Was ist neu

Wireless

Mitglied
Beitritt
24.07.2015
Beiträge
5
Zuletzt bearbeitet:

Wireless

Langeweile. Quälende Langeweile. Ich sitze in Unterhose vor meinem Computer und starre auf den flimmernden Bildschirm. Das gesammelte Wissen der Menschheit, Musik, nackte Frauen, alles nur einen Mausklick entfernt. Und dennoch: Langweile. Ich ziehe die Vorhänge auf und schaue aus dem Fenster, betrachte die Autos, wie sie auf der Straße vor meinem Haus hin- und herfahren. Endlos, monoton.
Ich schaue einen alten Spiderman-Film („With great power comes great responsibility“) und chatte mit ein paar Kumpels von früher („Was läuft?“ „Nicht viel, fahre gleich zu meiner Freundin“). Aus all dem ziehe ich keine Befriedigung, ich töte nur Zeit. Ich klicke mich durch das Internet, sehe mir Bilder von Katzen an, kommentiere „lol“. Ohne eine Miene zu verziehen. Schaue mir eine Weile auf Youtube an, wie sich Leute gegenseitig aufs Maul hauen und like dann Gott auf Facebook. Denke aber nicht, dass der alte Mann das zu schätzen weiß.
Doch dann stutze ich. Auf einer Newssite finde ich einen kurzen Artikel: „Autounfall, drei Tote, Ursache unklar.“
Die Sonne erscheint mir auf einmal unglaublich störend und ich ziehe die Vorhänge wieder zu. Schnell starte ich einige Programme und schon bin ich zum Geist im virtuellen Raum geworden, hinterlasse keine Spuren mehr im World Wide Web. Ein bisschen wie ein Zauberspruch das Ganze. Proxy, Tor und Tunnel statt Abrakadabra. Ich schwitze. Völlig unverfolgbar sende ich Signale über die ganze Welt. Lasse das Programm gezielt nach etwas suchen. Aufgeregt starre ich auf die blinkenden Outputs auf meinem Bildschirm und warte. War es hier vorhin schon so heiß? Mit einstudiertem Griff schalte ich den Ventilator neben meinem Rechner ein, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden. Die Suche läuft weiter, ich wische mir den Schweiß von der Stirn, blicke starr nach vorne.
Plötzlich: „Treffer“.
Mein Herz setzt einen Schlag aus und pocht dann wie wild. Die Suche ist beendet, das Programm hat gefunden, was es soll. Jetzt heißt es schnell sein, doch meine Hände zittern. Ich kämpfe damit, die richtigen Tasten zu treffen. Gänsehaut überkommt mich, meine Muskeln spannen sich an und ich atme schnell und schwer. Durch meinen Kopf schießt das Blut mit ohrenbetäubendem Rauschen. Warum ist mein Mund so trocken? Wo ist mein verdammtes Wasser?
Mit einem Male löst sich die ganze Spannung. Ich bin drin. Die Firewall ist überwunden, Kontrolle ist hergestellt. Eine fast asketische Ruhe überfällt mich, als ich die letzten zwei Befehle quer über den Globus an irgendeinen Bordcomputer sende:
„Disable brakes. Kill engine“

Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Vielleicht sollten die Leute lieber mich auf Facebook liken. Nicht, dass ich es zu schätzen wüsste.
Ich schalte den PC aus und sehe an mir herunter. Scheint als wäre eine kalte Dusche angebracht.
Gelangweilt gehe ich den Weg ins Badezimmer.

 

Hallo Alex,

Angenehm kurzer Text für einen Sonntag Abend. Vielen Dank dafür. Schöner Stil mit Spannungseinsatz an genau der richtigen Stelle. Ich fand den Text sehr schön zu lesen.

Nur: Ich habe ihn am Schluss nicht ganz verstanden. Bezieht sich der Befehl

„Disable brakes. Kill engine“
auf den erwähnten Autounfall? Und wenn ja, löst er ihn aus oder verhindert er ihn?

Viele Grüße,
Benske

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Benske,
danke für das Feedback.

Ja ich hatte befürchtet, dass diese Stelle etwas undeutlich ist.
Habe den Satz

Eine fast asketische Ruhe überfällt mich, als ich die letzten zwei Befehle quer über den Globus an einen Bordcomputer sende:
in
an irgendeinen Bordcomputer sende

Finde es sprachlich nicht so schön, wie ohne, hilft aber glaube dem Verständnis.
Der Zusammenhang zum Unfall sollte nur insoweit bestehen, dass er dem "Ich" erst die Idee gibt so etwas zu tun oder aber eine vorhergehende Aktion des "Ichs" darstellt. Bin mir da auch nicht ganz sicher ;) Im Prinzip halt nur ein Triebauslöser
Irgendwie kam diese Geschichte von selbst als ich das erste mal ein Video davon gesehen habe wie jemand ein Auto hackt...

 

Hey Alex

Okay. Jetzt weiß ich worauf du hinaus willst. Allerdings nur weil du es mir nochmal extra erklärt hast.

Der Knackpunkt für mich ist hier der Satz: "Doch dann stutzte ich." Das weckt in mir irgendwie nicht die Erwartung an den von dir erwähnten Triebauslöser.
Mit der Erwähnung des alten Herrn im Satz davor, war ich dann auch noch komplett auf einen ganz anderen Verlauf der Geschichte ausgerichtet und habe es vielleicht auch deshalb nicht verstanden.
Bin mal gespannt was andere dazu sagen.

Aber wie gesagt, mir gefällt dein lockerer Stil sehr. Bin selber noch ganz kurz erst dabei hier und hab noch nicht soo viele Texte gelesen. Aber von denen, die ich schon gelesen habe, ist deiner, in der Kategorie Lesespaß, in meinem Ranking vorne mit dabei.

Viele Grüße nochmal,
Benske

 

Okay. Jetzt weiß ich worauf du hinaus willst. Allerdings nur weil du es mir nochmal extra erklärt hast.

Das ist ja nicht schlimm. Eine Geschichte muss nicht immer komplett verstanden werden finde ich. Und vor allem nicht immer von allen gleich. Etwas Interpretationsspielraum muss immer bleiben.

Der Knackpunkt für mich ist hier der Satz: "Doch dann stutzte ich." Das weckt in mir irgendwie nicht die Erwartung an den von dir erwähnten Triebauslöser

Da hast du voll und ganz Recht. Da fällt mir bestimmt irgendwann nochmal was besserer ein

 

Hallo Alex,

vorab: auch ich habe deine Geschichte nicht verstanden. Worin ich dir jedoch recht gebe: Man muss auch nicht immer alles verstehen ;) Dennoch war ich erst einmal verwirrt und habe dieses kleinen Text ein wenig wirken lassen.

Als erstes, was mir so aufgefallen ist am Text:

Ich schaue einen alten Spiderman-Film („With great power comes great responsibility“) und chatte mit ein paar Kumpels von früher („Was läuft?“ „Nicht viel, fahre gleich zu meiner Freundin“)
Die Klammern und deren Inhalt in diesem Satz finde ich störend. Das unterbricht den Fluss und hat auch inhaltlich nichts, was wichtig wäre.

Das hier wiederum finde ich super, das habe ich mir ein paar Mal durchgelesen:

Ich klicke mich durch das Internet, sehe mir Bilder von Katzen an, kommentiere „lol“. Ohne eine Miene zu verziehen. Schaue mir eine Weile auf Youtube an, wie sich Leute gegenseitig aufs Maul hauen und like dann Gott auf Facebook. Denke aber nicht, dass der alte Mann das zu schätzen weiß.

Wie du während des Suchlaufs die Anspannung des Protagonisten beschreibst, finde ich auch gut. Da fiebert man mit, da ist man voll mit dabei. Aber ab da check’ ich gar nichts mehr :Pfeif:

Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Vielleicht sollten die Leute lieber mich auf Facebook liken. Nicht, dass ich es zu schätzen wüsste.
Weißt du, wie ich das für mich gedeutet habe? Da sitzt der Teufel vor'm Rechner und ihm ist langweilig. Irgendwie kriegt er den Impuls, dass mal wieder was Böses passieren sollte und er hackt sich in einen Autocomputer und manipuliert Bremsen und Motor, damit es einen Unfall gibt. Gerade der Satz am Schluss, dass die Leute ihn auf Facebook auch liken sollten, hat für mich den Bogen zum Anfang gesponnen, als er Gott liked. Jetzt weiß ich, dass es so nicht gemeint war, in meinem Kopf funkioniert die Geschichte so aber am besten :D

Freue mich auf mehr von dir.

Viele Grüße
RinaWu

 

Hallo Alex,
ich habe das Ende auch gar nicht verstanden, ist mir aber fast wurst, da ich mich in zwei Sätze verliebt habe:

Das gesammelte Wissen der Menschheit, Musik, nackte Frauen, alles nur einen Mausklick entfernt.
Ich klicke mich durch das Internet, sehe mir Bilder von Katzen an, kommentiere „lol“. Ohne eine Miene zu verziehen.
Die sind echt sehr bezeichnend und lustig. Nach der Erklärung bin ich mir immer noch nicht ganz sicher, ob ich richtig verstehe, aber ich bin dann doch zu faul, dies zu durchdenken.

Aber danke für die Sätze. :D
Grüßle, Gretha

 

Hallo Alex,

die Idee finde ich interessant. Ein fähiger Hacker, der aus Langeweile ein Verbrechen begeht. Was mir dabei fehlt, lässt sich für mich in einem Wort zusammenfassen: Authentizität. Als Softwareentwickler fällt es mir schwer, die beschriebene Szene "anzunehmen".

Langeweile. Quälende Langeweile. Ich sitze in Unterhose vor meinem Computer und starre auf den flimmernden Bildschirm. Das gesammelte Wissen der Menschheit, Musik, nackte Frauen, alles nur einen Mausklick entfernt. Und dennoch: Langweile. Ich ziehe die Vorhänge auf und schaue aus dem Fenster, betrachte die Autos, wie sie auf der Straße vor meinem Haus hin- und herfahren. Endlos, monoton.

Ein gelungener Einstieg. Nur beim zweiten Lesen fiel mir der letzte Satz auf: hat dieser Hacker in Unterhosen wirklich ein eigenes Haus? Die Autos könnte man auch weglassen. Etwa: "...und schaue gelangweilt aus dem Fenster."

Ich schaue einen alten Spiderman-Film („With great power comes great responsibility“) und chatte mit ein paar Kumpels von früher („Was läuft?“ „Nicht viel, fahre gleich zu meiner Freundin“). Aus all dem ziehe ich keine Befriedigung, ich töte nur Zeit.

Authentischer wäre, wenn der Film nebenbei läuft. Die Klammern finde ich ebenfalls überflüssig.

Ich klicke mich durch das Internet, sehe mir Bilder von Katzen an, kommentiere „lol“. Ohne eine Miene zu verziehen. Schaue mir eine Weile auf Youtube an, wie sich Leute gegenseitig aufs Maul hauen und like dann Gott auf Facebook. Denke aber nicht, dass der alte Mann das zu schätzen weiß.
Doch dann stutze ich.

Hm... ein Hacker der sich Katzenbildchen anschaut? Fällt mir schwer das zu glauben. Er wäre wohl eher im Darknet unterwegs und würde schauen, ob einer seiner Trojaner etwas interessantes entdeckt hat. Das mit Gott auf Facebook finde ich hingegen klasse :-)


Die Sonne erscheint mir auf einmal unglaublich störend und ich ziehe die Vorhänge wieder zu. Schnell starte ich einige Programme und schon bin ich zum Geist im virtuellen Raum geworden, hinterlasse keine Spuren mehr im World Wide Web. Ein bisschen wie ein Zauberspruch das Ganze. Proxy, Tor und Tunnel statt Abrakadabra.

Im WWW kann der Hacker nichts in der Richtung anstellen (das World Wide Web ist im Prinzip nur der Teil des Internet, den Du mit Deinem Browser erkunden kannst, es gibt aber noch zahlreiche andere Internet-Dienste, z.B. E-Mail oder IRC).

Ich schwitze. Völlig unverfolgbar sende ich Signale über die ganze Welt. Lasse das Programm gezielt nach etwas suchen. Aufgeregt starre ich auf die blinkenden Outputs auf meinem Bildschirm und warte.

Du schreibst aus der Ich-Perspektive. Dann sollte hier auch Hacker-Vokabular kommen. Beispielsweise sendet man keine Signale. Er würde wohl auch nicht in Worten wie "unverfolgbar" denken, sondern eher etwas wie "die Typen vom [irgendeine Sicherheitsbehörde] kriegen mich nie".

Plötzlich: „Treffer“.

Was soll das für ein Programm sein? Ein Universalwerkzeug zum Hacken aller Art? Realistischer fände ich, wenn er selbst einen Weg fände.

Mein Herz setzt einen Schlag aus und pocht dann wie wild. Die Suche ist beendet, das Programm hat gefunden, was es soll. Jetzt heißt es schnell sein, doch meine Hände zittern. Ich kämpfe damit, die richtigen Tasten zu treffen. Gänsehaut überkommt mich, meine Muskeln spannen sich an und ich atme schnell und schwer. Durch meinen Kopf schießt das Blut mit ohrenbetäubendem Rauschen. Warum ist mein Mund so trocken? Wo ist mein verdammtes Wasser?

So aufgeregt wäre er wahrscheinlich, wenn er nicht ein vorgefertigtes Programm benutzt hätte. Sondern wenn es sein Werk wäre und niemand anders so etwas vollbringen könnte. Die Beschreibung seines Gemütszustands gefällt mir aber.

Eine fast asketische Ruhe überfällt mich, als ich die letzten zwei Befehle quer über den Globus an irgendeinen Bordcomputer sende:
„Disable brakes. Kill engine“

Ich würde die Befehle weglassen (wirkt aus meiner Sicht echt albern :-) ). Eher etwas schreiben wie:

Eine fast asketische Ruhe überfällt mich als ich die letzten Befehle an irgendeinen Bordcomputer schicke... er wird nie wieder bremsen.

Ein Lächeln huscht über mein Gesicht.

Das Wort "huscht" ist wohl auch kein Hackervokabular. Klingt mir ein bisschen zu putzig.


Wie immer: ist alles konstruktiv gemeint. Ich schreibe das nur, weil mir die Idee gefällt!

Herzliche Grüße
Achim

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom