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Verrat

Monster-WG
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18.06.2015
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Verrat

I​

„Du hast ihnen gesagt, ich sei dagegen?“
„Nimm‘s nicht persönlich!“
„Ich bin nicht dagegen.“
„Das weiss ich doch, Peter.“
„Und wie soll ich’s nehmen, deiner Meinung nach?“
„Weiss nicht, vielleicht sportlich oder so?“
Rektor Zumbühl legt seine Hand auf Peters Schulter. Die beiden stehen vor dem Buffet, das die Küchencrew am Nachmittag aufgebaut hat. Dort liegen silbern glänzende, mit Rindfleisch belegte Platten, in deren Ecken sich Pfützen aus wässrigem Blut gebildet haben. Daneben rosa Krustentiere in Reih und Glied, von hölzernen Spiessen durchbohrt, und die Spiesse ragen in die Luft wie Lanzen.
„Du bist mein Winkelried“, sagt Zumbühl.
„Der hat sich freiwillig geopfert.“
„Ach komm, das glaubt doch heute keiner mehr.“ Zumbühl lacht. „Schau. Die meisten wollten den Unterricht ganz ausfallen lassen. Da habe ich gesagt, das käme für dich nicht Frage. Ich habe deine Argumente genannt und dann einen Kompromiss vorgeschlagen.“
„Meine Argumente?“ Peter ist einen Kopf grösser als Zumbühl, doch es ist ihm unmöglich, bedrohlich zu wirken. Wässrige Augen, weiche Stimme, Wollpulli. Die Haare, die er noch hat, liegen in dünnen Strähnen quer über seinem massigen Schädel. Man nennt ihn den bleichen Elefanten.
„Mensch, Peter. Musst halt dabei sein. Bei einer so wichtigen Konferenz“, sagt Zumbühl.
„Und du stehst da wie der weise Salomon.“
„Unterrichtsschluss um halb zwölf. Ist doch gut. Ach komm, sei nicht so. Lass uns Fleisch auf die Teller schaufeln, so lange es noch hat.“
Zumbühl greift zu. Er legt sich fünf Rindfleischstücke auf den Teller, dazu Pommes, Tatarsauce, Cocktailsauce und hellgelbe Senfschaumsauce. Etwas davon tropft auf seine Schuhe.

II​

Weihnachtsessen im frühen Dezember, so wie immer. Auf den Tischen stehen Caquelons, in denen heisse Bouillon brodelt, und an den Tischen sitzt das gesamte Kollegium. Bauchige Rotweinkaraffen werden herumgereicht, Gläser klirren. Es riecht nach Parfum und Schweiss und Knoblauchsauce. Am Historikertisch spricht man über die Liebe.
„Also mein Mann. Mit meinem Mann hatte ich wirklich Glück“, sagt Maria und die Geschichtslehrer nicken und sie denken, es sei zumindest besser, wenn Maria von ihrem Leben erzähle, als von Schweizer Geschichte auf Unterstufenniveau.
„Absolut loyal. Unterstützt mich in allem, was ich tue.“
Maria blickt in die Runde und niemand blickt zurück. Sie hat kurz geschnittene Fingernägel.
„A propos loyal“, sagt der dienstälteste Historiker am Tisch. Der bleiche Elefant hat sich soeben zu ihnen gesetzt. „Du bist echt dagegen? Niemand soll an die Demo? Sparzwang im Bildungswesen, kein Thema für dich?“ Peter blickt auf die Garnitur seines Tellers. Zwei Stück Schweinefleisch. Drei Scheiben Kiwi.
„Ich bin nicht dagegen“, sagt er.
„Jetzt, wo es entschieden ist. Schon klar.“
„Ich war nie dagegen.“
„Wer’s glaubt. Aber das verstehen wir doch. Als neuer Konrektor sieht man die Dinge plötzlich anders. Du bleibst dann aber brav hier, wenn wir auf die Strasse gehen, mein Lieber.“
„Lasst uns wieder von der Liebe sprechen! Lasst uns ein Glas Roten trinken!“, ruft Maria.
Peter steht auf. Seine Hände zittern und die rechte Hand greift nach einer Gabel. Er schlägt die Gabel gegen sein Glas, bis der Historikertisch verstummt und weiter, bis alle im Saal ihn hören können.
„Ich bin nicht dagegen“, ruft er. „Alles, was ich gesagt habe, war, also, ich will das jetzt nicht, verdammt noch mal, ich bin nicht dagegen.“

III​

„C`est trop gênant“, sagt Jean-Marc am Fremdsprachentisch und man tut so, als sei nichts geschehen. Jean-Marc hat die Figur eines Marathonläufers, ist seit vierunddreissig Jahren an der Schule und hat keinen Tag gefehlt. Neben ihm sitzt Alex, dünn und mit gepiercter Augenbraue. Vor kurzem hat er sein erstes Hemd gekauft und heute hat er es angezogen. Er schwitzt. Alex starrt auf den Wandteppich, der im hinteren Teil des Saals hängt und die Schlacht von Sempach verklärt. Sorget für mein Weib und Kind, soll Winkelried gerufen haben, als er sich die Lanzen der Habsburger in die Brust stossen liess, um seinen Eidgenossen den Weg hinter die feindlichen Linien zu bahnen. Alex zupft Jean-Marc am Ärmel.
„Ich muss mit dir reden.“
„Pas maintenant.“
„Vier Lektionen.“
„Pas ici.“
„Ich werde bald Vater.“
„Mais oui, je sais.“
„Ich brauche die Kohle. Ich muss für meine Familie sorgen.“
„Mais oui.“
„Du hast es versprochen. Du übergibst mir die 4c.“
„Ah non. Das muss gewesen sein eine Missverständnis.“
„Echt jetzt? Vier Lektionen. Das macht verdammt noch mal mehr als einen Tausender im Monat.“
„Désolé.“
„Und Zumbühl? War ja seine Idee.“
„Alors, du musst Zumbühl fragen, nicht mich.“

IV​

Die meisten sind nach Hause gegangen und die Karaffen sind leer. Helen von der Küchencrew räumt die Tische ab, beaufsichtigt von Zumbühl, der zufrieden grunzt. Er trinkt sein Glas aus und bringt es in die Küche.
„Danke, Herr Zumbühl“, sagt Helen.
Zumbühl lockert seine Krawatte und lehnt sich gegen die Wand. Er sieht, wie Maria alleine am Tisch sitzt und wie sie mit dem Rotweinglas spielt und wie sie wartet, bis alle gegangen sind. Besser, er sagt es ihr jetzt.
„Na?“
„Hallo.“
„Hattest du einen schönen Abend?“, fragt Zumbühl.
„Er wird doch noch schön.“ Maria lächelt, ohne ihn anzublicken. Niemand soll etwas merken. „In deinem Büro?“
„Besser nicht“, sagt Zumbühl leise.
„Was heisst das? Besser nicht?“
„Maria.“
„Was, Maria?“
„Wir müssen damit aufhören. Ich kann mir das nicht leisten.“
„Und das flüsterst du mir jetzt zu? Damit ich keine Szene mache?“
„Ach komm. Tu nicht so überrascht. Jean-Marc hat uns übrigens gesehen. Ich hab‘ das unter Kontrolle, aber jetzt müssen wir aufhören.“
„Du hast gesagt, dass du mich liebst.“
„Ach Quatsch!“
Zumbühl legt seine Hand auf Marias Schulter, drückt kurz zu, sanft, und die Sache ist erledigt. Er geht nach draussen, atmet die kalte Winterluft ein und zündet sich eine Zigarette an, während Maria aufsteht, zur Toilette wankt und, die Hand gegen den Spülkasten gestemmt, in die Schüssel kotzt.

V​

„Alex! Hast du mich erschreckt!“ Zumbühl hätte beinahe seine Zigarette fallen lassen.
„Ich hab‘ da eine Frage. Wegen der Pensenplanung.“
„Jetzt?“
„Jean-Marc hat mir heute gesagt, dass er die 4c übernehmen wird.“
„Und?“
„Du hast gesagt, dass ich die Klasse kriege.“
„Ach Quatsch! Und selbst wenn.“
„Ich werde bald Vater.“
„Schön.“
„Wir sind echt knapp bei Kasse.“
„Da kann ich nichts tun, Alex. Wenn du dich woanders bewirbst, vielleicht?“
„Bitte.“ Alex packt Zumbühl am Jackett.
„He, langsam, Junge. Bist du betrunken?“
„Du hast es versprochen.“
„Lass mich los, Alex.“
„Bitte.“ Alex will nicht loslassen. Zumbühl stösst ihn weg, Alex stolpert über seine eigenen Beine, torkelt und ist gerade nüchtern genug, um auf seine Hände zu fallen.
„Scheisse!“
„Idiot“, sagt Zumbühl.
„Ich blute.“
„Selber schuld.“

VI​

Das Toilettenpapier färbt sich rot. Alex wirft es in die Schüssel und spült. Als er wieder auf den Gang tritt, sieht er Maria am Boden kauern. Sie sieht übel aus.
„Alles klar?“
„Liebst du jemanden?“
„Bitte?“
„Na, hast du jemanden, den du liebst?“
„Maria, sorry, aber ich hab` echt andere Sorgen.“
„Du blutest.“
„Ich weiss.“
„Und du schwitzt wie ein Iltis.“
„Aha.“
„Küss mich!“
„Bist du stoned? Sorry, aber ich muss jetzt echt gehen. Kommst du klar? Soll ich jemanden rufen?“
„Hau schon ab.“
Maria blickt Alex nach, wie er verschwindet. Sie schluchzt leise vor sich hin, bis sie auf einmal jemanden atmen hört.
„Scheisstag?“, sagt der bleiche Elefant.
„Du hast alles mitangehört?“
„Ich wollte gerade zur Toilette.“
„Ich will diesen Milchbart gar nicht küssen.“
„Schon klar.“
„Wie heisst der überhaupt?“
„Alex. Er gibt Französisch.“
„Jemanden lieben ist scheisse.“
„Ich kenne mich da nicht so aus.“
„Sei froh. Magst du dich zu mir setzen?“
„Ja.“
„Magst du meine Hand halten? Für eine Weile?“
„Ja. Das tue ich gerne.“
„Danke.“
„Maria. Eine Frage.“
„Ja.“
„Denkst du, man hat Winkelried gestossen?“
„Unseren Arnold?“ Maria lacht.
„Ja.“
„Ich denke schon. So wie ich die Menschen kenne.“
„Das sehe ich auch so.“
„Du warst wirklich nicht dagegen?“, fragt Maria.
„Nein.“
„Ich glaube dir.“
„Danke.“
„Ich stinke furchtbar.“
„Das ist schon okay.“
„Ich habe mir über die Schuhe gekotzt.“
„Zumbühl und der Winkelried.“
„In jeder Rede, bei jedem Anlass“, sagt Maria.
„Und dieser Wandteppich. Den kann ich nicht mehr sehen.“
„Den müsste man mal verbrennen.“
Zum ersten Mal an diesem Abend muss Peter lachen. Für eine Weile sitzen die beiden im dunklen Gang und denken nach über Verrat und über die Frage, ob man Winkelried gestossen hat, jeder für sich, Marias Hand in Peters Hand.

VII​

Das Schulhaus ist dunkel. Alex kauert vor dem Nebeneingang. Es ist kalt und er sollte nach Hause gehen. Aber er will nicht. Die Kälte tut ihm gut. Auf einmal öffnet sich leise die Tür und jemand streckt seinen Kopf nach draussen.
„Die Luft ist rein“, sagt eine Stimme. Alex sieht zwei leicht gekrümmte Gestalten herauskommen, sie tragen eine Röhre. Alex räuspert sich.
„Scheisse!“ Die beiden lassen die Röhre fallen und die Röhre entfaltet sich und am Boden liegt der Wandteppich mit dem Winkelried.
„Ich bin’s. Alex.“
„Hast du uns erschreckt“, sagt Maria.
„Was macht ihr da?“
„Ehm.“
„Wir müssen ihn wohl einweihen“, sagt Peter.
„Haben wir denn einen Plan?“, fragt Maria.

VII​

Alex hat die beiden zur Besinnung gebracht. Ob sie nicht in der Lage seien, weiter als bis zur Nasenspitze zu denken? Die Vernunft hat gesiegt und der Wandteppich hängt wieder an seinem Platz. Sie haben ihn verkehrt herum aufgehängt, als Kompromiss, und jetzt steht Arnold Winkelried auf dem Kopf, immerhin.

 

Hallo Peeperkorn,

ich habe Deine Geschichte gelesen und ich hoffe, dass ich*Dir nicht zu nahe trete, wenn ich mich an einen Englisch-Wahlkurs über Shakespeare-Dramen erinnere. Da hatte ich auch nichts verstanden. Ich fühle mich einfach überfordert, erst einmal eine Zeichnung anzufertigen, wer mit wem - verheiratet/liiert/im Clinch und so weiter - ist. Ich werde mal weitere Kommentare abwarten.*Vielleicht kommt mir dann die Erleuchtung.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hey Peeperkorn

Abgesehen von den teils ermüdenden Beschreibungen des Essens, was ich meist überlese und mir denke: Ja, was auch immer - fand ich es gut.
Es wirkte wie ein Kammerspiel, das episodenartig aufgebaut ist, also die Kamera von der einen Szene zur nächsten schwenkt. Gibt es vielleicht eine kluge Bezeichnung, einen intelligenten Begriff dafür, den kenne ich nicht und würde es einfach so, für mich, am Besten beschreiben. Ich mag sowas sehr, wie ich auch die kleinen Geschichten in der Geschichte interessant fand, wie auch die Charaktere und deren Ecken und Kanten, die flüchtig angeschnitten wurden und deren Beziehung untereinander.

Auch fand ich die Charaktere so gewählt, dass ich sie leicht auseinander halten konnte, das ist ja meist ein Problem, wenn man im kleinen Rahmen, viele Charaktere hat, die sich im Bild tummeln. Einzig Peter und Alex sind - mMn, ein wenig ineinander verschwommen - da ich Schwierigkeiten hatte, sie mir einzeln und getrennt vorzustellen. Kann an den Namen liegen, da rein vom Sound her, ein Alex und ein Peter, in meiner Vorstellung, von Vorneherein ziemlich gleich sind. Da würde ich vielleicht noch klarer trennen, damit es für den Leser einfacher ist, die beiden zu unterscheiden, bzw. ihnen beiden ein Gesicht zu geben, das sich klarer voneinander unterscheidet.

Jean-Marc lacht auf Französisch.
Wie hört sich das denn an? :D Ich hatte einmal eine französische Freundin - für ein paar Wochen, da konnte ich keinen Unterschied erkennen, dass sich das französische Lachen, sich z.B. vom deutschen unterscheidet.

Also mir hat es gefallen. Aber ich hätte mir vielleicht noch mehr Verstrickungen gewünscht, ein paar mehr Überraschungen vielleicht, denn Überraschungen sind ja wie gemacht für solche Art von Geschichten, um da mehr mitnehmen zu können. Denn so war es ganz cool, aber für den großen Wurf, da fehlte mir was.
So fühle ich mich unterhalten, aber um mehr über die verschiedenen Probleme, der verschiedenen Figuren, nachzudenken, da fehlte mir die Zeit in der Geschichte, da sie zu flüchtig angeschnitten wurden und man ja gleich wieder in der nächsten Szene steckt. Das war so mein erster Eindruck, den man wohl auch nur als flüchtig bezeichnen kann. ;)

So, wünsche noch einen schönen Montagabend!

Lieben Gruß
Simba

 
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Hallo Peeperkorn,

so viele Namen, so viele zwischenmenschliche Probleme, große wie kleine, da kommt man in einem doch recht kurzen Text ziemlich durcheinander. Oder besser: Man könnte durcheinander kommen. Denn es gelingt dir, jedem Charakter ein Gesicht zu geben, jeden individuell zu gestalten, sodass es für mich kein großes Problem war, durch das Namengewirr zu steigen. Lediglich als Peter am Ende nochmal vorkam, musste ich nach oben scrollen und ihn mir in Erinnerung rufen.

Ja, also ich fand die Geschichte gut. Sie war amüsant, hatte ein paar wirklich schöne Sätze und am Ende wurde es sogar etwas melancholisch. Also da war viel drin in dieser Kurzgeschichte. Genug für drei, könnte man meinen. ;) Klar, da kann man nicht so in die Tiefe gehen, was die Konflikte betrifft, da wird einiges nur angerissen (kam eigentlich raus, was Peters Problem war oder habe ich das bloß überlesen?), aber insgesamt ergab der Text ein stimmiges Bild über die Probleme der Kollegen an dieser Schule. Schreiben kannst du sowieso ganz wunderbar, keine Frage. Also ich habe das wirklich gerne gelesen.

Rektor Zumbühl legt seine Hand auf Peters Schulter. Die beiden stehen vor dem Buffet, das die Küchencrew am Nachmittag unter Zeitdruck und gegenseitigen Beschimpfungen aufgebaut hat. Dort liegen silbern glänzende, mit saftigem Rindfleisch belegte Platten, in deren Ecken sich kleine Pfützen aus wässrigem Blut gebildet haben. Daneben rosa Krustentiere in Reih und Glied, von hölzernen Spiessen durchbohrt, und die Spiesse ragen in die Luft wie die Lanzen der Habsburger, die gleich dahinter auf einem riesigen, die Schlacht von Sempach verklärenden Wandteppich zu sehen sind. Früchte sollen das Fondue Chinoise bereichern. Ananas und Mango. Eine Schüssel Erdbeeren im eigenen Saft, rot und süss und viel zu kalt. Auf den Tischen stehen Caquelons, in denen heisse Boullion brodelt, und an den Tischen sitzt das gesamte Kollegium und es riecht nach Knoblauchsauce, Parfum und Alex, dem Junglehrer, der vor kurzem sein erstes Hemd mitsamt Jackett gekauft und die im Speisesaal an einem durchschnittlichen Weihnachtsessen herrschende Temperatur deutlich unterschätzt hat. Bauchige Rotweinkaraffen werden herumgereicht, Gläser klirren, Jean-Marc lacht auf Französisch. Am Nachbartisch doziert Maria Schweizer Geschichte.

Erst das Essen, dann der Wandteppich, dann die Kollegen. Ich finde, das ist ein bisschen zu viel Beschreibung, vor allem zu Beginn der Geschichte. Und der Übergang zwischen den Spießen auf dem Tisch und den Lanzen der Habsburger, ja, das wirkt ein bisschen arg konstruiert, finde ich. Zumal erst nicht klar wird, warum der Teppich überhaupt für die Story relevant ist. Vielleicht könntest du die Erwähnung des Teppichs, die ich definitiv nicht schlecht finde, ein bisschen weiter nach hinten schieben, sodass es nicht mit dem Essen zusammenfällt und diesen "Beschreibungsblock" bildet, der schon ziemlich auffällt, da der Fokus der Geschichte sehr auf den Charakteren liegt und sie recht dialoglastig ist. Und ich weiß nicht, ein bisschen vom Essen könnte man auch kürzen, das würde ich nicht vermissen, aber das ist natürlich nur eine kleine Anregung. ;)

Auf den Tischen stehen Caquelons, in denen heisse Boullion brodelt, und an den Tischen sitzt das gesamte Kollegium und es riecht nach Knoblauchsauce, Parfum und Alex, dem Junglehrer, der vor kurzem sein erstes Hemd mitsamt Jackett gekauft und die im Speisesaal an einem durchschnittlichen Weihnachtsessen herrschende Temperatur deutlich unterschätzt hat.

Ja, wenn es nach Alex riecht, frage ich mich, wonach er denn riecht. Nach Schweiß?

Jean-Marc taumelt, stützt sich am Schredder ab und bleibt gerade so knapp stehen.

Ich finde, das knapp könnte weg.

Das hat mir sehr gefallen, Peeperkorn.

Man sieht sich,
gibberish

 

Hallo Peeperkorn,

ich fand die Geschichte gut :) Ja, am Anfang sind vielleicht ein bisschen viele Beschreibungen, aber ich konnte mir sehr gut ein Bild von der ganzen Lehrerparty machen und das gute Essen (von dem ich manche Gerichte nicht einmal kannte) trugen, finde ich, sehr schön zum Gesamtbild bei.

Auch den Dialog hast du spritzig geschrieben, so dass es nicht langweilig wurde.

es riecht nach Knoblauchsauce, Parfum und Alex

das fand ich wie gibberish, auch etwas komisch... riecht er nach Schweiß?

Später habe ich dann allerdings Peter und Alex total verwechselt. Eigentlich hielt ich sie für die selbe Person, nämlich Peter. War dann doch etwas verwirrend, als Maria zu Peter sagte, er solle sie küssen und Peter dann nochmal vorbeikam und sie ihm sagte, dass sie den Kerl nicht küssen wollte.
Da kam mir auf, dass ich besser nochmal hochscrolle und siehe da, es gab da einen Alex und einen Peter.

Auf jeden Fall hab ich deine Geschichte sehr gern gelesen :)

Liebe Grüße

Luz

 

Lieber Jobär

ich hoffe, dass ich*Dir nicht zu nahe trete, wenn ich mich an einen Englisch-Wahlkurs über Shakespeare-Dramen erinnere.

Ich denke, damit kann man niemandem zu nahe treten. ;) Aber ich sehe, was du meinst. Das Verhältnis der Anzahl Personen zur Länge der Geschichte hat Optimierungspotential.
Danke für die Lektüre und die ehrliche Rückmeldung.

Lieber Gruss
Peeperkorn

Hallo Simba

Abgesehen von den teils ermüdenden Beschreibungen des Essens, was ich meist überlese und mir denke: Ja, was auch immer - fand ich es gut.

Danke! Tja, das Essen. Ich wollte thematisch Stimmung machen. Saftiges Fleisch - aber daraus tropft Blut, Rosa Krustentiere - aber die sind aufgespiesst, rote Erdebeeren - aber die sind kalt. Sollte also das Thema: Fassade/hinter der Fassage einführen, das ja z.B. bei Maria bestimmend ist. Essen nur wegen des Essens zu bechreiben, hatte ich schon nicht im Sinn.

Es wirkte wie ein Kammerspiel, das episodenartig aufgebaut ist, also die Kamera von der einen Szene zur nächsten schwenkt. Gibt es vielleicht eine kluge Bezeichnung, einen intelligenten Begriff dafür

Kenne ich nicht, aber ich hatte beim schreiben auch Kameraschwenks im Kopf, so wie du beim lesen.

Da würde ich vielleicht noch klarer trennen, damit es für den Leser einfacher ist, die beiden zu unterscheiden, bzw. ihnen beiden ein Gesicht zu geben, das sich klarer voneinander unterscheidet.

Finde ich eine gute Idee. Ich wollte ganz ohne Personenbeschreibungen auskommen, aber da habe ich mir die Latte wohl zu hoch gelegt.

Also mir hat es gefallen. Aber ich hätte mir vielleicht noch mehr Verstrickungen gewünscht, ein paar mehr Überraschungen vielleicht, denn Überraschungen sind ja wie gemacht für solche Art von Geschichten, um da mehr mitnehmen zu können. Denn so war es ganz cool, aber für den großen Wurf, da fehlte mir was.

Gut. Ich kriege grad Lust, die Herausforderung anzunehmen. Mal schauen. Auf alle Fälle ganz herzlichen Dank für deine ausführliche Rückmeldung. Das hilft wirklich sehr.

Auch dir noch einen schönen Abend
Peeperkorn

 
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Hallo Peeperkorn,

ich bin wieder mal total begeistert und habe nichts zu kritisieren, also werde ich nur das eine oder andere hervorheben, was mich besonders entzückt hat.

Die fette Essensbeschreibung hat ja was von einem mittelalterlichen Gelage und moderiert diese Weihnachtsfeier sehr schön an, auf der dann die niedersten Triebe durchbrechen (die Hand in den Kopierer - genial!). Ich lese sowas aber auch immer etwas flüchtig, bis ich an dem Satz hängen blieb.

und an den Tischen sitzt das gesamte Kollegium und es riecht nach Knoblauchsauce, Parfum und Alex, dem Junglehrer, der vor kurzem sein erstes Hemd mitsamt Jackett gekauft und die im Speisesaal an einem durchschnittlichen Weihnachtsessen herrschende Temperatur deutlich unterschätzt hat.

großartig! Für mich brauchst du seinen Schweißgeruch nicht genauer zu definieren, ich habe eine Vorstellung sowohl von dem Geruch, als auch von der peinlichen Situation, in der sich Alex befindet. Da wird auch schon beinahe klar, dass er sich in diesem Haifischbecken unter den Opfern befindet.

„Manchmal, wenn er meine Brüste ansieht, also kurz bevor er sie berührt. Da macht er so Wischbewegungen. Wie bei einem Touchscreen.“ Sie wird lachen, aber nur kurz. „Ach Scheisse, mir ist übel. Entschuldige bitte.“

Grauenhaft! Wunderbar!

Die meisten sind nach Hause gegangen und die Karaffen sind leer. Helen von der Küchencrew räumt die Tische ab, beaufsichtigt von Zumbühl, der zufrieden grunzt. Er trinkt sein Glas aus und bringt es in die Küche.
„Danke, Herr Zumbühl, vielen Dank!“, sagt Helen.

Diesen Zumbühl finde ich auch super geraten, wie er seine Fäden zieht und andere benutzt und noch überschwänglichen Dank erhält, weil er sein Glas in die Küche bringt.

Und den Dialog am Ende, wo sich zwei von den Verlierern treffen, hat dann wieder etwas freundliches, Warmes was der Geschichte gut tut, weil es auch ein bisschen überrascht.

Die Vermutung, dass Winkelried sich nicht glorreich geopfert hat, sondern gestossen wurde, liegt bei den Erfahrungen in diesem Kollegium natürlich nahe. Sehr schöner Aspekt mit diesem Wandteppich.

Sagtest du nicht du bist Lehrer? :D

Ich freue mich schon auf weitere Geschichten von dir.

Liebe Grüße von Chutney

 
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Hola Peeperkorn,

da ich erst die Komms lese und dann die Geschichte, blieb ich in gibberishs Kommentar stecken:

Auf den Tischen stehen Caquelons, in denen heisse Boullion brodelt, und an den Tischen sitzt das gesamte Kollegium und es riecht nach Knoblauchsauce, Parfum und Alex, dem Junglehrer, der vor kurzem sein erstes Hemd mitsamt Jackett gekauft und die im Speisesaal an einem durchschnittlichen Weihnachtsessen herrschende Temperatur deutlich unterschätzt hat.

Das springt einem Koch in die Augen: also Bouillon bitte. Und einem Wortkrieger springt dieser wurmähnliche Satz ins Auge – da hättest Du bequem zwei draus machen können. Doch jetzt muss ich erst einmal Deine Geschichte lesen.

Die liest sich richtig gut.
Komisch, dass in den Komms niemand gefragt hat, was das ist:

Senfschaumsauce und dunkelrote Randen-Mascarpone.
Kein Deutscher weiß das. Außer mir:teach:.

Am Historikertisch spricht man über die Liebe.
Jean-Marc am Fremdsprachentisch ...

Schmunzel, schmunzel ...,klasse.

„Ein guter Lehrer bekommt Klassen, so viele er will.“
Alex‘ Faust trifft ihn an der Schläfe. Jean-Marc taumelt, …

Das kommt mir zu unverhofft, trotz Jean-Marcs Beleidigung. Ich muss nochmals von vorn anfangen zu lesen. Irgendwas hab ich nicht verstanden. Durch den Beruf meiner Frau habe ich als Zuschauer in der zweiten Reihe über dreißig Jahre viel mitbekommen von den Abläufen schulischer Dinge, doch nie gab es Faustschläge in die Visage. Aber, Peeperkorn, wenn Du es so willst, dann sei es so.

„Absolut loyal. Unterstützt mich in allem, was ich tue.“

Die Verletzung dokumentieren.

Das kommt mir schon vertrauter vor:shy:.

Er schlägt die Gabel gegen sein Glas, bis der Historikertisch verstummt und weiter, bis alle im Saal ihn hören können.

Ich glaube, hier wäre ich zusammengebrochen. Gut beschrieben.

„Tu veux déchiqueter ma main?“
Das allerdings finde ich daneben gegriffen. Was für eine Idee?! War der Wein gepanscht? Im Forum hört man oft das Wort „unglaubwürdig“.

„Alles klar?“
„Schaust du auch Pornos?“

Hier kommt der Text ins Schwimmen. Warum fällt mir aus Deiner "Sturm"-Geschichte ein:

Ich hab’ gesehen, also es ist der Hagel gekommen und alle sind gerannt. So alle zusammen. Ich hab’ gesehen, die sind voll in den kleinen Bub gerannt. Und dann ist er umgefallen. Und dann ist er in den Fluss gefallen, so platsch, und niemand hat es gemerkt.

Peeperkorn, Du schreibst zügig, aber für meinen Geschmack fast ein bisschen zu routiniert. Das geht ratz-fatz, tempo tempo. Vielleicht ist das nur so ein Gefühl von mir, bei Isegrims geht es mir ähnlich. Aber Gefühle sind wie das Wetter (ich muss wieder einlenken).
Alles in allem war’s eine nette Feier, auch aufschlussreich in vielen Facetten - und deshalb sage ich Danke und bis die Tage.

José

 

Lieber gibberish

Dein Kommentar ist äusserst hilfreich!

Lediglich als Peter am Ende nochmal vorkam, musste ich nach oben scrollen und ihn mir in Erinnerung rufen.

Ja, der bleibt etwas farblos. Werde ich in der Überarbeitung berücksichtigen.

(kam eigentlich raus, was Peters Problem war oder habe ich das bloß überlesen?)

Nein, hast du nicht. Ich dachte, jede Erklärung, die ich mir da ausdenken könnte, wäre nichts als langweilig und habe mich gefragt, ob sich die Wortkrieger damit zufrieden geben.

Schreiben kannst du sowieso ganz wunderbar, keine Frage.

Das freut mich sehr.

Vielleicht könntest du die Erwähnung des Teppichs, die ich definitiv nicht schlecht finde, ein bisschen weiter nach hinten schieben, sodass es nicht mit dem Essen zusammenfällt und diesen "Beschreibungsblock" bildet, der schon ziemlich auffällt, da der Fokus der Geschichte sehr auf den Charakteren liegt und sie recht dialoglastig ist.

Ich wollte einen ersten beschreibenden Teil (Fassade mit einigen Rissen drin) und dann einen dialoglastigen zweiten Teil (hinter der Fassade), der mehr Tempo entwickelt. Aber – so lese ich auch aus den anderen Rückmeldungen – das kommt offenbar nicht so gut. Der erste Teil zu langatmig, der zweite Teil zu schnell. Ich finde deine Änderungsvorschläge sehr gut und werde versuchen, die Sache ausgewogener zu gestalten. Wegen solchen Tipps bin ich bei den Wortkriegern. Danke!
Die kleineren Änderungsvorschläge werde ich ebenfalls bedenken, ich werde das aber alles aufs Mal ändern.
Nochmals herzlichen Dank!

Gruss
Peeperkorn


Hallo Feuerwanze

Ja, ein Essen kann man kürzer beschreiben. Die Frage ist, ob man das will. Aber ich sehe deinen Punkt schon und es haben ja andere dieselbe Leseerfahrung gemacht. Merci für den link. Das ist wirklich witzig. Besten Dank für deinen Kommentar

Lieber Gruss
Peeperkorn


Hallo Luzinda

Herzlichen Dank auch für deine Anmerkungen. Auch du hast Peter und Alex als nicht klar genug unterschieden gelesen. Jetzt ist klar: Die beiden Figuren muss ich wirklich stärker konturieren. Und ja, es riecht nach Alex' Schweiss, weil er ja im viel zu heissen Hemd steckt. Aber auch hier sind schon zwei Leute gestolpert und ich werde die Sache überdenken.

Merci und Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Peeperkorn

(falls Überschneidungen mit anderen Kommentaren, sorry)

Das Setting hast du schön gezeichnet, fand mich sogleich in den verstaubten Hallen eines Lehrinstituts (Oberstufe/Gymnasium) das mit ein paar Catering-Accessoirs auf Festlichkeit getrimmt den Rahmen für irgend eine Jahresabschlussfeier der Lehrerschafft hergerichtet wurde.

Dann das obligate Personal, der selbstgefällige Rektor, der Vize, den man nicht ernst nimmt und zum Bauernopfer des Rektors mutiert, oder Alex der Winkelried (der die Lanzen nicht an sich riss, sondern gestossen wurde ;)), die verschiedenen Grüppchen (Fremdsprachentisch, Historikertisch), die das Wort Kollegium ad absurdum führen, die Erfolgreichen, die Gescheiterten und die Gleichgültigen, alle sind sie gekommen zum Ringelpietz mit Anfassen. Alles da, und auch gut in Szene gesetzt.

Und doch, mir ging das alles zu schnell, du legst den Schalter um und - zack, Rambazamba - alle Charakteren drängen auf die Bühne, rasseln ihren Part runter und überfordern meine Aufnahmefähigkeit. Wie jobär ansprach, musste ich mir erst ein Bild machen, wer mit wem, und welche Rollen in welchem Zusammenhang stehen. Warum greifst du mit Marias Absturz und der Schredderszene dem ganzen Geschehen vor? Das füllt mir den Kopf ohne Mehrwert und schwächt die laufende Buffetszene mit Rektor Zumbühl und Vize Peter.
Ich würde den Anfang entschleunigen, die Charakter etwas subtiler einführen und jedem Konflikt mehr Raum lassen, gegen Ende weiss man dann, wer welche Probleme hat und kann die Eskalation geniessen.

Auch sah ich eher drei Episoden, die eigentlich nichts direkt miteinander zu tun haben,nur, dass sie gleichzeitig stattfanden, da würde ich Simbas Idee aufgreifen und noch ein paar Verstrickungen untereindander hinzufügen, das würde die Homogenität der Geschichte verbessern. Peter, das Bauernopfer, wirkt mir hierzu als roter Faden noch zu schwach, wäre er doch ein prima Winkelried, könnte die ganze verlogene Gesellschaft tüchtig aufmischen.

Ich gehe noch ein bisschen durch den Text:

Jean-Marc lacht auf Französisch.
wie geht das, französisch lachen? 'a 'a 'a, oder so ?:D
Später, wenn die Karaffen geleert und die meisten nach Hause gegangen sein werden, wird sie sich mit der einzigen Freundin, die sie hat, zurückziehen, um über ihren Mann zu sprechen.[...]
Zur selben Zeit, im Kopierraum, wird Alex seine Faust in Jean-Marcs Gesicht schlagen und ihm danach, im Affekt, die Hand in den Schredder stecken wollen, [...]
Zwei Szenen, die später stattfinden, und die ich auch gerne später lesen möchte, als Zuspitzung hin zur Eskalation.

„Manchmal, wenn er meine Brüste ansieht, also kurz bevor er sie berührt. Da macht er so Wischbewegungen. Wie bei einem Touchscreen“
Das habe ich nicht ganz kapiert, ihr Mann macht mit dem Finger Wischbewegungen in der Luft? Soll das irgendwie eine (satirische) Anspielung auf seinen (später aufgedeckten) Pornokonsum sein? Fand ich irgendwie - hm - befremdlich.

im Affekt, die Hand in den Schredder stecken wollen, nicht wissend, dass der Spalt dafür viel zu klein ist, zwanzig Blätter auf’s Mal, mehr liegt da nicht drin.
der Nachsatz wirkt wie angeklebt, ist synonym für "Spalt ist zu klein", und somit doppelt gemoppelt. Eins von beiden würde ich weglassen: "..., obwohl mehr als zwanzig Blätter auf's Mal da nicht reinpassen.", irgendwie so.

Arbeit, nur immer Arbeit. Lasst uns wieder von der Liebe sprechen! Lasst uns ein Glas Roten trinken!“, ruft Maria.
Hier fände ich "vom Leben" schöner, passt subtiler zum Glas Roten, Arbeit vs. Leben ;) Aber das ist natürlich Geschmacksache.

„Ah non. Das muss gewesen sein ein Versehen.“
War es nicht eher ein malentendu, eine Missverständnis?

„Danke, Herr Zumbühl, vielen Dank!“, sagt Helen.
Braucht die Helen etwa Protektion? Nö, die ist müde und will heim, also ein trockenes Danke reicht.

Einen Stock höher brummt ein Schredder und frisst Zensurenblätter und alte Klausuren, die ihm Jean-Marc in den Rachen steckt. Die Tür öffnet sich und Alex betritt den Raum.
Ich verstehe ja, du brauchst den Schredder als dramaturgisches Damoklesschwert, und willst ihn in die Szene einführen, aber nach der feucht fröhlichen Weihnachtsfeier, schreddert da Jean-Marc wirklich noch alte Klausuren?

„Ein guter Lehrer bekommt Klassen, so viele er will.“
Alex‘ Faust trifft ihn an der Schläfe.
Also hat er Alex geleimt und die Klassen sich zugeschanzt? Weshalb hat er die Macht, beim Rektor Stellenprozente abzugreifen? Da ist mir die Rolle Jean-Marcs noch etwas unklar.

Jean-Marc lacht. „Tu veux déchiqueter ma main?“ Dann schlägt er zurück.
Hier könnte man jetzt die Schredderposse einbauen und die Rangelei etwas stärker auskosten, vielleicht sogar das Geheimnis der Stellenprozente lösen.

Alex wäscht sich die Hände und wirft einen Blick auf seine geplatzte Unterlippe. Leider nicht sehr schlimm.
Wenn's schlimmer wäre, welchen Vorteil hätte das? Gut, er könnte sich Krankschreiben lassen, gibt aber dafür nicht mehr Geld.

„Alles klar?“
„Schaust du auch Pornos?“
„Bitte?“
„Na, Bilder, Filme, all das.“
„Ich werde bald Vater.“
„Na und? Was hat das denn damit zu tun?“
„Maria, sorry, aber ich hab` echt andere Sorgen. Jean-Marc hat mich verprügelt.“
„Du blutest.“
„Ich weiss.“
„Und du schwitzt wie ein Iltis.“
„Aha.“
„Küss mich!“
„Bist du stoned? Sorry, aber ich muss jetzt echt gehen. Die Verletzung dokumentieren. Oder hast du ein Handy dabei?
„Nein.“
„Kommst du klar? Soll ich jemanden rufen?“
„Hau schon ab.“
Mein Highlight, absolut authentischer Dialog. Klasse gemacht!

„Ich habe mir über die Schuhe gekotzt.“
„Das macht doch nichts.“
Ich würde Peters Satz streichen, fände ich persönlich den stärkeren Dialogschluss.

Alles in allem hat mir dein Gesellschaftsschlaglicht ganz gut gefallen, die Dialoge sind stimmig, die einzelnen Szenen authentisch, aber eben, ich kam mir am Ende vor, wie nach einem 100 Meter Sprint. Startschuss, Spurt, vorbei - und alles ohne Sieger.

Ich sehe gerade, du setzt dich da noch mal dran. Da bin ich gespannt, was du noch im Köcher hast. Darfst mich auch ruhig anpingen, wenn die Änderung rausgeht.

Gerne gelesen, liebe Grüsse,
dot

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Chutney

ich bin wieder mal total begeistert und habe nichts zu kritisieren, also werde ich nur das eine oder andere hervorheben, was mich besonders entzückt hat.

Nur aus Kritik können wir lernen! Im Ernst, im Sandwich zwischen berechtigten Bedenken und wohlgesinnten Verbesserungsvorschlägen tut dein Kommentar einfach gut. Merci!
Viele der Stellen, die du hervorgehoben hast, gehören zu meinen Lieblingen. Ich werde wohl einige von ihnen töten müssen, aber schön, dass sie dir auch gefallen haben.

Sagtest du nicht du bist Lehrer? :D

Yep. Aber ich muss nicht anonym bleiben. Alles ist frei erfunden und meine Arbeitskolleginnen und –kollegen sind ganz tolle Leute.

Cutney, ganz lieben Dank für deinen Kommentar
Peeperkorn

Lieber José

Merci für deine Anmerkungen. Nach dem ersten Durchlesen war ich erschüttert. Dann bin ich das noch mal durchgegangen und habe gemerkt, dass du viele lobende Worte gefunden hast. Ich denke, es sind folgende Sätze, die mich aus dem Gleichgewicht gebracht haben...

Hier kommt der Text ins Schwimmen. // Peeperkorn, Du schreibst zügig, aber für meinen Geschmack fast ein bisschen zu routiniert.

...und das ist gut so. Denn er bringt mich dazu, darüber nachzudenken, was ich hier eigentlich tue. Diese Wortkrieger spornen an, es entsteht eine Art Fieber, und ich denke mir, da legst du gleich noch eine Geschichte nach. Mal eine Satire? Oder ein Horrorstück? Deine Bemerkung zeigt mir: Ich sollte Tempo raus nehmen, auf verschiedenen Ebenen: in der Geschichte, was du gemeint hast, aber auch in Bezug auf den Schreibprozess selbst.

Und diese Glaubwürdigkeitsgeschichten. Das gibt mir ebenfalls zu knabbern. Aber auch das wird mir helfen, mein Schreiben weiterzuentwickeln. Deine Verbesserungsvorschläge werde ich bei einer Überarbeitung aufgreifen, die Buillon korrigiere ich gleich jetzt.

Ganz herzlichen Dank!
Peeperkorn

Lieber dot

Du bringst in deinen Anmerkungen sehr vieles auf den Punkt und deine Verbesserungsvorschläge werde ich gerne berücksichtigen. Ich danke dir sehr für die sorgfältige Lektüre, den ausführlichen Kommentar und die konstruktive Art, wie du deine Bedenken vorbringst.

Liebe Grüsse
Peeperkorn

 

Der Text ist nun, z.T. massiv, überarbeitet. Ganz lieben Dank für all die Anregungen und Tipps!

Peeperkorn

 

„Vorm Feinde stand in Reih und Glied / das Heer mit seinen Fahnen. / Da sprach Herr Struth von Winkelried / ich will den Weg euch bahnen. / Gott, dir befehl ich Weib und Kind, / die ich auf Erden lasse / und also sprengt er pfeilgeschwind / Der Freiheit eine Gasse!“, sang, oder besser, grölte der kleine Friedel schon als Wölfling im Stamme der Geusen, nun aber besorgt durch Deine kleine Geschichte,

lieber Peeperkorn,

ob nicht die Geschichte umzudeuten wäre. Wie kommt der denn jetzt übern Herwegh nach Holland, wird sich mancher fragen. Aber wie sich die Schweizer gegen Habsburg erhoben, so gut zwo Jahrhunderte später die Niederlande. Aber gedanklich bin ich noch weiter abgeschweift, hab die Geschichte in die Normandie verlegt und auf den Kopf gestellt, statt Freiheitskampf Eroberungszug. Doch wie mit dem Teppich von Bayeux umgehn??

"Verkündung von etwas zu Verschweigendem", definiert das Grimmsche Wörterbuch das titelgebende Wort, und in der Tat ist das Substantiv „Verrat“ erst im 17. Jh. belegt. Gebildet aus dem Verb „verraten“ (ahd. farratan). Die Vorsilbe „ver“ gibt dem Grundwort „raten“ eine entgegensetzte Bedeutung, sei es durch falschen Rat jemand irrezuleiten oder auf Verderben sinnen (und durch üble Tat umzusetzen). Dazu wäre dann auch die Preisgabe von Geheimnissen zu rechnen. Aber wer verrät da was und/oder wen? Ein paar Synonyme sind da hilfreich: Untreue, Vertrauens- und Wortbruch, selbst Abtrünnigkeit vermein ich in der Geschichte zu erkennen, zumeist verknüpft mit dem Namen Z., mit dem wir dann auch die drei letzten Flusen auf dem Teppich auflesen:

„Du hast ihnen gesagt, ich sei dagegen?“
„Nimm‘s nicht persönlich[., besser vllt. sogar "!"]“
„Ich bin nicht dagegen.“
„Danke, Herr Zumbühl[...]“, sagt Helen.
„Besser nicht[...]“[,] sagt Zumbühl leise.

Gern gelesen vom

Friedel,
der noch einen schönen Restsonntag wünscht!

 

Hallo Peeperkorn

Die Überarbeitung hat der Geschichte gut getan, sie hat deutlich an Struktur gewonnen und liesst sich viel schlüssiger. Die Charaktere sind besser herausgearbeitet, zum Beispiel erhält Peter als "Winkelried" mehr Gewicht, und zieht sich als roter Faden konsequenter durch den Text.
Die Lehrerdemo ist klasse, das ergibt jetzt einen greifbaren Konflikt. Alex' Kriechgang von Jean-Marc zu Zumbühl kommt besser (die Schredderszene war eh arg konstruiert) und die Maria hat was mit dem Zumbühl? Ei sieh an, ja, ja, man hat schon lange drüber gemunkelt ... :D

Ein paar Gedanken noch:

Etwas davon tropft auf seine Schuhe, was Zumbühls geschmeidiger Eleganz jedoch nichts anhaben kann.
Ich glaube, dieser nachgeschobene Satz fehlte in der ersten Version, und das fand ich gut so. Braucht es den Zusatz wirklich, um Zumbühl zu charakterisieren? Finde es schmissiger ohne Erklärung.

Sie hat kurz geschnittene Fingernägel. Ihr Mann möchte es so.
Da stimmt für mich die Optik noch nicht: "Sie hat kurz geschnittene Fingernägel." ist aus der Zuschauerperspektive, wir können aber nicht wissen, das ihr Mann das so möchte. Es handelt sich mMn eher um einen innerer Monolog, deshalb als Vorschlag: "Sie schaut auf ihre kurz geschnittenen Fingernägel."

„He, langsam, Junge. Bist du betrunken?“
„He, langsam, Junge. Du bist betrunken.“
:D

Zumbühl stösst ihn weg, Alex stolpert über seine eigenen Beine, torkelt und ist gerade nüchtern genug, um auf seine Hände zu fallen.
Ich finde, da torkelt nicht nur Alex, sondern der ganze Satz. Gerade nüchtern ist übrigens wie ein bisschen schwanger sein, ab dem ersten Schluck ist man nicht mehr nüchtern.
Ich habe auch grad kein Patentrezept, ach wie soll ich es ausdrücken, keine grosse Sache, aber für mich holperts halt.

„Ich hab‘ mich geschnitten.“
Er hat sich ja eher am Boden aufgeschürft, deshalb: „Ich blute.“

Maria blickt Alex nach, wie er verschwindet. Sie schluchzt leise vor sich hin, bis sie auf einmal jemanden atmen hört.
„Scheisstag?“, sagt Peter, der bleiche Elefant.
Hier sind wir bei Maria, und aus ihrer Sicht würde ich es so schreiben: „Scheisstag?“, fragte der bleiche Elefant.

Die Vernunft hat gesiegt und der Wandteppich hängt wieder an seinem Platz. Sie haben ihn verkehrt herum aufgehängt, als Kompromiss, und jetzt steht Arnold Winkelried auf dem Kopf, immerhin.
Vorschlag für mehr Fahrt:
"... und der Wandteppich hängt wieder an seinem Platz, allerdings verkehrt herum, als Kompromiss, und ..."


Sorry, eigentlich wollte ich gar nicht so viel dran herummäkeln, aber die Geschichte gefällt mir einfach so gut, hat was von Martin Suter. Deshalb betrachte die Anmerkungen oben wirklich nur als Ideen, es ist schliesslich deine Geschichte und funktioniert in ihrer jetzigen Form ganz prima.

Erneut sehr gerne gelesen.
Liebe Grüsse,
dot

 

Lieber Friedel

Wieder was gelernt. Und einfach schön, dein mäandernder Kommentar. Ganz lieben Dank. Und was nehme ich diesmal mit? Den Text nach dem letzten Durchlesen noch einmal im Hinblick auf die Zeichensetzung bei der direkten Rede durchlesen - auf dass du dir beim Aufsammeln von Flusen keine staubigen Finger holst.

Lieber Gruss
Peeperkorn

Hallo dot

Vielen Dank für deine zweite, wiederum sehr sorgfältige Lektüre. Die Bemerkungen zur Perspektive (zweimal Maria) sind für mich wichtig. Ich finde es immer wieder verdammt schwierig, hier konsequent zu bleiben und bin froh um jeden Hinweis. Und dein Kommentar zu den Händen im Kies hat mich zum Lachen gebracht. Zunächst hatte ich Alex' Hände einfach im Kies. Dann dachte ich, dass er sich besser schneiden sollte, weil es sonst zu wenig Blut für die Toiletten-Szene gibt. Anschliessend habe ich mir überlegt, ob ich Glas auf dem Boden erwähnen soll und fand, dass ich mir damit nur weitere Schwierigkeiten einhandle. (Weshalb denn zerbrochenes Glas vor einem Schulhaus?) Letztendlich habe ich es sein lassen. Ich nehme mit: Sei niemals faul, wenn du eine Geschichte sauber erzählen willst!
Ja, es ist schliesslich meine Geschichte, aber nicht nur: Deine Kommentare und die der anderen haben sehr viel dazu beigetragen. Merci also nochmals, auch für die wohlwollende und konstruktive Art, wie du deine Anregungen vorträgst.

Liebe Grüsse
Peeperkorn

 

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