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Vom Verdrängen

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30.06.2014
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Vom Verdrängen

Das widerwärtige Geräusch kratzte sich an den Rand ihrer Wahrnehmung. Sie stellte fest, bald wieder in die Nacht hinaus zu müssen. Als Soforthilfe stellte sie den Fernseher laut und versuchte sich in der Ärzteserie zu verlieren. Aber es war da. Bevor das rhythmische Klopfen und Schaben die Grenze des Bewusstseins überschreiten konnte, um sich in ein unsäglich schlechtes Gewissen zu verwandeln, schnappte sie sich ihre Tasche und Jacke um aus der stinkenden Wohnung zu fliehen.
Die Eile ließ sie die nötige Vorsicht vergessen, Moni verfing sich im Gang in einer der Mülltüten und stürzte der Länge nach hin. Sie landete weich im bestialisch stinkenden Unrat vieler Monate, den sie in ihrer Wohnung hortete und dessen Dasein sie beflissen verdrängte. Eilig rappelte sie sich hoch und flüchtete zum Fahrstuhl, drückte den Knopf und war zum Ausharren gezwungen. Die Untätigkeit brachte das Gehirn wieder zum Laufen, dies war aber verboten. Vor sich selbst flüchtend stürzte sie lieber die acht Stockwerke durch das Treppenhaus nach unten. Die frische Kühle der Nacht empfing sie gnädig. Als sie am Mahnmal, dem überfüllten Briefkasten vorbei war, fühlte sie sich ein bisschen freier. Ihre Nase lief wässrig, ein sicheres Anzeichen, dass bald die Kälte kam und dann das Ziehen in den Waden, das Gurgeln des Gedärms, der Würgreiz und schlussendlich die Depression.

Am Charlottenplatz stieg sie aus. Der Geruch dieser Unterführung ließ die Gier aufflammen und ihren Bauch brennen. Aber erst hatte sie noch etwas zu erledigen.
„Suchst du?“, empfingen sie gleich ein paar Gerippe in dreckigen Klamotten.
„Nein, ich muss erst …“
„Ach so.“ Enttäuscht huschten die Zombies in ihren Schatten zurück.

Sie stellte sich gegenüber dem Parkhaus auf und zog das dreckige T-Shirt ein bisschen hinunter, um den Ansatz der kargen Weiblichkeit zu zeigen. Schnell überprüfte sie im Handspiegel das picklige Gesicht und strich einen roten Lippenstift über den Mund. Es war ja dunkel, das würde schon gehen.
„Wieviel?“, fragte es aus dem Innenraum des ersten Autos.
„Wichsen ohne Anfassen zwanzig Mark, mit Anfassen oder Lutschen dreißig, Ficken mit allem drum und dran sechzig“, leierte sie ihren Spruch runter.
„Ich will das große Programm und zahl vierzig.“
„Nichts da, sechzig oder du machst es dir selber.“
„Okay, einigen wir uns auf fünfzig, steig ein.“ Sie hatte jetzt keine Wahl, es musste schnell gehen.

Sie fuhren zum üblichen Parkplatz, der schon übersät war von zerknüllten Taschentüchern und Kondomen. Er drückte ihr den Schein in die Hand und griff in ihren Ausschnitt. Beugte sich zur Beifahrerseite und näherte sich aufdringlich ihrem Gesicht. Sie drehte den Kopf weg, fokussierte draußen einen Punkt am Stamm eines Baumes und träumte sich weg.
Wie immer in den Momenten, wenn sie ihren benutzten Körper verließ, dachte sie an ihre schönste Kindheitserinnerung. Diese hatte sie mit einem der vielen Männer, die sie Papa nennen musste. Er unterschied sich komplett von den anderen in Kneipen aufgelesenen Säufern. Er war ein Hippie mit Helfersyndrom, der eine Zeitlang glaubte, die schöne, aber kaputte Mutter retten zu können. Er war voller Liebe und Lebensfreude. Auch für sie blieb einiges übrig. Er war immer zärtlich zu ihr, ohne sie zu begrabschen. Ließ sich den langen Bart und die Haare von ihr flechten. Immer wenn sie heute den Geruch frischem Tabakrauchs roch, sah sie sein struppiges Gesicht vor sich und fühlte die Heimat in seiner bartkitzelnden Umarmung. Einmal erfüllte er ihren heißesten Mädchentraum und nahm sie mit zu einem Reitstall. Dort, auf dem Rücken eines Pferdes, hatte sie die schönste Zeit ihres Lebens. Rhythmisch im Stolztaumel, weit erhaben über die Trümmer ihrer Kindheit.
„Komm raus, ich will dich von hinten ficken.“
Er ließ auf dem Schotter die Hosen runter, sie zog ihre in die Kniekehlen und positionierte sich breitbeinig stehend vor ihm. Ließ ihn ein bisschen anfangen, bis er sich in Rage gestoßen hatte, dann stützte sie sich scheinbar Halt suchend am Boden ab und durchsuchte mit der anderen Hand die Gesäßtasche seiner runtergelassenen Hose, spürte den Geldbeutel, wurstelte sich seitlich rein, tastete die Scheine, zog sie raus und verbarg sie in der Hand. Vom kleinen Bündel in ihrer Hand ging ein sonniges Gefühl der Zuversicht aus. Gemischt mit der Angst, erwischt zu werden.
Aber geile Männer waren unvorsichtig, das wusste sie aus Erfahrung. Hinter ihr kam es langsam zu einem widerlichen Gehechel, sie wusste, er war jetzt auf der Ziellinie und blind für seine Umgebung, sie nutzte den Moment, um die Scheine in ihre Hosentasche zu stecken.
Überglücklich eilte sie bald durch die Straßen. Nach der ersten Ecke zog sie das Geld aus der Hose, um es zu zählen. Hundertachtzig Mäuse und der Fuffi. Sie begann zu rennen, wenn jetzt noch gute Dealer unterwegs wären, gäbe es doch noch eine geile Nacht.

Sie hatte Glück. Den ersten Schuss setzte sie sich gleich im Wald, nahe dem Fernsehturm. Ein bisschen Braunes auf den Löffel, ein wenig Ascorbinsäure, beim Aufkochen lief ihr schon das Wasser in den Mund und aus der Nase. Dann ein paar Tropfen Wasser, um die goldbraune Suppe abzukühlen und noch eine Prise Weißes. Die Nadel war nicht mehr frisch und kratzte im Arm, sie brauchte lange, um eine Vene zu finden, der ganze Arm war schon verschmiert von ihrem Blut. Irgendwann hatte sie die Ader doch und pumpte das Gift in ihren Organismus. Schnell rauschte es in ihr Gehirn und überflutete dies mit Euphorie und dem Gefühl der Heimat.
Den Weg zurück fuhr sie heiter und ruhig. All die Hetze war verschwunden. Die sieben zu runden Plomben verpackten Portionen der Drogen in ihrem Mund gaben ihr die innere Ruhe zurück. Nichts konnte sie jetzt noch aus dem Gleichgewicht bringen.
Das Schaben und Klopfen war noch da. Der Überfluss an Drogen machte sie großzügig. Zwischen zwei Schüssen schnappte sie eine aufgerissene Tüte vertrockneter Waffeln und eine Flasche Wasser.
Es gelang ihr, das Zimmer mit den verklebten Fensterscheiben zu betreten. Sie schmiss die Nahrung Richtung Bett.
Nicht einmal der kurze Blick in die Kinderaugen konnte ihr etwas anhaben.

 

Liebe Wortkrieger,
wie einige schon wissen, stehe ich mit den Worten auf Kriegsfuß. Beziehungsweise, ich habe eine LRS. Bisher wurden meine Texte korrigiert. Ich habe aber viel geübt, letzter Zeit und heute traue ich mich, tataaah, den ersten Text direkt einzustellen. Also wundert Euch nicht, wenn ich irgendwo Mist gebaut habe, das ist keine Unachtsamkeit, sondern ein doofes Unvermögen.
Ich freue mich trotzdem total über Korrekturen.
Grüßle, Gretha

 

Hi Gretha,

ich bin absolut begeistert von deiner Kurzgeschichte und habe mich gleich hier im Forum registrieren müssen um das loszuwerden :)

Die Geschichte ist sehr lebendig. Wie für eine Kurzgeschichte Pflicht, ist man von Beginn an mitten im Geschehen. Man wird von Beginn an eingesogen in die triste, schmutzige Welt deiner Protagonistin. Dabei steigerst du die Spannung dezent, erklärst kaum was, sondern überlässt es dem Leser, dass er durch das Erzählte die Geschehnisse und sogar die Geschichte deiner Protagonistin weiterspinnt. Du "zoomst" in die ekelerregenden Szenen hinein (Drogenkonsum und Sex), was der Geschichte einen derben Nachgeschmack gibt und der ganzen Geschichte mehr Authentizität verleiht. Versteh mich nicht falsch, ich finde den "derben Nachgeschmack" nicht schlecht - ganz im Gegenteil, eine Geschichte wie deine braucht genau das! Und die Pointe am Schluss... ein Schlag wie in die Magengrube.

Wie du wahrscheinlich schon gemerkt hast, ich finde deine Geschichte echt stark. Es tut mir fast schon leid, dass ich dir hier kein konstruktives Feedback zur Verbesserung geben kann - aber für mich ist die Story genau SO top!

Ich bin dir jedenfalls dankbar für das - wenn auch düstere - Lesevergnügen!

 

Liebe Gretha,

Im ersten Abschnitt ein mulmiges Gefühl, sowas Grauenvolles, dann das ganze Elend, am Ende so ein zwiegespaltenes Aufatmen und dann, mit dem letzten Satz, der Schlag in die Magengrube. Das ist dir wirklich gut gelungen. Wie du diese Mona beschreibst, ihre Qual, ihre Überlebenstricks, ihre Freude, das bringt sie einem nahe, man erlebt sie als eine, die längst verloren hat, vielleicht kaum eine Chance hatte.
Sie braucht das "Verdrängen" zum Überleben und verdrängt am Ende auch das Elend ihres Kindes. Und natürlich hat man sofort auch Zeitungsmeldungen vor Augen und weiß, was du da beschreibst ist wahr und passiert jetzt gerade irgendwo.

Ein paar Kleinigkeiten:

Sie stelle fest, bald wieder in die Nacht hinaus zu müssen.

stellte


Bevor das rhythmische Klopfen und Schaben die Grenze des Bewusstseins überschreiten konnte, um sich in ein unsäglich schlechtes Gewissen zu verwandeln, schnappte sie sich ihre Tasche und Jacke um aus der stinkenden Wohnung zu fliehen.

Mir würde es besser ohne den Einschub gefallen. Das ist aus ihrer Sicht geschrieben, die Aussage ist, dass sie verdrängt, was sie verdrängt dürfte naturgemäß gar nicht mehr in ihrem Kopf auftauchen.

Moni verfing sich im Gang in einer der Mülltüten,

Hier frage ich mich, warum du sie erst jetzt mit Namen nennst. Wäre es nicht üblicher, gleich im ersten Satz?

Dort, auf dem Rücken eines Pferdes hatte sie die schönste Zeit ihres Lebens. Rhythmisch im Stolztaumel, weit erhaben über die Trümmer ihrer Kindheit.
„Komm raus, ich will dich von hinten ficken.“

Der Wechsel ist brutal. Gut gemacht.

und fühlte die Heimat in seiner bartkitzelnden Umarmung
Schnell rauschte es in ihr Gehirn und überflutete dies mit Euphorie und dem Gefühl der Heimat.

Heimat ist wohl das, was Mona fehlt und was sie auch nicht geben kann, ich finde den Begriff hier gut verwendet.

Nicht einmal der kurze Blick in die Kinderaugen konnte ihr etwas anhaben.

Das wirklich Grausige an dieser Formulierung ist, dass dieses verhungernde Kind als etwas Bedrohendes gesehen wird.

Liebe Greta, ich finde du "kannst" auch harte, traurige Themen.

LG Chutney

 

Scheiße Gretha, scheiße:)
das ist gut, das ist wirklich gut und dabei habe ich deine Geschichte eher mit Lust auf Sensationen gelesen ....
welch ein letzter Satz

Nicht einmal der kurze Blick in die Kinderaugen konnte ihr etwas anhaben.
gut gelungene letzte Sätze rühren mich immer noch viel mehr als ein guter Beginn...

vielleicht wünschte ich mir etwas mehr an innerem Monolog, an Leere und Hoffnungslosigkeit in dern Gedanken deiner Prot.... aber andererseits spricht die Geschichte auch aus sich selbst....
vielleicht, nein ganz sicher, wäre ein knackigerer Titel noch prägnanter....;) "vom verdrängen" ist ein wenig zu verquast...

aber: diese Geschichte schmerzt und rührt zu Tränen, mehr lässt sich kaum erreichen mit Literatur...

viele beeindruckte Grüße
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Gretha,

ich habe nicht den Eindruck, dass du mit Worten auf dem Kriegsfuß stehst. :confused: Im Gegenteil, die spielst mit ihnen und malst eindrucksvolle Bilder damit. Ein paar Schreibfehler habe ich gesehen, aber die halten sich in Grenzen. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass du eine LRS hast.

Meine Eltern waren heroinabhängig, aber ich war beim letzten, endlich erfolgreichen Entzug meiner Mutter zu klein, um mich noch an diese Zeit zu erinnern. Dennoch fühlt sich deine Geschichte für mich authentisch an, so erschreckend authentisch, dass ich beim Lesen einen Kloß im Hals hatte, der von Absatz zu Absatz dicker wurde. Du hast die bedrückende Atmosphäre, die Hoffnungslosigkeit und das verzerrte Weltbild der Protagonistin sehr glaubhaft rübergebracht.

Der Schluss hat mich richtig geschockt. Anfangs dachte ich, es ginge vielleicht um einen Serienkiller und Entführer, dann dachte ich an Ratten, dann hab ich es vergessen. Un dann DAS ... Sicher hätte man es vorausahnen können, aber ich hatte nicht damit gerechnet und war ernsthaft schockiert. Mir ist immer noch ganz flau zumute. Sehr gut gemacht!

Was mich etwas gestört hat, ist, dass du viele lange Sätze machst, wo meinem Empfinden nach mehrere kürzere Sätze besser passen würden. Auch fand ich einige Formulierungen recht umständlich.
Zu den Details:

Sie stelle fest, bald wieder in die Nacht hinaus zu müssen.
stellte

schnappte sie sich ihre Tasche und Jacke, um aus der stinkenden Wohnung zu fliehen.

Moni verfing sich im Gang in einer der Mülltüten, die sie zu Fall brachte.
Hier haut der zeitliche Ablauf irgendwie nicht hin. Da rächt sich wieder einmal, dass ich Sprache fühle, aber die ganzen Fachbegriffe und so nicht mehr weiß. *schäm* Gymmi ist einfach zu lang her. Ich kann es dir nicht profimäßig-cool erklären. Ich kann dir nur einen Vorschlag machen: „und fiel/stürzte (zu Boden).“

Sie landete weich, aber bestialisch stinkend im Unrat vieler Monate, den sie in ihrer Wohnung hortete, besser, dessen Dasein sie verdrängte.
So klingt es, als ob sie selbst schon vor der Landung bestialisch stinkt, gemeint war aber, dass der Müll stinkt, oder?
„besser“ finde ich hier störend, ein einfaches „und“ fände ich passender.
Vorschlagsatz: Sie landete im weichen, aber bestialisch stinkenden Unrat vieler Monate, den sie in ihrer Wohnung hortete und dessen Dasein sie verdrängte.

Die Untätigkeit brachte das Gehirn wieder zum Laufen, dies war aber verboten, vor sich selber flüchtend stürzte sie lieber die acht Stockwerke durch das Treppenhaus nach unten, die frische Kühle der Nacht empfing sie gnädig.
Ich würde hieraus drei Sätze machen:
Die Untätigkeit brachte das Gehirn wieder zum Laufen, dies war aber verboten. Vor sich selber [besser: selbst] flüchtend stürzte sie lieber die acht Stockwerke durch das Treppenhaus nach unten. Die frische Kühle der Nacht empfing sie gnädig.
„Vor sich selbst flüchtend“ und „Die frische Kühle der Nacht empfing sie gnädig“ gefallen mir richtig gut, sie kommen aber in so einem langen, zusammengeschachtelten Satz überhaupt nicht zur Geltung.

Als sie am Mahnmal, dem überfüllten Briefkasten, vorbei war, fühlte sie sich ein bisschen freier.

Ihre Nase lief wässrig, ein sicheres Anzeichen, dass bald die Kälte kam und dann das Ziehen in den Waden, das Gurgeln des Gedärms, der Würgreiz und schlussendlich die Depression.
Besser: dass bald die Kälte kommen würde

Sie stellte sich gegenüber des Parkhauses auf
gegenüber dem Parkhaus

und zog das dreckige T-Shirt in Richtung der mageren Brust hinunter, um den Ansatz der kargen Weiblichkeit zu zeigen.
Das holpert ganz schön, und ich habs auch erst nicht verstanden. Wenn sie das Shirt in Richtung Brust zieht, heißt das, dass es sich zunächst über der Brust befindet, diese also entblößt ist. Du meinst aber, dass sie den Ausschnitt herunterzieht, richtig? Ich würde das umformulieren, so dass es verständlicher wird.

Ficken mit allem drum und dran sechzig.“, leierte sie ihren Spruch runter.
Kein Punkt vor dem Anführungszeichen.

„Nichts da, sechzig, oder gar nichts.“
Kein Komma vor oder.

von zerknüllten Taschentüchern und Kondomen.

Beugte sich zur Beifahrerseite, ihrem Gesicht nähernd.
Es müsste heißen: „sich ihrem Gesicht nähernd“. Ich finde das aber insgesamt nicht so schön und unnötig kompliziert formuliert. Einfacher und – meinem Empfinden nach – schöner: „näherte sich ihrem Gesicht.“

Ließ sich den langen Bart und die Haare von ihr flechten, immer wenn sie heute den Geruch frischem Tabakrauchs roch, sah sie sein struppiges Gesicht vor sich und fühlte die Heimat in seiner bartkitzelnden Umarmung.
Nach „flechten“ würde ich einen Punkt setzen. Du hast hier zwei verschiedene Zeitebenen, da würde ein Komma für mich nur passen, wenn der zweite Teil inhaltlich auf dem ersten aufbaut. (Oh Gott, ist das verständlich ...?) Vielleicht den Teil mit dem Bart und den Haaren an den vorherigen Satz anfügen. Das würde besser passen.
Die bartkitzelnde Umarmung fand ich übrigens ganz toll, wie viele andere Stellen deines Textes.

Dort, auf dem Rücken eines Pferdes, hatte sie die schönste Zeit ihres Lebens.

Rhythmisch im Stolztaumel, weit erhaben über die Trümmer ihrer Kindheit.
Das fand ich klasse! Für mich der schönste Satz der ganzen Geschichte. Und dann der nächste - puh! Einfach toll.

sie nutzte den Moment, um die Scheine in ihre Hosentasche zu stecken.

Nach der ersten Ecke zog sie das Geld aus der Hose, um es zu zählen.

Hundertachtzig Mäuse und der Fuffi, sie begann zu rennen, wenn jetzt noch gute Dealer unterwegs wären, gäbe das eine geile Nacht.
Auch hier würde ich zwei oder drei Sätze draus machen.

Sie hatte Glück, den ersten Schuss setzte sie sich gleich im Wald, nahe des Fernsehturms.
Nahe dem.
Ich verstehe es so, dass sich das mit dem Glück darauf bezieht, dass sie einen Dealer gefunden hat. So liest es sich, als wäre es ein Glück, dass sie sich ihren Schuss dort setzt. Ich würde die Sätze deshalb anders aufteilen, einen Punkt nach „Glück“ setzen.

Ein bisschen Braunes auf den Löffel, ein wenig Ascorbinsäure, beim Aufkochen lief ihr schon das Wasser in den Mund und aus der Nase. Dann ein paar Tropfen Wasser, um die goldbraune Suppe abzukühlen und noch eine Prise Weißes.
Hatte sie die ganzen Utensilien schon dabei? Oder wo kamen die auf einmal her? Das hat mich verwundert.

Die sieben zu runden Plomben verpackten Drogen in ihrem Mund gaben ihr die Ruhe mit sich selber zurück.
„Die sieben Drogen“?
„Ruhe mit sich selber“ finde ich seltsam formuliert. Vielleicht „ihre innere Ruhe“?

Der Überfluss an Drogen machten sie großzügig.
machte

Sieht mal wieder nach viel aus, sind aber ja eigentlich wenig wirkliche Korrekturen, das meiste sind doch eher Vorschläge.

Insgesamt hat mir die Geschichte gut gefallen. Sie hat mich reingezogen, war trotz der erwähnten Holperstellen flüssig zu lesen, und der Schluss hat mich tief getroffen.

Ich freue mich darauf, mehr von dir zu lesen, werde auf jeden Fall mal nach weiteren Texten kramen.

Liebe Grüße
raven

Nachtrag, ganz vergessen:
Deine Prota ist ganz schön aktiv, nachdem sie sich was gedrückt hat. Sollte sie da nicht jeweils erst mal breit in einer Ecke liegen?

 

Hallo jorgito,
ich finde es wirklich liebreizend, dass Du Dich extra wegen meiner Geschichte angemeldet hast, um mir eine Rückmeldung zu geben. Und dann noch so ein Lob, ich fühle mich geehrt. Ein "derber Nachgeschmack" ist sozusagen meine Spezialität. Ich fürchte, ich kann gar nicht ohne. :D

Ich würde mich freuen, bald einmal etwas von Dir hier im Forum zu lesen.
Herzlich willkommen!
Grüßle, Gretha


Hallo Chutney,
Dein Lob freut mich sehr. Danke dafür.

Und natürlich hat man sofort auch Zeitungsmeldungen vor Augen und weiß, was du da beschreibst ist wahr und passiert jetzt gerade irgendwo.

Ja, diese Meldungen haben mich schon inspiriert. Es passiert auch hier in Deutschland viel zu oft, dass Kinder in der eigenen Familie umkommen. Trotz Babyklappe, trotz anonymer Entbindung, trotz Jugendamt.
Was mich aber in erster Linie zu der Geschichte bewogen hat, war die Geschichte hinter der Schlagzeile. Es passiert uns allen, auch mir, viel zu oft, dass man vorschnell verurteilt, ohne sich mit dem "Warum" in irgendeiner Art auseinanderzusetzen. In dem Fall gelingt das einem natürlich vortrefflich, wie kann man eine Mutter die ihr Kind verwahrlosen lasst, verhungern, misshandelt, aktiv oder passiv tötet nicht verurteilen, ablehnen und hassen?

Ich habe vor einigen Jahren eine tolle Reportage von verurteilten Frauen, die ihr Kind töteten gesehen. Sie war sehr einfühlsam gestaltet und hat mich tief berührt. Als ich die Geschichten hinter der Tat gehört hatte, gab es von meiner Seite so etwas wie ein Verstehen, wenn auch nicht Akzeptanz, denn zu akzeptieren ist die Tat niemals.
Seither bin ich ziemlich geheilt davon, unhinterfragt eine Rübe-runter-Mentalität zu hegen.

In jedem Menschen steckt ein Monster. Hinter jedem Monster steckt ein Mensch.
Der größte Teil aller Menschen ist in der Lage, sich sozial zu verhalten. Aber die Sozialisation ist etwas erlerntes. Was ist mit den Menschen, die nicht sozialisiert wurden?
Was ist, wenn sich die soziale Moral ändert? (Krieg)
Ein Mensch kann alles sein. Er ist ein Produkt seiner Umgebung. Was in meinen Augen mehr wiegt, wie der freie Wille.

Das war meine Triebfeder. Ich wollte die Frau kennenlernen, die so etwas tut.
Schön, dass es mir gelungen ist, sie Euch auch ein bisschen näher zu bringen.

Mit den Korrekturen werde ich mich jetzt gleich auseinandersetzen. Danke für Dein Auge!
Liebst, Gretha

-wird vorgesetzt-

 

Huch, ich hab was vergessen.

Schnell mal nachreichen:

immer wenn sie heute den Geruch frischem Tabakrauchs roch,
frischen wäre richtig, aber das Ganze passt für mich insgesamt nicht.
Zunächst sind "Geruch" und "riechen" eine Wiederholung, den Geruch kannst du gänzlich streichen, völlig überflüssig.
Dann habe ich ein Problem mit der Kombination von frisch und Tabakrauch. Ich rauche gerade, und frisch riecht das nicht. :D Ja, du meinst sicher frisch im Gegensatz zu altem, abgestandenem Rauch. Aber ich denke, wenn man nicht schreibt, dass zum Beispiel ein Zimmer nach abgestandenem Qualm riecht, dann denkt man bei der Erwähnung von Tabakrauch doch automatisch daran, dass da gerade jemand raucht.

Weil Pingeligkeit ja keine allzu beliebte Eigenschaft ist, lasse ich unerwähnt, dass "Rauch roch" ein bisschen komisch klingt. :Pfeif: :D

Vielleicht etwas in der Richtung: "Wenn heute jemand (in ihrer Nähe) rauchte, sah sie..."?

 

Hallo Gretha,

Das widerwärtige Geräusch kratzte sich an den Rand ihrer Wahrnehmung. Wie kann ich mir das Kratzen vorstellen? Was ist der Rand der Wahrnehmung? Wo genau liegt der? Was ist ein widerwärtiges Geräusch? Ist es schrill, hell, grell, laut, leise? (Klassiker des show).

Sie stellte fest, bald wieder in die Nacht hinaus zu müssen. Wie stelllt sie das fest? Was fehlt ihr? Was ist der Beweggrund? Was nötigt sie zu dieser Feststellung? Protagonisten sollten, wenn du sie nicht postmodern distanziert ironisierst, immer entschlossen handeln.

Sie landete weich, aber bestialisch stinkend im Unrat vieler Monate, den sie in ihrer Wohnung hortete, besser, dessen Dasein sie verdrängte. Nicht sie stinkt bestialisch, sondern der Müll. Musst du umdrehen. Und auch hier: dessen Dasein sie verdrängt ist stärker. Hier wäre auch mein Einstiegssatz.

Eilig rappelte sie sich hoch und flüchtete zum Fahrstuhl, drückte den Knopf und war zum Ausharren gezwungen. Die Untätigkeit brachte das Gehirn wieder zum laufen, dies war aber verboten, vor sich selber flüchtend stürzte sie lieber die acht Stockwerke durch das Treppenhaus nach unten, die frische Kühle der Nacht empfing sie gnädig. Boah, ist das alles kompliziert. Adjektive raus. Warum eilig? Warum flüchtet sie, und ausgerechnet zum Fahrstuhl. Warum ist Hirntätiglkeit verboten? Warum flüchtet sie vor sich selber? Unschöner Wortdoppler, zweimal flüchten.

Der Dialog mit der Nutte, der ist leider nicht so gelungen. "Was kostest du?", ich weiß nicht. Vielleicht eher "Wieviel?" Und Mark sagt da auch niemand: Eher 20. 40. 60. Kurz und knapp, Zeit ist Geld, und Gespräch nur dann, wenn der Freier Interesse signalisiert. Da wird auch nicht gehandelt. Ich sehe auch in der Szene danach nicht, wo sie ihm ein Gummi überzieht oder seinen Schwanz vorher säubert. Das ist auf dem Straßenstrich jedenfalls Usus. Also, und das sie ihm die Kohle klaut und so cool bleibt, obwohl sie ja eigentlich einen Affen schiebt, naja, ich weiß nicht.

Die Drogenszene verwirrt mich jetzt. Was ballert sie denn da nun? Braunes oder Weißes? Oder beides? Ich verstehe das nicht. Braunes = Schore, und was soll das Weiße sein? Koks? Dann knallt sie sich einen Powerball und fährt "heiter und ruhig" wieder heimwärts. Weißt du, wie H wirkt? Was das mit dir macht?

Das ist eine Geschichte, die auf den einen Effekt hingeschrieben wurde, die Kinderaugen. Mir war klar, dass so was kommen musste. Also, da sind echte alle Klischees drin, die man so braucht. Die kleine Straßennutte mit den vielen Onkels, die sie alle angrabbeln, aber der eine, der Hippie, der war okay, den Lichtblick muss es ja geben. Ficki ficki und Drogen.

Also, Gretha, auch hier wieder sehr viele Adjektive, die man kürzen kann, die den Text straffen. Du schreibst auch oft unnötig kompliziert, oben habe ich dir ein paar Beispiele herausgesucht.

Gruss, Jimmy

 

Hi Isegrims,
ja, scheiße, hören wir jetzt etwa auf uns gegenseitig infantil zu zanken? Fuck.
Ne Quatsch, ich finde es groß. Und ich freue mich unheimlich, dass Dir die Geschichte gefällt. Danke für Dein Lob.
Ich wollte bewusst nicht zu viel reflektierendes Erklären durch ihre Gedanken einstreuen, sondern die Geschichte erzählen. Sonst hätte ich die Ich-Perspektive gewählt. Da ich aber immer noch Probleme habe mich von einer Ich-Prota zu distanzieren, habe ich das diesmal so gewählt. Geht das eigentlich nur mir so? Ich hasse das.

Liebste Grüße, Gretha

Hallo raven,
ich glaube, wir hatte noch nie das Vergnügen? Ich bin höchst erfreut über Deinen Einsatz, danke dafür.
Dass Du nicht gemerkt hast, dass ich unter einer LRS leide, macht mich glücklich. Denn da steckt viel Arbeit der letzten Monate dahinter, juhu.

Die Geschichte mit Deinen Eltern tut mir einerseits leid, aber umso besser, dass sie es geschafft haben! (Ich mache nur sehr selten Ausrufezeichen, aber hier ist das angebracht.)
Dass Du die Szenebeschreibungen authentisch fandest, ist toll.
Ich habe den Text nach Deinen Anregungen korrigiert. Übrigens habe ich Deine Erklärungen so warscheinlich besser verstanden, als wenn Du sie mir auf Klug erklärt hättest.
Herzlichen Dank für die lange Zeit, die das sicher gekostet hat.
Dein sehr detailliertes Lob hat sehr gut getan. Ich war mir mit der Geschichte ziemlich unsicher. Und sterbe jedes mal tausend Tode beim Einstellen. (Geht das auch nur mir so?)

Deine Prota ist ganz schön aktiv, nachdem sie sich was gedrückt hat. Sollte sie da nicht jeweils erst mal breit in einer Ecke liegen?

Nein. Nach einem Cocktail von Heroin und Kokain liegt man nicht in der Ecke herum. Das "K" macht fit, euphorisch und überglücklich, das H macht in sich ruhend, warm, behütet und ruhig. Die Mischung macht genau das Gefühl, das die Prota in der Bahn hatte. Die stier vor sich hin starrenden Zombies haben meist nur Heroin, oft gemischt mit Benzos konsumiert. Nach einem kurzen Moment des Kicks bewegen ich H&K vollkommen normal und sind absolut ansprechbar und einigermaßen orientiert.

Liebst,
Gretha

 

Hey Gretha

Ich muss sagen: Deine Geschichte ist in meinen Augen absolut gelungen. Kompliment. Ich mag es, wenn ein Autor es schafft, eine echt abgefuckte Situation genau so rüberzubringen, dass man selbst die Kälte und das Unbehagen fühlt. Das hast du meiner Meinung nach echt grandios hingekriegt. Bei manchen Formulierungen bin ich fast schon neidisch, dass ich selbst nicht auf sowas komme:

Immer wenn sie heute den Geruch frischem Tabakrauchs roch, sah sie sein struppiges Gesicht vor sich und fühlte die Heimat in seiner bartkitzelnden Umarmung.

Hab ich voll gefühlt. Oder auch das:

Die frische Kühle der Nacht empfing sie gnädig.

Ich finde auch die Szene, als sie sich das H drückt, nicht etwa unbeholfen. Für mich klingt es nicht konstruiert oder unglaubwürdig; aber klar, ich konsumiere selbst nicht und war noch nie in einer solchen Situation, von dem her kann ich das natürlich nicht ganz adäquat beurteilen. Aber die wenigstens Leute, die deine Geschichte lesen, werden das wohl sein... Es war jedenfalls für mich eine absolut stimmige Geschichte, die mich mit einem leeren Gefühl zurückliess. Genau so, wie ich es mag :)

Herzlich, nevermind

 

Das mit meinen Eltern muss dir nicht leid tun, ich bin damit völlig im Reinen.

Herzlichen Dank für die lange Zeit, die das sicher gekostet hat.
Die hab ich mir hier sehr gern genommen, hat Spaß gemacht. Ich zerpflücke halt auch gern. ;)

Und sterbe jedes mal tausend Tode beim Einstellen. (Geht das auch nur mir so?)

Nein, das geht nicht nur dir so. Ich quäle mich auch immer.

Mit Drogen kennst du dich ja auch erschreckend gut aus. River Phoenix und John Belushi sind an solchen Speedballs gestorben, nicht?

Liebe Grüße nochmal
raven

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Jimmy,
den ersten Satz werde ich nicht ändern. Für mich beschreibt er genau das Gefühl, von etwas unangenehmen an der Peripherie gekratzt zu werden, es aber verdrängen zu wollen.
Was ihr fehlt, was sie raus drängt erklärt die Geschichte im Anschluss.
Die beiden anschließenden Beispielsätze habe ich inzwischen geändert. Ich verfange mich mitunter im Wortsalat, das muss ich unumwunden zugeben. Da hast Du total recht.

Ja, sie injiziert Heroin und Kokain, ich habe das oben schon erläutert. Im Drogenjargon heißt das (auch) Braunes und Weißes.

Dann knallt sie sich einen Powerball und fährt "heiter und ruhig" wieder heimwärts. Weißt du, wie H wirkt? Was das mit dir macht?

Ja, das weiß ich. Deshalb schrieb ich eben "heiter und ruhig". Ich habe es oben schon erklärt. Diese beiden Adjektive umschreiben den Rausch grob.
Ich schreibe eigentlich nie über Dinge, von denen ich keinen blassen Schimmer habe und wenn, dann recherchiere ich. Außerdem "macht" das nur dann was extremes mit einem, wenn man Neueinsteiger in Sachen Heroin ist. Ist man erst süchtig, fühlt man sich mit normal und ohne grauenhaft. Ist wie beim Trinken, zu Beginn ist man stockvoll, dann höchstens nur noch angeheitert.

Der Straßenstrich-Jargon fiel mir tatsächlich schwer, denn ich war weder als Nutte, noch als Freier dort. Dein "Wieviel" ist super, habe ich gleich übernommen, danke. Aber die Preise habe ich immerhin gegoogelt. :D

Das ist eine Geschichte, die auf den einen Effekt hingeschrieben wurde, die Kinderaugen. Mir war klar, dass so was kommen musste. Also, da sind echte alle Klischees drin, die man so braucht. Die kleine Straßennutte mit den vielen Onkels, die sie alle angrabbeln, aber der eine, der Hippie, der war okay, den Lichtblick muss es ja geben. Ficki ficki und Drogen.

Jo. Wenn ich zum Beispiel eine Geschichte über Mukoviszidose schreiben würde, würde ich auch keine Gallenstein-Symptome schildern, weil das origineller wäre. Ich habe nicht den Anspruch, das Rad neu zu erfinden, beschreibe ich eine Frau mit Heroinsucht, dann bediene ich mich an den zwingend dazugehörigen Begleiterscheinungen dieser Erkrankung, die bei einer Frau ab einen gewissen Stadium Verwahrlosung und Straßenstrich beinhaltet.
Ich denke in dem Fall ist das kein Klischee, oder fändest Du es klischeehaft, wenn der Mukoviszidose-Protagonist hustet?

Trotzdem mag ich Deine Kritik, Deine Kritiken allgemein, denn sie festigen im Nachhinein meine Meinung. Und zeigen mir gleichzeitig Wackler.
Ich denke beim Schreiben oft an Dich, wenn ich mich in unsägliche Wortgespinste verfange. Aber trotzdem werde ich nie so schreiben wie Du. Denn unser Stil ist einfach zu unterschiedlich. Ich schreibe hübsch über dreckige Dinge, Du schreibst schmutzig über Dreckige.

Danke für Deine Kritik.
Liebst,
Gretha

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich nochmals: Mir ist schon klar, was Braunes und Weißes ist, glaub mir mal. Ein Powerball funktioniert so aber nicht. Das Kokain pusht, und dann ballert dein Herz bis zum Gehtnichtmehr, mindestens bis zur Arhythmie, das ist der Kick, die Power, und kurze Zeit später setzt die sedierende Wirkung des Heroin ein. Das ist ja der Sinn eines Powerballs, diese Dynamik hinzubekommen. Übrigens ist es so, dass du nicht einfach ein bisschen "Weißes" dazu packst, die Mischung muss sehr exakt sein, das können oft nur wirklich erfahrene Junkies, denn passt sie nicht, kannst du am Atemstillstand verrecken; wegen der OD an H.

Ich finde einfach die Begriffe heiter und ruhig unpassend. Hier würde ich mehr show reinpacken. Wie sieht sie was anders?

Gruss, Jimmy

PS: Ist die letzte Geschichte, die ich von dir kommentiere. Haben wir alles per PN geklärt. So macht mir das Forum keinen Spaß, sorry.

 

Grausam, hart und hoffnungslos ist diese Geschichte, Gretha. Weil sie eine Realität zeigt, die sich nicht in der Bild-Zeitung findet – und damit auch nicht in den Köpfen der breiten Bevölkerung. Trotzdem hat Jimmy Recht, wenn er sagt, da sei ein bisschen zu viel Klischee drin. Der Schmutz und der Hippie samt Pferd sind z.B. entbehrlich. Das Kind am Ende ist dagegen okay. Weil es in Zukunft weist: Die Geschichte wird in 14 Jahren oder noch früher ihre Fortsetzung finden. Damit wird ein Teufelskreis angedeutet, aus dem auszubrechen nur wenigen gelingt.

Auch Heroinabhängige können ganz normales Leben führen: Regelmäßig zu Arbeit gehen, Miete bezahlen, sich anständig kleiden. Und das jahrzehntelang ohne aufzufallen. Bis sie mal an den zu reinen Stoff geraten und an der Überdosis sterben. Das passierte hier in München, deswegen weiß ich das so genau.

Gut, Deine Prot ist anders, aber dass sie tatsächlich all das Negative tragen muss, ist wenig wahrscheinlich. Jeder Mensch hat auch positive Seiten, die zumindest zu erwähnen würde der Geschichte gut tun. Gewiss, sie träumt sich in die wenige glückliche Momente ihrer Kindheit zurück, aber das betrifft die Vergangenheit, nicht ihre Gegenwart. Von solchen Träumen kann man genauso wenig leben wie vom Brot allein.

 

Hallo Nevermind,
vielen lieben dank für Deine Komplimente. Das hat mich wirklich sehr gefreut, dass Dich die Geschichte erreichen konnte.
Grüßle, Gretha

Hallo Dion,
schön, Dich in meiner Geschichte zu treffen.

Auch Heroinabhängige können ganz normales Leben führen: Regelmäßig zu Arbeit gehen, Miete bezahlen, sich anständig kleiden. Und das jahrzehntelang ohne aufzufallen. Bis sie mal an den zu reinen Stoff geraten und an der Überdosis sterben. Das passierte hier in München, deswegen weiß ich das so genau.

Ja, das ist richtig, es gibt eine sehr große Dunkelziffer von Menschen, die nicht, oder selten in der Szene auffallen, die einigermaßen normal und sozial integriert leben. Gerade auch die ganzen Substituierten. Nicht jeder sackt komplett ab. Aber ich hatte das Pferd gedanklich anders herum aufgesattelt, ich habe mich gefragt, wie es um Himmelswillen dazu kommen kann, dass man sie Kind verhungern lässt. Und das passiert in meiner Phantasie eher durch Verdrängung. Da ich auch ein Mensch bin, der unangenehme Dinge vor sich herschiebt und verdrängt, habe ich mich gefragt, was nötig wäre, um ein Kind zu verdrängen. Das ist für mich als Mutter so unvorstellbar, dass nur dieser eine Weg, immer dicht zu sein, für mich überhaupt ein bisschen vorstellbar wäre.

Und das war dann warscheinlich ein bisschen zu viel des Klischees.

Danke Dir, für Deine Gedanken.
Liebst, Gretha

 

Hallo maria.meerhaba,

Das ist sowas von Kaya Yanar
Wääääh, das ist gemein.:heul:

Dennoch, für mich fehlte da doch irgendwie die Seele der Geschichte, die vielleicht etwas mehr Verständnis für die Prot gebracht hätte
Ich weiß, was Du meinst. Aber ich weiß jetzt auch nicht genau, wie ich das im Nachhinein noch ändern könnte?
Sie ist gut geschrieben und das zählt doch. Also so richtig kann ich doch nicht darüber meckern :P
Das freut mich sehr, Maria.
Liebste Grüße, Gretha

 

Hallo Gretha,

erst gestern habe ich deine Geschichte gelesen, die du ja bereits vor Wochen ins Forum gestellt hast. Das immer noch darüber gesprochen wird, spricht allein schon für die Qualität deines Textes.

Ich möchte dir gratulieren. Zuerst für diese wirklich sehr gelungene Kurzgeschichte. Ich habe mit deiner Protagonistin gelitten. Mir war, als wäre ich ein Schatten, der sie durch diesen Tag begleitet, als hätte ich alles aus nächster Nähe mit ihr erlebt. Dann die Kinderaugen, die auch mich anstarrten. Ein Schluss, der für mich so unerwartet kam, weil ich mir nie überlegt habe, was kommen konnte, so gefesselt war ich. Einfach grandios.

Das führt mich gleich zu deiner Aussage, du würdest mit den Worten auf Kriegsfuß stehen. Nein, liebe Gretha, du liebst die Worte. Du jonglierst mit ihnen und weißt sie gezielt einzusetzen. Für mich bist du eine Künstlerin, eine Wortakrobatin. Ich kenne einige Leute mit LRS, die schreiben nicht mal eine klitzekleine SMS. Du bist Autorin! Ich dachte, um mal bei deinem Vergleich zu bleiben, das müsste so sein, wie wenn der Muko-Protagonist sich in eine Raucherkneipe wagt. Aber Nein, das geht, du hast es bewiesen. Ich ziehe den Hut vor deinem Mut, deinem Fleiß, deiner Ausdauer.

Liebe Grüße
Tintenfass

 

Hallo Gretha

Was mich in die Geschichte zog, war die Neugierde bezüglich des Titels. Umgangssprachlich wird das Wort „Verdrängen“ öfters verwendet, um auszudrücken, dass eine Person nicht an etwas ihr Unangenehmes denken mag. Eine Redensart also, die als solche durchaus stehen kann.
In der psychologischen Terminologie hingegen findet dieser Ausdruck nur Anwendung, wenn es einen nicht-willentlich steuerbaren Vorgang beschreibt, der dem Bewusstsein Unerträgliches (Wünsche, Triebe usw.) ins Unbewusste verdrängte. Das Vorhandensein artikuliert sich allenfalls im Verhalten und Erleben des Betroffenen, ohne dass er sich dieser spezifischen Verdrängung bewusst wäre.
Für eine Geschichte ist es für die inhaltliche Qualität und Glaubwürdigkeit sinnvoll, solchen Wertigkeiten Rechnung zu tragen und sich für das eine oder andere zu entscheiden. Bei der umgangssprachlichen Verwendung bedeutet dies, auch das Nachfolgende auf dieser Ebene abzuwickeln und keine pseudofachlichen Maßstäbe zu setzen.

Ich setzte diese kritische Anmerkung vorab, da die inkriminierten Punkte gleich und einzig im ersten Abschnitt auftreten, ihre Persönlichkeit und Befindlichkeit konstruierend. Das Aufzeigen der Wesensart und der Lebensumstände finde ich gut, doch bedarf es meines Erachtens dafür weder überrissene Bilder noch unwahrscheinlicher (psychischer) Vorgänge. Im Einzelnen sind diese:

Das widerwärtige Geräusch kratzte sich an den Rand ihrer Wahrnehmung.

Abgesehen davon, dass das Geräusch dem Leser nicht verständlich, da vorerst nicht umschrieben ist, kann sich ein solches nicht irgendwohin kratzen. Wahrnehmung steht auch in der Umgangssprache für ein erkennbares, unmittelbares Erfahren durch Sinnesorgane. Randerscheinung wäre da allenfalls ein nur innerlich wahrnehmbarer Ton, der einem Tinnitus aurium (Ohrgeräusche) entspricht, doch die Gedanken nicht gleich dominiert.

Bevor das rhythmische Klopfen und Schaben die Grenze des Bewusstseins überschreiten konnte, um sich in ein unsäglich schlechtes Gewissen zu verwandeln, schnappte sie sich ihre Tasche und Jacke um aus der stinkenden Wohnung zu fliehen.

Die beschriebene Tonart lässt sich schwer zuordnen, so frei heraus würde ich sie nun doch eher einem Spannungskopfschmerz zuschreiben. Bei Migräne kann es u. a. zu Wahrnehmungsstörungen kommen. Der Satz vermischt sich dann jedoch mit unwahrscheinlich anmutenden Formulierungen, denn wie soll die Grenze des Bewusstseins beschaffen sein? Wie sollte es möglich sein, einen solchen Zustand einfach in ein schlechtes Gewissen zu verwandeln. Abgesehen davon, dass es eine Vereinfachung des Geschehens wäre, fehlt dem auch die innere Logik, mir zumindest nicht zugänglich. Überspitzt finde ich auch den Ausdruck stinkende Wohnung. Muffig wäre da schon ein starker Ausdruck.

Sie landete weich im bestialisch stinkenden Unrat vieler Monate, den sie in ihrer Wohnung hortete und dessen Dasein sie beflissen verdrängte.

Ihre soziale Verwahrlosung gewinnt hier voll Ausdruck. Sie ist kein Messie, sondern fristet ihr Dasein einfach gleichgültig und ohne minimalen Ordnungssinn. Solche Situationen gibt es, doch passen da weder eine Wohnung dazu noch Fernseher und Ärzteserie. Die soweit verwahrlosten Drogensüchtigen leben auf der Straße oder finden Unterschlupf in Abbruchliegenschaften ohne jeglichen Komfort. Etwas weniger überzeichnet würde es auch ihrem Gelderwerb entgegenkommen, da die Ausdünstung, welche von ihr ausgehen muss, selbst diese Männer in Nöten abschrecken würde.

Ihre Nase lief wässrig, ein sicheres Anzeichen, dass bald die Kälte kam und dann das Ziehen in den Waden, das Gurgeln des Gedärms, der Würgreiz und schlussendlich die Depression.

Diese Aufzählung liest sich wie eine Kausalität von Symptomen, die sich in dieser Folge steigern. Einzeln gesehen führt ein Kältesturz zu tropfender Nase. Wadenziehen, Darmbewegung und Würgereiz haben eher jeweils eine andere Ursache. Depression als Kumulationspunkt, wirkt dann letztlich den Bogen ganz überspannend, da diese eher seit Langem allgegenwärtig ist.

Mit sachten Umformulierungen würden diese Szenen bis dahin an Glaubwürdigkeit gewinnen. Sie müssen dem Leser nachvollziehbar sein, was gelingt, wenn es die Wirklichkeit nicht zu sehr ritzt. Die Denk- und Ausdrucksweise sollte der Protagonistin entsprechen, es kann durchaus Szenensprache beinhalten, doch möglichst keine zu absurden Formulierungen, denn so denken und sprechen auch Junkies in der Regel nicht. Auch bei einem drastisch sozialen Abstieg bewahrt ein Mensch das Angeeignete, lernt aber Neues dazu, das sich dann vermischt.

Im Nachfolgenden gewinnt die Geschichte dann an Ausdruck, auch wenn sie keine Handlung einbringt, welche sich in einer eigentlichen Wendung auflöst. Überspitzte Formulierungen wie etwa Gerippe oder Zombies vertiefen hier gelingend das Erscheinungsbild der Szene, da sie den realen äußeren Anblick widerspiegeln.
Schlussendlich fügen sich die Kinderaugen wie eine Pointe an, das ganze Elend ihrer Existenz aufzeigend. Das fand ich soweit gut, da es die gesamte Handlung einer eher sozialkritischen Ebene zuführt, und nicht einfach als Einblick in das Leben einer sich prostituierenden Drogensüchtigen stehenbleibt.

Erzählerisch hast Du gegenüber früheren Texten, soweit ich diese kenne, dazugewonnen.

Zum „Kriegsfuß mit den Worten“, soweit ich die wunden Punkte vom Lesen her noch in Erinnerung habe:

schnappte sie sich ihre Tasche und Jacke um aus der stinkenden Wohnung zu fliehen.

Komma nach Jacke

der Würgereiz und schlussendlich

der Würgereiz

mit allem drum und dran

mit allem Drum und Dran

Ließ sich den langen Bart und die Haare von ihr flechten, Immer wenn sie heute den Geruch frischem Tabakrauchs roch,

Punkt nach flechten (Ansonsten müsste Immer kleingeschrieben werden, doch besser dieser Satz separat.)

frischen Tabakrauchs

Soweit aus meiner Perspektive.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Einfach grandios.

Manchmal, liebes Tintenfass, ist es einfach toll, nur gelobt zu werden. Dankeschön.

Ich kenne einige Leute mit LRS, die schreiben nicht mal eine klitzekleine SMS.

Och joa, das kenn ich. ich schreibe auch keine SMS. Denn da habe ich kein Rechtschreibprogramm. :D

Ich ziehe den Hut vor deinem Mut, deinem Fleiß, deiner Ausdauer.

Das freut mich. Denn ich übe schon ziemlich viel. Denn einiges lässt sich mit dem besten Programm nicht beheben. "Viele Menschen fielen vom Baum", oder doch "fiele Menschen vielen vom Baum"? So Zeug ist schwer mit LRS. Weshalb mein Schreibplatz tapeziert ist mit Rechtschreibregeln.
Trotzdem tippe ich mitunter den allerletzten Scheiß zusammen. Denn man sieht Fehler mit der "Erkrankung" nicht.

Aber egal, es wird immer besser und ich bin total froh, mit dem Medium überhaupt zum Schreiben gekommen bin. Solange alles Handschriftlich zu erledigen war, habe ich überhaupt nichts geschrieben.

Danke, für Dein Lob, ich freue mich darauf, bald eine neue Geschichte von Dir zu lesen?!
Grüßle, Gretha

-später mehr-

 

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