Was ist neu

Die Würde

Seniors
Beitritt
10.11.2003
Beiträge
2.248
Zuletzt bearbeitet:

Die Würde

„Runter mit der Hose!“, sagte Friedrich im gewohnten Befehlston. Doch seine Stimme zitterte und die Worte kamen gepresst aus seinem Mund, als würde dieser sich weigern auszusprechen, was Friedrich seit einer Ewigkeit dachte: Endlich den Hintern seiner Tochter sehen. Nackt sehen. Dieses Luder hatte ihn lange genug gereizt, jetzt war es endlich vorbei damit.
Gut, der Papst Franziskus hatte vor einigen Tagen nichts von nackt gesagt, aber erlaubt hatte er: Das Schlagen auf den Po. Das sei würdevoll, hatte er gesagt, im Gegensatz zum Schlagen ins Gesicht. Dabei hatte er, Friedrich, gerade das für entschuldbar gehalten. Es kann jedem Mann die Hand mal ausrutschen, nicht wahr? Wenn so eine Göre Widerworte gibt, die einem redlichen Mann wie ihm die Zornesröte ins Gesicht treiben, dann kann es freilich passieren, dass er Gewalt über sich verliert, oder?
„Umdrehen!“
Seiner Frau geht es ja nicht anders. Keine langen Diskussionen, so eine Ohrfeige stoppt das Gezeter sofort. Und sie hat sich für ihre Handlungen genauso wenig vor der Tochter zu verantworten, wie er. Wo kämen wir denn hin, wenn Kinder bestimmten, was im Haus und anderswo zu geschehen hat? Und sagt nicht die Bibel, wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn; wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn bald?
Gut, er hat keinen Sohn, in heutiger Zeit sind Weiber den Männern jedoch gleichgestellt, also müssen sie auch nach den gleichen Methoden erzogen werden. Was für Söhne gut ist, muss auch für Töchter gelten, die Gleichberechtigung verlangt das. Die Emanzen hätten halt daran denken sollen, dass Gleichheit zugleich Nachteile haben kann.
„Über die Lehne beugen!“
Mit Bedacht strafen, das sei okay, hatte der Papst gesagt. Und mit Bedacht heißt: Nicht aus einem augenblicklichen Ärger heraus, sondern nach Plan. Deswegen wird in seinem Haus ab sofort jeden Freitag gestraft. Oder eben nicht. Wenn während der Woche nichts vorfallen sollte, dann wird das Strafgericht selbstverständlich entfallen. Zumindest in seinem Haus wird es gerecht zugehen. Gerechtigkeit ist etwas, was heute leider Gottes nicht sehr hoch im Kurs steht. Laufend werden Verbrecher zu viel zu milden Strafen verurteilt. Oder gar nicht verurteilt: Sie können sich mit einem Geständnis und einer milden Gabe an eine gemeinnützige Organisation freikaufen.
„Marlene, du bist jetzt dran!“
Friedrich hatte sich auf dem Sofa bequem gemacht. Er war in dieser Angelegenheit Richter und als solcher nicht für den Vollzug zuständig. Gut, er hatte das Ganze arrangiert, den Stuhl so hingestellt, dass seine Tochter ihm nun ihren nackten Hintern zeigte, schlagen werde er sie trotzdem nicht. Dafür war seine Frau da, schließlich war sie für die Erziehung der Tochter zuständig – heißt es doch in der Bibel: Rute und Strafe gibt Weisheit; aber ein Knabe, sich selbst überlassen, macht seiner Mutter Schande.
Mutter, nicht Vater!
Er war ja kaum zuhause, musste Geld verdienen, wie sich das für einen Mann gehört. Er war schon immer der Meinung, dass Frauen ins Haus gehörten. Küche, Kinder, Kirche, dafür war sie verantwortlich. Jahrtausendelang hat das gegolten, und es gibt keinen Grund, warum das nicht wieder gelten sollte. Nur weil die Achtundsechziger ein wenig Unruhe stifteten? Das ist längst vorbei, noch drei Jahre und dann ist ein halbes Jahrhundert um, seitdem diese Chaoten die gottgewollte Ordnung durcheinander gebracht haben.
„Marlene, auf was wartest du?“
„Muss … muss ich das wirklich tun?“
„Natürlich. Es sei denn, du willst, dass ich es tue? Aber du weißt: Ich schlage härter.“
Das war eine deutliche Drohung, doch Marlene zögerte weiter, schien immer noch unschlüssig.
„Aber ist das nicht verboten?“
„Wir haben das ausdiskutiert, Marlene: Das mit dem Verbot der Züchtigung war lediglich eine kurzzeitige Verirrung des Zeitgeistes. Der Papst hat jetzt endlich dagegen aufbegehrt und Tacheles gesprochen. Vor etlichen Journalisten. Und der Vatikan hat das hinterher bestätigt: Es war kein Versehen – Papst meinte das ernst.“
„Trotzdem könnte es Unrecht sein. Wenn Thekla … wenn Thekla das in der Schule erzählt, dann …“
„Thekla wird nichts erzählen. Du kennst unsere Tochter schlecht. Sie wird uns nicht ins Gefängnis und sich selbst in ein Heim bringen wollen. Oder, Thekla?!“
Thekla sagte nichts, es schien als ob sie die Frage gar nicht gehört hätte. Dafür bohrte Marlene weiter: „Und wenn sie hinterher nicht sitzen kann?“
„Dann melden wir sie krank. Aber du musst sie ja nicht blutig schlagen. Sechs Schläge, das kann sie verkraften, schließlich ist sie schon groß. Das Wichtigste sind ohnehin die Schmerzen. Und der größte Schmerz wird an der Oberfläche der nackten Haut gespürt, wo sich die Nerven befinden.“
„Ihr Vergehen war ja nicht so groß, Friedrich. Außerdem konnte sie nicht wissen, dass daraus diese harsche Konsequenz folgen wird. Ich meine, wir sind bisher …“
„Was bisher war, spielt keine Rolle mehr. Wir haben jetzt freie Hand. Und bedenke, wenn wir nicht jede Übertretung, jede Aufmüpfigkeit und Gemeinheit behandeln wie Gott Sünde behandelt, wird das Weltbild Theklas ein falsches sein."
Marlene zögerte noch, rang mit sich, dann hob sie doch den Arm. Und ließ ihn sinken.
„Tu‘s, Marlene, denn es steht geschrieben: Gesegnet sei der Schmerz.“
„Ich kann nicht.“
„Doch, du kannst, denn es steht geschrieben: Geheiligt sei der Schmerz.“
„Ich … ich …“
„Verherrlicht sei der Schmerz. Tu’s endlich!“
Und Marlene tat es. Mit sichtlicher Anstrengung zwar, dennoch tat sie es. Sie schlug zu und wiederholte dabei Friedrichs Worte: „Gesegnet sei der Schmerz.“ Und beim nächsten Schlag: „Geheiligt sei der Schmerz“. Und beim dritten: „Verherrlicht sei der Schmerz.“
Dann stoppte sie und schaute ihren Mann fragend an. Er aber sah sie nicht. Er sah allein die drei Striemen auf dem Arsch seiner Tochter. Sie färbten sich langsam rot. Auf der rechten Backe war es besonders schlimm. Marlene hatte mit ihrem Kochlöffel zweimal fast die gleiche Stelle getroffen. Zwar nur mit der flachen Seite, allein die kreisrunden Abdrücke überschnitten sich und bewirkten eine stärkere Rötung.
Das war nicht schön. Weil es die Symmetrie störte. Auf die perfekte Symmetrie der Arschbacken, gehörten parallele Striche und nicht dieses Durcheinander! Es war ein Fehler, die Bestrafung seiner Frau zu überlassen. Er wusste ja: Sie war unfähig, einen Nagel in die Wand einzuschlagen. Ein einziges Mal hatte sie das versucht – und konnte danach tagelang ihren linken Daumen nicht mehr richtig benutzen. Wie konnte er dann erwarten, dass sie drei Parallelschläge hinkriegt!
Andererseits hätte er auch vorsorgen und rechtzeitig eine richtige Peitsche kaufen können. Aber er hatte sich zuerst nicht getraut in den Erotik-Shop zu gehen und dann, als er nach Alternativen suchte, war er zu spät bei dem Laden für Reiterbedarf erschienen. Die schlossen schon um achtzehn Uhr. Das ist ja wie früher, dachte er, als es noch ordentliche Ladenöffnungszeiten gab und nicht dieses Durcheinander, in dem jeder Ladenbesitzer macht, was er will. Friedrich war überzeugt, dass wird sich auch bald ändern, der neue Papst wird dafür sorgen. Weil ohne Ordnung geht es einfach nicht. Man sieht ja an seiner Tochter, wohin dieses Laisser-faire führte.
Tja, seine Tochter. Sie stand da, über die Stuhllehne gebeugt, und präsentierte ihm ihren wohlgeformten Arsch. Die Schlafanzugshose, die ihr zuerst noch um die Knie hing, war ihr ganz hinunter gerutscht beim Versuch, ihm nicht mehr zu zeigen als unbedingt nötig. Wenigstens ist sie schamhaft, dachte Friedrich, immerhin das hat Marlene ihr beigebracht: Trotz Hose nicht da zu sitzen wie ein Mann. Oder eben Beine eng beieinander halten, wenn sie sich vorbeugt.
Breitgespreizt sitzen dürfen nur Männer. Und jetzt maßen sich das auch die behosten Weiber an. In den dreißiger Jahren hat diese Unsitte angefangen, und heutzutage gibt es bloß noch im Sommer welche, die ein Kleid tragen oder einen Rock anziehen, wie das seit alters her üblich und vorgeschrieben war. Ja, früher standen aufs Hosentragen schwere Strafen, die Inquisition verstand da keinen Spaß - nicht nur Johanna von Orleans musste deswegen dran glauben. Fünfhundert Jahre später wurde sie von der gleichen Kirche zur Heiligen erklärt, und was folgte dem? Weiber in Hosen! „Mach‘ weiter, Marlene.“
„Aber … aber … das wird zu viel. Siehst du …“
„Ja, sehe ich. Ist nur deine Schuld. Wenn du etwas genauer wärst, wäre das nicht passiert.“
„Ich kann halt nicht besser.“
„Unsinn. Geh‘ einfach auf die andere Seite und bearbeite die andere Arschbacke!“
„Aber …“
„Mach‘ endlich! Oder willst du den ganzen Abend damit verbringen?“
Das war natürlich gelogen. Er wünschte sich ja, dass das lange dauert. Dieser prächtige Hintern, diese weiße Halbmonde aus Fleisch, und der dunkle, undeutlich zu sehende Raum dazwischen, das könnte er ewig betrachten. Doch nächstes Mal beim besseren Licht! Die Deckenbeleuchtung machte so zu viel Schatten und die Stehlampe stand ungünstig. Er will alles sehen, nicht nur den Hintern, nicht wahr, er ist schließlich kein Fetischist, der sich ausschließlich für bestimmte Körperteile oder Dinge interessiert!
Okay, schon dieser eingeschränkte Einblick auf die Intimzone seiner Tochter hat Einiges bewirkt bei ihm, die plötzliche Enge in der Hose kam nicht von ungefähr. Er wollte sich in den Schritt greifen, um da etwas mehr Platz zu schaffen, aber der Blick seiner Frau, die auch dahin schaute, hielt ihn für einen Moment davon ab.
„Nun mach‘ endlich“, sagte er leicht verärgert und zeigte mit der Armbewegung auf die andere Seite. Sobald jedoch seine Frau die neue Stellung bezogen und mit der Züchtigung der Tochter fortgesetzt hatte, war sein Ärger verflogen. Ist gar nicht so schlecht, dachte er, wenn sie sieht, dass ihn das Ganze erregt.

Die drei restlichen Schläge waren wesentlich schneller verabreicht als die ersten. Das war ihm auch wieder nicht recht, aber er sagte nichts. Weil er die leicht geröteten Wangen seiner Frau sah. Er stand auf und ging schweigend ins Schlafzimmer. Dort angekommen drehte er als erstes die zwei Heilgenbilder an der Wand um. Das war ein Ritual, das sie beide seit der Hochzeitnacht praktizierten. Und das mit der Bestrafung würde auch ein Ritual werden, schließlich kannte er seine beiden Weiber gut: Die Tochter wird sich von ein paar Schlägen nicht bessern, und wenn doch, wird seine Frau schon einen Grund finden, dass wenigstens am Freitag die Welt wieder eine vom alten Schlag sein wird – Franziskus sei Dank.

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin Dion,

deiner Geschichte fehlt es an nichts: Sie ist flüssig geschrieben, schon der erste Satz packt den Leser am Schlafittchen, dann geht es auch gleich zur Sache. Stilistisch ist das einwandfrei, du kannst gut schreiben - bravo.

Trotzdem hatte ich beim Lesen das Gefühl, das alles so oder so ähnlich schon hundert Mal gelesen zu haben. Es schockt mich auch nicht. Bigotterie, ein bisschen Schweinkram, klassisches Familienbild, ein prügelnder Brutalo-Mann und das ganze im katholisch-frommen Milieu - Das ist in etwa so neu, aufregend und provozierend wie eine Sexzene in einem 20 Uhr-Abendspielfilm. Hart am Klischee. Hatte schon damit gerechnet, dass der Wifebeater gleich seinen Rosenkranz rausholt und als Schlagring benutzt. Also finde ich das gewählte Thema wenig originell, so to say.

Was die Drastik der Szenen anbelangt, so kann man sich einiges von dir abgucken, meine ich. Ich möchte nicht sagen, dass ich mich beim Lesen gut unterhalten gefühlt habe, aber zumindest ist es dir zu 100 % gelungen, dein Anliegen/Thema schriftstellerisch gekonnt und sicher umzusetzen.

Einen guten Start in die Woche wünscht

Exilfranke :)

 

Hallo Dion.
Ich habe mich seinerzeit schon gefragt, was dieser Ausspruch mit all den katholischen Menschen macht.
In den schrecklichen Nachkriegswintern hat der Erzbischof Frings in seiner Silvesterpredigt Mundraub legitimiert. Danach wurde mit gutem Gewissen die notwendige Nahrung gestohlen. Heute besteht keine Not mehr, Kinder zu schlagen. Deshalb hat mich dieser Ausspruch von Papst Franziskus doch ausgesprochen verärgert.

In der Familie Deiner Protagonisten besteht überhaupt keine Not. Soll er seine erektile Dysfunktion doch mit seiner Frau ausmachen. Dass sie beide Nutznießer seiner unterdrückten Begierde werden, auf Kosten der Tochter, ist schauderhaft.
Verraten vom Vater und der Mutter steht man auf sehr dünnem Eis.

Die Geschichte ist toll geschrieben, kommt ohne drastischen Darstellungen aus. Das Grauen schleicht sich sehr still und unaufgeregt ein.
Toll gemacht.
Grüßle von Gretha

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Dion,

ich bin kein Fan der katholischen Kirche, und kein Fan vom Kinderverprügeln. Aber ich bin auch kein Fan von Literatur, die bloßes Meinungsvehikel ist und ihre Botschaft mit dem Holzhammer rüberbringt. Exilfranke hat es schon gesagt: Das ist alles sehr klischeehaft. Das heißt nicht, dass das Thema nicht wichtig wäre, aber mir ist das hier viel zu plump und eindimensional umgesetzt. Dieser Arschloch-Vater par exellence, der sich unter dem Deckmäntelchen christlicher Vaterpflichten am Verprügeln seiner Tochter aufgeilt, ist so überzogen, dass ich den eigentlich nur als Karikatur wahrnehmen kann. Klar mag es den ein oder anderen Menschen geben, der tatsächlich so ist, aber ich denke nicht, dass das die Masse katholischer Eltern ausmacht, die ihre Kinder im Namen Gottes züchtigen, oder anderer Eltern, die meinen, ein Klaps könne nicht schaden. Ich finde mit so Ausnahmeextremfiguren kommt man da im Diskurs auch nicht weiter. Ist ein Arschloch, ja. Mehr gibts da nicht zu zu sagen oder zu denken. Der Leser kann sich über ihn erheben und sich beruhigt im Sessel zurücklehnen, weil das nichts mit ihm zu tun hat. Da gibts auch keine Debatte, weil 99 Prozent aller Menschen inklusive Papst Franziskus und seiner Schäfchen diesen Typen scheiße fänden. Spannender fänd ich ambivalentere Figuren. Eltern, die man nicht einfach als Arschlöcher abhaken kann, und die trotzdem schlagen, die tatsächlich meinen, ihren Kindern damit was Gutes zu tun, oder die einfach an ihre Grenzen kommen, deren Handeln man zwar falsch findet, aber irgendwie auch nachvollziehen kann. Im Idealfall so, dass man sich selbst dabei auch in Frage stellt und ins Nachdenken kommt, wie Gewalt in solche Fürsorgebeziehungen kommt.
Ich mag halt einfach lieber Literatur, die echte Konflikte aufzeigt und Fragen stellt, statt Literatur, die einfache Antworten gibt. Aber das ist natürlich Geschmacksache.

lg,
fiz

 

Kinderpornografische Geschichten finde ich widerlich. Und es tut mir nicht leid.

Ein Vater geilt sich am Anblick des nackten Hintern seiner Tochter auf, als er diese von der Mutter verprügeln lässt.

Ich stelle mir vor, die Szene wäre verfilmt, zu welcher Tages oder Nachtzeit glaubst du, Dion, dürftest du sie im Fernsehen zeigen?

Gewalt und Sex zusammen mit einem Kind. Ich kenne kein Forum, in dem so eine Geschichte erlaubt wäre.

Amelie

 
Zuletzt bearbeitet:

Nach dieser Logik, Amelie, dürften hier keine Texte veröffentlicht werden, die sich mit dem Thema Kindesmissbrauch auseinandersetzen.

Es geht Dion ja nicht darum, das Verhalten des Vaters gutzuheißen, oder dem entsprechend geneigten Leser eine Wichsvorlage zu bieten, sondern darum, es als verabscheuungswürdiges Verhalten auszustellen, das den Leser auch abstoßen soll. Dazu spielt er mit dem Schockeffekt dieser drastischen Schilderung. Das kann man kritisch sehen, für pornografisch halte ich den Text aber nicht.

Insofern sehe ich hier keinen Verstoß gegen die Forenregeln.

lg,
fiz

 

Amelie, bitte lies mal den Text genauer. Dieser Vater, ebenso seine Frau und ihr Verhalten werden verurteilt. Und das erkennt man ganz schnell einfach an der harte Beschreibung dieser Szene, das ist Kritik, auch wenn sie indirekt formuliert wird. Das heißt, ohne moralischen Zeigefinger, aber eben genau durch die fiese Darstellung. Das ist ein Text, der nicht auf Identifikation mit den Protagonisten setzt, sondern auf Abwehr gegen sie. Und das erreicht er gerade durch die Widerlichkeit, die Frömmelei und durch die eklige Suche nach Übereinstimmung zwischen Aufgeilerei und katholischer Erlaubtheit. Das ist Gesellschaftskritik, Amelie, ganz egal, wie man den Text nun finden mag. Ich weiß nicht, wie man auf die Idee kommen kann, dass hier das Verhalten des Paares gutgeheißen wird. Da muss man ja wirklich alles weglassen. Und es erschreckt mich auch, weil ich das Gefühl habe, du liest gar nicht die Geschichte, sondern fälllst sofort ein moralisches Urteil.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo fiz und Novak,

die Prügelstrafe ist das eine, die Geilheit des Vaters das andere. Es ist eine Szene, die Bilder im Kopf des Lesers entstehen lassen. Ich frage Euch, welches Bild sehr Ihr? Ich sehe ein Kind mit heruntergezogener Hose über einem Stuhl hängen. Der Scheinwerfer ist auf das nackte Gesäß gerichtet. Weiter sehe ich einen Vater, der sich an dem Anblick des nackten Hinterteils aufgeilt, er kann ja gar nicht genug davon bekommen:

"Dieser prächtige Hintern, diese weiße Halbmonde aus Fleisch, und der dunkle, undeutlich zu sehende Raum dazwischen, das könnte er ewig betrachten. Doch nächstes Mal beim besseren Licht! Die Deckenbeleuchtung machte zu viel Schatten und die Stehlampe stand ungünstig. Er will alles sehen, nicht nur den Hintern, nicht wahr, er ist schließlich kein Fetischist, der sich ausschließlich für bestimmte Körperteile oder Dinge interessiert!
Okay, schon dieser eingeschränkte Einblick auf die Intimzone seiner Tochter hat Einiges bewirkt bei ihm, die plötzliche Enge in der Hose kam nicht von ungefähr. Er wollte sich in den Schritt greifen, um da etwas mehr Platz zu schaffen, aber der Blick seiner Frau, die auch dahin schaute, hielt ihn für einen Moment davon ab."

Die Mutter tritt in den Hintergrund, sie ist nur Mittel zum Zweck. Und das geschändete Mädchen bleibt stumm. Es rührt sich nicht, es schreit nicht, außer diesem Hinterteil scheint es nichts zu haben.

Es ist eine Geschichte über Gewalt und Sex im Zusammenhang mit einem Kind.

Und bitte nicht annehmen, ich hätte die Geschichte nicht gelesen. Ich trug sie schon einige Zeit mit mir herum, bevor ich hier gepostet habe. Das Thema ist sensibel und sollte als solches betrachtet werden.

Ich sage Gute Nacht!
Amelie

 

Hallo Dion

Ich muss sagen, dass ich anfangs stutzig war, bei deiner Geschichte. Ich hatte erst gedacht, dass du da einen gängigen Literaturwiderling darstellen wolltest. Wie schon gesagt wurde: Ein Klischee. Und zu dieser Art Literaturwiderling hätte deine Sprache mMn nicht gepasst. Hat sich für mich nicht "dreckig" genug angehört. Als ich dann gemerkt habe, dass das alles in Richtung Kirchenkritik entwickelt, sah ich das alles ganz anders. Deine - für mich - sehr nüchterne Sprache hat dann plötzlich ganz gut gepasst und die ganzen religiösen Zitate haben der ganzen Sache etwas von einer Art Ritual gegeben. Hat mir sehr gut gefallen. Es passt einfach, wie du darstellst, was ein "normaler" Familienvater in ein kleines Zitat des Kirchenoberhaupts hineininterpretiert und daraus macht. Ob der Papst weiß, was er mit solchen Aussagen anrichtet? Naja. Das ist eine Diskussion, die hier nicht hin passt.
Hat mir alles in allem sehr gut gefallen.

Nun zur von Amelie gestarteten Diskussion: In einer von mir etwas extremeren Geschichte wurde gesagt (ich weiß nicht mehr, wer es war), dass solche Sachen (extremere Sachen) immer wieder geschrieben und gelesen werden und dem stimme ich vollkommen zu. Egal ob es sich um Gewalt, Pädophilie oder Vergewaltigungen oder sonst irgend ein Thema handelt. Wieso das so ist? Das kann man selbstverständlich nicht verallgemeinern, aber ich persönlich lese mir solche Sachen gerne durch, egal wie "widerlich" sie sind, weil es bei mir in der Literatur um Gefühle geht. Nicht zwangsweise um gute Gefühle, aber um Gefühle und wenn es ein Text schafft, mich wütend, traurig, ängstlich oder angewidert zu fühlen, dann hat er meiner Meinung nach alles richtig gemacht. Klar lese ich auch gerne schöne Texte, aber mir wäre unglaublich langweilig, wenn ich immer nur irgendwelche Friede, Freude, Eierkuchen Sachen lesen würde.

lg, zash.

 

Hallo Dion,

"Die Würde" also ... Ja, wo bleibt da die Würde. Die Würde des Kindes, genauer gesagt, das mehr als jedes andere Wesen anderen (den Erwachsenen) auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist?

Kurze Zwischenfrage (nicht, dass ich es nicht glaube, aber nochmal für mich zur Rückversicherung): Hat der Papst echt gesagt, man darf seine Kinder schlagen? Oh Mann ... Und wie war das, er war so bescheiden und was-weiß-ich?
(Da mag ich den Papa emeritus lieber, der hat doch sogar Kondome für HIV-Kranke erlaubt, kann das sein?)
Jedenfalls, zurück zum Thema, deiner Geschichte:

Bigotterie, Feigheit, bescheuerte Männer und dämliche Frauen, die sich bescheuerten Männern unterwerfen - ein paar der traurigsten Themen, die es gibt, und in diesem Zusammenhang auch ein paar meiner "Lieblingsthemen" wenn sie so gut aufgearbeitet sind wie hier. Du hast dir eine plausible Szene bzw. plausible Figuren ausgedacht, die in einem abscheulich realistischen Rahmen handeln.

Es liest sich flüssig und ich fand die ganzen Bibelstellen (schone die Rute, verdirbst du den Sohn ...) sehr "cool" eingebracht, hat Stimmung gemacht beim Lesen.

„Tu‘s, Marlene, denn es steht geschrieben: Gesegnet sei der Schmerz.“
„Ich kann nicht.“
„Doch, du kannst, denn es steht geschrieben: Geheiligt sei der Schmerz.“
„Ich … ich …“
„Verherrlicht sei der Schmerz. Tu’s endlich!“

Manche Ausdrucksweisen fand ich ein wenig aus dem Stil gebrochen, zu salopp:

Mit Bedacht strafen, das sei okay, hat der Papst gesagt.

Der Papst hat wahrscheinlich nicht "okay" gesagt sondern etwas gedigeneres wie "in Ordnung", "von Gott gewollt/erlaubt" ...
Oft bedient sich der Protagonist einer eher archaischen Ausdrucksweise, dann wieder doch sehr mordern (bis hin zu "Arsch"). Das hat mich gestört, denn dadurch wirkte der Vater stilistisch etwas unstimmig auf mich.

Dafür war seine Frau da, schließlich war sie für die Erziehung der Tochter zuständig – heißt es doch in der Bibel: Rute und Strafe gibt Weisheit; aber ein Knabe, sich selbst überlassen, macht seiner Mutter Schande.

Hier war mit der Zusammenhang nicht ganz klar: Die Mutter muss die Tochter erziehen, die Väter die Söhne, aber dann schiebst du ein, die Söhne machen der Mutter mit Fehlverhalten Schande? Das war für mich irgendwid unlogisch eingeschoben (oder die Hitze lässt meine Hirnmasse mürb werden, das ist durchaus auch möglich).

Ich fand die Thematik und Umsetzung an sich nicht sehr plakativ (im Prinzip ist das ja jede Geschichte ein wenig - und zu welchem Thema hat man nicht schon 10000 Versionen gelesen? Wenn sie so gut ist wie deine, lese ich sie gerne noch einmal mehr).
Allerdings fand ich es stellenweise etwas zu ausschweifend (und ein wenig pathetisch):

Gut, er hat keinen Sohn, in heutiger Zeit sind Weiber den Männern jedoch gleichgestellt, also müssen sie auch nach den gleichen Methoden erzogen werden. Was für Söhne gut ist, muss auch für Töchter gelten, die Gleichberechtigung verlangt das. Die Emanzen hätten halt daran denken sollen, dass Gleichheit zugleich Nachteile haben kann.

Da kommt er von körperlicher Züchtigung auf einmal auf Emanzipation ... Aha. Lenkt mich an dieser Stelle eher störend ab und liefert mir jetzt keine großartigen neuen Erkenntnisse über den Mann. Dass er nicht als Blumenkind auf LSD über Wiesen gerannt ist und für die sexuelle Befreiung in einer Kommune gelebt hat, konnte ich mir davor schon gut vorstellen. ^^
Du machst das auch mit dem Rest schon ausgezeichnet.

Die Dialoge fand ich stark! Es wae - wie gesagt - abscheulich realistisch und hat sich wie von selbst runtergelesen.


Und auch wenn das jetzt off topic wird - pardon an dieser Stelle - würde ich gerne noch etwas zu dem Vorwurf der "Kinderpornographie" sagen (auch AmelieS):

Ja, ich stelle mir ein Kind mit nacktem Hinterteil vor, das eins draufbekommt. Und dazu: "Böse, wer hier Böses denkt."
Ich stell's mir vor - und deshalb packt mich diese Geschichte umso mehr, denn ich erkenne klar, was Dion mir damit sagen will. Sie unterstreicht dadurch ihre Kritik.

Das ist keine Kinderpornographie. Kinderpornographie sähe anders aus: Das wäre ein Aufruf zu "Schnappt euch alle ein Kind und fickt es, das macht euch Spaß und dem Kind auch und ist total toll und sollte nicht verboten sein." Entschuldige die harten Worte, aber ich wollte den Unterschied deutlich klarmachen.

Dieser prächtige Hintern, diese weiße Halbmonde aus Fleisch, und der dunkle, undeutlich zu sehende Raum dazwischen, das könnte er ewig betrachten. Doch nächstes Mal beim besseren Licht! Die Deckenbeleuchtung machte zu viel Schatten und die Stehlampe stand ungünstig. Er will alles sehen, nicht nur den Hintern, nicht wahr, er ist schließlich kein Fetischist, der sich ausschließlich für bestimmte Körperteile oder Dinge interessiert!
Okay, schon dieser eingeschränkte Einblick auf die Intimzone seiner Tochter hat Einiges bewirkt bei ihm, die plötzliche Enge in der Hose kam nicht von ungefähr. Er wollte sich in den Schritt greifen, um da etwas mehr Platz zu schaffen, aber der Blick seiner Frau, die auch dahin schaute, hielt ihn für einen Moment davon ab

Ja, es gibt Männer die denken so. Beim Anblick ihrerer eigenen Kinder sogar.
Und die denken so, ob wir nun Geschichte darüber schreiben und diese Gedanken zu Papier gebracht werden oder nicht.
Der Vorteil, wenn man es verbalisiert - aufschreibt, darüber redet, sich damit auseinandersetzt und wie Dion in ein kollektives Bewusstsein bringt durch eine Geschichte - ist, dass es nachweislich dazu beiträgt, dass so etwas erkannt und gestoppt wird.
Wenn man etwas kritisiert, muss man eben auch die entsprechenden Worte benutzen.
Und genau das fand ich das Tolle an Dions Geschichte.

Viele Grüße
Tell

 

Zuerst möchte ich Euch allen danken für das schnelle Lesen und Kommentieren, sowohl fürs Lob als auch für die Kritik. Ich habe zwar Resonanz erwartet, aber nicht eine so schnelle.


Trotzdem hatte ich beim Lesen das Gefühl, das alles so oder so ähnlich schon hundert Mal gelesen zu haben. Es schockt mich auch nicht. Bigotterie, ein bisschen Schweinkram, klassisches Familienbild, ein prügelnder Brutalo-Mann und das ganze im katholisch-frommen Milieu - Das ist in etwa so neu, aufregend und provozierend wie eine Sexzene in einem 20 Uhr-Abendspielfilm. Hart am Klischee.
So? Ich fürchte, Exilfranke, da kann ich nichts machen. Zur meiner Entschuldigung kann ich nur sagen, dass ich diesen päpstlichen Freibrief zum Prügeln so scheiße finde, dass ich in der Geschichte vielleicht zu dick aufgetragen habe.

Ich habe mich seinerzeit schon gefragt, was dieser Ausspruch mit all den katholischen Menschen macht.
Ich habe mich das auch gefragt, Gretha. Und diese Geschichte geschrieben. Dann monatelang liegengelassen. Weil ich hoffte, da wird seitens des Vatikans doch noch ein Dementi oder eine Richtigstellung kommen.

Aber da kam nichts. Stattdessen las ich dieser Tage wieder was von den Zwölf Stämmen, die sich weiter zur Prügelstrafe bekennen und dabei auf die Bibel berufen. Sie – und andere! – können sich jetzt auch noch auf den Papst berufen. Das war der Anlass, die Geschichte doch zu posten.

Die Geschichte ist toll geschrieben, kommt ohne drastischen Darstellungen aus. Das Grauen schleicht sich sehr still und unaufgeregt ein.
Toll gemacht.
Danke.

Spannender fänd ich ambivalentere Figuren. Eltern, die man nicht einfach als Arschlöcher abhaken kann, und die trotzdem schlagen, die tatsächlich meinen, ihren Kindern damit was Gutes zu tun, oder die einfach an ihre Grenzen kommen, deren Handeln man zwar falsch findet, aber irgendwie auch nachvollziehen kann.
Ich fände das nicht spannender, feirefiz, weil eine solche Geschichte zwangsläufig Verständnis für das Handeln zeigte: Arme Menschen, womöglich selbst nur Opfer einer Sekte, die aufgrund ihrer religiöser Überzeugung so handeln wie sie handeln.

Ich mag halt einfach lieber Literatur, die echte Konflikte aufzeigt und Fragen stellt, statt Literatur, die einfache Antworten gibt.
Es wird ein echter Konflikt gezeigt: Der Vater hatte sich mit seiner Begierde ja zurückgehalten - bis ihm der Papst die Erlaubnis gab, ihr nachzugeben. Und das, obwohl ihm die gesetzliche Situation durchaus klar war.

Dieser Konflikt ist sogar klassisch: Hier der Gesetzgeber, da der religiöse Führer – wem hat man zu folgen?

Ein Vater geilt sich am Anblick des nackten Hintern seiner Tochter auf, als er diese von der Mutter verprügeln lässt.

Ich stelle mir vor, die Szene wäre verfilmt, zu welcher Tages oder Nachtzeit glaubst du, Dion, dürftest du sie im Fernsehen zeigen?

Zu der besten Sendezeit, AmelieS. Wenn das eine Eingangsszene in einem gewöhnlichen Tatort wäre. Aber wenn dabei auch der religiöse Kontext zum Vorschein käme, würde das nicht einmal nach Mitternacht gesendet werden dürfen. Jedenfalls nicht in diesem Land.

Und das geschändete Mädchen bleibt stumm. Es rührt sich nicht, es schreit nicht, außer diesem Hinterteil scheint es nichts zu haben.
Das hast Du gut erkannt. Aber weißt Du, warum das Kind schweigt? Weil es genau weiß, dass der Vater recht hat, wenn er sagt: „Sie wird uns nicht ins Gefängnis und sich selbst in ein Heim bringen wollen.“

Das ist ein Text, der nicht auf Identifikation mit den Protagonisten setzt, sondern auf Abwehr gegen sie. Und das erreicht er gerade durch die Widerlichkeit, die Frömmelei und durch die eklige Suche nach Übereinstimmung zwischen Aufgeilerei und katholischer Erlaubtheit. Das ist Gesellschaftskritik …
Danke, Novak.

Deine - für mich - sehr nüchterne Sprache hat dann plötzlich ganz gut gepasst und die ganzen religiösen Zitate haben der ganzen Sache etwas von einer Art Ritual gegeben. Hat mir sehr gut gefallen. Es passt einfach, wie du darstellst, was ein "normaler" Familienvater in ein kleines Zitat des Kirchenoberhaupts hineininterpretiert und daraus macht.
Das ist der Punkt, zash: Was der Papst gesagt hat, stand in allen Zeitungen – Zitat aus eher konservativen Zeitung Die Welt: Papst Franziskus hat sich zur Rolle von Vätern geäußert und "Schläge mit Würde" für angemessen erklärt. Sein Sprecher ergänzt: Dies verhelfe zu Wachstum und Reife.

… weil es bei mir in der Literatur um Gefühle geht. Nicht zwangsweise um gute Gefühle, aber um Gefühle und wenn es ein Text schafft, mich wütend, traurig, ängstlich oder angewidert zu fühlen, dann hat er meiner Meinung nach alles richtig gemacht.
Danke.

Ja, wo bleibt da die Würde. Die Würde des Kindes, genauer gesagt, das mehr als jedes andere Wesen anderen (den Erwachsenen) auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist?
Die Würde des Kindes bleibt auf der Strecke, Tell. Wenn man so handelt, wie der Papst es vorschlägt. Wohlüberlegte Schläge auf den Hintern sind genauso demütigend wie die spontane ins Gesicht. Vielleicht sogar mehr.

Bigotterie, Feigheit, bescheuerte Männer und dämliche Frauen, die sich bescheuerten Männern unterwerfen - ein paar der traurigsten Themen, die es gibt, und in diesem Zusammenhang auch ein paar meiner "Lieblingsthemen" wenn sie so gut aufgearbeitet sind wie hier. Du hast dir eine plausible Szene bzw. plausible Figuren ausgedacht, die in einem abscheulich realistischen Rahmen handeln.
Danke.

Oft bedient sich der Protagonist einer eher archaischen Ausdrucksweise, dann wieder doch sehr mordern (bis hin zu "Arsch"). Das hat mich gestört, denn dadurch wirkte der Vater stilistisch etwas unstimmig auf mich.
Niemand ist wie aus einem Guss: Jeder hat eine Außen- und eine Innenseite. Dieser Mann hier ist wohlerzogen, aber er hat auch eine dunkle Seite. In den Gedanken ist er ein anderer, als der, der da mit seiner Frau spricht.

Hier war mit der Zusammenhang nicht ganz klar: Die Mutter muss die Tochter erziehen, die Väter die Söhne, aber dann schiebst du ein, die Söhne machen der Mutter mit Fehlverhalten Schande? Das war für mich irgendwid unlogisch eingeschoben (oder die Hitze lässt meine Hirnmasse mürb werden, das ist durchaus auch möglich).
In der Bibel ist bei der Erziehung hauptsächlich von Söhnen die Rede. Über den Umweg Emanzipation machte er seine Tochter zum Sohn und damit – laut Bibel – zur Schande der Mutter, wenn es mit der Erziehung nicht klappt. Mit seinem Spruch: „Mutter, nicht Vater!“ will er sich lediglich aus der Verantwortung stehlen.

Die Dialoge fand ich stark!
Danke.

 

Den Vorwurf des plakativ Klischeehaften sehe ich persönlich nicht so recht gegeben. Denn es gibt durchaus eine wenig eindimensionale Stelle:

Okay, schon dieser eingeschränkte Einblick auf die Intimzone seiner Tochter hat Einiges bewirkt bei ihm, die plötzliche Enge in der Hose kam nicht von ungefähr. Er wollte sich in den Schritt greifen, um da etwas mehr Platz zu schaffen, aber der Blick seiner Frau, die auch dahin schaute, hielt ihn für einen Moment davon ab.
„Nun mach‘ endlich“, sagte er leicht verärgert und zeigte mit der Armbewegung auf die andere Seite. Sobald jedoch seine Frau die neue Stellung bezogen und mit der Züchtigung der Tochter fortgesetzt hatte, war sein Ärger verflogen. Ist gar nicht so schlecht, dachte er, wenn sie sieht, dass ihn das Ganze erregt.

Die drei restlichen Schläge waren wesentlich schneller verabreicht als die ersten. Das war ihm auch wieder nicht recht, aber er sagte nichts. Weil er die leicht geröteten Wangen seiner Frau sah. Er stand auf und ging schweigend ins Schlafzimmer. Dort angekommen drehte er als erstes die zwei Heilgenbilder an der Wand um. Das war ein Ritual, das sie beide seit der Hochzeitnacht praktizierten. Und das mit der Bestrafung würde auch ein Ritual werden, schließlich kannte er seine beiden Weiber gut: Die Tochter wird sich von ein paar Schlägen nicht bessern, und wenn doch, wird seine Frau schon einen Grund finden, dass wenigstens am Freitag die Welt wieder eine vom alten Schlag sein wird – Franziskus sei Dank.


Die Rolle der Mutter finde ich eigentlich interessanter, als die des Vaters, der geradlinig ein Schwein ist. Sie sieht die Erektion und beeilt sich plötzlich. Natürlich denkt (hofft) man, sie täte das, um die Tochter vor dem Begehren zu schützen.
Das sie das aber für ihre Zwecke nutzt, ist der wirkliche Skandal der Geschichte. Mal abgesehen vor Papstzitat.
Und das finde ich schon ziemlich geschickt eingefädelt und macht den Text für mich besonders.

Zu dem Vorwurf, ja, alle könnten sich einen gelben Bikini anziehen und süß-romantische Liebesschmachtgeschichten schreiben, aber das Leben ist eben kein Ponyhof und ich finde Literatur darf und sollte sich auch mit Abgründen beschäftigen. Das muss man schon aushalten.
Ich finde nicht, das Dion den Bogen in irgendeiner Art überspannt hat.

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Dion,
die äußere Form deines Textes (Rechtschreibung, Zeichensetzung, Satzbau usw.) ist perfekt und gefällt mir deshalb.
Zum Inhalt:
Dein Text dient der Kritik am Ausspruch des Papstes.
Mir war dieser Ausspruch von Papst Franziskus neu und ich habe ihn mir erst ergooglen müssen, verstehe jetzt auch den Titel deiner Geschichte und kann mich deiner Kritik und der Intention deines Textes anschließen.
Aber, jetzt kommt mein ‚Aber’:
Ich muss mich der Meinung von feirefiz anschließen. Alles kommt mir zu klischeehaft und konstruiert daher.
Die Szene, die du beschreibst, muss ihren Platz in unserer unmittelbaren Gegenwart haben. Und dann kann ich sie leider so nicht nachvollziehen. Das Sich-Aufgeilen des Vaters ja, aber nicht seine Äußerungen und Gedanken. Vom Alter der Tochter ausgehend, dürfte er vermutlich nicht älter als 45 sein, äußert aber Gedanken, wie ich sie mir nur von der vorletzten Generation vorstellen kann. Das Gedankengut und die Sprache deiner Geschichte gehört in die Fünfziger, allenfalls frühen Sechziger. So denken und sprechen heutige Menschen m.M.n. nicht mehr:

Wenn so eine Göre Widerworte gibt, die einem redlichen Mann wie ihm die Zornesröte ins Gesicht treiben, dann kann es freilich passieren, dass er Gewalt über sich verliert, oder?
Er war ja kaum zuhause, musste Geld verdienen, wie sich das für einen Mann gehört. Er war schon immer der Meinung, dass Frauen ins Haus gehörten. Küche, Kinder, Kirche, dafür war sie verantwortlich
.
Ihr Vergehen war ja nicht so groß, Friedrich.
Wenigstens ist sie schamhaft, dachte Friedrich, immerhin das hat Marlene ihr beigebracht
Sobald jedoch seine Frau die neue Stellung bezogen und mit der Züchtigung der Tochter fortgesetzt hatte
So sprechen heute Siebzig- oder Achtzigjährige, aber nicht die Eltern von halbwüchsigen Kindern.
Dion, auch ich habe meine Bedenken bei der Äußerung des Papstes und sehe, dass sie, wie in deinem Text, einen Freibrief für Sadismus und ausgelebte Geilheit liefern könnte. Aber deine Geschichte wäre für mich glaubhafter und unmittelbarer, wenn Denkmuster und Sprache moderner gestaltet gewesen wären – und natürlich auch subtiler.


Liebe Grüße
barnhelm

Ps.: Küche, Kinder, Kirche

Mir ist gerade eingefallen, dass die 3 K’s in der Apo-Zeit in dieser Auflistung als Kritik am konservativ-reaktionären Weltbild formuliert wurden. Die Kritisierten selber benutzten sie so nicht.

 

Hallo Dion,

Dein Text, der im Jahr 2015, also in der Gegenwart spielt, prangert die katholisch-patriarchalische Religiosität an, weil in ihrem Namen die Prügelstrafe gerechtfertigt und exekutiert wird.

Deine sicher gut gemeinte Sozialkritik, die du im Geiste der 68er (die ja auch Anhänger des befreienden Dionysos-Kultes waren) vorbringst, kommt leider einige Jahrzehnte zu spät. In den 70er Jahren gab es solche katholischen Prügel-Väter in Westdeutschland noch en masse, heute sind sie die Ausnahme. Deine Geschichte wirkt deshalb anachronistisch, wie aus einem Archiv hervorgekramt.

Dennoch ist Kritik an patriarchalischer Religiosität, in deren Namen Frauen unterdrückt werden, auch heute noch in Deutschland, weiterhin angebracht und aktuell, wenn sich diese Kritik gegen den Islam richtet. Könntest du dir vorstellen, Dion, deine Geschichte entsprechend umzuschreiben? Könntest du dich dazu durchringen, oder lieber nicht?

Grüße
gerthans

 

Guten Morgen in die Runde!

Eine heftige Diskussion ist hier entbrannt. Dion, deine Antwort auf die Sendezeit:

"Zu der besten Sendezeit, AmelieS. Wenn das eine Eingangsszene in einem gewöhnlichen Tatort wäre. Aber wenn dabei auch der religiöse Kontext zum Vorschein käme, würde das nicht einmal nach Mitternacht gesendet werden dürfen. Jedenfalls nicht in diesem Land."

Ich glaube nicht, dass man eine solche Szene am Nachmittag senden dürfte. Es gibt ein Jugendschutzgesetz. Und dieses Gesetz gilt auch im Internet. Darauf wollte ich hinweisen.

Könnte man sicher sein, dass diese Geschichte nicht von Kindern gelesen wird, könntest du schreiben, was immer du willst. Selbst mich würde es nicht stören.

Einen sonnigen Tag!
Amelie

 

Die Geschichte kann hier stehen bleiben. Von daher bitte keine weiteren Diskussionen mehr darüber.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Dion, jetzt ich auch noch mal, denn zum Text hatte ich ja noch nicht soooo viel gesagt, außer, dass er sich des Mittels indirekter Kritik bedient.

Ich bin unschlüssig.
Eigentlich sind mir wie Fiz und Barnhelm die Figuren zu flach. Also zu sehr in ihrer Rolle drin und dadurch zu eindimensional.
Ich verstehe dein Gegenargument aber. Du willst den Fokus nicht auf das individuelle Schicksal richten, sondern auf den Sachverhalt, die durch die Kirche (den Papst) "genehmigte" würdevolle Prügel, damit der Mensch wachse und reife. Und das ist ja schon ein ziemlicher Hammer. Klaps, ob auf Po oder an den Arm oder ins Gesicht, egal ob von langer Hand geplant oder spontan. Ganz egal: Das ist eindeutig Gewalt und zielt auf die Brechung des Willens. Diese "Technik": Macht euch mal nicht so viele Sorgen, ihr Schäflein, es kommt nur auf die Würde an beim Willen brechen, ist nicht nur ein Widerspruch in sich, sondern ein von höchster Stelle (jedenfalls, was einen echten Katho angeht) erlaubtes Willenbrechen und die Aufforderung, sich mal dabei nicht von Skrupeln tragen zu lassen. Der süße Franz hat seine Schäfchen einfach mal ein bisschen beruhigen wollen vor der vorherrschen Erziehungsmeinung, die den Klaps auf den Po verurteilt.
Dion, ich nehme an, du wolltest die Motive der Personen, ihre Handlungen, ihre frömmelnde Doppelbödigkeit und ihre opportunistische Ausrichtung an Obrigkeit geißeln und hast entsprechend diese Züge auch zugespitzt und geradezu verzerrt. Okay, wenn man den Fokus so setzen will, dass man rein diesen Sachverhalt ausleuchten will, dann könnten mehrdimensionale Charaktersieierungen entschuldigend wirken. Ich glaube das zwar irgendwie immer noch nicht, aber ich stimme dir einfach mal darin zu, dass du ein anderes Herangehen, ein anderes Stück Literatur wolltest.

Und dann kam gerthans
(und vorher glaub auch schon barnhelm) mit der Kritik, dass deine Umsetzung veraltet sei.

Deine sicher gut gemeinte Sozialkritik, die du im Geiste der 68er (die ja auch Anhänger des befreienden Dionysos-Kultes waren) vorbringst, kommt leider einige Jahrzehnte zu spät. In den 70er Jahren gab es solche katholischen Prügel-Väter in Westdeutschland noch en masse, heute sind sie die Ausnahme. Deine Geschichte wirkt deshalb anachronistisch, wie aus einem Archiv hervorgekramt.
Das klingt, als würdet ihr euch kennen. :D Erst habe ich mich gefragt, ob man das auch so wahrnehmen würde, wenn man nichts über den Autoren weiß. Wie alt er ist oder so. Mir fiel an der Sprache jedenfalls nix auf. Dann dachte ich mir, da könnt doch was dran sein an dem, was der gerthans da schreibt.


Mir fallen da ganz spontan eine Reihe von inneren Gegenstimmen auf deine Sozialkritik ein.
- Ist die normale katholische Familie hierin Deutschland so drauf? Kritisiert man diese päpstliche Erlaubnis durch ein entgleistes Familienleben?
- Hat der Dion nicht zu viele Aspekte in seine Besichtigung dieser kleinen niedlichen Familienrituals reingepackt? Denn was ist da alles drin? Einerseits dem religiösen Führer folgen, dann, die vom Vater so ausgelegte "Erlaubnis" für seinen (hach ist das jetzt ) Päderasmus oder seine Pädophilie. Dann Gewalt ist gleich Ansporn zu sexueller Erregung, dann Opportunismus, denn man sorgt gleichzeitig dafür, dass der staatliche Herr nichts merkt von dem Missbrauch, dann die Verwobenheit dieser schrecklichen Mutter, die die Situation für ihre Zwecke nutzt. Das ist so viel.
- Kann man dem allen in so einer Szene, die eine Familie zeigt, die es so heute nicht mehr gibt, gerecht werden? Ich hab da meine Zweifel. Und das liegt nicht nur an der Sprache, die zu alt wirken soll, da ist mir übrigens gar nichts aufgefallen, s.o., vielleicht weil ich selbst eine Altknackerin bin. :) Sondern an dem Aufbau dieser Familie und an der Offensichtlichkeit, mit der sie sich instrumentell mit allen Vorgaben ihrer "Herren", seien das nun weltliche oder geistliche Führer, auseinandersetzen. Das geschieht so offen und bewusst. Das wirkt auf mich einfach nicht glaubwürdig.
- Klar ich habe da durchaus (auch heute) existierende Familien gesehen, ich nenn die immer die evangelischen oder katholischen Fundamentalisten, wo die Mädchen mit langen, furchtbaren Röcken in der Schule rumlatschen müssen und zum Spottobjekt für jeden werden oder nicht an Geburtstagen teilnehmen dürfen, was weiß ich. Aber solche Familien sind schon deutlich seltener geworden. Religiöse und moralische Zurichtung läuft aus meiner Sicht heutzutags eh anders. Schuld und Scham und Sühne, die drei großen S sage ich da nur.
Und ob die Prügelväter, die es natürlich immer noch gibt, nun speziell katholish sind oder eine Krawatte tragen oder woanders herkommen, ich glaub, das ist jetzt keine speziell katholische "Eigenart".
- Wenn man mal Prügel nicht einfach nur aus der Sicht des Vaters sieht, der ja sehr eigene Interessene damit verfolgt, sondern als das, was es ist: Willensbrechung. Wirst du dem mit deiner Geschichte gerecht? Hätte da nicht das Mädchen mit reingehört? Die Wirkung auf sie sprichst du ja aus, aber so knapp, dass das an dem Haupthema aus meiner Sicht vorbeigeht.

Du bist das Thema wahnsinnig vielschichtig angegangen und hast versucht es durch die Reduzierung der Personen auf diese "Schichten" in den Griff zu kriegen. Und: Ich habe einfach das Gefühl, dass du dich da in zu viele Aspekt verstrickt hast, so dass man zum Schluss gar nicht mehr weiß, was ist es, was du anklagen willst? Den Papst? Die Hörigkeit seiner Schäfchen? Die Bigotterie der Schäfchen, die das neue religiöse Gebot flott zu ihren sehr privaten Vergnügungen nutzen?

Lieber Dion, ich glaub, ich hab mich gerade selbst in so viele wenns und abers und Fragen verstrickt, ist echt schwieirg mit deiner Geschichte. Es fällt mir wirklich nicht leicht, da ein Fazit für mich zu ziehen. Nimm all die Fragen und Aspekte, die ich da reingeschreiben habe, als meine Auseinandersetzung damit, nicht so sehr als Kritik.
Deinen Text habe ich nämlich mit großem Interesse und auch Sympathie gelesen. Denn: Auch wenn ich Geschichten mit Erotik- oder Pornotouch mittlerweile echt nicht mehr lesen kann. Es ödet mich extrem an, dass jeder dritte Text meint, er müsste irgendwo damit spielen, um das Leser- und Kommentaraufkommen zu erhöhen.Das ist einfach die Sicht einer geplagten Moderatorin und mit Sicherheit sehr ungerecht gegenüber den allerallermeisten Autoren hier, die mit erotischen oder pornographischen Elementen spielen. Ist einfach aber so.
Hier war das anders, weil du gleich im Titel, den ich wahnsinnig gut finde, klarstellst, es geht hier nicht um das Aufgeilen, sondern um eine Gegenüberstellung von Strafe und Brechen des Willen. Um eine Kritik an der katholischen Kirche und ihrem religiösen Oberhaupt.

Eine Sache siehst du glaube ich selbst gar nicht so richtig: Was deine Geschichte für mich wirklich sehr unangenehm im guten Sinne gemacht hat, das war die Mutter. Und komisch, die erwähnst du so wenig auch die anderen außer der Gretha
Was muss in einer Frau vorgehen, die sich so verhält. Was muss die für ein Verhältnis zu Kind und Gatten haben. Was muss die in stillen Stunden über sich selbst denken. Boaah, was für ein ekliger Sumpf.

Die Rolle der Mutter finde ich eigentlich interessanter, als die des Vaters, der geradlinig ein Schwein ist. Sie sieht die Erektion und beeilt sich plötzlich. Natürlich denkt (hofft) man, sie täte das, um die Tochter vor dem Begehren zu schützen.
Das sie das aber für ihre Zwecke nutzt, ist der wirkliche Skandal der Geschichte. Mal abgesehen vor Papstzitat.
Und das finde ich schon ziemlich geschickt eingefädelt und macht den Text für mich besonders.
So ging mir das auch. Und diese letzte Wendung, die machte die Geschichte für mich dann auch zu einem Kloß im Hals.

Zu dem Vorwurf, ja, alle könnten sich einen gelben Bikini anziehen und süß-romantische Liebesschmachtgeschichten schreiben, aber das Leben ist eben kein Ponyhof und ich finde Literatur darf und sollte sich auch mit Abgründen beschäftigen. Das muss man schon aushalten.
Ja, dem stimme ich auch zu. Das Problem ist nur, dass man trotzdem immer juristische Bedenken mitberücksichtigen soll und muss. Das tun wir übrigens bei jeder Geschichte, die hier mit solchen Elementen aufläuft.

Ganz prinzipell sage ich auch, Schmachtgeschichten gibt es genug, alle finden die eh süß. Ist auch okay, jedem sein Kuchen. Aber man muss deswegen nicht Literatur verteufeln, die in unschöne Tiefen greift, um sich kritisch mit etwas Aktuellem oder Politischem auseinanderzusetzen.
Viele Grüße von Novak

PS: Hab nachträglich ein paar missverständliche Formulierungen verbessert. Sorry dafür. es ist eindeutig zu heiß.

 

Die Rolle der Mutter finde ich eigentlich interessanter, als die des Vaters, der geradlinig ein Schwein ist. Sie sieht die Erektion und beeilt sich plötzlich. Natürlich denkt (hofft) man, sie täte das, um die Tochter vor dem Begehren zu schützen.
Das sie das aber für ihre Zwecke nutzt, ist der wirkliche Skandal der Geschichte. Mal abgesehen vor Papstzitat.
Ich freue mich immer, Gretha, wenn versteckte oder bloß angedeutete Dinge trotzdem erkannt werden. Es ist eine Tatsache, dass Kindesmissbrauch sehr oft mit Wissen der Mütter geschieht. Meistens schauen sie nur weg, hier macht sie, nach anfänglichen Widerstand, sogar mit. Aus egoistischen Motiven, wie sich erst gegen Ende herausstellt. Offenbar ist das Sexleben des Ehepaars nicht besonders, wenn sie hierin eine Möglichkeit der Besserung sieht.

Außerdem dürfte die Steigerung von gelegentlichen Ohrfeigen, die Mutter wie Vater bisher als erzieherisches Mittel einsetzten, zur ritualisierten Gewalt, für sie beide nicht so gravierend sein. Man kann sogar sagen, der Spruch des Papstes wirkt befreiend auf sie beide, denn sie sind sich der Tatsache, dass sie gegen das Gesetz verstoßen, durchaus bewusst.

Mir war dieser Ausspruch von Papst Franziskus neu und ich habe ihn mir erst ergooglen müssen, verstehe jetzt auch den Titel deiner Geschichte und kann mich deiner Kritik und der Intention deines Textes anschließen.
In meiner Umgebung, barnhelm, war und ist das anders: Als darüber berichtet wurde – und ich nehme an, alle Medien haben darüber berichtet -, gab es heftige Diskussionen, zumal wir anfangs alle glaubten, die Journalisten hätten den Papst falsch oder nur verkürzt zitiert.

Die Szene, die du beschreibst, muss ihren Platz in unserer unmittelbaren Gegenwart haben. Und dann kann ich sie leider so nicht nachvollziehen. Das Sich-Aufgeilen des Vaters ja, aber nicht seine Äußerungen und Gedanken.
Um das gerecht zu beurteilen, muss man den ganzen Mann sehen. Ich habe versucht ihn als einen Mann darzustellen, der vor allem auf Ordnung bedacht ist, ja die Unordnung geradezu hasst.

Ich kannte bis vor ein paar Jahren einen solchen Mann, der dir den Teller, kaum leergegessen, vor der Nase weggeschnappt und sofort abgespült hatte, um von seinen anderen Marotten nicht zu reden. Seine damalige Freundin, die auch unsere Freundin ist, blieb bei ihm, um ihn zu ändern, aber als er sie einmal schlug, weil sie aus Unachtsamkeit einen Wachstropfen auf den Tisch fallen ließ, hatte sie ihn endlich verlassen und wir alle waren erleichtert, dass wir den Mann fortan nicht mehr treffen mussten.

Und ich kenne immer noch eine Frau – habe sie beinahe täglich vor Augen -, die ebenfalls eine Ordnungsfanatikern ist – Beispiel: Nach jedem Regen rubbelt sie die Fensterbänke draußen trocken, die Rasenhalme werden nach dem Mähen in eine Richtung ausgerichtet, etc. Sie hat 2 Töchter, denen sie gelegentlich eine Ohrfeige verpasst, und hinterher über diese Tat todtraurig ist und sich bei uns ausweint, habe sie sich doch fest vorgenommen, nicht so zu sein wie ihre eigene Mutter, die sie bei jeder Kleinigkeit blutig geschlagen hatte.

Vom Alter der Tochter ausgehend, dürfte er vermutlich nicht älter als 45 sein, äußert aber Gedanken, wie ich sie mir nur von der vorletzten Generation vorstellen kann. Das Gedankengut und die Sprache deiner Geschichte gehört in die Fünfziger, allenfalls frühen Sechziger.
Du hast wohl wenig Ahnung, was das betrifft. Wohnst auch nicht in Bayern, weißt daher nicht, wie es hier zugeht bzw. zugehen kann, und das nicht nur in entlegenen Dörfern, wo die Pfarrer noch das Sagen haben und die CSU bei den Wahlen regelmäßig 70% und mehr einfährt. Die beiden von mir oben erwähnten Personen waren bzw. sind unter 45 Jahre alt. Was ich damit sagen will: Menschen werden durch das Elternhaus in ihrer Kindheit geprägt, und weil es das Gesetz, das das Schlagen der Kinder verbietet, erst seit dem Jahr 2000 gibt, laufen noch sehr viele beschädigte Menschen rum, die nicht aus ihrer Haut können. Geh mal bei Gelegenheit auf einen Dorffest und höre den Männern zu – Du wirst staunen.

In den 70er Jahren gab es solche katholischen Prügel-Väter in Westdeutschland noch en masse, heute sind sie die Ausnahme. Deine Geschichte wirkt deshalb anachronistisch, wie aus einem Archiv hervorgekramt.
Mag sein, gerthans, dass Prügel-Väter die Ausnahme sind. Noch, muss man vielleicht dazu sagen, denn jetzt werden es nicht wenige sein, die sich durch die Papst-Aussage wieder trauen werden zuzuschlagen.

Dennoch ist Kritik an patriarchalischer Religiosität, in deren Namen Frauen unterdrückt werden, auch heute noch in Deutschland, weiterhin angebracht und aktuell, wenn sich diese Kritik gegen den Islam richtet. Könntest du dir vorstellen, Dion, deine Geschichte entsprechend umzuschreiben?
Nein. Ich entstamme einem katholischen Milieu, kenn mich da am besten aus. Obwohl ich dem nicht mehr angehöre, bekomme ich durch meine verwandtschaftlichen Beziehungen genügend mit, um mir einen Urteil auch heute noch bilden zu können.

Was Islam betrifft, gibt es hier sicher genügend Leute, die sich damit auskennen. Ich erinnere mich, dass ein ausgewiesener Katholik, seinen Nicknamen habe ich vergessen, mit dem ich heftig über eine Geschichte von mir – ich glaube, es war „Das weiße Kleid“ – diskutierte, hier schon eine Islam-kritische-Geschichte veröffentlichte. Vielleicht fragst Du ihn mal?

Du willst den Fokus nicht auf das individuelle Schicksal richten, sondern auf den Sachverhalt, die durch die Kirche (den Papst) "genehmigte" würdevolle Prügel, damit der Mensch wachse und reife. Und das ist ja schon ein ziemlicher Hammer.
Eben, Novak. Einen solchen Hammer kann man nicht mit einer politisch korrekten Geschichte begegnen, in dem das Für und Wider beleuchtet, die individuelle Situation, das Werden solcher Personen und ich weiß nicht was noch zur Sprache kommt. Das würde das Ganze nur vernebeln und damit die Schärfe nehmen.

Der süße Franz hat seine Schäfchen einfach mal ein bisschen beruhigen wollen vor der vorherrschen Erziehungsmeinung, die den Klaps auf den Po verurteilt.
Das sehe ich auch so. Und das geht konform mit der weltweit stattfindenden „Gegenreformation“, in der die bisher verschmähten Sekundärtugenden (Fleiß, Treue, Gehorsam, Disziplin, Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ordnungsliebe, Höflichkeit, Sauberkeit, etc.) wieder hochgehalten werden – die einst von Helmut Kohl verkündete geistig-moralische Wende scheint nun Früchte zu tragen. Auf jeden Fall boomen auch hierzulande Privatschulen englischen Typs, die schon seit jeher größten Wert auf diese Tugenden legten und sie auch zu erzwingen wussten und wissen.

- Ist die normale katholische Familie hierin Deutschland so drauf?
Die normale katholische Familie kümmert sich eher wenig darum, was die Kirche, was der Papst sagt. Aber die Bereitschaft, auf sie zu hören, ist latent vorhanden. Und wenn Angriffe von außen kommen, wird ein Katholik immer zu seiner Kirche und dem Papst stehen, so nach dem Motto: Was der Papst da sagte, ist wirklich nicht schön, aber er tut auch was für den Frieden, für die Armen, man müsse das im Zusammenhang sehen, schließlich kommt er aus Südamerika, wo bekanntlich rauere Sitten herrschen, etc. Das sind alles Erklärungs- und Rechtfertigungsversuche von etwas, was nicht zu rechtfertigen ist.

- Hat der Dion nicht zu viele Aspekte in seine Besichtigung dieser kleinen niedlichen Familienrituals reingepackt? Denn was ist da alles drin? Einerseits dem religiösen Führer folgen, dann, die vom Vater so ausgelegte "Erlaubnis" für seinen (hach ist das jetzt ) Päderasmus oder seine Pädophilie. Dann Gewalt ist gleich Ansporn zu sexueller Erregung, dann Opportunismus, denn man sorgt gleichzeitig dafür, dass der staatliche Herr nichts merkt von dem Missbrauch, dann die Verwobenheit dieser schrecklichen Mutter, die die Situation für ihre Zwecke nutzt. Das ist so viel.
Ja, es ist viel. Aber nicht zu viel, hoffe ich, denn jedes einzelnes Motiv würde ausreichen, um genau das gleiche Ergebnis zu produzieren. Aber dann würde es heißen, das ist eine singuläre Situation, die deswegen nicht auf die große Masse übertragen werden darf. Bei dieser Geschichte dagegen kann sich jeder was aussuchen, es passt immer.

- Kann man dem allen in so einer Szene, die eine Familie zeigt, die es so heute nicht mehr gibt, gerecht werden?
Nicht mehr gibt? Die geschilderte Szene wirkt doch glaubwürdig, oder nicht? Die entscheiden sich bewusst, statt dem Gesetz, lieber ihrem religiösen Führer zu folgen, was übrigens den Katholiken irgendwie liegt, schließlich gab es die frühen Christenverfolgungen eben aus diesem Grund: Sie folgten lieber ihrem geistigen Führer als dem Kaiser, was nicht nur eine Majestätsbeleidigung war, sondern eine offene Auflehnung gegen die Gesetze des Staates.

Und ob die Prügelväter, die es natürlich immer noch gibt, nun speziell katholish sind oder eine Krawatte tragen oder woanders herkommen, ich glaub, das ist jetzt keine speziell katholische "Eigenart".
Natürlich ist das keine katholische Eigenart, aber die katholischen Väter haben jetzt eine Rechtfertigung. Das ist ja das Drama.

Hätte da nicht das Mädchen mit reingehört? Die Wirkung auf sie sprichst du ja aus, aber so knapp, dass das an dem Haupthema aus meiner Sicht vorbeigeht.
Das Mädchen ist nur ein Objekt. Es ist unwichtig, was sie „verbrochen“ hat oder was sie empfindet, die Entscheider, die Eltern, allein sind wichtig. Und die sind sich einig, dass sie bestraft werden muss, es wird nur noch über das Wie diskutiert.

Du bist das Thema wahnsinnig vielschichtig angegangen und hast versucht es durch die Reduzierung der Personen auf diese "Schichten" in den Griff zu kriegen. Und: Ich habe einfach das Gefühl, dass du dich da in zu viele Aspekt verstrickt hast, so dass man zum Schluss gar nicht mehr weiß, was ist es, was du anklagen willst? Den Papst? Die Hörigkeit seiner Schäfchen? Die Bigotterie der Schäfchen, die das neue religiöse Gebot flott zu ihren sehr privaten Vergnügungen nutzen?
Die Geschichte ist vielschichtig, weil all diese Schichten in ihr eine Rolle spielen. Wie im wirklichen Leben auch.

Hier war das anders, weil du gleich im Titel, den ich wahnsinnig gut finde, klarstellst, es geht hier nicht um das Aufgeilen, sondern um eine Gegenüberstellung von Strafe und Brechen des Willen. Um eine Kritik an der katholischen Kirche und ihrem religiösen Oberhaupt.
Das siehst Du völlig richtig, denn die Szene in meiner Geschichte ist weder erregend noch pornografisch. Deswegen verstehe ich auch diesbezügliche Kritik nicht.

 

Dion, ich werde mich noch inhaltlich zu deiner Geschichte äußern, aber erstmal ...

Dennoch ist Kritik an patriarchalischer Religiosität, in deren Namen Frauen unterdrückt werden, auch heute noch in Deutschland, weiterhin angebracht und aktuell, wenn sich diese Kritik gegen den Islam richtet. Könntest du dir vorstellen, Dion, deine Geschichte entsprechend umzuschreiben? Könntest du dich dazu durchringen, oder lieber nicht?

Ernsthaft? Kritik an christlichen Fundamentalisten ist anachronistisch, aber angebracht und aktuell, wenn es den Islam betrifft? Und dann schlägst du dem Autor tatsächlich vor, die Geschichte umzuschreiben, weils nicht in dein Weltbild passt?
Also, puh!

Ein Hoch auf ideologiefreie Literatur!

 

Hallo Dion,

nachdem ich deine Geschichte gelesen und mich danach an den Kommentaren delektiert habe, möchte ich doch auch ein paar Gedanken loswerden.

Schade, wie hier ein so wichtiges Thema durch politische Statements ad absurdum geführt wird.
Die Geschichte ist ausgezeichnet geschrieben und erklärt schlüssig die Gedankenwelt des Protagonisten.

Warum dann eine Verbindung mit dem derzeitigen Papst notwendig ist, erschließt sich mir nicht. Einer, der sich sexuell erregen lässt, wenn er schlägt (man könnte ihn auch Sadist nennen) wird stets einen Grund finden zu schlagen, einer, der sich als Patriarch fühlt, wird dies auch ohne besonderen Grund unter Beweis stellen wollen. Wie weit der einzelne dann geht und was er für Fantasien dabei hat, mag unterschiedlich sein.

In heutigen Zeiten ist es ziemlich einfach wahlweise über die katholische Kirche, über den Islam oder etwa über die Griechen herzufallen...

So ist es leider leider nur eine tendenziöse Geschichte, dabei hätte sie das Zeug zu sehr viel mehr.

viele Grüße
Isegrims

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom