicher schreibst. Das solltest du auf jeden Fall versuchen, auch in deinen Kurzgeschichten.

So weit von mir - viele Grüße AmelieS (und ein schattiges Plätzchen) wünsche ich dir.
Schwups

 

Hallo Shwups, das ist ein sehr aufschlussreicher Kommentar, über den ich gerne nachdenken werde. Schließlich schreibe ich nicht für mich, sondern für Leser, denen die Geschichten gefallen sollen. Was nützt es alle Regeln einzuhalten, wenn der Text den Leser nicht erreicht. Also bedanke ich mich sehr für deine Mühe und vor allem für deine Zeit.

Die Kurzgeschichten von R. Dahl wollte ich nicht auf meine Pistolengeschichte bezogen wissen. (komischer Satz) Ich meinte nur im Allgemeinen, wie er eine Kurzgeschichte schreibt.

An meinem Stil werde ich arbeiten. In der ersten Person klappt das besser, mit der Nähe zum Protagonisten, denke ich.

Eine Schüssel mit kaltem Wasser, für die Füße, wünsche ich dir!
Amelie

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Amelie,

Der Zeiger der Kirchturmuhr nähert sich der Zwölf.
Vielleicht so: „Der kleine Zeiger ...“ (Oder hat die Uhr nur einen Zeiger?) :lol:

„Danke, Pia, Ihnen auch!“.
Punkt hinten kann weg

„Verdammte Scheiße!“, der lange Dünne am Tresen hebt die Pistole in die Luft und schießt in die Decke, Putz rieselt herab. Susanne zuckt zusammen.
Hier würde ich einen neuen Satz anfangen:
„Verdammte Scheiße!“ Der lange Dünne ...

Susannes Stimme zittert. „ Ja, tötet mich und dann geht ihr lebenslänglich in den Knast!“
Du hast da ein Leerzeichen vor „Ja“.

Ob ich mich später an die Gesichter erinnern werde?

Wie bin ich froh dass jetzt alles vorbei ist.
Das würde ich jeweils entweder kursiv schreiben, da es die Gedanken von Susanne sind, oder hinzu schreiben „, denkt sie.“

Den Scharfschützen, welche hinter einer Mauer Stellung bezogen hat,
welcher

Spannend geschrieben.
Hat mir gut gefallen.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

GoMusic, ich bin begeistert, mein Text hat einen Lektor gefunden. Ich habe alle Fehler korrigiert. Herzlichen Dank!

Und gefallen hat dir meine Geschichte auch. Das freut mich sehr.

Eine erfrischende Dusche für dich, an diesem heißen Tag!
Amelie

 

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