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Die Königin hinter den Kulissen

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04.10.2015
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Die Königin hinter den Kulissen

Zum Finale der Vorstellung färbt die Sonne das Himmelszelt, gleich dem Vorhang, der zum Ende eines Stückes die Bühne schließt, in tiefstes Karminrot. Der Moment, in dem sie untergeht, weilt und weilt, denn jeder Bewohner der Stadt, der Zeuge wird, nimmt sich die Zeit, bei diesem Anblick in Staunen zu versinken und der Eile einen Moment lang ihre Bedeutung abzusprechen. Zu dieser Stunde, die Tag und Nacht in einem kreuzenden Ensemble vereint, erscheint die Welt im Zwielicht. Die junge Nacht hüllt die noch warmen Straßen, Dächer und Felder der kleinen Stadt in schwarze Seide und von der Krone der großen Eiche aus betrachtet, wirken heuchlerische Laternen und Wohnzimmerlichter, die nun schwächlich aus den kleinen Fenstern schimmern, wie das albtraumhaft unstabile Spiegelbild des wolkenlosen Sternenhimmels.
Der blasse, matte Schein des Mondes vermag es lediglich die geometrischen Linien der Stadt zu umreißen und mit der Dunkelheit geht auch Stille einher. Die Stadt kommt zur Ruhe und die Sinne ihrer Menschen büßen immer mehr an Schärfe ein, bis sie – die Menschen – in tiefen Schlaf verfallen und erst wieder erwachen, wenn die warmen und blendend grellen Strahlen der Morgensonne über ihre Wangen gleiten.

Zu diesen späten Stunden wagen sie sich hervor. Aus engsten Nischen, den unscheinbarsten Löchern und unter allerlei Möbeln kriechen sie hervor, verlassen die dreckigsten Ecken, die grausten Keller und staubigsten Dachböden. Sie hatten gewartet, nicht geschlafen oder geruht, gewartet. Zu diesen späten Stunden ist es Hunger, nicht der Ehrgeiz, der schiere Hunger, der sie treibt, ihr Netz zu spinnen – im Licht der Laternen oder in den Bäumen der Stadt fleißig ihr Netz zu spinnen und zu spinnen und zu spinnen.
So tut es auch Sie und vielleicht verfängt sich noch in dieser Nacht ein farbloser, fettleibiger Falter oder gar eine saftige Motte in Ihrem Netz, und wenn nicht, wenn nicht, wird Sie am nächsten Tag warten, nicht hoffen, warten, bis Sie Sich an den hauchdünnen Flügeln eines Schmetterlings oder dem glänzenden Limettengrünen Leib einer Fliege sättigen können wird.
Ihr Netz spinnt Sie schon seit Langem nicht mehr unter Laternen oder an den Ecken der abends beleuchteten Wohnzimmerfenster. Sie zieht die luftigen Höhen vor, die Ihr die große Eiche inmitten der Stadt bietet. Dort, in der Krone der Eiche, ist Sie die einzige Ihrer Art, denn die übrigen tummeln sich zu tausenden im elektrischen Wirrwarr der Menschen. Nun spinnt Sie Ihre Falle nicht etwa an solch abgeschiedener Stelle, weil Sie Ihre eigene Art scheuen oder meiden müsste – Nein, Sie scheut noch nicht einmal die alte Taube, denn auch diese weiss nur zu genau um Ihre Abstammung und sah sich selbst schon hundert Mal in Ihren Augen. Sie spinnt ihre Falle dort, weil Sie Erfahrung sammeln konnte, Zeit Ihres langen Lebens. Sie weiß, dass sich nur die größten und nahrhaftesten Kreaturen in solchen Höhen ziel- und orientierungslos verirren, scheinbar sinnlos dem Mond entgegenflattern, einzig und allein getrieben vom niederen und doch allgemeinsten Drang, sich an Licht zu laben.

Ihr Netz ist von feinster Beschaffenheit; wirkt es von weitem betrachtet kreisrund und makellos schön, erkannte der geneigte Betrachter aus nächster Nähe die vieleckige äußere Struktur des Gebildes. Mündend in jeder der äußeren Kanten, findet sich ein Verbindungsfaden, der seinen Ursprung im ungefähren Mittelpunkt des Netzes hat. Dutzende dieser, in beinahe gleichen Winkelabständen von einander entfernten Fäden entspringen rundherum jenem mittigen Schwerpunkt. Um diesem soweit losen Konstrukt die nötige Stabilität zu verleihen, sind die tragenden Fäden von innen nach außen in größer werdenden Abständen miteinander verbunden. Stellen sich die Halt gebenden Verbindungsfäden im innersten Segment als Dreiecksseiten dar, bilden Folgende die annähernd parallelen Seiten nahezu gleichschenkliger Trapeze. Das dämmernde Morgenlicht streute sich tausendfarbig in den mit Tau behangenen Weben, läge nicht schwärzeste Nacht über der Stadt und wenn Sie nun wartend, im Mittelpunkt ihrer Falle ausharrend, all Ihre dürren Glieder von Sich streckt, gleichen sich Ihre Anatomie und die Bauweise Ihres Netzes auf sonderbar natürliche Art und Weise. Sie ist eins mit Ihrem Netz, Ihr Netz ist Ihr Werk, ist Erweiterung ihrer zuckenden Glieder.

So wie Sie es tut – Nacht für Nacht –, tut es Ihresgleichen schon seit aller Zeit, tut es Ihresgleichen schon seitdem so etwas wie Zeit noch nicht einmal gemessen wurde, schon seit der Primat weit, weit davon entfernt war einst aufrecht durch die Welt zu schreiten und so wird es Ihresgleichen dann noch tun, wenn das letzte Molekül des letzten Menschen seinen Platz in einem neuen Teil des Kreislaufs eingenommen haben wird.
Nun, im ruhevollen Dunkel der Nacht, noch bevor der neue Tag anbricht, bevor die meisten Ihres Geschlechts zurückkriechen in die engsten Nischen, die unscheinbarsten Löcher, zurück in die dreckigsten Ecken, grausten Keller und staubigsten Dachböden, bevor der morgenrote Vorhang aus Licht die kleine Stadt samt ihrer Straßen, Dächer, Felder und der großen Eiche einhüllt, um das alltäglich aufzuführende Stück anschließend gebührend auf ein Neues zu eröffnen, zieht Sie Ihre Fäden, Sie zieht Ihre Fäden hinter den Kulissen, in der Krone der großen Eiche, als eine Königin durch alle Zeiten dieser Welt.

 

Hallo Arvid Schwarz,

du erwartest auf den vierten, innerhalb von einer Woche von dir veröffentlichten Beitrag Kommentare. Und das, obwohl dir Chris Stone geraten hat, auch andere Texte zu kommentieren (und du "ihr zuliebe" deine Beitragsfrequenz senken wolltest). Du solltest dir solche Hinweise zu Herzen nehmen. Hast du überhaupt Interesse an der Überarbeitung deiner Texte?

Damit ich dann aber doch noch etwas Konstruktives zum Text sage:
Du solltest dir die Gross- und Kleinschreibung nochmals vornehmen.

Liebe Grüsse
Raki

 

Hallo Raki

Eine Sache: schlimmer, als die vierte Geschichte in einer Woche zu posten, finde ich es (ganz egal wie schlecht der Text auch sei), einen Schreibversuch derart hochmütig abzutun.

Trotzdem Grüße,
Arvid

 

Hallo Arvid,

Ich sehe nicht, wo mein Kommentar hochmütig erscheint. Ich habe lediglich einen Hinweis auf einen anderen Kommentar gegeben und eine - in meinen Augen berechtigte - Frage gestellt, die du nicht beantwortet hast.

Also keine Sorge, ich werde von zukünftigen Kommentaren absehen.

Liebe Grüsse
Raki

 

Hallo Arvid Schwarz,

Ich bin auch neu hier und das ist mein erster Kommentar auf wortkrieger.de. Deine anderen Geschichten habe ich auch gelesen, die bereits intensiv kommentiert waren. Unter einer Geschichte verstehe ich, dass mir der Autor anhand herbeigeführter Konflikte oder Gegensätze einen Spannungsbogen aufbaut. Diese Konflikte darzustellen, daraus eine Handlung zu entwickeln und einen großartigen Schluss zu finden, der den Leser zufrieden macht, ist meiner Meinung nach die grundlegende Pflicht eines Autors. Das ist das Schwerste, weil man als Leser mit dem letzten Satz das Ah-Gefühl haben will.
Deine Geschichte soll „Alltag“, „Märchen“ und „Seltsam“ sein. Da beginnt mein Problem. Wie kann eine Geschichte „Alltag“ und „Märchen“ zugleich sein, obwohl diese beiden Rubriken gegensätzlicher nicht sein können? Das funktioniert bei mir nicht. Zur Rubrik „Seltsam“ gehört sie auch nicht hin. Wenn einer wissen sollte, für welche Rubrik er schreibt dann der Autor. Damit machst du es dem Leser auch leichter, worauf er sich einlässt. Ich wollte nämlich eine Märchengeschichte lesen und war enttäuscht. Ich entdeckte nichts Märchenhaftes.
Den Titel lasse ich mal beiseite. Ein Autorentitel ist das erste Rotstiftopfer. Angelockt von der ,Königin hinter den Kulissen´ heißt es sofort danach:
„Zum Finale der Vorstellung färbt die Sonne das Himmelszelt, gleich dem Vorhang, der zum Ende eines Stückes die Bühne schließt, in tiefstes Karminrot.“
Bin ich jetzt zu spät gekommen, weil ich die bisherige Vorstellung verpasst habe? Wie hieß das Stück? Worüber handelte es? Zumindest kann ich das Finale erleben: Die Sonne färbt etwas rot, da schließt sich leider schon der Vorhang. Kein Finale? Ich weiß, du willst das nicht sagen, aber deine Substantive stehen in dieser Reihenfolge: Finale, Vorstellung, Vorhang, Ende, Stück, Bühne.
Der Satz bedeutet nichts anderes als: Der Sonnenuntergang war rot. Hat dieselbe Bedeutung wie: Der Himmel ist blau. Der Satz erzeugt keine Spannung, stellt keinen Konflikt dar, der mich fesselt.
„Der Moment, in dem sie untergeht, weilt und weilt, denn jeder Bewohner der Stadt, der Zeuge wird, nimmt sich die Zeit, bei diesem Anblick in Staunen zu versinken und der Eile einen Moment lang ihre Bedeutung abzusprechen.“
Die Sonnenuntergänge, die ich erleben durfte, waren ein fortlaufender Prozess. Da verweilt nichts. Ich nehme dir auch nicht ab, dass alle Bewohner - Menschen?, Fabelwesen?, Tiere? - dieser Anblick, den sie jeden Tag haben, in Staunen versetzt, schon gar nicht versinken lässt. Wohin versinken? Ein Schiff kann unter Wasser sinken. Im Sumpf kann ein Mensch oder Tier versinken. Bedeutet beides: untergehen. Warum nicht einfach: Die Bewohner staunen. Damit kommen wir zum Kern, den ich oben erwähnte. Das glaube ich nicht. Nenne also, warum dieser Sonnenuntergang alle Bewohner innehalten lässt. Ist das ein Zauber? Wie im ersten Satz drückst du Substantiv auf Substantiv an Verben, die verpuffen müssen und keine Chance haben sich zu entfalten.
„Der Moment, in dem sie untergeht, weilt und weilt...“ „...und der Eile einen Moment lang ihre Bedeutung abzusprechen.“
Ein Moment ist kurz. Ein Lidschlag. Der Flügelschlag eines Kolibris. Ein Moment kann daher nicht verweilen. Was bedeutet „einen Moment lang“? Auch das widerspricht sich. Der Satz hat für mich folgenden Inhalt: Jeder Bewohner hält inne, um den Sonnenuntergang zu sehen und für sich zu deuten.
Ich hoffe, du verstehst, worauf ich hinaus will. Die Sätze sind aufgesetzt, aufgebauscht und enthalten für mich keine Informationen, an denen mitfiebere, wie es denn jetzt weitergeht. So geht es weiter, Satz für Satz, den ganzen Text hindurch.
„Zu dieser Stunde, die Tag und Nacht in einem kreuzenden Ensemble vereint, erscheint die Welt im Zwielicht.“
Streiche „in einem kreuzenden Ensemble“.
Zu dieser Stunde, die Tag und Nacht vereint, erscheint die Welt im Zwielicht. Okay, aber das ist jetzt kein besonderer Satz, wenn es vorher einen Sonnenuntergang gegeben hat. Ich denke, du kannst davon ausgehen, dass jeder normale Mensch mindestens einen Sonnenuntergang gesehen hat und weiß, dass es danach zum Abend dämmert. Das ist dann ein Bericht, der überflüssig ist.
„Die junge Nacht hüllt die noch warmen Straßen, Dächer und Felder der kleinen Stadt in schwarze Seide und von der Krone der großen Eiche aus betrachtet, wirken heuchlerische Laternen und Wohnzimmerlichter, die nun schwächlich aus den kleinen Fenstern schimmern, wie das albtraumhaft unstabile Spiegelbild des wolkenlosen Sternenhimmels.“
Ich las zwei Sätze zum Moment des Sonnenunterganges. Einen Satz für eine Stunde Dämmerung und bin beim nächsten schon in der Nacht. Dass ich nicht sofort in der Nacht war, in der augenscheinlich was Spannendes passieren soll, sondern vier lange, schwülstige nichtssagende Sätze hingehalten wurde, finde ich schade. Ich weiß immer noch nicht, um was es geht - bei einer Kurzgeschichte! Kenne weder den Helden noch sein Problem.
Warum sind die Straßen warm? In schwarze Seide hüllt sich ein Mensch. Hülle ist komplett, drumherum. Wenn du etwas bedecken möchtest, nimm bitte ein anderes Verb und keine schwarze Seide. Wo steht die Eiche? Ist es eine Eiche unter vielen oder die einzige Eiche der Stadt? Was sind heuchlerische Laternen und Wohnzimmerlichter? Gibt es auch ehrliche Laternen und Wohnzimmerlichter in diesem Land? Wie stellst du dir ein albtraumhaft instabiles Spiegelbild des wolkenlosen Sternenhimmels vor? Ich kann es nicht. Im Gegensatz zum Sonnenuntergang, kann ich stundenlang einen Sternenhimmel anschauen, der natürlich wolkenlos ist, sonst könnte ich die Sterne nicht sehen. Zu Anfang forderst du Muße der Bewohner für einen steten Prozess, aber der dauerhafte Sternenhimmel soll albtraumhaft sein. Überlege dir, was genau du sagen willst, damit es in sich logisch wird. Wenn du sagen willst, dass die Lichter der Stadt sich als Sterne am Himmel spiegeln, wäre das ein nettes Bild, aber ich weiß immer noch nicht, worum es geht und was das mit einer Königin zu tun hat, die aufgrund des Titels eine Hauptfigur sein soll.
„Der blasse, matte Schein des Mondes vermag es lediglich die geometrischen Linien der Stadt zu umreißen und mit der Dunkelheit geht auch Stille einher. Die Stadt kommt zur Ruhe und die Sinne ihrer Menschen büßen immer mehr an Schärfe ein, bis sie – die Menschen – in tiefen Schlaf verfallen und erst wieder erwachen, wenn die warmen und blendend grellen Strahlen der Morgensonne über ihre Wangen gleiten.“
Zuerst legt deine junge Nacht schwarze Seide über Stadt und Land. Wenn du ein Tuch über Kanten legst, entstehen sanfte Linien. Du nennst aber die Linien geometrisch. Das ist, entschuldige, so ähnlich wie „der waldige Baum“. Du hast es bestimmt schon bemerkt. Ich bin kein Freund von Attributen, die ein Substantiv irgendwie mächtiger klingen lassen sollen und das Gegenteil erreichen, dadurch entsteht unfreiwillige Komik. Sag einfach Mondschein, und jeder weiß, was du sagen willst. Stille kann nicht gehen. Wenn der Mond scheint, kann es nicht dunkel sein. Die Nacht hast du im Satz davor jung gemacht. Du musst dich entscheiden: Dunkelheit oder Mondschein. Beides zusammen geht nicht. Die Stadt kommt zur Ruhe? Wenn da bald alles, was krabbeln kann, Netze spinnt, stimmt das nicht. Eine Stadt besteht aus toter Materie, kann weder leben noch sterben noch zur Ruhe kommen. In der Stadt leben Wesen, die ihre Ruhephasen haben. Die Sinne ihrer Menschen büßen an Schärfe ein? Das Füllsel „immer mehr“ grundsätzlich löschen. Der Sinn des Satzes:
„ Die Stadt kommt zur Ruhe und die Sinne ihrer Menschen büßen immer mehr an Schärfe ein, bis sie – die Menschen – in tiefen Schlaf verfallen und erst wieder erwachen, wenn die warmen und blendend grellen Strahlen der Morgensonne über ihre Wangen gleiten.“
lautet: In der Nacht schlafen die Menschen und wachen morgens auf.
„Zu diesen späten Stunden wagen sie sich hervor. Aus engsten Nischen, den unscheinbarsten Löchern und unter allerlei Möbeln kriechen sie hervor, verlassen die dreckigsten Ecken, die grausten Keller und staubigsten Dachböden.“
Jetzt geht es los. Jetzt kommt Aktion. Das Böse kommt heraus. Die Menschen liegen wehrlos in den Betten und…, wenn nicht diese, alles totmachenden Attribute wären, dazu in der höchsten Steigerung, engste, unscheinbarste, dreckigsten, grausten( meinst du die Farbe grau oder grausigsten?), staubigsten. Und dann passen sie nicht zusammen. Engste Nischen? Wer baut das denn? Unscheinbarste Löcher? Was ist das? Ein Loch bleibt ein Loch. Dreckigste Ecken? Heißt das, aus den normal dreckigen Ecken kommen die Spinnen nicht hervor? Endlich schlafen alle Menschen und sie kommen heraus. Wer sind „sie“? Schade, dass du dies nicht offen sagst, sondern verheimlichst. Da die Geschichte unter Märchen lief, und ich soweit gekommen war, wollte ich einfach nicht glauben, dass nur Spinnen gemeint waren, die du da beschreibst.
„So tut es auch Sie und vielleicht verfängt sich noch in dieser Nacht ein farbloser, fettleibiger Falter oder gar eine saftige Motte in Ihrem Netz, und wenn nicht, wenn nicht, wird Sie am nächsten Tag warten, nicht hoffen, warten, bis Sie Sich an den hauchdünnen Flügeln eines Schmetterlings oder dem glänzenden Limettengrünen Leib einer Fliege sättigen können wird.“
Sein, haben, tun sind schwache Verben und sollten in der Anwednung überdacht werden, ob ein anderes Verb besser ist. Davon abgesehen, dass limettengrün und sich klein geschrieben werden, sagt dieser Satz genausowenig wie die vorherigen Sätze: Spinnen schaffen Netze, mit denen sie Insekten fangen. Was ist daran so besonders? Leider erklärst du es nicht. Sind in dieser Stadt die Spinnen anders?

„Ihr Netz spinnt Sie schon seit Langem nicht mehr unter Laternen oder an den Ecken der abends beleuchteten Wohnzimmerfenster. Sie zieht die luftigen Höhen vor, die Ihr die große Eiche inmitten der Stadt bietet. Dort, in der Krone der Eiche, ist Sie die einzige Ihrer Art, denn die übrigen tummeln sich zu tausenden im elektrischen Wirrwarr der Menschen.“
Es ermüdet langsam weiterzulesen. Das „seit langem“ und „ihre“ klein. Was ist aus den heuchlerischen Laternen geworden? Inmitten einer Eiche soll es „luftige Höhen“ geben? Wenn ich auf dem Gipfel eines Berges stehe, könnte ich an „luftige Höhen“ denken, aber nicht in einem Eichenblättergemenge. „Luftige Höhe“ ist tausendmal gesagt worden und weder originell noch aussagekräftig. Sag einfach, wie die Umgebung für die Spinne aussieht. Ein Netz mitten in einen Baum zu setzen, der von Blättern abgeschirmt wird und daher nicht viele Insekten durchlässt, ist nicht durchdacht.
„Nun spinnt Sie Ihre Falle nicht etwa an solch abgeschiedener Stelle, weil Sie Ihre eigene Art scheuen oder meiden müsste – Nein, Sie scheut noch nicht einmal die alte Taube, denn auch diese weiß nur zu genau um Ihre Abstammung und sah sich selbst schon hundert Mal in Ihren Augen. Sie spinnt ihre Falle dort, weil Sie Erfahrung sammeln konnte, Zeit Ihres langen Lebens. Sie weiß, dass sich nur die größten und nahrhaftesten Kreaturen in solchen Höhen ziel- und orientierungslos verirren, scheinbar sinnlos dem Mond entgegenflattern, einzig und allein getrieben vom niederen und doch allgemeinsten Drang, sich an Licht zu laben.
Das liest sich gestelzt. Wie alt ist die Spinne? Warum frisst die Taube sie nicht? Ist sie giftig? Von welchen Kreaturen sprichst du? Einer Motte? Warum ist der Drang zum Licht zu fliegen „nieder“?

„Ihr Netz ist von feinster Beschaffenheit; wirkt es von weitem betrachtet kreisrund und makellos schön, erkannte der geneigte Betrachter aus nächster Nähe die vieleckige äußere Struktur des Gebildes. Mündend in jeder der äußeren Kanten, findet sich ein Verbindungsfaden, der seinen Ursprung im ungefähren Mittelpunkt des Netzes hat. Dutzende dieser, in beinahe gleichen Winkelabständen von einander entfernten Fäden entspringen rundherum jenem mittigen Schwerpunkt. Um diesem soweit losen Konstrukt die nötige Stabilität zu verleihen, sind die tragenden Fäden von innen nach außen in größer werdenden Abständen miteinander verbunden. Stellen sich die Halt gebenden Verbindungsfäden im innersten Segment als Dreiecksseiten dar, bilden Folgende die annähernd parallelen Seiten nahezu gleichschenkliger Trapeze.“
Das klingt wie eine wissenschaftliche Abhandlung und bedeutet einfach: Ein Spinnennetz hängt. Lösche einfach den Rest.
Ich hoffe weiterhin auf eine Handlung, dass etwas geschieht. Leider geht es mit der Geschichte nicht weiter. Eine Spinne macht ihr Netz in der Eiche, - und dann hört die Geschichte einfach mit diesem Satzmonster auf:
Nun, im ruhevollen Dunkel der Nacht, noch bevor der neue Tag anbricht, bevor die meisten Ihres Geschlechts zurückkriechen in die engsten Nischen, die unscheinbarsten Löcher, zurück in die dreckigsten Ecken, grausten Keller und staubigsten Dachböden, bevor der morgenrote Vorhang aus Licht die kleine Stadt samt ihrer Straßen, Dächer, Felder und der großen Eiche einhüllt, um das alltäglich aufzuführende Stück anschließend gebührend auf ein Neues zu eröffnen, zieht Sie Ihre Fäden, Sie zieht Ihre Fäden hinter den Kulissen, in der Krone der großen Eiche, als eine Königin durch alle Zeiten dieser Welt.
Merkst du! Das klingt wie eine Blaupause des Anfangs, aber nicht spannend. Es geschieht nichts. Niemand hat etwas gelernt. Niemand rettet das Land vor dem Bösen. Schade. Dabei hättest du mit der Spinne eine mögliche Heldin. Ich gehe mal davon aus, dass du die Spinne großgeschrieben hast, weil du ihre herausragende Bedeutung darstellen wolltest. Ist aber nicht nötig.
Märchen? Nein. Enttäuscht? Ja.

 

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