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Die besten Gäste kommen spät

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23.02.2014
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Die besten Gäste kommen spät

„Ein Mann nimmt sich was er will“, hatte Mutter Dobra zu sagen gepflegt. „Erst nimmt er dich. Und dann nimmst du ihn aus.“
Janissa lächelte schief und pinselte weißen Puder auf ihre faltigen Wangen.
Inzwischen verweste Mutter Dobra in einem Massengrab vor den Toren der Stadt, doch an der Wahrheit ihres Spruches hatte sich nur wenig geändert. Seit jeher kamen die Männer in die Rote Henne und tauschten ihre hart verdienten Rovel gegen ein paar flüchtige Augenblicke in den Armen einer Frau. Jetzt, am Ende eines langen, schwülen Sommers, war der Andrang besonders groß.
Jeden Abend saß Janissa unten bei den anderen Mädchen und wartete auf Freier. Aber alte Huren waren keine Goldesel. Wenn doch mal ein Kerl bei ihr stehen blieb, dann meist nur, weil er zu besoffen war, um ihre Makel zu erkennen.
Trotzdem tat Janissa immer noch, was sie 30 Jahre lang getan hatte: Sie bemalte das Gesicht, bis der Spiegel ihr wieder schmeichelte, quetschte ihren in die Jahre gekommenen Körper in einen Mieder und wuchtete sich eine üppige Perücke auf den Kopf. Nun sah sie zwar immer noch alt aus, konnte aber vielleicht den ein oder anderen Säufer in ihr Bett locken.
Ein letztes Mal überprüfte sie den Sitz von Kleid und Haar, dann verließ sie die Kammer und betrat eine andere Welt.
Die Salons der Roten Henne wurden vom Schein hunderter Kerzen in ein sanftes Licht getaucht. Dünner Rauch stieg aus goldenen Schalen und betörte die Sinne mit einem Duft von Jasmin und Moschus. Die Einrichtung war geradezu opulent, mit stoffbespannten Wänden und Vorhängen aus Seide. Auf dem Marmorboden waren samtene Kissen drapiert, daneben standen elegant geformte Beistelltische voller Früchte.
Janissa legte ihren Kopf in den Nacken und blickte zur Decke. Zwischen schweren Lüstern ragten die Streben des Dachgebälks hervor und verrieten dem aufmerksamen Beobachter etwas über die bescheidenen Anfänge des Hauses. Obszöne Fratzen waren in das Holz geschnitzt, verschlungene Paare, riesige Phalli und üppige Vulven. Bilder aus einer Zeit, in der die Rote Henne noch eine Absteige für rovanische Siedler gewesen war, die zum Torfstechen nach Skedin kamen. Männer, die nach getaner Arbeit in den Sümpfen nach Entspannung suchten.
Auch Janissa war als junges Ding an diesen Ort gekommen, viele Jahre bevor aus der Grenzsiedlung eine stolze Stadt erwuchs. Als sie in jenen Tagen am Tor der Roten Henne stand, ein abgemagertes, usudarisches Waisenkind mit nichts bei sich, als das, was sie am Körper trug, hatte Mutter Dobra sie sofort unter ihre Fittiche genommen. Dobra erkannte das Potential, das in ihr schlummerte und lehrte sie, wie man Männer glücklich machte. Und wie man ihnen die Rovel aus der Tasche zog.
Überhaupt hatte Dobra ein Händchen darin, ihr Personal zu vermarkten. Ein guter Name, das war das wichtigste. So wurde aus Janissa „Djahenna“ – die Herrin der Steppe. Und als diese füllte sie zuverlässig Dobras Börse.
Nun, zwei Jahrzehnte später, war ihre Herrschaft über die Steppe nur noch eine blasse Erinnerung. Insgeheim war es Janissas Hoffnung gewesen, eines Tages selbst die Mutter der Henne zu werden, doch die Götter waren wohl anderer Meinung.
Dobras Nachfolgerin, der ehrgeizigen Mutter Mirja, war es derweil gelungen, das anrüchige Etablissement zum größten und beliebtesten Freudenhaus von Skedin zu machen. Seitdem strömten neben den üblichen Torfstechern, Fallenstellern und Kerzendrehern auch wohlhabende Kaufmänner, Schriftgelehrte und Würdenträger in das Bordell und ermöglichten Mirja ein Leben in Luxus und Wohlstand. Zahlreiche neue Mädchen waren in ihren Dienst getreten, darunter exotische Kurtisanen aus Kihito und blonde Schönheiten aus Khaddan, die sich neben den rovanischen Huren wie Halbgöttinnen ausnahmen. Die einheimischen Mädchen hatten es bei dieser Konkurrenz zunehmend schwerer, ihre Reize anzupreisen und dies galt im Besonderen für eine Usudarin, die ihre besten Tage schon lange hinter sich hatte.

„Wie schön, dass du dich zu uns bequemst“, schnauzte Mutter Mirja, als Janissa in das große, verspiegelte Vestibül trat, in dem die Mädchen für gewöhnlich die Freier begrüßten. Sie war zu spät. Erste Gäste lungerten bereits herum, tranken Wein aus gläsernen Bechern und musterten die angebotene Ware mit unverhohlener Geilheit.
„Nicht mein Fehler“, sagte sie kleinlaut und deutete auf ihre Perücke. „Die Haare hatten sich verknotet.“
„Was interessieren mich deine Haare, du hässliche Unke?“ Mirjas Miene wurde hart. „Bei aller Liebe! Noch einmal und du kannst deine Sachen packen und gucken, wo du bleibst."
„Die ist doch reif für die Würmer ...“, flüsterte Qumai, ein bildhübsches Flittchen aus Kihito, das erst vor einigen Monaten nach Skedin gekommen war. Die umstehenden Mädchen kicherten verstohlen.
Janissa überhörte den Spott. Dass einige der neuen Huren sie nicht ausstehen konnten, war ihr egal. Noch mochten diese Dinger jung und hübsch sein, doch die Arbeit im Bordell ließ Schönheit schnell vergehen. In wenigen Jahren würden sie ihr Schicksal teilen.
„Es kommt nicht wieder vor“, sagte sie kleinkaut und stellte sich zu den anderen in die Reihe.
Mirja nickte und baute sich vor den Mädchen auf. Auch sie war nicht mehr die Jüngste, hatte die Begleiterscheinungen ihres Alters aber mit kostbaren Salben und Tinkturen mildern können. Ihr graues Haar war zu einem Kranz gewunden, darunter funkelten zwei wache Augen in einem Gesicht von fast nobler Blässe. Ihre spitzen Lippen waren karmesinrot und erinnerten Janissa an die Schnauze einer Schlange. Doch das Gift, das Mirja verspritzte, war rein verbaler Natur.
„Wie einige von euch vielleicht schon wissen, haben Anice und Ljuba die Schoßfäule und können diese Woche nicht arbeiten. Das heißt, dass ihr alle doppelte Schichten schieben müsst, um die Ausfälle wieder wettzumachen. Ansonsten muss ich euch das Essen kürzen. Verstanden?“
Die Mädchen gaben missmutig ihre Zustimmung und Mirja ließ ihren Blick selbstgefällig durch das Vestibül schweifen. Dann klatschte sie in die Hände.
„Na also! So, und nun genug rumgestanden. Macht euch an die Arbeit und gebt euer Bestes. Zufriedene Kunden sind spendabel. Wer sich drückt, macht Bekanntschaft mit der Haselrute!“
Sofort stoben die Mädchen auseinander und tänzelten mit aufreizenden Bewegungen auf die Freier zu. Es dauerte nicht lange und der Raum war von unterdrücktem Kichern und geflüsterten Schweinereien erfüllt.
Auch Janissa wollte sich an die Arbeit machen, doch Mirjas Hand griff nach ihrem Arm und hielt sie zurück.
„Du nicht! Für dich habe ich eine ganz besondere Aufgabe. Hier!“
Ihr langer Finger deutete auf einen Eimer am Fuße der Treppe. „Bring diese Schafsblasen runter zum Teich und wasch sie gründlich aus. Wir können uns momentan vor Gästen kaum retten.“
„Ich soll was?“ Janissa stemmte die Arme in die Hüften. „Das ist eine Aufgabe für die Neuen. Ich habe in meinem Leben schon genug Überzieher ausgespült. Sucht Euch gefälligst eine andere für diesen Dre...“
Noch bevor sie den Satz beenden konnte, knallte Mirjas flache Hand in ihr Gesicht. Die Gespräche um sie herum verstummten.
„Ich dulde keine Widerworte von einem Teufelsblut wie dir!“, sagte Mirja mit eisiger Stimme. „Schätz' dich mal glücklich, dass ich dir überhaupt noch Arbeit gebe. Die Neuen machen an einem Abend doppelt soviel Umsatz wie du den ganzen Winter. Ich kann es mir schlicht nicht leisten, einen Goldesel wie Qumai für diese Arbeit abzuziehen. Und jetzt nimm den verdammten Eimer und schwing deinen Hängearsch nach draußen!“
Mirja machte auf dem Absatz kehrt und signalisierte Janissa so, dass das Gespräch für sie beendet war. Kurz darauf war der Raum wieder von gedämpften Stimmen erfüllt.
Janissa befühlte ihre Wange. Dort, wo Mirjas Schlag sie getroffen hatte, war die Haut heiß und taub. Verfluchte Hexe. Tränen hinterließen eine feuchte Spur in ihrem dick aufgetragenen Puder.
„Hast du Mutter nicht gehört, du usudarischer Schmutz?“ Qumai saß auf dem Schoß eines fetten Schweinezüchters und grinste sie mit unverhohlener Schadenfreude an. „Waschen Waschen! Das kannst du noch, ja?“
Janissa erwiderte nichts. Mit letztem Stolz wischte sie die Träne aus ihrem Gesicht, griff nach dem Eimer und verschwand erhobenen Hauptes nach draußen.

Ein kräftiger Wind schlug ihr entgegen, als sie auf die offene Fläche vor der Henne trat. Jannisa fröstelte. Zwar ließen Schnee und Eis noch auf sich warten, doch für ihren Geschmack war es bereits kalt genug.
Aus einem benachbarten Stall nahm sie eine muffige Decke und schlug sie sich um die Schultern. Dann stakste sie missmutig durch den Matsch, bis sie auf die gepflasterte Meile der 99 Götter kam. Hier herrschte wie immer reger Betrieb. Zahlreiche fromme Skediner zogen die Straße auf und ab, entzündeten Votivkerzen vor kleinen Schreinen und hinterließen Obst, Getreide, Schmuck und andere Gaben zu Füßen der Götterbilder. Viele baten um einen milden Winter oder darum, vor einem Angriff der Usudaren verschont zu bleiben.
„Ihr Narren, ich bin doch schon mitten unter euch!“, sagte sie grimmig im Vorübergehen und spuckte auf das Pflaster. Nicht, das irgendeiner dieser verängstigten Frömmler etwas von ihr zu befürchten hatte.
Am Ende der Straße ragten die spitzen Giebel der Oberstadt in den abendlichen Himmel. Die wuchtigen Backsteinhäuser standen Wand an Wand wie betrunkene Riesen, die sich gegenseitig stützen mussten. Hinter ihren Fenstern aus Butzenglas flackerten Kerzen und warfen Kegel warmen Lichts auf die Straße zu Janissas Füßen.
Eilig bog sie in die Gasse zu ihrer Linken und erreichte schließlich ein unscheinbares Tor in der Palisade. Wenige Meter dahinter lag der Tümpel, welchen Mirja so beschönigend als Teich bezeichnet hatte. Ein Wäldchen aus kahlen Birken kauerte sich um das Gewässer.
Seufzend stellte Janissa den Eimer mit den Schafsblasen ab, ging in die Hocke und betrachtete den Pfuhl. Brackiges Wasser schwappte träge gegen die Uferkante.
Sie streckte die Hand aus. Als ihre Finger die Wasseroberfläche berührten, zuckte sie zurück.
„Scheiße!“ fluchte sie. Das Wasser war eiskalt. „Du dumme, alte Nuss. Das hättest du dir auch denken können.“
Mit zusammengepressten Lippen schaute sie auf den Eimer und seinen Inhalt. Wie viel sinnvoller wäre es doch gewesen, einfach Wasser aus dem Brunnen zu nehmen. Sauberes Wasser noch dazu. Aber dieses Miststück Mirja war wie immer zu geizig gewesen, genügend Brunnensteuer zu bezahlen. Lieber scheuchte sie die Mädchen vor die Tore, um ihre Drecksarbeit an dieser Lache zu verrichten. Janissa bezweifelte, dass die Schafsblasen nach einem Bad im Sumpf viel sauberer waren als davor.
In der Ferne bellte ein Hund und einige Schnepfen erhoben sich aus dem Unterholz und flatterten davon. Janissa reckte den Kopf und horchte. Nebel kroch zwischen den Birken empor. Der Geruch modrigen Laubes lag in der Luft. Noch ein Bellen.
Irgendetwas bewegte sich in einiger Distanz zu ihr durch das Unterholz. Janissas Nase nahm nun einen weiteren Geruch auf. Etwas Strenges. Pferde.
Der morastige Boden unter ihr erzitterte leicht, die Oberfläche des Tümpels kräuselte sich stärker und stärker.
Dann brach etwas Schweres aus dem Dickicht und galoppierte auf sie zu. Hufe schlugen auf den Boden, Matsch spritzte ihr ins Gesicht. Erschrocken wich sie zur Seite, stolperte über einen Stein und landete mit dem Hintern voran im Tümpel. Für einen Moment war sie von völliger Schwärze umgeben. Schlammiges Wasser drang ihr in Mund und Nase. Die Kälte brannte auf der Haut. Panisch fuhr sie mit den Händen in die Dunkelheit und versuchte Halt zu finden. Schließlich bekam sie eine Wurzel in die Finger und konnte ihren Kopf über Wasser ziehen. Sie hustete und spuckte. Dann hielt sie inne. Zahllose Lichter tanzten zwischen den Bäumen auf und ab. Um sie herum war der Wald lebendig geworden.

Sie sah alles was neben ihr geschah, aber es drang so langsam zu ihr durch wie zähfließender Honig. Männer bewegten sich um sie herum, Männer auf Pferden. Es war ein nicht enden wollender Strom.
Mit vor Kälte verkrampften Fingern klammerte sie sich an ihre Wurzel und versuchte, so still wie möglich im Wasser zu liegen. Sie hatte das Gefühl, dass alleine das Klappern ihrer Zähne ausreichen würde, die Reiter auf sie aufmerksam zu machen. Aber nichts dergleichen geschah.
Der Birkenwald war in das flackernde Licht hunderter Fackeln getaucht, so dass sie die Fremden um sich herum recht gut erkennen konnte.
Es waren Krieger von beeindruckender Statur. Sie alle trugen Schuppenpanzer und Helme, aus deren Seiten eiserne Dornen, gezackte Kämme und gebogene Hörner ragten. Um ihre breiten Schultern waren Pelze geschlungen und in den Händen trugen sie Speere, Keulen, Äxte und Bögen. Manche führten Schilde, auf deren Vorderseiten Janissa groteske Fratzen und Symbole erkannte, die alles andere als göttlichen Ursprungs waren. Ein Banner aus Menschenhaut flatterte im Wind. Zwischen den Beinen der Pferde rannten Hunde umher und kläfften wie von der Tollwut befallen. Ihr Bellen, der Hufschlag der Pferde und das monotone Scheppern von Eisen waren die einzige Laute, die weithin zu hören waren.
Als der letzte Reiter den Pfuhl passiert hatte, kroch Janissa langsam an Land. Ihr Körper fühlte sich taub an. Die Decke und das Mieder hatten sich mit Wasser vollgesogen und klebten klamm an ihrer Haut. Die sonst so kunstvoll aufgetürmte Perücke war völlig zu Grunde gerichtet. Mit einer ruppigen Bewegung streifte sie das künstliche Haar von ihrem Kopf und warf es in den Dreck. Darunter kamen graue Strähnen zum Vorschein, die ihr nass und klebrig ins Gesicht hingen. Noch immer war sie ganz verstört von jenem Schauspiel, das sich soeben zugetragen hatte. Aber Zeit zum Überlegen blieb ihr nicht.
Jenseits der Palisade, in Skedin, läuteten die Glocken Sturm.

Die Stadt brannte. Wie in einem Traum stolperte Janissa durch die vom Feuerschein erhellten Straßen. Längst hatte sie vergessen, dass sie fror. Überall um sie herum loderten die Brände, Menschen schrien in Panik und liefen links und rechts an ihr vorbei wie kopflose Hühner. Manchmal hielt jemand vor ihr inne, glotze sie verängstigt an und floh dann in die entgegengesetzte Richtung. Die fremden Krieger waren tief in die Stadt vorgedrungen und zogen nun marodierend umher. Pechfackeln wurden auf Strohdächer und in Fensteröffnungen geschleudert, fliehende Bürger im Galopp niedergeritten oder aus der Ferne mit Bögen zur Strecke gebracht.
Die Stadtwache tat ihr Bestes und stellte sich den Angreifern entgegen, hatte der feindlichen Übermacht aber nur wenig entgegenzusetzen. Wer immer den Reitern vor die Hufe kam, fiel unter den Hieben ihrer Waffen. Körper mit zertrümmerten Schädeln und zerschmetterten Knochen blieben als stumme Zeugen zurück.
Als Janissa die Meile der 99 Götter erreichte, hielt sie den Atem an. Die kunstvoll geschnitzten Statuen waren niedergerissen, die juwelenbesetzten Schreine umgeworfen und geschändet. Stattdessen hatten die Krieger ein eigenes Standbild errichtet – einen mit Blut beschmierten Totem, an dessen Spitze vier Ziegenschädel das Gemetzel nach allen Seiten hin überblickten. Ein fremder Gott aus einer fremden Welt.
Vor dem Idol tanzte eine Gruppe Männer zu den Trommelschlägen einer greisen Frau. Die Alte hatte ihr Gesicht mit Ruß geschwärzt und röchelte, krächzte und schrie aus ganzer Kehle ein scheußliches Lied in die von Flammen erhellte Nacht. Der ekstatische Gesang wurde aus den Reihen der Tänzer mit ebenso wildem Geschrei beantwortet.
Niemand achtete auf Janissa, als diese das Ritual passierte und auf die Rote Henne zuhielt. Schon von Weitem war zu erkennen, dass das Bordell vom Feuer verschont geblieben war. Sie nahm die Stufen zum Eingang und stieß die Tür auf. Für einen Moment musste sie Halt am Türrahmen suchen. Ihre Beine zitterten vor Anstrengung. Dann schaute sie nach vorn.
Zwanzig verängstigte Augenpaare starrten aus der Eingangshalle zurück.
„Bitte, tu uns nichts!“, säuselte eine Stimme, die Janissa nur allzu gut kannte. „Wir können Euch dienen, wenn Ihr es verlangt. Gut dienen! Ja?“
Janissas Mund formte ein verzweifeltes Grinsen. „Qumai, ich bin es doch nur“, sagte sie schließlich und trat einen Schritt nach vorne, so dass das Licht der Kerzen auf ihr Gesicht fallen konnte.
„Janissa?“
„Wie siehst du denn aus?“
„Wo sind ihre Haare geblieben?“
Janissa blickte in einen der Spiegel an der Wand und erschrak. Ein fremder Mensch schaute ihr entgegen.
Der weiße Puder war verlaufen und entblößte ihre zerfurchte Haut. Die Kleider starrten vor Dreck und hingen in Fetzen. Ein kleiner Ast hatte sich in ihrem Haar verfangen. Sie sah aus wie eine wilde, verwahrloste Kreatur.
„Gebt alle Ruhe!“ Mirjas Stimme drang von oberhalb der Treppe in das Vestibül. „Da bist du ja endlich. Wir haben uns große Sorgen um dich gemacht.“
„Habt ihr das?“, fragte Janissa etwas verwundert.
Mirja lächelte schmallippig. „Aber natürlich. Wir dachten schon, du wärst den Usudaren zum Opfer gefallen!“ Die Mutter glitt behände die Treppe hinab und breitete in einer übertriebenen Geste des Willkommens ihre Arme aus. „Ihre teuflischen Horden plündern die Stadt und bald werden sie hier sein! Aber du kannst uns helfen, Janissa. Du kannst für uns sprechen!“
„Eher wird sie uns verraten!“, schrie Qumai mit ihrer entsetzlich hohen Stimme. „Schaut sie euch doch an! Sie ist mehr Tier als Mensch. Usudarisches Blut kann man nicht verleugnen!“
„Wir sollten sie lieber raus jagen“, schlug eine andere Huren vor. „Sie bringt Unglück.“
„Ihr Geist ist verdorben!“
„Teufelsblut!“
Zustimmendes Gemurmel.
Janissa wollte protestieren, doch schwere Schritte von draußen ließen ihr keine Gelegenheit mehr dazu. Mit lautem Knall flog die Tür auf und drei hünenhafte, schwergerüstete Gestalten drängten in den Raum. Usudarische Krieger, mit vernarbten Gesichtern, spitz zugefeilten Zähnen und vor Blut starrenden Waffen.
Tsch'ad wad, kha na!“ brüllte der Vorderste von ihnen mit heiser Stimme und war sichtlich erfreut, als die Mädchen daraufhin wimmernd hinter Tischen und Stühlen Zuflucht suchten. Nur Janissa rührte sich nicht.
Die Usudaren schauten einander verdutzt an. Dann machte der Größte einen Schritt auf Janissa zu. Ein Gestank von Schweiß und Rauch schlug ihr entgegen. In ihren Ohren rauschte es.
Der Krieger musterte sie von oben bis unten. Dann spürte Janissa, wie er ihr etwas in die Hand drückte. Etwas Hartes, Kaltes. Sie blickte an sich hinunter und sah eine Waffe in ihrer Faust. Ein usudarisches Krummschwert.
Yesh minko!“, knurrte der Krieger und deutete mit seiner Pranke auf Mirja, die immer noch wie angewurzelt am Fuß der Treppe stand und dem Treiben verständnislos folgte. „Yesh minko, tuluk!“
„Aber mein Mädchen“, stammelte die Mutter nervös, während Janissa das Schwert in ihrer Hand wog. „Nach allem, was ich für dich getan habe? Ich gab dir zu Essen und ein Dach über den Kopf.“
„Auf Drängen Dobras“, sagte Janissa kalt und betrachtete das geronnene Blut an der Klinge. „Du musstest es ihr auf dem Totenbett versprechen, sonst wärst du niemals ihre Nachfolgerin geworden.“
Janissa machte einen Schritt nach vorne und zwang Mirja, sich gegen die Wand zu pressen. Die Augen der Mutter wurden groß, als sie ihr Schicksal erahnte.
„Usudarenschlampe! Qumai hatte Recht. Ich hätte dich rauswerfen sollen, als ich ...“
Die Stimme erstarb, als Mirjas Kopf sauber abgetrennt zu Boden fiel. Ein dicker Schwall Blut ergoss sich über den polierten Marmorboden. Qumai schrie entsetzt auf, dann fielen die anderen Huren mit ein.
Tuluk! Tuluk!“, grölten die Krieger und schlugen sich ihre Fäuste gegenseitig auf die Brust. Aber Janissa hörte weder die Schreie der Mädchen, noch die Rufe der Krieger. Das Schwert in ihrer Hand fühlte sich vertraut an. Als ob es schon immer dorthin gehörte. Es würde ihr gute Dienste leisten, wenn sie sich nahm, was sie verdiente. Was ihr zustand. Mutter Djahenna, die Herrin der Steppe.

 

Lieber Exilfranke,

deine Geschichte habe ich gerne gelesen, weil sie gut erzählt ist, Sprache und Stil passen zur Handlung, die leicht nachvollziehbar ist. Ein paar fremd klingende Namen von Personen und Orten versetzen mich in eine andere Welt und in eine andere Zeit. Du erzählst eine deftig-martialische Geschichte von Janissa, der alten Usudaren-Hure.

Was mir fehlt – obwohl du es darunter eingestellt hast - ist die Spannung. Du erzählst für mein Empfinden so ruhig, dass selbst beim Angriff der Usudaren und der Besetzung des Bordells für mich keine Dramatik aufkommen will. Da deutet sich vorher nichts Überraschendes oder Bedrohliches an, da entsteht keine bedrückende Atmosphäre, in der ich mitzittere, mitfühle. Selbst die ‚Seeräuber-Jenny’-Auflösung’ der Geschichte lässt mich als Leser relativ kalt. Ich kann nicht mitempfinden, weder mit Janissa noch mit Mirja. Liegt es möglicherweise daran, dass ich von meinem Aschenbrödel-déjà-vu und anderen Versatzstücken nicht loskam. Schade. Deiner Geschichte hätte ein wenig mehr Pfeffer gut getan.

Auch scheint mir das Zitat über der Geschichte nicht ganz zu passen. Was sagt es über die Geschichte aus? Wo ist der Zusammenhang?
‚Den Ersten der Tod, den Zweiten die Not, den Dritten das Brot’, das ist ein Spruch, der in Deutschland landauf landab bekannt war – und nicht nur bei den Friesen (meinen Vorfahren übrigens). Selbst die Donauschwaben, die von Maria Theresia in Ungarn angesiedelt wurden, haben ihn für sich in Anspruch genommen und er ist in jedem Heimatmuseum zu lesen.

Lieber Exilfranke, deine Geschichte ist gekonnt und ohne Fehl und Tadel geschrieben, deshalb habe ich sie gerne gelesen.

Liebe Grüße
barnhelm


Ps: Vielleicht solltest du eine Serie entwickeln. Mit ‚Mutter Djahenna, Herrin der Steppe’ .könnte es doch jetzt richtig losgehen. Und dann bitte mit etwas mehr Pepp.

 

Hallo Exilfranke,

ganz toll. Habe ich in einem Rutsch durchgelesen, dass ich noch nicht Mals wie sonst zwischendurch die kleinen Fehler (es waren glaube ich vier) notieren wollte. Zu sehr hat mich deine Geschichte gepackt.

Bis zu der Stelle, wo sie die Pferde sieht, hätte es auch eine gute Einführung einer neuen Figur in (d)einem Roman sein können. Das Ende gefällt mir auch sehr gut.

Nun im Anschluss doch noch, was ich beim zweiten Lesen an Kleinigkeiten gefunden habe:

und tauschten ihre hart verdienten Rovel
das Wort ist nur halb kursiv

was sie 30 Jahre lang getan hatte
Nun, zwanzig Jahre später,
entweder, oder

„Bei aller Liebe! Noch einmal und du kannst deine Sachen packen und gucken, wo du bleibst."(Gänsefüßchen)

„Es kommt nicht wieder vor“(KOMMA) sagte sie

Sucht Euch gefälligst eine andere für diesen Dre ...“
Dre...

Der weiße Puder war verlaufen und entblößte ihre zerfurchte Haut .
Leerfeld

Gerne gelesen. Klasse.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Liebe barnhelm,

vielen Dank für dein Feedback. Natürlich freue ich mich über dein Lob, knabbere aber auch an den Mängeln, die du siehst. Besonders, was die Spannung anbelangt. Immerhin habe ich die Geschichte vollmundig unter dieser Rubrik eingestellt. Dann sollte sie auch halten, was sie verspricht.

deine Geschichte habe ich gerne gelesen, weil sie gut erzählt ist, Sprache und Stil passen zur Handlung, die leicht nachvollziehbar ist.

Da mach ich einen Haken bei mir. Kann ich nämlich selbst am allerwenigsten einschätzen, ob eine Handlung außerhalb meiner Vorstellungen nachvollziehbar ist.

Ein paar fremd klingende Namen von Personen und Orten versetzen mich in eine andere Welt und in eine andere Zeit. Du erzählst eine deftig-martialische Geschichte von Janissa, der alten Usudaren-Hure.

:thumbsup:

Dem entnehme ich, dass ich es nicht übertrieben habe mit "random dropping of exotic names", wie es so schön heißt. Das Umfeld ist lose an das slawische Mittelalter angelegt.

Du erzählst für mein Empfinden so ruhig, dass selbst beim Angriff der Usudaren und der Besetzung des Bordells für mich keine Dramatik aufkommen will. Da deutet sich vorher nichts Überraschendes oder Bedrohliches an, da entsteht keine bedrückende Atmosphäre, in der ich mitzittere, mitfühle.

Die Kritik lasse ich mir gerne schmecken. Du bist nicht die erste, die mir eine ruhige Erzählweise bescheinigt. Ich hab auch keine Ahnung, wie ich das abstellen kann, bzw. wie man schneller oder turbulenter erzählt. Ich habe versucht, diesem Mangel mit kürzeren, abgehackteren Sätzen entgegenzuwirken, das hab ich mir woanders abgeguckt. Hilft aber anscheinend alles nix.

Selbst die ‚Seeräuber-Jenny’-Auflösung’ der Geschichte lässt mich als Leser relativ kalt. Ich kann nicht mitempfinden, weder mit Janissa noch mit Mirja. Liegt es möglicherweise daran, dass ich von meinem Aschenbrödel-déjà-vu und anderen Versatzstücken nicht loskam. Schade. Deiner Geschichte hätte ein wenig mehr Pfeffer gut getan.

Möglicherweise muss ich den Leidensdruck am Anfang erhöhen. Die Leser sollten im optimalen Fall die selbe Befriedigung verspüren wie Janissa im Augenblick ihrer Rache, bzw. in dem Moment, wo sie ihre wahre Identität willkommen heißt.

Auch scheint mir das Zitat über der Geschichte nicht ganz zu passen. Was sagt es über die Geschichte aus? Wo ist der Zusammenhang?

Dieses Zitat hatte ich mal in einem Dorf gelesen und da kam mir die Idee, eine Story im Umfeld einer Sumpfsiedlung zu schreiben. Möglicherweise führt es aber tatsächlich in die Irre, da der Bezug zur Handlung fehlt.

Ps: Vielleicht solltest du eine Serie entwickeln. Mit ‚Mutter Djahenna, Herrin der Steppe’ .könnte es doch jetzt richtig losgehen. Und dann bitte mit etwas mehr Pepp.

Auf jeden Fall behalte ich die Figur einsatzbereit im Hinterkopf! Eine alternde Kampfhure ist schon was Wert.

Einen schönen Restsonntag wünsche ich dir!:)

Lieber GoMusic,

ganz toll. Habe ich in einem Rutsch durchgelesen, dass ich noch nicht Mals wie sonst zwischendurch die kleinen Fehler (es waren glaube ich vier) notieren wollte. Zu sehr hat mich deine Geschichte gepackt.

du folgst meinem Ausflug zu den Kurzgeschichtlern und das freut mich. Noch mehr freue ich mich darüber, dass Janissas aufregende Nacht dich packen konnte.

Bis zu der Stelle, wo sie die Pferde sieht, hätte es auch eine gute Einführung einer neuen Figur in (d)einem Roman sein können. Das Ende gefällt mir auch sehr gut.

Eines Tages werde ich diese ganze Figuren zusammenführen. Eines Tages ...

Die kleinen Fehler, diedein Adlerauge aufgestöbert hat, sind bereits verbessert. Vielen Dank!

Exilfranke :)

 

Hallo Exilfranke

Ich habe deine Geschichte ebenfalls in einem Rutsch gelesen und mir gefallen besonders die Kleinigkeiten. Ich finde, dass Wörter wie "Schoßfäule" genial sind. Jeder kann sich etwas darunter vorstellen, es passt in das anrüchige leicht eklige Ambiente eines Bordells und es dient gleich dazu, deine Mirja herrlich unsympathisch zu machen. Und das Beste ist: bei zwei Google-Suchergebnissen gehe ich mal davon aus, dass das Wort deine alleinige Erfindung ist ;)

Weiterhin gefällt mir, deine Art mit klassischen Fantasy-Systemen zu spielen. Die bösen Usudaren sind genau das, was man sich unter einer "Schwarzen Armee" vorstellt. Stacheln, Ziegenköpfe, eine harte Sprache, Mord, Brandschatzung, alles, was dazu gehört. Und trotzdem haben sie in deiner Geschichte eine Gerechtigkeit bringende Funktion, die den Leser erstens mit der Frage zurück lässt, ob Janissas Handeln am Ende wirklich gerecht war, und zweitens, wie es mit ihr weitergeht. Eine schöne Leerstelle, die nicht unbedingt gefüllt werden muss.

Ich könnte noch viel lobenswertes zur Wortwahl und zum gut strukturierten Aufbau sagen, aber man merkt deinem Text an, dass du dich da sowieso auf sicherem Terrain bewegst.

 
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Hey Exilfranke,

schön, mal wieder eine Kurzgeschichte von dir zu lesen. ;)

Das hat mir sehr gut gefallen. Düstere Fantasy ohne Zwerge, Elfen und Drachen, sondern mit Huren, Krieg und Tod. Das ist Fantasy nach meinem Geschmack. Aber barnhelm hat recht, wenn sie sagt, dass die Geschichte nicht so spannend ist, zumindest in der ersten Hälfte. Aber ich finde das nicht schlimm, denn der Text hat etwas wesentlich Wichtigeres, nämlich Atmosphäre und eine sympathische Protagonistin. Die hat mir richtig leidgetan, wie sie von den jungen Huren schikaniert wurde und die ganze Drecksarbeit machen musste. Da fühlt man am Ende, bei der Enthauptung der miesen Puffmutter, doch sowas wie Genugtuung, und das will bei einem Text was heißen.

In der zweiten Hälfte wird es dann spannender. Es ist zwar schnell klar, dass es die Usudaren sind, die da alles abfackeln, aber das tut der Spannung keinen Abbruch, will man doch wissen, wie es mit Janissa weitergeht. Ich fand das gut, wie sie da durch die Stadt läuft und alles in Flammen steht und Menschen schreien, brennen, sterben.

Der Text hat mich an die Hexer-Saga von Andrzej Sapkowski erinnert, der schreibt auch hin und wieder über Huren (aber nicht als Protagonisten) und hält sich mit der Sprache nicht zurück. Also man merkt, dass du dich vom slavischen Mittelalter hast inspirieren lassen. Find ich klasse, das liest man viel zu selten. Die Dialoge sind dir übrigens gut gelungen, wunderbar authentisch, echt.

Obszöne Fratzen waren in das Holz geschnitzt, verschlungene Paare, riesige Phalli und üppige Vulven.

Ha, da entsteht ein starkes Bild in meinem Kopf. Sehr einprägsam. :thumbsup:

Bilder aus einer Zeit, in der die Rote Henne noch eine Absteige für rovanische Siedler gewesen war, die zum Torfstechen nach Skedin kamen.

Bei so einem name dropping von Fantasieorten besteht ja immer die Gefahr, dass der Leser mit nem großen Fragezeichen über dem Kopf da sitzt. Aber ich finde, du hast genau das richtige Maß. Man wird in die Fantasiewelt hineinversetzt, find ich klasse.

Dobra erkannte das Potential, dass in ihr schlummerte und lehrte sie, wie man Männer glücklich machte.

das
Mein Gefühl sagt mir, dass man hinter dem schlummerte vielleicht ein Komma setzen sollte, aber sicher bin ich mir grad auch nicht.

Insgeheim war es Janissa Hoffnung gewesen, eines Tages selbst die Mutter der Henne zu werden, doch die Götter waren wohl anderer Meinung.

Janissas

Ihr graues Haar war zu einem Kranz gewunden, darunter funkelten zwei wache Augen in einem Gesicht von fast nobler Blässer.

Blässe

Mit letztem Stolz wischte sie die Träne aus ihrem Gesicht, griff nach dem Eimer und verschwand hoch erhobenen Hauptes nach draußen.

Der Satz liest sich ohne das hoch besser, finde ich.

Panisch fuhr sie mit den Hände in die Dunkelheit und versuchte irgendwo Halt zu finden.

Händen; braucht es das irgendwo?

Die Decke und das Mieder hatten sich mit Wasser vollgesogen und klebten klamm an ihrer Haut.

Ist klamm nicht ein zu schwaches Adjektiv für etwas, das mit Wasser vollgesogen ist? Oder meinst du das im Sinne von steif vor Kälte? Vielleicht wäre dann eiskalt oder gefroren o.ä. besser. Aber vielleicht lieg ich da auch falsch. ;)

Wie in einem Traum stolperte Janissa durch die von Feuerschein erhellten Straßen.

vom, oder?

Dann machte der Größte einen Schritt auf Janissa zu.

Bezieht sich das Größte nicht auf die Usudaren aus dem Satz davor und müsste demnach klein geschrieben werden?

Die Stimme erstarb, als Mirjas Kopf sauber abegtrennt zu Boden fiel.

abgetrennt

Die Bewandtnis des Zitats erschließt sich mir aber auch nicht, keine Ahnung, ob es das braucht. Edit: Ich sehe, du hast es rausgenommen, also nevermind. :D

Wieder sehr gute Fantasy-Unterhaltung von dir, lieber Exilfranke. Da bleibt echt nicht viel zu meckern, einfach toll gemacht. Vielen Dank dafür. ;)

Liebe Grüße,
gibberish

 

Hola Exilfranke,

herzlichen Glückwunsch zur gelungenen Kurzgeschichte! Ich hatte einen Riesenbock auf einen Text wie diesen – satt und prall, na ja, eben aus Meisterhand.
Aus der Hand des Meisters aus Franken.
Nach Art der Märchenerzähler lässt Du den Leser nicht mehr los, hier ist Saft und Kraft (und natürlich strotzende Fantasie) eingearbeitet.
Müßig, all die schönen Sätze und Partien aufzuzeigen, lieber noch ein zweites Mal lesen. Ja, das war mir wirklich eine Freude!

Zu kritisieren habe ich nichts.
Höchstens zu fragen:

Inzwischen verweste Mutter Dobra in einem Massengrab

Warum landet eine schwerreiche Puffmutter im Massengrab? Bei den damaligen Preisen hätte sie doch ein Mausoleum mit links bezahlen können.

... und üppige Vulven.
Wieder was gelernt. Auf meine alten Tage werd ich’s nicht mehr anwenden können, aber jetzt versteh ich’s wenigstens, wenn mal davon die Rede ist.

Zwischen schweren Lüstern ragten die Streben des Dachgebälks hervor und verrieten dem aufmerksamen Beobachter etwas über die bescheidenen Anfänge des Hauses.

Das find ich richtig gut. Klasse. Aber das trifft ja auf die ganze Geschichte zu.

Janissas Nase nahm nun einen weiteren Geruch auf.

Einmal Pfeffermühle bitte.

Der Säbel in ihrer Hand fühlte sich richtig an.

Jeder versteht’s. Vielleicht aber, im Finale, wäre hier eine wuchtigere Formulierung gut.

Fränkischer Meister, mach Dir mal ´ne Notiz:

José – ein Fan mehr.

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Bishop,

danke für deine tolle Kritik!

Ich habe deine Geschichte ebenfalls in einem Rutsch gelesen und mir gefallen besonders die Kleinigkeiten. Ich finde, dass Wörter wie "Schoßfäule" genial sind. Jeder kann sich etwas darunter vorstellen, es passt in das anrüchige leicht eklige Ambiente eines Bordells und es dient gleich dazu, deine Mirja herrlich unsympathisch zu machen. Und das Beste ist: bei zwei Google-Suchergebnissen gehe ich mal davon aus, dass das Wort deine alleinige Erfindung ist

Das ist ein netter Nebeneffekt, ja, das wusste ich noch gar nicht.:D
Ehrlich gesagt kam der Begriff beim Schreiben recht schnell. Vermutlich habe ich an Mundfäule gedacht und das ganze ein paar Stockwerke nach unten verfrachtet. So kann's gehen. Wie du schon sagtest: Schön eklig.

Weiterhin gefällt mir, deine Art mit klassischen Fantasy-Systemen zu spielen. Die bösen Usudaren sind genau das, was man sich unter einer "Schwarzen Armee" vorstellt. Stacheln, Ziegenköpfe, eine harte Sprache, Mord, Brandschatzung, alles, was dazu gehört.

Anfangs waren die Usudaren übrigens eher so Mongolen/Hunnen 2.0, aber dann dachte ich mir: Was soll der Geiz. Immerhin wird hier harte Fantasy geschrieben! Und dann habe ich mich daran erinnert, wie römische Chronisten in der Spätantike die Hunnen beschrieben haben. So hätten diese bereits durch ihr "furchtbares Aussehen" Feinde in die Flucht gejagt. "Sie hatten nämlich ein schreckliches schwärzliches Ansehen", berichtet der Ostgote Jordanes, "gewissermaßen einen abscheulichen Klumpen und kein Gesicht, eher Punkte als Augen." Ihre Kinder würden sie von Geburt an grausam behandeln und "mit Eisen die Wangen" der Knaben durchschneiden, um sie gegen Schmerzen abzuhärten. Usw. usf. Also wieso nicht mal diesen Ansatz nehmen?


Ich könnte noch viel lobenswertes zur Wortwahl und zum gut strukturierten Aufbau sagen, aber man merkt deinem Text an, dass du dich da sowieso auf sicherem Terrain bewegst.

Über diese Einschätzung freue ich mich sehr! Muchos gracias!

Lieber gibberish,

Das hat mir sehr gut gefallen. Düstere Fantasy ohne Zwerge, Elfen und Drachen, sondern mit Huren, Krieg und Tod. Das ist Fantasy nach meinem Geschmack.

Klasse! Ich rühre immer gern die Werbetrommel für diese Spielart des Genres.

Aber @barnhelm hat recht, wenn sie sagt, dass die Geschichte nicht so spannend ist, zumindest in der ersten Hälfte. Aber ich finde das nicht schlimm, denn der Text hat etwas wesentlich Wichtigeres, nämlich Atmosphäre und eine sympathische Protagonistin.

Dann kann ich damit leben. Es stimmt schon. Der Beginn ist sehr gemächlich und nimmt sich die Zeit, dass Setting wirken zu lassen. Erst ab dem Tümpel zieht das Tempo dann an. Ich bin jetzt etwas beruhigt, dass dir die Identifikation mit Janissa gelungen ist. Am schlimmsten wäre für mich gewesen, wenn die Leser ihre Tat am Ende moralisch nicht mitgetragen hätten. Dann würde diese Geschichte nicht funktionieren.

Der Text hat mich an die Hexer-Saga von Andrzej Sapkowski erinnert, der schreibt auch hin und wieder über Huren (aber nicht als Protagonisten) und hält sich mit der Sprache nicht zurück. Also man merkt, dass du dich vom slavischen Mittelalter hast inspirieren lassen. Find ich klasse, das liest man viel zu selten. Die Dialoge sind dir übrigens gut gelungen, wunderbar authentisch, echt.

Ist schon auf mein To-Read List notiert.:D

Wieder sehr gute Fantasy-Unterhaltung von dir, lieber Exilfranke. Da bleibt echt nicht viel zu meckern, einfach toll gemacht. Vielen Dank dafür.

Ich habe zu danken! Als großer Fan deiner Erzwählweise freut es mich besonders, deinen Nerv getroffen zu haben. Die kleinen Fehler, die du noch erspäht hast, sind inzwischen auch alle beseitigt.

Lieber josefelipe,

Fränkischer Meister, mach Dir mal ´ne Notiz:

José – ein Fan mehr.


Notiert und mit einem Stern eingerahmt. Danke für die Zeit, die du dir genommen hast!

Nach Art der Märchenerzähler lässt Du den Leser nicht mehr los, hier ist Saft und Kraft (und natürlich strotzende Fantasie) eingearbeitet.
Müßig, all die schönen Sätze und Partien aufzuzeigen, lieber noch ein zweites Mal lesen. Ja, das war mir wirklich eine Freude!

Da kann ich gar nicht viel zu sagen, außer, dass ich mit soviel Lob nicht gerechnet hatte. Ein Lob, dass ich aber auch zurückgeben möchte. Ohne dieses Forum wäre ich sicher noch auf einem ganz anderen Level. Was ich hier binnen kurzer Zeit gelernt und erfahren habe, ist durch keinen Schreibratgeber aufzuwiegen.

Zu kritisieren habe ich nichts.
Höchstens zu fragen

Und gerne stehe ich dir mit Antwort parat!

Warum landet eine schwerreiche Puffmutter im Massengrab? Bei den damaligen Preisen hätte sie doch ein Mausoleum mit links bezahlen können.

Das sollte wohl eine Anspielung auf eine Epidemie sein, die damals gewütet hat. Vielleicht sollte ich das nochmal aufgreifen, am Besten in der Szene in der Mirja von Janissa auf Dobras Totenbett angesprochen wird.

Jeder versteht’s. Vielleicht aber, im Finale, wäre hier eine wuchtigere Formulierung gut

Ich werde mir was ausdenken!:D

Nochmals Danke für die vielen netten Worte. Toll, dass du Spaß damit hattest!

Exilfranke :D

 

Lieber Exilfranke

Ich mag deinen opulenten saftigen Stil, deine offensichtliche Freude an Spache. Die Beschreibungen finde ich äusserst gelungen, vor allem auch die Szenen in der Natur. Zum Thema Spannung:

In der Ferne bellte ein Hund und einige Schnepfen erhoben sich aus dem Unterholz und flatterten davon. Janissa reckte den Kopf und horchte. Nebel kroch zwischen den Buchen empor. Der Geruch modrigen Laubes lag in der Luft. Noch ein Bellen.
Irgendetwas bewegte sich in einiger Distanz zu ihr durch das Unterholz. Janissas Nase nahm nun einen weiteren Geruch auf. Etwas Strenges. Pferde.
Der morastige Boden unter ihr erzitterte leicht, die Oberfläche des Tümpels kräuselte sich stärker und stärker.
Dann brach etwas Schweres aus dem Dickicht und galoppierte auf sie zu. Hufe schlugen auf den Boden, Matsch spritzte ihr ins Gesicht. Erschrocken wich sie zur Seite, stolperte über einen Stein und landete mit dem Hintern voran im Tümpel.

Diese Passage ist super spannend geschrieben, finde ich.

Noch zwei, drei Vorschläge:

„Ein Mann nimmt sich was er will“, hatte Mutter Dobra immer zu sagen gepflegt.
Ich würde "immer" streichen.

Männer, die nach getaner Arbeit in den Sümpfen nach Entpsannung suchten.
Entspannung.

Noch mochten diese Dinger jung und hübsch sein, doch die Jahre im Bordell ließen Schönheit schnell vergehen. In wenigen Jahren würden sie ihr Schicksal teilen.

Einmal könnte man Jahre durch etwas anderes ersetzen.

Ich hätte ich rauswerfen sollen, als ich ...“
dich

Gern gelesen
Peeperkorn

 

Lieber Exilfranke,

das ist schön, nach dem Urlaub wieder was von dir zu lesen (Logwar hab ich glaub verpasst, das muss ich noch nachholen), das zwar in der selben Welt spielt, aber von anderen Charakteren handelt. Mir gefällt, wie du die Welt drum rum erschaffen hast. Worldbuilding sollte ja sowas wie ein Eisberg sein, wovon man in der Geschichte 10% mitkriegt, und der Rest unbekannt bleibt, bzw. wovon "man weiss, dass da noch was ist", und hier habe ich diesen Eindruck.

Ich habe nur die ersten paar Kommentare durchgelesen, daher entschuldige bitte, falls was davon schon genannt wurde.

Von der Sprache her fand ich die ganze Geschichte sehr solide, sehr angenehm geschrieben und flüssig zu lesen. Der Stil gefällt mir (er gefällt mir sogar besser, als eine der ersten Logwar-Geschichten).

Gross anzumerken habe ich nichts - einzig vielleicht, dass ich ein wenig in die gleiche Richtung wie barnhelm ziele, was die Spannung angeht. Die Reitermeute brach für meinen Geschmack ein wenig zu "unspektakulär" durch das Wäldchen. Du beschreibst zwar schön die Sinneseindrücke (riechen, sehen, fühlen - hören tut sie aber bestimmt auch was, bevor die Truppe aus dem Wald bricht, so eine schwergerüstete Meute klingt bestimmt laut ...?), ich kann dir aber nicht genau sagen, woran es liegt, dass ich die Spannung an dieser Stelle vermisse.

Und ein paar beschriebene Gräueltaten der Stadteroberung (-verwüstung) im Detail mehr hätten mich auch gefreut - aber das ist wahrscheinlich definitiv Geschmacksache ;)

Am Ende dachte ich, dass sich die Reiter und Janissa irgendwoher kennen, weil da ein paar Krieger einer Hure mir nichts, dir nichts den Säbel in die Hand drücken. Aber vielleicht sind die Usudaren auch so "markant", dass sie sich gegenseitig erkennen.

Eine Frage noch, bzw. eine Anmerkung: Am Anfang schreibst du "Rote Henne" kursiv, nachher nicht mehr, ist das Absicht?

Gerne gelesen, tolle Hintergrundgeschichte!

Liebe Grüsse
Raki

 

Lieber Peeperkorn,

deine Geschichten liegen hier schon ausgedruckt auf dem to-read-Stapel, dennoch bist du mir zuvor gekommen. Danke für deinen tollen Kommentar!

Ich mag deinen opulenten saftigen Stil, deine offensichtliche Freude an Spache. Die Beschreibungen finde ich äusserst gelungen, vor allem auch die Szenen in der Natur.

Schön! Dass die Geschichte für dich spannend war, ist ebenfalls beruhigend. Anscheinend empfindet das jeder anders. Ich kann nur schwer beurteilen, ob die Geschichte spannend ist, da ich als Autor ja total befangen bin. Ich habe sie so geschrieben, wie ich sie gerne lesen würde. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Deine Verbesserungsvorschläge habe ich bereits gewissenhaft umgesetzt!

Liebe Raki,

willkommen zurück! :)

Logwar hab ich glaub verpasst, das muss ich noch nachholen

Macht überhaupt nix, ich komm derzeit eh nicht mit dem Überarbeiten hinterher.

Mir gefällt, wie du die Welt drum rum erschaffen hast. Worldbuilding sollte ja sowas wie ein Eisberg sein, wovon man in der Geschichte 10% mitkriegt, und der Rest unbekannt bleibt, bzw. wovon "man weiss, dass da noch was ist", und hier habe ich diesen Eindruck.

Das liegt vor allem daran, dass ich mir genug weiße Flecken auf der Landkarte gelassen habe, um eine Vielzahl an Geschichten zu erzählen. Zwar hab ich eine grobe Vorstellung von den einzelnen Regionen, aber die ist so rudimentär, dass ich die entsprechenden Ecken quasi erst beim Schreiben erkunde. Nichts ist der Kreativität abträglicher, als eine im Vorfeld bis ins Detail ausformulierte Welt. Allerdings hat dies den Nachteil, dass ich manchmal alte Geschichten überarbeiten muss, weil sich die Lore geändert hat.

Am Ende dachte ich, dass sich die Reiter und Janissa irgendwoher kennen, weil da ein paar Krieger einer Hure mir nichts, dir nichts den Säbel in die Hand drücken. Aber vielleicht sind die Usudaren auch so "markant", dass sie sich gegenseitig erkennen.

Da werde ich nochmal nachjustieren. Die Usudaren sehen schon anders aus als die Rovanen. Auch haben in der usudarischen Gesellschaft ältere Frauen einen hohen Stellenwert. Auch das werde ich nochmal gesondert betonen.

Eine Frage noch, bzw. eine Anmerkung: Am Anfang schreibst du "Rote Henne" kursiv, nachher nicht mehr, ist das Absicht?

Ich habe gelesen, dass einmal kursiv reicht um einen herausgehobenen Eigennamen kenntlich zu machen. Im weiteren Fließtext kann der Begriff dann normal ausgeschrieben werden. Das gleich gilt für Rovel.

Gerne gelesen, tolle Hintergrundgeschichte!

Besten Dank!

X-Franke :)

 

Da werde ich nochmal nachjustieren. Die Usudaren sehen schon anders aus als die Rovanen. Auch haben in der usudarischen Gesellschaft ältere Frauen einen hohen Stellenwert. Auch das werde ich nochmal gesondert betonen.
Toll, da bin ich gespannt drauf!

Ich habe gelesen, dass einmal kursiv reicht um einen herausgehobenen Eigennamen kenntlich zu machen.
Ah, wieder was gelernt - merci :)

 

Hallo Exilfranke,

wunderbar bildhafte Sprache, fluffig, Spannungsbogen vom Anfang bis zum Ende, gute, ja ausgezeichnete Unterhaltung :)
(Eigentlich wollte ich noch schreiben, dass darum auch das Problem liegt; du begnügst dich mit Unterhaltung und Spannung, dabei könntest du viel mehr angesichts der offensichtlichen sprachlichen Fähigkeiten... aber nein: das schreibe ich jetzt doch nicht oder nur in Klammern)

Ich habe es ausgesprochen gern gelesen :)

Nur der Titel ist mir zu leicht dahin geplaudert, angesichts der im Grunde grausamen Geschichte...

Einzelanmerkungen:

„Ein Mann nimmt sich was er will“, hatte Mutter Dobra zu sagen gepflegt. „Erst nimmt er dich. Und dann nimmst du ihn aus.“
Da denke ich, dass jetzt gleich Mario Barth auftritt oder ein anderer Komödiant, für mich ein schlechter Beginn, wenn man bedenkt, was folgt...

Dünner Rauch stieg aus goldenen Schalen und betörte die Sinne mit einem Duft von Jasmin und Moschus.
Das ist interessant... wie haben die den Duft von Jasmin und Moschus zum rauchen gebracht?

Sie sah alles KOMMA was neben ihr geschah, aber es drang so langsam zu ihr durch wie zähfließender Honig.

viele Grüße aus der Taunus-Hügellandschaft in die Steppe irgendwo:)
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin Isegrims, alter Wolf,

Eigentlich wollte ich noch schreiben, dass darum auch das Problem liegt; du begnügst dich mit Unterhaltung und Spannung, dabei könntest du viel mehr angesichts der offensichtlichen sprachlichen Fähigkeiten... aber nein: das schreibe ich jetzt doch nicht oder nur in Klammern

Ein kluger Mann sagte mal, wer sich rechtfertigt, klagt sich an. Aber nur kurz, weil das ja eigentlich ein Kompliment ist: Schreiben hat für mich immer eine stark eskapistische Komponente und erlaubt es, ein wenig Abstand zu den Wirren und dem Informationsoverkill der Gegenwart zu gewinnen. Immerhin, Autoren, die die "großen Themen" dieser Welt wälzen oder den Roman ihrer Generation schreiben wollen, gibt es doch schon en masse. Da möchte ich mich ganz bewusst nicht einreihen. Wenn mich etwas aus dem Tagesgeschehen beschäftigt, dann fließt das meist eher chiffriert mit ein. Themenkomplexe wie das Verhältnis verschiedener Religionen zueinander, Machtmissbrauch, Traditionsverlust und Dekadenz bspw. wären Motive, die bei mir immer mal wieder auftauchen.

Ich habe es ausgesprochen gern gelesen!

Das freut mich! Vielen Dank!:)

Nur der Titel ist mir zu leicht dahin geplaudert, angesichts der im Grunde grausamen Geschichte...

Den habe ich bewusst so harmlos gewählt. Ich finde er passt ausgezeichnet, da die Bedeutung erst gegen Ende zum Tragen kommt.

„Ein Mann nimmt sich was er will“, hatte Mutter Dobra zu sagen gepflegt. „Erst nimmt er dich. Und dann nimmst du ihn aus.“

Da denke ich, dass jetzt gleich Mario Barth auftritt oder ein anderer Komödiant, für mich ein schlechter Beginn, wenn man bedenkt, was folgt...


Diese Assoziation möchte ich natürlich nicht ... der Satz zielte eher darauf, den Geschäftssinn der Huren und die damit einhergehenden Reflexion ihrer eigenen Tätigkeit zu unterstreichen. In "Ein Mann nimmt sich was er will" steckt natürlich noch etwas anderes, ein Vorwurf, bzw. eine Angst.

Das ist interessant... wie haben die den Duft von Jasmin und Moschus zum rauchen gebracht?

Duftkerzen aus dem Drogeriemarkt, schätze ich.;)

Vielen Dank für deinen Kommentar!

Exilfranke :)

 

Gudde Exilfranke:)

Ein kluger Mann sagte mal, wer sich rechtfertigt, klagt sich an. Aber nur kurz, weil das ja eigentlich ein Kompliment ist: Schreiben hat für mich immer eine stark eskapistische Komponente und erlaubt es, ein wenig Abstand zu den Wirren und dem Informationsoverkill der Gegenwart zu gewinnen. Immerhin, Autoren, die die "großen Themen" dieser Welt wälzen oder den Roman ihrer Generation schreiben wollen, gibt es doch schon en masse. Da möchte ich mich ganz bewusst nicht einreihen. Wenn mich etwas aus dem Tagesgeschehen beschäftigt, dann fließt das meist eher chiffriert mit ein. Themenkomplexe wie das Verhältnis verschiedener Religionen zueinander, Machtmissbrauch, Traditionsverlust und Dekadenz bspw. wären Motive, die bei mir immer mal wieder auftauchen.

Also: ich liebe gut gemachte Unterhaltung und das schaffst du allemal :) und große Themen behandelst du doch: Gier, Rache, Sehnsucht...:)

Dennoch: ICH will ihn ja schreiben, den richtig großen Roman, der die richtig großen Themen behandelt... oh ja :)

Und noch was:

Duftkerzen aus dem Drogeriemarkt, schätze ich.
Beim R...mann gibt´s Vanille und Lavendel, auch nicht schlecht :)

viele Grüße in den Norden :)
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Isegrims,

bitte entschuldige, dass ich erst jetzt zu einer etwas längeren Antwort ausholen kann.

Also: ich liebe gut gemachte Unterhaltung und das schaffst du allemal und große Themen behandelst du doch: Gier, Rache, Sehnsucht...

Gut, klar ... das kann man so sehen. Das sind Themen, die uns bewegen, weil wir sie nachvollziehen können. Tod, Liebe. Noch zwei große Themen. Aber das meinte ich gar nicht. Das sind für mich eher Basics, die in fast jeder Geschichte auf die ein oder andere Art Verwendung finden. Quasi das Grundgerüst, das mit uns in Korrespondenz zu treten versucht. Ohne diese Basics kann ich mich nur schwer eine funktionierende Erzählung vorstellen. Insofern lasse ich das nicht gelten.^^

Nein, was ich wohl meinte ist ein wenig schwieriger Worte zu fassen. Es gibt Bücher, die erscheinen zur rechten Zeit am rechten Ort. Kitzeln den Zeitgeist. Fangen ein Lebensgefühl ein oder definieren es. Geben der Jugend einer Stimme oder lassen sie verstummen. Eröffnen eine neue Perspektive auf die Probleme ihrer Zeit oder übertünchen diese mit einer Vision. Sowas halt. Mir fällt Krachts "Faserland" ein. Das war so ein Roman. "Elementarteilchen" auch. Oder etwas von Paulo Coelho. Oder Sofies Welt (In der Aufzählung liegt weder Wertung noch persönliche Präferenz).

Ich möchte in erster Linie unterhalten und aus der Literatur keine Bühne für meine Weltsicht machen. Und wenn mir das doch passiert, dann eignet sich das Fantasy-Genre besonders gut, dies zu kaschieren. Wäre Logwar kein braungebrannter Krieger aus einem Wüstenreich, meine Güte, die Leute würden ihn für ein reaktionäres Arschloch mit einem gewaltigen Aggressionsbewältigungsproblem halten. Damit komm ich nur durch, weil dieser "Der ruhmreiche Tod in der Schlacht ist das einzige Lebensziel"-Archetyp im Rahmen der Welt, die ich entworfen habe, funktioniert. Auf das Hier und Jetzt bezogen wäre Logwar ein dysfunktionaler Charakter ohne Identifikationspotential und Chance auf Sympathie.

tl;dr: Keine Figur, von der ich erzählen möchte, ist in einem realitätsbezogenen Setting besonders ansprechend. Und ich finde realitätsbezogene Settings wenig ansprechend, weil ich der Gegenwart nichts zu sagen habe und auch nichts mehr von ihr gesagt bekommen möchte. Klingt ein wenig verbittert, was?

Dennoch: ICH will ihn ja schreiben, den richtig großen Roman, der die richtig großen Themen behandelt... oh ja

Das sei dir gegönnt. Ehrgeiz ist ein guter Motor! Was sind deine Ideen?

viele Grüße in den Norden
Isegrims

Besten Gruß in den Taunus!

Exilfranke :)

 

Hallo Exilfranke,
Ausgezeichneter Anfang

„Ein Mann nimmt sich was er will“, hatte Mutter Dobra zu sagen gepflegt. „Erst nimmt er dich. Und dann nimmst du ihn aus.“
Der könnte auch in einer zeitgenössischen Erzählung am Anfang stehen.
In dieser Geschichte fand ich die Atmosphäre besonders gut gelungen.
Details wie:
Obszöne Fratzen waren in das Holz geschnitzt, verschlungene Paare, riesige Phalli und üppige Vulven
lassen im Leser ein Bild der roten Henne entstehen.
Etwas verbesserungswürdig fand ich den Konflikt zwischen Jessica und Mirja. Mirja steckt nur ein und das ganze läuft nicht wirklich auf einen Showdown hinaus, an dessen Ende Jessica die Schafsblasen waschen muss. Ich frage mich auch, wie es sein konnte, dass Mirja zur Mutter wurde und warum sie ihre Konkurrentin nicht einfach vertreibt. Vielleicht hat Jessica ja doch noch irgendeinen Trumpf, der nichts mit den Usudaren zu tun hat.
Zum Ende hin verläuft die Geschichte jedenfalls sehr geradlinig und das fand ich eine 1A geschrieben.


lg
Bernhard

 

Lieber Exilfranke,

Deine Geschichte gefällt mir gut und ich glaube auch, dass sie einen guten Auftakt zu einer "Serie" bieten könnte. Deine ruhige Schreibweise stört mich eigentlich nicht, vielmehr habe ich mich als Leserin in einer fremden Fantasiewelt an die Hand genommen gefühlt. Ich kämpfe auch immer damit, meine Geschichten nicht mit Fantasieorten und -namen zu überladen. Das ist Dir auch gerade wegen der ruhigen Schreibweise und dem stringenten Aufbau gut gelungen.
Ich vermisse nur in einer Hinsicht "Emotionen". Janissa scheint ja eigentlich eine "ganz Nette" zu sein. Deswegen irritiert mich, wie schnell sie bei erster Gelegenheit zu einer so grauenvollen Tat schreitet und gleich jemanden den Kopf abschlägt. Sicherlich können erniedrigende Arbeiten und ständiges "Mobbing" einen solchen Hass provozieren, aber davon kommt bei Janissa zu Beginn der Story wenig herüber. Vielmehr erscheint sie mir zu Beginn der Geschichte resigniert und schlüpft quasi in ein Kostüm, um wieder halbwegs zu "strahlen." Auch lenkt sie sehr schnell ein, als sie die Retro-Kondome in die Hand gedrückt bekommt. Ich hätte hier auf jeden Fall eine größere "innere" Wut erwartet. Mir ist Mirja also auch aus der Perspektive von Janissa noch nicht unsympathisch genug, damit eine so nette Person wie Janissa die Hemmschwelle zum Töten so spontan überwindet.

Liebe Grüße
Mädy

 

Hallo Exilfranke,

anscheinend hat es dir gut getan, dich von deinem Logwar vorerst zu trennen und dich anderen Geschichten zu widmen. Die hier finde ich ziemlich gut, finde, deine Schreibe hat noch mal einen Sprung gemacht. In den Logwar-Geschichten war es mir ja teilweise noch etwas zu bunt, hier aber sind mir kaum wirklich störende Holperer aufgefallen. Finde jetzt auch keine Zeit, dir die paar anzumarkern.
Setting finde ich auch klasse. Da hast du schon ein paar eklig gute Details drin, die das ganze in ein klares Bild rahmen.
Die Auflösung dann, das ist jetzt schon der Holzhammer und wenn man da nach der Moral schielt ... :schiel: ;) Nein, das geht schon absolut in Ordnung so. Liest sich aber eher nach dem Anfang von etwas Größerem.
Ein bisschen glatt geht das dann im Freudenhaus zu am Ende. Sie wird gleich als eine der ihren erkannt? Vollkommen akzeptabel, aber eben glatt.

Gern gelesen
grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Exilfranke,

da ich neu in der Gemeinde bin, ist dies der erste Text von dir, den ich zu Gesicht bekomme. Es fällt mir oft schwer, einen Text komplett analytisch durchzulesen, weil mich die Story zu sehr gefangen nimmt. Meist schaffe ich es aber trotzdem. Aber bei dieser war ich chancenlos. Zu tiefgehend war die Verstrickung meines Geistes mit der altertümlichen Welt der Huren und ihrer Lebensweise. Janissa kann ich als Mann erwartungsgemäß nur von außen betrachten, aber ich kann ihrem Weg und ihrem Tun folgen.

Die von einigen Usern hier vermisste Spannung kann ich durchaus fühlen; sie ist leicht vibrierend wie ein Ventilator, von einem Presslufthammer sehr weit entfernt. Bei der "Badeszene" kann ich mich nicht entscheiden, ob ich bei Janissa bleiben oder mir die Burschen, die sie in kalte Nass geschickt haben, mal näher anschauen soll. Und ich muss gestehen, da habe ich Janissa kurz verlassen. Macht nichts, gleich danach bin ich wieder bei ihr. Was ich bei dieser Szene wirklich vermisst habe, ist die Gefahr der Entdeckung, die zwar da ist, aber nicht vermittelt wird. Kein Kopf wendet sich ihrem Versteck zu, keiner der Männer pinkelt in den "Teich", etc. etc. Da wäre Potenzial für mehr.

Bei der Szene, als die Usudaren am Ende das Bordell betreten, habe ich mir schwer getan, die Abläufe zu verstehen. Ich fragte mich, warum die Eindringlinge Janissa nicht nur so schnell als eine der ihren erkennen, sondern auch Mirja als deren Feindin. Schließlich drücken sie der Usudarin eine Waffe in die Hand, um Mirja zu töten. Die alte, schwache Janissa schafft es mit der schweren Waffe auch noch, den Kopf sauber und komplett abzutrennen. Ein wahres Heldenstück :) ... oder eine Unmöglichkeit, ich weiß es nicht. Vielleicht waren die Frauen im Alter damals besonders kräftig.

Ansonsten hätte ich natürlich gerne mehr von der schönen Qumai "gesehen", aber sei 's drum, ist für die Geschichte nicht wichtig :)

Deinem Ruf bin ich gefolgt - und er verhallt nur allmählich. Zurück bleibt ein angenehmes Kribbeln.

Herzliche Grüße
Porter

 

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