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Sackgasse

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18.12.2014
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Sackgasse

Horst saß wie jeden Tag hinter dem Tresen seines kleinen Elektro-Ladens. Seine Augen fixierten den winzigen Bildschirm seines in die Jah-re gekommenen Computers. Ab und an blickte er durch die schon spe-ckige und stumpfe Glasscheibe, die sich „Schaufenster“ schimpfte. Viele Leute liefen an seinem Laden vorbei, manchmal blieb einer stehen, sah sich die spärlichen Auslagen an, und ging dann weiter.
Er hatte oft gedacht, er könnte den Laden mal sauber machen oder die Scheibe reinigen lassen. Selbst dazu fehlte ihm die Motivation. Und ir-gendwelche Rechnungen konnte er auch nicht bezahlen. Bei der Laden-miete war er schon drei Monate im Rückstand und die kleine Frührente reichte gerade so für die winzige Wohnung und das, was er für Neben-kosten und Nahrung ausgab. Früher oder später müsste er die Wohnung kündigen und sein Bett in dem kleinen und ohnehin leeren Lager aufstel-len und dort wohnen.
Fast schon automatisch griff er zu der kleinen Schublade im Tresen und zog sie heraus. Es war mal wieder soweit. Sein Körper verlangte nach dem, was er als „Muntermacher“ bezeichnete. Der Billigfusel aus dem Discounter schmeckte ihm gar nicht. Aber mehr ließ sein Geldbeutel nicht zu. Immer wieder schwor er sich, dass diese Flasche die letzte sein wird, die er anrührte – seit drei Jahren.
Mit einem Klick auf „Senden“ schickte er nicht nur zwölf Reihen plus „Super 6“ und „Spiel 77“ ab. Auch die nächsten dreißig Euro fanden ei-nen neuen Besitzer. Irgendeinen „Glücklichen“, der mit der Sucht ande-rer ein Heidengeld machte.
Horst wusste, dass er früher oder später „hopsgehen“ wird. Nur woran, konnte er nicht vorhersagen. Ihm war es im Grunde auch egal. Ob ihn jetzt sein dritter Herzinfarkt oder die Leber zugrunde richten würde, spielte für ihn keine Rolle mehr.
Irgendjemand hatte sich zu ihm an den Tresen geschlichen. Vorbei an dem Glöckchen über der Tür und vorbei an den Luftbefeuchtern, die mitten im Verkaufsraum wie eine Armee nebeneinander standen. „Ich bin gleich für Sie da“, brummelte er. Sein Blick fand seit mehreren Stun-den kaum etwas anderes als den Computermonitor.
„Wir müssen reden, Horst!“, sagte sein Vermieter mit ernster Stimme. „Du bist drei Mieten zurück, Horst. Und so, wie es hier aussieht, sind’s nächste Woche sogar vier. Ich müsste dich rausschmeißen. Das weißt du. Und das dürfte ich auch. Ich kenn dich schon lange, Horst. Ich hab dir den Laden sogar mietfrei gelassen als du im Krankenhaus lagst und nicht arbeiten konntest. Aber du musst mich auch verstehen. Ich bin auf die Miete angewiesen. Ich geb dir jetzt noch bis zum Ende des Monats, die Miete zu bezahlen. Ansonsten muss ich dich hier wirklich rauswer-fen“, argumentierte sein Vermieter.
„Montag, Horst. Hörst du? Montag hab ich zumindest einen Teil der Miete auf der Theke hier liegen. Hast du das verstanden, Horst?“, fragte Dieter Müller, während er mit seinem Zeigefinger seiner Drohung Nachdruck verlieh.
„Ja, Dieter. Verstanden“, antwortete Horst.
„Wir sehen uns Montag wieder, Horst. Tschüss“, verabschiedete sich Dieter und verließ den Laden.
Er ließ sich nichts von dem stechenden Schmerz in der Brust anmerken. Dieser Schmerz, der immer öfter und immer heftiger seinen Körper durchzucken ließ. Unwillkürlich fasste er an seine Brust. So, als würde er den Griff eines Dolches packen und versuchen, diesen Dolch aus dem Herzen zu ziehen, damit der Schmerz endlich aufhört.
Er versuchte, tief ein und aus zu atmen. Seine rechte Hand, zur Faust geballt, hämmerte auf seinen Brustkorb herum. Ein krächzendes, fast mechanisches Husten verließ seinen Mund. Er schloss seine Augen, in der Hoffnung, dass der Schmerz schwächer wird. Nach ein paar vorsich-tigen, ruhigen Atemzügen öffnete er sie wieder. Mit zittrigen Händen tastete er seine Halsschlagader ab. Sein Herz raste. Das spürte er auch ohne, seinen Puls zu fühlen. Horst krallte sich mit den Nägeln an der Tischplatte fest. Der Bildschirm verschwamm immer mehr vor seinen Augen. Obwohl seine Heizung seit Wochen nicht mehr läuft, tritt ihm kalter, eisiger Schweiß auf die Stirn. Mit beiden Händen stemmte er sich mühsam auf der Holzplatte in die Höhe und taumelte wie ein Betrunke-ner in Richtung seines kleinen, leeren Lagers. Während er sich mit der linken Hand an der dreckigen Wand abstützte, schraubte er angestrengt das Ventil des Wasserhahns auf.
Mit dem verkrusteten, seit Ewigkeiten nicht mehr gewaschenem, Hand-tuch fing er den Strahl auf und wischte sich mit dem kalten Tuch den Schweiß von seiner Stirn. Sein Oberkörper schmerzte und sein Brustkorb fühlte sich an, als würde ihn jemand in ein Korsett schnüren und brutal und rücksichtslos die Schnüre zuziehen. Horst versuchte, zu atmen. Aber mit jedem Atemzug fiel es ihm schwerer, Luft in sich zu saugen. Die Kraft seiner rechten Hand ließ von einer Sekunde auf die nächste nach und der Stofflappen glitt aus seiner Hand. Keinen Wimpernschlag später verlor der linke Arm seine Halt und glitt nach unten. Alles um ihn herum schien sich in Zeitlupe zu bewegen. Einen festen Punkt zu fixieren wurde immer schwieriger. Letztendlich verloren beide Beine fast gleichzeitig ihre Kraft und Horst wurde auf die Knie gezwungen. Seine kraftlose Hand versuchte vergeblich, ein Loch in seinen Brustkorb zu reißen, um dem alten, geschundenen Herzen mehr Platz zum Arbeiten zu schaffen. Er spürte den sauren, fast schon giftigen Geschmack seiner Magensäure nicht mehr auf seiner Zunge. Nach einem letzten, anstrengenden Atem-zug schloss Horst mit einem kaum erkennbaren Lächeln die Augen.

Erst als sich Dieter Müller wunderte, dass um 22 Uhr abends noch das Licht in Horsts Laden brannte, betrat er den Laden vorsichtig.
„Horst! Wo bist du? Hallo?!“, rief er. Dieter lief durch den Laden und suchte in jedem der wenigen Gänge nach seinem Freund. Erst im Lager-raum fand er Horst lächelnd auf dem Boden liegen.
Der Notarzt konnte nur noch seinen Tod feststellen.

 

Die Geschichte hat durchaus Potenzial, allerdings verschenkst du davon sehr viel.

Für den Einstieg nimmst du dir die nötige Zeit und führst uns sorgsam an die Figur Horst heran. Spielsucht, Alkoholsucht, Depression - das alles nehme ich ihm ab und bis dahin ist die Geschichte auch gut erzählt.

Der Wendepunkt kommt mit dem Auftauchen des Vermieters. Von da an wirkt die Geschichte hastig heruntergeschrieben. Ganz nach dem Motto, "Pfff, jetzt hab ich keine Lust mehr. Wie geht es denn mal aus? Ah ja. Er stirbt."

„Du bist drei Mieten zurück, Horst. Und so, wie es hier aussieht, sind’s nächste Woche sogar vier. Ich müsste dich rausschmeißen. Das weißt du. Und das dürfte ich auch. Ich kenn dich schon lange, Horst. Ich hab dir den Laden sogar mietfrei gelassen nach beiden Infarkten. Ich weiß auch, dass dir deine Frau abgehauen ist und du kaum was zum Leben hast. Aber du musst mich auch verstehen. Ich bin auf die Miete angewiesen. Ich geb dir jetzt noch bis zum Ende des Monats, die Miete zu bezahlen. Ansonsten muss ich dich hier wirklich rauswerfen“, argumentierte sein Vermieter.

Das ist ein ganz hässlicher Infodump. Wieso hast du dir damit nicht genau so viel Zeit genommen, wie mit Horst's Süchten? Außerdem haben wir die Hälfte davon bereits vorher erfahren. Damit streckst du den Text.

Der Herzinfarkt kommt plötzlich, ist aber dennoch glaubhaft. Der meldet sich vorher nicht an. Mich stört daran nur, dass man ihn auf eine Meile kommen hört. Wir bekommen es schließlich oft genug um die Ohren geworfen, dass mit seiner Pumpe was nicht stimmt.

Ein weiteres Problem: Die Dialoge finden in einer Zeile statt. Da wirft man den Sprecher gern mal durcheinander.

„Horst, ist dir nicht gut? Soll ich den Notarzt rufen?“ – „Nee, Dieter. Das geht schon wieder weg. Ist bis jetzt auch immer wieder weg gegangen“, log Horst und hielt immer noch seine Brust. „Ich ruf jetzt den Notarzt! Ob du willst oder nicht!“, drohte Dieter und machte diese Drohung sofort wahr.

Das ist ein gutes Beispiel dafür. Alles eine Zeile, das liest sich richtig hässlich.

Und wieso ist es eine Drohung, dass Dieter den Notarzt rufen möchte? Er will den Mann retten und ihn nicht ans Andreasskreuz nageln.

Danach wird die ganze Geschichte durchgehetzt, als würdest du nur noch schnell die Kühe reintreiben. Dadurch verfehlt sie ihre Wirkung total und ich würde es fast ein wenig antiklimatisch bezeichnen. Schade drum. Das hätte was werden können!

 

Hallo,

ich finde, die Geschichte ist gut erzählt.
Aber sie hätte wirklich noch etwas mehr Potential gehabt und endet irgendwie zu schnell.
Aber trotzdem eine Story, die ich gerne gelesen habe.
Ich freue mich im wahrsten Sinne des Wortes auf "mehr".

Gruß

Raimond

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo betzebub

NWZed hat zum Aufbau deiner Geschichte schon einiges gesagt. Ich habe das ähnlich empfunden: Guter Einstieg, danach verschenktes Potential. Etwas störend fand ich auch den Perspektivenwechsel am Ende der Geschichte. Zunächst führst du uns sehr nahe an Horst und seine Gedanken heran, erzähltechnisch verschwindet er aber schon während des Herzinfarkts aus der Geschichte und Dieter übernimmt, d.h. du erzählst von dessen Handlungen und Entdeckungen. Aber ja: Wenn der Prot vor dem Ende der Geschichte stirbt...

Zwei, drei stilistische Anmerkungen:
An einigen Stellen liessen sich m.E. einzelne Wörter ohne Verlust streichen, um den Text flüssiger zu machen.

Ab und an blickte er durch die schon speckig und stumpf gewordene Glasscheibe, die sich „Schaufenster“ schimpfte.

„Durch die speckige und stumpfe Glasscheibe“ erscheint mir eleganter

Viele Leute liefen einfach an seinem Laden vorbei

„einfach“ streichen

Scheibe professionell reinigen lassen.

„professionell“ streichen. Ist impliziert.

und die kleine Frührente reichte auch gerade so für die winzige Wohnung

„auch“ streichen

Früher oder später müsste er sogar die Wohnung kündigen

„sogar“ streichen. Das denkt man sich als Leser.

diesen Dolch aus dem Herzen zu ziehen, nur damit der Schmerz endlich aufhört.

„nur“ streichen.

Und was mir noch aufgefallen ist:

wiederwillig

widerwillig

Er schaltete den Computer ab und sperrte ab.

…den Computer aus und sperrte ab.

Es tut mir leid, Ihnen dass zu sagen

Ihnen das zu sagen

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

betzebub schrieb zu seiner Überarbeitung:

betzebub schrieb:
Da weder mir, einigen hier und Probelesern im Freundeskreis einigen Ungereimtheiten, vor allem was das plötzliche Ende betrifft, nicht gefallen haben, habe ich die Geschichte ein wenig umgeschrieben. Hoffentlich ist die Story jetzt was runder.

Hallo betzebub
wie ich dir per PM bereits mitgeteilt habe ist es hier üblich, Textüberarbeitungen direkt im ursprünglichen Beitrag zu erledigen.
Da du auf meine PM nicht reagierst, habe ich den neuen Text hierher kopiert.

Danke fürs Verständnis,
Gruss dotslash

 

Guten Morgen betzebub,

eben habe ich deine geänderte Geschichte gelesen – die Originalversion kenne ich nicht. Den Antworten kann ich jedoch entnehmen, dass du den Schluss geändert hast. Dass du nun deinen Protagonist am Ende sofort sterben lässt, finde ich die bessere Lösung.

Aufgefallen sind mir an verschiedenen Stellen Trennungszeichen mitten im Text. Das führe ich auf einen Formatierungsfehler zurück. Wenn es möglich ist, dann würde ich das ändern. Es ändert zwar nichts am Inhalt deiner Geschichte, doch ich finde, es stört den Lesefluss und das Textbild.

Beim Übergang von diesen Sätzen geriet ich ins Straucheln:

"Er hatte oft gedacht, er könnte den Laden mal sauber machen oder die
Scheibe reinigen lassen. Selbst dazu fehlte ihm die Motivation. Und ir-gendwelche Rechnungen konnte er auch nicht bezahlen."

Du beschreibst die fehlende Motivation zum Reinigen des Ladens und der Fensterscheibe und beschreibst dann im neuen Satz, beginnend mit einem UND die knappe Kasse deines Protagonisten. Vielleicht liegt es auch an mir und an meinem Verständnis für Sätze doch das UND stört mich hier und ich denke, man könnte es ersatzlos streichen.

Die Rede des Vermieters beim Betreten des Ladens finde ich gut. Hier kommt sauber rüber, dass der ein guter Kerl ist. Ich finde die Person jedoch ein wenig blass und habe mir überlegt, ob man ihn in an dieser Stelle nicht ein wenig beschreiben könnte. Wie z.B.: "verlegen rückte er sich sein Krawatte zurück" oder: "er legte seine braune Aktentasche auf der Ladentheke ab"

Mit den Regeln der Satzzeichen, insbesondere der Kommata, bin ich nicht sehr vertraut, doch in diesem Satz würde ich es ändern:

"Das spürte er auch ohne, seinen Puls zu fühlen"
Ich glaube nach "er" gehört es hin, bin mir aber nicht ganz sicher.

In diesem Satz kannst du es einfach weglassen: "Horst versuchte, zu atmen"

Mir gefällt, wie du die Situation des Herzinfarktes beschrieben hast. Ich konnte mich sehr gut in die Angst und Schmerzen von Horst hineinversetzen.

Viele Grüße und noch einen schönen Tag wünscht dir
Tintenfass

 

Ich will mal versuchen, dass was du mir erklärt hast, leichter zu formulieren:

Ich soll diesen Thread hier unübersichtlicher machen statt mit einem neuen Thread Ordnung zu schaffen? Das ergibt für mich keinen Sinn.

 

Hallo betzebub,

aufgrund der Möglichkeit, dass dein nick irgendetwas mit "Betze" und Fußball zu tun hat, werde ich es vermeiden, zu hart zu kritisieren, denn "ihr" habt ja eine schwere Zeit in 2015/2016. ;)

Ich muß aber sowieso auch nicht zuuuu hart kritisieren, denn im Grunde genommen fand ich deine Geschichte nicht schlecht. Das heißt aber nicht, dass sie gut war. Sie war im besten Sinn in Ordnung, hat sicherlich aber Steigerungspotential.

Zuerst einmal stören mich die Bindestriche in Worten. Kommt wohl vom verwendeten Textprogramm; offensichtlich hast du den Text aus einem Textprogramm hier rein kopiert. Solltest du bitte ändern.

Du schreibst ruhig und erzählst recht lakonisch. Passt durchaus gut zur Stimmung und die Situation ist soweit auch schlüssig.

Trotzdem fehlt irgendetwas in der Geschichte. Denk mal über ein alternatives Ende nach; der tödliche Herzinfarkt, nee, ich weiß nicht.

Gruß und weiterhin viele Spaß hier,

Freegrazer

 

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