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Eine gar traurige Erzählung vom Untergange des Ritters Franz von Sickingen

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06.12.2004
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Eine gar traurige Erzählung vom Untergange des Ritters Franz von Sickingen

Eine gar traurige Erzählung vom Untergange des Ritters Franz von Sickingen, der törichterweise der Fürstbischof von Trier, dem Kurfürsten von der Pfalz und dem Landgrafen von Hessen den Fehdehandschuh hinwarf


„Scheiße!“, spuckte Franz von Sickingen aus, als sein Schlafzimmer in Flammen aufging. Die neuen Kanonen, die die Koalition gegen ihn ins Feld führte, waren offenbar doch recht potent. Mit der Hähnchenkeule in seiner Rechten fuchtelnd wankte er die Rundtreppe runter und vergoss dabei reichlich Rotwein aus der Flasche in seiner Linken.

Die große Eichentüre in den Burginnenhof stand offen und lies den Quartiermeister mitsamt hochgezwirbeltem Schnauzbart gemächlich passieren. „Ist Wohlgeboren unversehrt?“, fragte er von Sickingen, während die ganze Burg vom Kanonendonner zitterte. Von Sickingen kaute und gestikulierte. „Die Mauern halten nicht mehr lange. Die Burg wäre uneinnehmbar, Wohlgeboren, wäre der Mörtel nur trocken. So fliegen den wenigen verbliebenen Landsknechten die Steine nur so um die Ohren. Wir sind Zweihundert. Die sind Zwanzigtausend. Wir sollten wirklich aufgeben.“

„Was? Die weiße Fahne willst du strecken, Hundsfott? Vor diesen aufgeblasenen Hennen?“ Sickingen nahm einen großen Schluck aus der Flasche, gurgelte und spuckte aus. „Mit mir nicht! Lieber gehe ich mit wehender Fahne-...“ Er wurde vom Pfeifen einer nahenden Kanonenkugel jäh unterbrochen. Von Sickingen und der Quartiermeister starrten sie im Flug an, wie zwei Kaninchen eine auf sie zurennende Bisonherde. Sie schlug im Portal ein. „Na, das ging noch einmal gut. Aber wir sollten uns wirklich die Kapitulation überlegen“, sprach der Quartiermeister. Von Sickingen taumelte, wurde bleich, grunzte und spuckte Blut aus. „Ein Splitter. Naja, besser der als ich“, meinte der Quartiermeister, wandte sich um und rief: „Jungs! Hoch mit der weißen Fahne! Der Ritter ist tot! Und macht das, was von dem dämlichen Tor übergeblieben ist, gefälligst auf, damit die Botschaft auch ankommt.“

 

So traurig ist sie gar nicht, die gar traurige Erzählung vom Untergange des Ritters Franz von Sickingen, der törichterweise der Fürstbischof von Trier, dem Kurfürsten von der Pfalz und dem Landgrafen von Hessen den Fehdehandschuh hinwarf.

Ich fand sie richtig, richtig gut.

Kurz, knackig, und doch mit ihrem eigenen Charme und - zu meiner Überraschung, ob der Kürze - gut gezeichneten Figuren.

Und wieder zeigt sich: Heldenmut tut selten gut! Das lernt der gute Herr von Sickingen auf eine recht unangenehme Art und Weise. Ich gehe davon aus, dass der gute Ritter in seinen späteren Lebensjahren an Fülle zugelegt hat und sich durch die Burg bewegte, als hätte man ihn in ein Fass gesperrt. Leider hat er zu spät gesehen, dass sein Heldenmut einem Narr gleichkommt, der das Kleinvolk mit seinen albernen Spielchen begeistert - und dafür hat er prompt die Rechnung erhalten.

Der Quartiermeister, ja, der macht das, was jeder vernünftige Mensch in dieser Situation getan hätte. Tor auf! Fahne hoch! Scheiß auf die Ehre, davon können wir uns auch keine Brötchen kaufen!

Schön! Mir hat das wirklich gut gefallen.

 

Hallo Anton von Mi,

ich kann mich NWZed nur anschließen. Klein aber fein ist deine Geschichte. Sehr gut geschrieben, mit Witz und einem tollen Umgang mit der Sprache. Den Franz konnte ich mir sofort vorstellen in seinem Kostüm, mit der fettigen Hähnchenkeule in der Hand, einem von Fett verschmierten Mund und roten Wangen vom Rotwein.

Ist zwar nur eine winzige Momentaufnahme, aber die ist dir echt gelungen.

Gerne gelesen von
RinaWu

 

Hola Anton von Mi,

kurz und knackig – davon hätte ich auch mehr vertragen.
Gut geschrieben und amüsant.
Nette Lektüre.

Leider kann ich das Meckern nicht lassen:


... Eichentüre in den Burginnenhof stand offen und lies den Quartiermeister ...

... ließ ...


... Landknechten ....

... Landsknechten ...

... Lieber gehe ich mit wehender Fahne“.

Fehlt hier das Wörtchen ‚unter’? Der Punkt muss innerhalb der wörtlichen Rede stehen.

Von Sickingen und der Quartiermeister starrten sie im Flug an, wie zwei Kaninchen eine auf sie zurennende Bisonherde

Bei dieser Formulierung bist Du nicht gut beraten. Ich finde sie nicht so toll.

sollten uns wirklich die Kapitulation überlegen.“, sprach der Quartiermeister.

Punkt muss weg.

Und macht das, was von dem dämlichen Tor übergeblieben ist K gefälligst auf, damit die Botschaft auch ankommt.“

Aber geschenkt, Deine Geschichte war eine gute Idee. Vielleicht erfreust Du uns mal mit etwas Längerem?

Bis dahin
José

 

Sei Er mir hierorten gegrüßet,

Euer Wohlbefinden Anton von Mi,

ja, lustig kann Geschichtsklitterung sein.

Aber wie zum Teufel – Kaninchen und Kanönchen hin und her – kömmt der sicherlich bei(m) Aldi erstandene preisgünstige Amselfelder (auch dorten wurde mal geschlachtet) in eine Flasche und vor allem wie darf man sich Anfang des 16. Jh., zur Reformationszeit in der Westpfalz eine Bisonherde vorstellen?

Exportware …?

Historik?

Was bitte ist außer dem Namen historisch? Ich staune ganze Ringmauern von Bauklötzchen incl. Burgfried. Und dann hör ich:

„Scheiße!“, spuckte Franz von Sickingen aus ...
da hilft auch keine geschliffene Sprache,

findet der

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber NWZed, Liebe RinaWu,

danke für den Lob! Es freut mich, dass euch die Story gut gefallen hat und dass ihr euch den Ritter gut vorstellen konntet. Das war mein Ziel: einen Charakter lebendig und greifbar zu machen, ohne zu beschreiben, wie er aussieht und was er sich so anzieht. Schön, dass das klappte.


Lieber Jose,

vielen lieben Dank für die Korrekturen. Einige werde ich übernehmen. Ich werde hier beizeiten auch was Längeres posten. Ich muss es nur erstmal schreiben. :) Außerdem will ich erstmal andere KGs hier lesen, bevor ich jemandem viel Text zumute.

Lieber Friedel,

danke für die harsche Kritik. Da muss ich mich natürlich irgendwie rechtfertigen. Nein, "geschichtsklittern" wollte ich nicht. Ich verstehe belletristische Historik so, dass ich durchaus von der überlieferten Erzählung (und vor allem von der traditionellen, heroisierenden, protestantisch-preußischen Interpretation!) abweichen darf.

Was ist daran historisch? Dass der Mörtel in der neu ausgebauten Burg Nanstein noch nicht trocken gewesen sein sollte und dass die neue, modernere Artillerie die Festung deshalb umso leichter ramponierte, erfuhr ich neulich in einer sehr schönen Ausstellung zu von Sickingen in Mainz. Was die Fäkalsprache angeht: der berühmte, von Goethe besungene Götz von Berlichingen war von Sickingens Zeitgenosse und Gefolgsmann. Da darf ich dem selbstbewussten Ritter einen ähnlichen charakter unterstellen. ;)

Die Bisons sind in der Tat in der Zeit noch in den Prärien. Es ist aber auch nur ein Vergleich. Ich wollte die Lok im 19. Jahrhundert lassen und suchte nach einem historisch akzeptablen substitut. :D Fällt Ihnen vielleicht etwas ein? Die Wisenten waren in der Pfalz damals schon nicht mehr so verbreitet. Auch der letzte deutsche Auerochse war seit gut 50 Jahren tot. Aber vielleicht können sie in Gleichnis und Erinnerung trotzdem weiterleben? Würden sie besser klingen als der Bison?

Flaschenwein und Weinflaschen hingegen kennt man schon seit der Antike. Während des russischen Bürgerkriegs haben manche Helden Museumsexponate von der Krim aufgemacht und zu trinken versucht. Seit dem Spätmittelalter gab es das auch in Westeuropa, obgleich der Vertrieb eher in Fässern und Schläuchen funktionierte.

Allen den besten Gruß,
Anton

 

"Das Ende einer gar traurigen Erzählung vom Untergange des Ritters Franz von Sickingen, der törichterweise dem Fürstbischof von Trier, dem Kurfürsten von der Pfalz und dem Landgrafen von Hessen den Fehdehandschuh hinwarf" ... sollte die Überschrift lauten.
Der Text liest sich wie der Abschluss einer (Kurz)Geschichte, steht nicht für sich selbst.
Übrigens führte Sickingen die Fehde nur mit dem Fürstbischof von Trier. Die beiden anderen Herren koalierten letztendlich mit jenem, um "die (gottgewollte) Ordnung wiederherzustellen".
Apropos Bisons. Der Hintergrund einer historischen Geschichte sollte schon stimmen. Zum Beispiel in einem Störtebeker-Film (um 1400) schaut der "Held" durch ein Fernrohr (erst viel später erfunden) usw. Mich stört so etwas.
Übrigens könntest Du, wie bereits angemerkt, "lies" ändern ...
kinnison

 

danke für die harsche Kritik.
Nix zu danken,

lieber Anton,

aber bin ich da "harsch"? Nee, rechtfertigen brauchstu Dich auch nicht ... Aber "belletristische" Historik hat wahrscheinlich nahe der Fantasy gebaut.

Was die Fäkalsprache angeht: der berühmte, von Goethe besungene Götz
In meiner Ausgabe schließt Götz übrigens die Dachluke, bevor er den Gruß zu Ende formuliert, denn nix anderes ist das "leck mich ..."

Die Bisons sind in der Tat in der Zeit noch in den Prärien. Es ist aber auch nur ein Vergleich
der aber schon nicht mehr hinkt, sondern des Rollstuhls bedarf.
Ich wollte die Lok im 19. Jahrhundert lassen
woran Du gut getan hast!
Fällt Ihnen vielleicht etwas ein?
Lass die Höflichkeitsform weg, die (Adels)Höfe - wovon sie kommt - sind ja eigentlich abgeschafft. Kaiser Maximilian, der wie Sickingen als "letzter" Ritter bezeichnet wird, hat Sagen sammeln lassen. Vllt. ließen sich die "Hunnen", oder doch besser die "Horden des D. Khans" verwenden. K. A. Einfach ausprobieren!
Würden sie besser klingen als der Bison?
Der Auerochse wird auch kürzer als Ur bezeichnet. Wäre dann so was wie eine "Urstampede", aber die gibt's wieder erst im Western (wenigstens den hinteren Teil).
Flaschenwein und Weinflaschen hingegen kennt man schon seit der Antike.
korrrekt, aber als Massengut gibt's Glasflaschen erst im Industriezeitalter ... Aber wo kinnison Stoertebeker nennt (heißt: der den Becher zerstört" und zwar in der Hand, gebechert haben werden nicht nur die Karl-Valentinensischen-alten-Rittersleut ...

Alles halb so wild, findet der

Friedel

 

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