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Der Horror des Überarbeitens

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23.02.2014
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Der Horror des Überarbeitens

Liebe Mitkrieger,

ich habe jetzt mal dieses Topic eröffnet, da es mich grad körperlich fertig macht, an einem bereits älteren Text zu arbeiten und ich gerne wissen wollte, wie es anderen mit sowas geht (Körperlich im wahrsten Sinne des Wortes: Verkrampfung, Übelkeit, innere Unruhe).
Schreiben macht mir großen Spaß, aber das Überarbeiten und Verbessern von bereits fertiggestellten Texten ist mir mehrheitlich eine Qual. Ich brüte oft stundenlang über einen Absatz, schreibe ihn dann um, verwerfe wieder alles, nur um am Ende doch wieder auf die überarbeitete Version zurückzugreifen. Ich kann auch unmöglich sagen, wann "es denn mal gut ist", ich finde im Überarbeiten quasi nie ein Ende und mich plagt die Angst, dass ich den Text am Ende nur noch verschlimmbessere. Mir fehlt jedes objektive Maß, mit dem eigenen Text umzugehen, die Qualität einzelner Formulierungen gegeneinander abzuwiegen und dergleichen. Noch dazu ist der Zeitaufwand immens. Ich brauche für das Überarbeiten von fünf Seiten ungefähr das zehnfache an Zeit wie für das eigentliche Schreiben. Der Prozess bereitet mir keine Freude. Es warten ca. 300 Seiten darauf, überarbeitet zu werden, nur komme ich zeitlich nicht dazu. Würde ich das alles abarbeiten, ich hätte keine Zeit zum Schreiben mehr. Muss man auch mal loslassen können von einem Text? Oder gehört diese Blut, Schweiß und Tränen-Phase einfach dazu?

Wie handhabt ihr das? Habt ihr irgendwelche Tricks, wie man die nachträgliche Textarbeit angenehmer gestalten kann? Wie man sich das am Besten organisiert und mit seinem Alltag koordiniert? Es handelt sich dabei übrigens in jedem Fall um Texte, die bereits einmal im Forum besprochen und mit dem hier geäußerten Feedback überarbeitet wurden. Trotzdem bin ich mit vielem nicht zufrieden, und gerade ältere Texte würde ich gerne auf ein neues Niveau bringen. Aber es kann doch nicht sein, dass ich drei Stunden an einer Normseite sitze und am Ende wütend und enttäuscht ins Bett gehe, ohne wirklich zu einem befriedigenden Ergebnis gekommen zu sein.

Besten Gruß

Exilfranke :dozey:

 

Aber es kann doch nicht sein, dass ich drei Stunden an einer Normseite sitze und am Ende wütend und enttäuscht ins Bett gehe, ohne wirklich zu einem befriedigenden Ergebnis gekommen zu sein.

Lieber Ex-Franke,

wenn es nicht um Leben und Tod geht, isses nix, oder?
Es geht nur so - nervenzerfetzend, körperlich auslaugend, aufs Ganze gehend. Nur so werden Texte gut und echt. Du wirst nicht drumherum kommen!:D

Mir geht es ähnlich. Sätze, die ich hundert Mal ändere, dann ganz raushaue. So ist es nun mal. Du hast zumindest einen Leidensgenossen!

Gruss, Jimmy

 
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Aber es kann doch nicht sein, dass ich drei Stunden an einer Normseite sitze und am Ende wütend und enttäuscht ins Bett gehe, ohne wirklich zu einem befriedigenden Ergebnis gekommen zu sein.

Lieber Ex-Franke,

wenn es nicht um Leben und Tod geht, isses nix, oder?


Lieber Jimmy,

nun, das beruhigt mich dann schon mal, dass es mir nicht allein so geht. Ich habe schon daran gezweifelt, ob ich überhaupt zum Schreiben tauge, wenn mir ein nicht unerheblicher Teil des Handwerks solchen Ärger macht.

 

Oh ja, da kann ich dich sehr gut verstehen.

Einmal findet man die Version nicht so prall wie die Vorversion.
Dann muss man sich mit dem Gedanken anfreunden, dass der Absatz so nicht funktioniert und man auf Satz X und Y verzichten müsste.
Nach einigen Tagen stellt man fest, dass man sich plötzlich weiterentwickelt hat und sich einige Seiten ganz anders lesen als die vorherigen, also nochmal zurück und die alten Seiten auf den neusten Stand bringen.

Es ist ein ewiger Kreislauf - aber solange wie du brauche ich nicht.
Ich schaffe ~12 A4-Seiten innerhalb von drei Stunden. Liegt wohl ganz einfach daran, dass ich mir der meisten Baustellen bewusst bin und die gezielt angehe. Dazu habe ich keine Hemmungen, Textstellen zu löschen wenn sie unpassend sind. (Es sei denn, es steckt mMn ein guter Witz drin - den speichere ich in einem anderen Dokument und verwende ihn an anderer Stelle, wenn es passt *g*)

Es hilft, wenn man sich nicht auf Biegen und Brechen auf eine Version einschießt. Meine Krone habe ich bereits 4 mal überarbeitet und finde immer wieder Baustellen oder Möglichkeiten, um das ganze Ding aufzumöbeln.

Wirklich fertig ist ein Werk eh nie, da man als Autor immer wieder etwas findet - und daher ists ganz hilfreich, wenn man von sich aus irgendwann einen Schlussstrich zieht. Sonst verrennt man sich und verschlimmbessert das Ganze.

 

Hallo Exilfranke :)

Ich Schreibe noch nicht sehr lange und hatte bisher gedacht, dass ich beim Überarbeiten meiner Geschichten deshalb extrem langsam bin. Auch ich brauchte teils mehrere Stunden, nur um die richtige Formulierung für einen Satz zu finden. Hatte ich ihn endlich gefunden, veränderte es oft den Rest des Textes und ich fing von vorne an :confused:
Nun merke ich, dass es bei euch "alten Hasen" auch nicht anders voran geht.

Ich habe jedenfalls für mich herausgefunden, dass gerade das lange, krampfhafte Schreiben, um jeden Preis fertig zu werden, bis tief in die Nacht ackern, gar nichts bringt. Irgendwann sieht man die Hand vor Augen nicht mehr. Der Kopf ist leer, ausgebrannt und müde.
Die besten Ideen kommen am nächsten Morgen. Wieder Abstand zur Geschichte haben und mit neuem Elan herangehen ist mein Motto. Manchmal auch erst wieder Tage danach. Und plötzlich fallen mir Dinge auf, die sind so simpel, da wäre ich vorher nie drauf gekommen. Wie auch schon erwähnt wurde, wir entwickeln uns ständig weiter. Auch dadurch werden Fehler nach Tagen oder Wochen besser lösbar sein.

Auch habe ich festgestellt, dass es hilft, ein anderes Thema anzugehen. Ablenken mit einer anderen Geschichte sozusagen. Völlig loslassen von der alten, um dann nach genügend zeitlichem Abstand zurückzukehren.

So klappt es bei mir deutlich besser. Vielleicht hab ich dir damit etwas helfen können.
Viele Grüße
Andreas :D

 
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Guten Morgen AndreasW,

Nun merke ich, dass es bei euch "alten Hasen" auch nicht anders voran geht.

Ach papperlapapp, alter Hase. Ich schreibe auch erste gerade mal seit 2 Jahren und bin mir mit fast allem, was ich fabriziere, derbe unsicher. Deswegen habe ich ja dieses Thema eröffnet. ;)

Ich habe jedenfalls für mich herausgefunden, dass gerade das lange, krampfhafte Schreiben, um jeden Preis fertig zu werden, bis tief in die Nacht ackern, gar nichts bringt. Irgendwann sieht man die Hand vor Augen nicht mehr. Der Kopf ist leer, ausgebrannt und müde.

Ja, ich habe gestern dann auch einfach den PC ausgeschaltet und stattdessen ein Buch gelesen. War die richtige Entscheidung. Trotzdem: Wenn man es schafft, sich drei Stunden Zeit zu nehmen (und das ist eine Menge Zeit, da berufstätig) und in diesen drei Stunden nichts wirklich schafft, bzw. am Ende sogar noch das Gefühl hat, dass der Text nun schlimmer ist, dann ist das ein denkbar demotivierendes Gefühl.

Die besten Ideen kommen am nächsten Morgen. Wieder Abstand zur Geschichte haben und mit neuem Elan herangehen ist mein Motto. Manchmal auch erst wieder Tage danach. Und plötzlich fallen mir Dinge auf, die sind so simpel, da wäre ich vorher nie drauf gekommen

Ja. Ich habe auch noch nie wirklich gut geschrieben, wenn ich mir dafür fest eingeplante Zeiten genommen habe. Ich beneide Autoren, die das können, die sagen: "So, jeden Morgen nach dem Aufstehen zwei Stunden schreiben, danach Frühstück und dann ab zur Arbeit". Denn meine Art bremst natürlich den Output enorm. Ich hatte gehofft, dass nach zwei Jahren aktivem Schreiben da eine Art Erleichterung hinzukommt, stattdessen ist einfach nur der Anspruch größer geworden. Am besten schreibe ich meistens ab 00.00 Uhr, dann aber auch gerne mal drei Stunden bis zur Erschöpfung. Versuch das mal, mit einem geregelten Alltag zu vereinen ...

Besten Gruß

Exilfranke :)

 

Muss man auch mal loslassen können von einem Text? Oder gehört diese Blut, Schweiß und Tränen-Phase einfach dazu?

Natürlich gehört diese Phase dazu, in der du endlos überarbeitest und wieder neu anfängst und zur ersten Version zurückkehrst, Und glaub mir, ich bin da wirklich schlimm, ein echter Perfektionist. Also es geht nicht nur dir so.

Nur was mich stutzig macht, du schreibst gar nicht, was du mit den längstens hier vorgestellten Texte machen willst. Das scheinen dann ja nicht Texte zu sein, die du gerade eh am Wickel hast, sondern auch um sehr viel ältere. Sollen sie veröffentlicht werden? Oder ist dieses perfekt machen nur für dich?
Wenn letzteres der Fall ist, dann musst du echt an dem Punkt ansetzen, loszulassen.
Da muss man richtig eine Entscheidung treffen, einen klaren Entschluss fassen, und sich zwingen, den durchzuführen, und es dann gut sein lassen. Ich rühre solche Texte in der Regel dann auch erst mal überhaupt gar nicht mehr an, und damit mir das leichter fällt, verschiebe ich sie in einen extra Ordner. Damit ich eine "räumliche" Trennung habe.
Also frag dich mal selbst, wem oder was die allerletzte, hundertste Überarbeitung dienen soll, also besser noch, wohin du mit dem Text noch willst? Sonst wird die Überarbeiterei zu einer Blockade für dich.
Ich hab das an dem Punkt gemerkt, wo ich vor lauter noch anstehenden Aufgaben der Überarbeitung nicht mehr zum Neuschreiben kam. Dann hab ich mir einfach einen Ruck gegeben und mich gezwungen, den Perfektionismus zu lassen. Gründlich bin ich immer noch und so, wie du dich beschreibst, du auch. Man kann die Sache auch anders sehen, nämlich so, dass ältere Texte, mit denen du nichts mehr vorhast, deinen Werdegang zeigen.
Und bei Texten, bei denen du einfach nicht weiterkommst, da hör ich dann auch einfach mal auf. Ich markier mir alles, was ich nicht gut finde, schreib mir meine Vorschläge oder Überarbeitungsstichpunkte dazu und legs erst mal ab. Zwinge mich, diesen Text einfach mal vier Wochen nicht mehr anzufassen. Und erst nach vier Wochen gehe ich wieder dran. Und das ist schon sehr oft passiert, dass es dann viel besser geklappt hat, weil ich eine innerliche Distanz zu dem Text gekiegt habe. Da fällt mir oft nicht nur mehr ein, sondern ich bin auch nicht mehr so streng mit mir und dem Text wie vorher.
Also man braucht wie beim malen wirklich den Punkt, ein Bild, einen Text für fertig zu erklären. Für dich selbst.

 

Hallo Exilfranke!

Das ist eine extrem interessante Frage. Ich muss ehrlich sagen, dass ich diesen Drang, eine einmal geschriebene Geschichte zu perfektionieren, so gar nicht in mir habe. Formell höchstens - ich jage zum Beispiel Wochen später noch den letzten orthografischen Schwächen hinterher. Hin und wieder bürste ich auch noch ein wenig am Stil. Das kommt dann aber alles in einem eigenen Flow. Ich sitze nicht verkrampft davor und denke mir 'Grr, es muss unbedingt anders werden'.
Vielmehr habe ich stets vor Augen, dass eine Geschichte, die einmal in irgendeiner Form aus mir hinausgeflossen ist, eben ist wie sie ist. Da schreibe ich lieber eine neue, frische, eine die vielleicht besser, voller und hochwertiger wird.
Nun muss ich allerdings eins betonen: Ich weiß, dass mein größter Knackpunkt in den Geschichten stets die Thematik ist. Ich stolziere ständig um lahmarschigste Themen herum. Manchmal weiß ich selbst die nicht interessant in Szene zu setzen. Vielleicht weiß ich deshalb, dass das Aufpolieren bisheriger Texte in meinem speziellen Fall eh nichts bringt, weil ich eben im Bewusstsein hängen habe, dass es da nicht mehr viel besser zu machen gibt.

Ich experimentiere deshalb im Moment eher mit der Sprache in Texten. Mal etwas poetischer, mal etwas kurzangebundener, mal etwas rüder. Ich muss meinen Wohlfühl-Flow anscheinend finden. Und das nach mehr als 15 Jahren ... Aber: Ich hatte so ne fiese akademische Phase und Jahre des schnöden Dahindichtens dazwischen. Und dann eine Phase der Geisteslähmung.

Sorry, vom Thema dieses Threads abgewichen, aber es kam so rausgesprudelt. :)

Ich wünsche Dir frohe Ostern! Und allen anderen natürlich auch.

LG

 

Wenn ich als ewig Schreibblockierter überhaupt etwas sinnvolles beizutragen habe, ist das ein rein praktischer Hinweis, der vielleicht dem einen oder anderen hilft, dessen Herangehensweise auch beim Erschaffen von Prosatexten ebenso technisch geprägt ist wie bei mir. Gut möglich allerdings, wird mir gerade bewusst, dass gerade dieser technische Ansatz für die Kreativität eher schädlich ist auf lange Sicht, aber seht selbst. Diejenigen, bei deren Schreibprozess das Fließen gegenüber der Konstruktion deutlich überwiegt, werden damit wohl wenig anfangen können.

Ein großes Hemmnis beim Überarbeiten war bei mir immer, dass ich mich verzetteln, Logik- und Handlungsfehler einbauen könnte. Zumindest dagegen kommt für mich ein Mittel in Betracht, dass ich von der Programmierpraxis her kenne: Wie ein Werkzeug zur Versionsverwaltung mir da sehr hilft, habe ich vor, es damit auch beim nächsten Prosaprojekt zu versuchen, das sich tatsächlich grob und schemenhaft am Horizont abzeichnet.
Ob ich einen Text gemäß einer Programmiersprache für ein spezielles Programm schreibe, das ihn letztendlich in ausführbaren Maschinencode übersetzt, oder für andere Menschen, die meiner natürlichen Sprache mächtig sind und eben dadurch der Text von allein als ein Fluss von Vorstellungen bei ihnen, ihrem Bewusstsein ankommt, also das, was Lesen halt ausmacht ... ist das bezogen auf das rein Handwerkliche doch einerlei, oder?

Ein solches Tool heißt z.B. git, das es übrigens für Linux, Windows, Mac etc. gibt, und selbstverständlich gibt es dazu eine grafische Benutzeroberfläche. git kann ich sagen, git, meine aktuelle Version gefällt mir nicht, bitte hole mir die vorige wieder, also die, wo ich zuletzt gesagt habe "ja das ist es, halts fest" (commit), die Version, die ich etwa beschrieben habe mit "Juppiduh, der heilige Gral ist gefunden: Isolde gibt dem Todestrank etwas Alkohol hinzu". Diese Versionsbeschreibungen werden zu den Änderungen mitgespeichert und helfen, den Überblick über den Schaffensprozess zu behalten. Ich kann Ableitungen erstellen (branch), also Version B von Version A ableiten, so dass ich eine Zeitlang wechselweise, nach Lust und Laune, an beiden arbeiten kann. Später kann ich mich für einen Zweig, also eine bestimmte Kette von einzelnen Änderungen ab dem gemeinsamen Ableitungspunkt entscheiden, den anderen über Bord kippen oder sie vereinigen (merge).

Ich weiß nicht, ob professionelle spezielle Autorenprogramme das auch können und an den diesbezüglichen Funktionsreichtum von git heran reichen. Habe bisher keines verwendet, mein einziges Werkzeug war der reine Texteditor.

Wenn mein Vorhaben hoffentlich erfolgreich ist, gibt es wieder mal eine Story von mir, später einen Beitrag in "Tools" und einen Blogbeitrag zur detaillierten Dokumentation des Schaffensprozesses mit git. Es konkurriert allerdings mit einem anderen Hobby von mir.

 

Ich habe die Angewohnheit, jeweils den gesamten bisherigen Text durchzulesen, bevor ich weiterschreibe. Ich kann nicht anders, auch wenn das bei längeren Texten ziemlich mühsam ist. Zuweilen mache ich das nicht nur am Anfang, sondern auch während einer Schreibsession, d.h. auf einmal fange ich noch mal an, den gesamten Text zu lesen, bevor ich weiterschreiben kann. Ich weiss nicht, ob ihr ähnlich vorgeht, vielleicht arbeitet ihr alle so?
Auf alle Fälle überarbeite ich da jeweils gleichzeitg, d.h. ich markiere Sätze, die holpern, schreibe gleich eine alternative Wendung rein, ersetzte Wörter, stelle auch mal einen Absatz um. Aber nur, was mir grad auffällt. Mir ist klar, dass ich dabei den Kritiker in mir nicht vom Kreativen in mir trenne, was man ja tun sollte. Aber ich erlebe das Schreiben eh nicht so sehr als kreativen Prozess, während dem mein unzensierter Geist tätig ist oder so was. Und der Vorteil ist, dass die Texte jeweils schon mehrfach "vorüberarbeitet" sind, bevor es an die echte Überarbeitung geht, die sich dann für mich deutlich weniger zäh anfühlt, als oftmals beschrieben. Also ich bin weit vom Verhältnis 1 (Schreiben) zu 10 (Überarbeiten) entfernt, von dem ich schon gelesen habe. Aber vielleicht überarbeite ich auch einfach nicht gründlich genug. :)
Was mir ebenfalls hilft, ist, nicht jedes Problem lösen zu wollen, sobald ich es antreffe. Das heisst, ich ringe nie länger als fünf Minuten um eine Formulierung. Wenn ich nichts finde, mache ich eine Notiz und gehe zur nächsten Stelle. Und beim nächsten Mal klappt's dann hoffentlich.

 

Bei mir gibt es beim Überarbeiten zwei unterschiedliche Prozesse. Wenn ich schreibe, lese ich meinen Text meistens ganz von vorne. Ich brauche das, um wieder in die Grundstimmung für den Text zu kommen. Da geht es mir ähnlich wie Peeperkorn. Ich korrigiere und arbeite gleichzeitig ganz neue, also kreative Passagen ein. Es ist wie bei der Echternacher Springprozession: Zwei (oder drei) Sprünge vor, ein Sprung zurück. Das ist aufwendig, und ich muss aufpassen, dass ich mich nicht verzettele oder festbeiße. Immerhin habe ich dadurch eine gewisse Sicherheit, dass Widersprüche oder logische Brüche gleich erwischt werden oder nochmals ein Sachverhalt recherchiert wird.

Was ganz anderes ist es, wenn es sich um Kritik von außen handelt, so wie hier im Forum. Da passiert es schon mal, dass ich eine Textstelle ändere und erst spät oder gar nicht merke, dass dadurch die ganze Konstruktion ins Wanken geraten ist. Da ist der Umbau viel mühsamer, vor allem, wenn ich schon viel Zeit in die oben beschriebene Phase investiert habe. Hier neige ich dann schon dazu, den Text ganz zu verwerfen oder total neu zu schreiben. Das ist natürlich auch davon abhängig, ob ich meine Texte verkaufen will oder nur für mich selber schreibe. Im ersteren Fall heißt es wohl, auf die Zähne zu beißen.

Eine besondere Situation, die ich jetzt neu im Forum erlebe, ist folgende. Was passiert, wenn man akribisch alle Vorschläge geprüft und berücksichtigt hat und nun - wie ein folgsamer Musterschüler- die Verbesserung nochmals präsentiert? Darf man dann nochmals auf Rückmeldung hoffen? Ich frage deshalb, weil wir als Kommentatoren oft genug einfordern, dass - bitteschön - Kommentare ernst genommen werden sollen.
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Exilfranke schrieb:
… das Überarbeiten und Verbessern von bereits fertiggestellten Texten ist mir mehrheitlich eine Qual. Ich brüte oft stundenlang über einen Absatz, schreibe ihn dann um, verwerfe wieder alles, nur um am Ende doch wieder auf die überarbeitete Version zurückzugreifen. Ich kann auch unmöglich sagen, wann "es denn mal gut ist", ich finde im Überarbeiten quasi nie ein Ende und mich plagt die Angst, dass ich den Text am Ende nur noch verschlimmbessere. Mir fehlt jedes objektive Maß, mit dem eigenen Text umzugehen, die Qualität einzelner Formulierungen gegeneinander abzuwiegen und dergleichen. Noch dazu ist der Zeitaufwand immens. Ich brauche für das Überarbeiten von fünf Seiten ungefähr das zehnfache an Zeit wie für das eigentliche Schreiben. Der Prozess bereitet mir keine Freude.

Also ich persönlich kenne diese radikale und aufreibende Form des Überarbeitens überhaupt nicht. (Wobei ich vielleicht einschränkend sagen sollte, dass sich meine Schreibtätigkeit ausschließlich auf Kurzgeschichten fürs Wk-Forum beschränkt.)
In aller Regel bin ich ein extrem langsamer und unökonomischer Schreiber, das heißt, die Zeit, die bei anderen in eventuelle nachträgliche Überarbeitungen fließt, brauche ich schon für die Erstfassung. Das Desaster, um einen einzigen Satz eine Stunde und um einen einzigen Absatz einen Abend lang zu ringen, kenne ich nur allzu gut.
Wenn ich dann allerdings die Storys poste, sind sie in aller Regel sowohl stilistisch als auch inhaltlich genau so, wie ich sie haben will. Dass sie zu diesem Zeitpunkt selten perfekt sind, ist natürlich klar. Allerdings sind sie auch nie so schlecht, dass ich sie anschließend zur Gänze oder passagenweise verwerfen will. Was sich später an Änderungen ergibt, geschieht wirklich nur sehr behutsam und über teilweise sehr lange Zeiträume hinweg. Immer wieder einmal, so alle paar Monate, lese ich eine meiner Geschichten hier im Forum und habe dann zur ursprünglichen Fassung meist genug Distanz, um endlich diesen oder jenen Satz umzustellen, dieses oder jenes Wort endlich zu streichen, diesen oder jenen Darling endlich zu killen.
Diese Form des Überarbeitens empfinde ich jedoch weniger als Arbeit, sondern vielmehr als eine Kombination aus Lesevergnügen - ja ich weiß, ich bin ein verdammt eitler Hund - und Freude über das immer besser werdende Ergebnis.

wieselmaus schrieb:
Eine besondere Situation, die ich jetzt neu im Forum erlebe, ist folgende. Was passiert, wenn man akribisch alle Vorschläge geprüft und berücksichtigt hat und nun - wie ein folgsamer Musterschüler- die Verbesserung nochmals präsentiert? Darf man dann nochmals auf Rückmeldung hoffen? Ich frage deshalb, weil wir als Kommentatoren oft genug einfordern, dass - bitteschön - Kommentare ernst genommen werden sollen.
Hoffen darf und soll man natürlich immer, wieselmaus, allerdings ist die komplette Überarbeitung einer Geschichte kein Garant fürs neuerliche Wahrgenommenwerden durch Kritiker. Aber möglicherweise widerspricht diese Erwartung auch einfach den Usancen eines so schnelllebigen Mediums, wie es ein Internetforum nun mal ist. Ich mein, hier werden täglich im Schnitt, ich weiß nicht, zehn, zwölf neue Storys gepostet, man kommt also sowieso nicht damit nach, allen Geschichten gebührenden Respekt zu zollen, und es gehört dann halt ein gerüttelt Maß an gutem Willen dazu, mit einer Geschichte, die man vielleicht eh schon kommentiert hat, sich ein weiteres Mal auseinanderzusetzen.
Ich habe das selber bei meinem Erstling erlebt: Nachdem die ersten Kommentare quasi einhellig das etwas schwache Ende der Geschichte kritisiert haben, setzte ich mich noch mal dran und schrieb ein neues Ende, mit dem Ergebnis, dass die Geschichte letztlich mehr als doppelt so lang wie die ursprüngliche Version war. Dazu bekam ich allerdings nur noch einen Kommentar, bzw. einen zweiten, den jedoch erst zwei Jahre später. (Der Vollständigkeit halber muss ich noch dazu sagen, dass ich als damaliges Forumsküken natürlich auch zu schüchtern war, auf die neue Fassung explizit hinzuweisen. Vermutlich wurde sie von den meisten schlicht übersehen. In einem solchen Fall, also quasi dem Neuschreiben einer Geschichte, wäre es allemal legitim, in einem extra Beitrag darauf aufmerksam zu machen. Das würde wohl niemand als Thread-Bumping bezeichnen.)

 
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Danke, ernst offshore, das ist nun mal eine glasklare Antwort. Dass es sowas wie Thread-Bumping gibt, ist mir erst hier im Forum bewusst geworden. Bis vor wenigen Monaten war ich eben nur ein einsamer Schreiberling (seit vielen Jahren). Hier bei den Wortkriegern ist es richtig spannend.

 

Da treff ich mich fast mit ernst. Aber, wenn auch studierter Ökonom und auch mathematisch nicht unbegabt, werd ich nie fertig, denn das Leben selbst ist fragmentarisch bis man eben den Löffel abgibt, aber wem sag ich das,

liebe Leute,

und etwa bei der Kakophonie ist absehbar, dass mit den Gerichtsverfahren zur Loveparade - sofern ich es noch erleben darf - die Fuge weitergefügt wird. Mir ist es selbst bei Steuererklärungen fremd, dass sie mit der Abgabe "fertig" sein sollen, denn ich widerspreche gerne. Und - da kann ich nur mit'm ollen Brecht schließen: Die Werke dauern so lange, als man damit selbst beschäftigt ist.

Mehr kann ein unfertiger Mensch nicht sagen, außer noch schöne Tage, diese Tage, zu wünschen.

Friedel

 

Mir geht es ähnlich wie offshore: Wenn eine Geschichte fertig ist, ist sie fertig. Dass sie nicht perfekt ist, wen kümmert's – ich hab’s getan, was ich bis dahin konnte. Was nicht heißt, dass ich Fehler, egal welcher Art, drin lassen würde. Nach dem schöpferischen Akt, bei dem man sich von der Rechtschreibung und der Grammatik nicht aufhalten lassen darf, kommt natürlich die Kontrolle auf Fehler und Ungereimtheiten. Aber irgendwann sieht man sie nicht mehr und postet den Text.

Ansonsten halte ich es mit Allen Ginsberg:

Der erste Gedanke ist der beste Gedanke. Beobachte, was lebendig ist. Bemerke, was Du bemerkst. Ertappe Dich beim Denken.

 

Ich überarbeite meine Texte auch viel zu sehr, bis ich sie irgendwann zerstört habe und neu Beginne bzw. eine ältere Version öffnen muss. Keine Ahnung, da fehlt mir noch eine gesunde Strategie, wie ich auch tatsächlich meine Texte verbessere.

 
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Klingt jetzt vielleicht verdammt überheblich, aber versucht doch einfach von vornherein, also schon beim Verfassen des Textes, jeden Satz so zu formulieren, als wäre er der allerletzte, den ihr überhaupt schreiben dürft. Dadurch sollte sich endloses Überarbeiten eigentlich erübrigen. :D

 
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Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

... wenn du dich nicht gerade dadurch blockierst, dass du dich so unter Druck setzt. Würde mir so gehen, glaube ich. Und da habe ich jetzt schon wieder so einen dieser unnützen theoretischen Gedanken, wie ich mein nächstes Projekt – wozu ich noch keine konkreten Ideen habe, da mach ich mir nichts vor – in Angriff nehmen könnte. Vielleicht inspirieren sie den einen oder anderen zu Verbesserung im eigenen Workflow. Eine technische Versionsverwaltung ist dazu nicht nötig.

Phasenweise vorgehen.

Phase 1a ("Flow"): Laufend schreiben, nicht nachdenken, zur Not Müll schreiben, frei nach Stephen King "... REDRUM REDRUM REDRUM REDRUM REDRUM ..." :D

Phase 1b, nachdem ich mindestens eine Nacht drüber geschlafen habe ("Extract"): Das aus der Phase 1a ziehen, was mir behaltenswert erscheint, umstellen und korrigieren nach Belieben.

Phase 2a, wiederum nach ein paar Nächten drüberschlafen: 1b lesen. Dann weglegen und aus dem Gedächtnis neu schreiben. Es wird Abweichungen geben, logisch, die sind gewollt.

Phase 2b: Version 1b und 2a nebeneinander legen und vereinigen.

Und immer so weiter: 3a = 2b aus dem Gedächtnis mit Erweiterungen und mehr oder weniger gewünschte Abwandlungen, nicht zuviel nachdenken, 3b = 2b und 3a nebeneinander legen und vereinigen.

Schade, dass es für mich erst mal heißt, Ideensammlung. Also Phase 0. Aber dieser Gedanke spornt mich zunächst mal ordentlich an, darüber hinaus zu kommen.

 

Ernest Hemingway — 'The only kind of writing is rewriting.'

Ich möchte Ernst widersprechen: Überarbeiten, und zwar konstant, ist sehr oft notwendig, weil zeitliche Distanz den Kern des Erzählten besser herausbildet. Man kann versuchen, möglichst sauber zu schreiben, aber das sagt noch nichts über die Immanenz des Textes aus. Durch das Bearbeiten eines Textes bildet sich die wahre Version heraus.

Nur meine 2 Cent. :D

Frohe Ostern! Jimmy

 

Danke für den Tipp floritiv. Vielleicht werde ich die Methodik auch anwenden, zumindest mal, bei meinem nächsten Kapitel.
jimmysalaryman Wie lange lässt du einen Text ruhen bis du ihn überarbeitest?

Beste Grüße und frohe Ostern,

sonne

 

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