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Lina

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11.10.2015
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Lina

Tick tack, tick tack, tick tack...
Stück für Stück springt der Sekundenzeiger ihrer Zimmeruhr in einer fesselnden Beständigkeit über das Ziffernblatt. Immer wieder und wieder kommt er am Ausgangspunkt an und lässt den Stundenzeiger müde hinter sich herziehen.
Lina liegt auf ihrem Bett. Mal wieder. Stunden, Tage, nein ganze Wochen lang flüchtete sie sich auf die weiche Matratze. Sie drückte das Kissen ins Gesicht und füllte es mit ihren Tränen. Zog die Decke über sich, um wenigstens ein wenig Geborgenheit zu verspüren.
Doch jetzt ist es anders. Sie liegt einfach nur da. Das Kissen liegt irgendwo auf dem Boden, die Decke zusammengeknüllt am Fußende. Sie will keine Tränen mehr verlieren, will keine Geborgenheit mehr verspüren. Es ist sinnlos, nichts würde sich ändern. Nichts würde besser werden.
Ihre Hände umklammern einen kleinen Marienkäfer aus verstaubtem Stoff. Früher waren seine Farben kräftig, nun sind sie verblasst und symbolisieren eine Zeit, die längst vergangen ist. Die gute Zeit.

Vor fünfzehn Jahren war der Marienkäfer einmal ein Geschenk von ihrer Tante. Die nächsten hundert Jahre sollte er ihr Glück bringen, sollte sie vor Unheil beschützen...
Ihre Tante...Tante Karin. Schon immer hat sie sie geliebt. Unzählige Male durfte sie bei ihr übernachten. Immer blieben sie länger wach, als es Linas Mutter befohlen hatte. Jedesmal machten sie einen Pakt, niemandem davon zu erzählen. Sie bauten sich mit Sesseln und riesigen Decken, Höhlen und erzählten sich im Licht ihrer Taschenlampen Gruselgeschichten. Zusammen gingen sie auf sämtliche Spielplätze und erlebten hunderte Abenteuer.
Immer wenn es wieder Zeit war zu ihren Eltern zurückzukehren, backte Karin mit ihr zusammen einen kleinen Kuchen, den Lina voller Stolz mit nach Hause nahm und mit ihren Eltern verputzte.
Doch trotz dieser Verbundenheit, trotz dieser engen Freundschaft...Karin war nur ihre Tante. Dann gabs da noch ihre Oma, ihren Opa, ihren Papa, ihre Mama, und sie alle liebten sie. Doch bald schon änderte sich das.
Es war ein Mittwoch. Nein, es war der Mittwoch. Der Mittwoch, der alles veränderte. Lina war zehn. Erst vor ein paar Tagen hatte sie erfahren, dass sie bald eine kleine Schwester haben würde.
Mama kam zu ihr ins Zimmer. Angestrengt biss sie sich auf die Lippe. Papa folgte mit einem Blick voller Kummer. Es folgten die Worte 'Oma' und 'Unfall', dann nur noch unverständliches Schluchzen, bevor Mama aus dem Zimmer rannte.
Papa blieb und erklärte, dass Oma nun woanders ist und sie sie für lange Zeit nicht mehr wiedersehen wird. Doch Lina war nicht dumm. Sie hörte die Worte und wusste bescheid. Oma war tot. Für immer. Nie wieder würde sie sie nochmal umarmen.
Es war eine schwere Zeit, doch irgendwie kam sie drüber hinweg. Vielleicht lag es an Tante Karin, die sich von nun an doppelt so viel Zeit für sie nahm.... Im Gegensatz zu Mama. Sie war nicht so stark wie Tante Karin. Konnte Omas Tod nicht akzeptieren.
Mama lag im Krankenhaus, erst vor wenigen Minuten hatte sie Anna geboren. Sie zerbrach, als sie erfuhr, dass auch Opa für immer eingeschlafen war. Er konnte einfach nicht mehr weitermachen ohne seine Frau. Er wollte es nicht.
Die Jahre vergingen und es war klar, dass tatsächlich nichts mehr werden wird, wie es war. Mama bekam Depressionen. Immer wieder brachte Papa sie zu Therapeuten und Ärzten. Jedes Mal erklärte sich Tante Karin sofort bereit auf Lina und ihre kleine Schwester Anna aufzupassen. Immer mehr wurde sie zur Ersatzmutter für Lina. Und diese machte sich einen Spaß daraus, Anna zu bemuttern.
Damals schwor sie sich, all ihre Liebe an Anna weiterzugeben, sie zu beschützen und sie niemals zu verlassen. Das ist inzwischen sieben Jahre her.

Tick tack, tick tack, tick tack...
Lina richtet sich halb auf im Bett und wirft einen Blick auf die Uhr. Es ist jetzt zwei Stunden her, dass sie von Tante Karins Unfall erfuhr.
Sie wurde letzte Nacht von einem Auto erfasst, als sie in der Stadt über die grüne Ampel lief. Augenzeugen berichteten, dass der geflüchtete Fahrer viel zu schnell unterwegs war. Tante Karin hatte keine Chance. Sie schlief noch an der Unfallstelle ein.
Linas Finger greifen nach der kleinen Pappschachtel neben sich. Mit der anderen Hand zieht sie eine Wasserflasche an sich ran. Mit zittrigem Atem starrt sie auf die Verpackung der Schlaftabletten. Dann reißt sie sie eilig auf und beginnt, die Tabletten herauszudrücken. Nacheinander fallen sie auf die Matratze.
Sie öffnet die Flasche und sammelt die Medikamente mit der freien Hand zusammen. Plötzlich hält sie inne.
Durch die geschlossene Tür dröhnt ein Lied von 'High School Musical' ohne Zweifel entstammt es der Musikanlage ihrer Schwester. Unbesorgt hört Anna die CD täglich hoch und runter. Vielleicht wäre es heute anders, wenn Lina ihr die traurige Neuigkeit mitgeteilt hätte, doch wie könnte sie das ? Wie erzählt man einem Menschen, den man geschworen hat zu schützen, dass der einzige Lichtblick seines Lebens erloschen ist ?
Lina schreckt auf. Es hat angefangen zu hageln. Dicke Eiskugeln hämmern gegen ihre Fensterscheibe. Ihr Blick fällt auf die Blumenvase auf der Fensterbank. Ein verwelkter Blumenstrauß wurde darin platziert. Ein Geschenk ihres Papas.

Die Depressionen und Stimmungsschwankungen von Mama nahmen immer weiter zu, und sie begann, jegliche Hilfe abzulehnen. Als sie anfing, selbst Papa aus dem Weg zu gehen, dauerte es nicht mehr lange, bis das Wort 'Scheidung' das erste mal fiel. Es blieben nur noch wenige Wochen, bis Papa dann tatsächlich seine Sachen packte und die Familie verließ. Anna war natürlich am Ende und auch Lina schenkte ihrem Kissen in diesen Tagen nicht nur eine Träne. Mama versuchte verzweifelt, die Erleichterte zu spielen. Wer sie aber kannte, wusste um ihre wahre Gefühlslage. Ihr war bewusst, dass sie die letzte Person verloren hatte, die ihr zu helfen versucht hatte.
Lina brachte all ihre Kraft auf, um Anna eine heile Welt vorzugaukeln und die Wutanfälle ihrer Mutter stets auf sich umzulenken, um ihren Schwur an ihre Schwester zu erfüllen. Auch wenn sie dabei oft verletzt wurde, ihre Schwester war ihr das auf jeden Fall wert.
Inzwischen hat Papa eine neue Frau gefunden. Jung und erfolgreich, eine Journalistin oder so. Anfangs bemühte sich Papa noch den Kontakt zu seinen Kindern zu halten, doch nachdem er erneut Vater geworden war, verlor er immer weiter das Interesse an Anna und Lina.
Letzte Woche schickte er Lina diesen Blumenstrauß zum Geburtstag. Das erste Lebenszeichen von ihm nach mehreren Monaten.

Tick tack, tick tack, tick tack...
Linas Blick gleitet am Strauß vorbei. Bewegungslos beobachtet sie den Hagelschauer. Sich im achten Stock befindend, kann sie sehen, wie er sich über das gesamte Viertel verteilt. Das fallende Eis erschwert die Sicht. Besser so.

Nach der Scheidung ihrer Eltern, wurde beschlossen, dass die Kinder bei Mama bleiben. Diese konnte sich das Familienhaus aber nur mit Mühe leisten. Als sie dann auch noch ihren Arbeitsplatz verlor, war ein Umzug unvermeidbar. Doch wer hätte gedacht, dass es die Familie hier her verschlägt ?
Sobald es dunkel wird, sollte man die Wohnung nicht mehr alleine verlassen. Überall lauern diese einschüchternden Gestalten. Sämtliche Fassaden der Gegend sind beschmiert, jedes zweite Haus besitzt wenigstens eine zertrümmerte Scheibe. Auch wenn es Anna manchmal nervt, egal wo sie hingeht, Lina begleitet sie.
Diese deprimierende und beängstigende Gegend war der Tropfen, der das Fass für Mama zum Überlaufen brachte. Sie begann, zu trinken.
Diese einst so lebensbejahende, wunderschöne Frau wurde ein Schatten ihrer selbst. Inzwischen verbringt sie den gesamten Tag auf dem Sofa, während Lina den Haushalt führt. Schon seit längerem führte Mama schon kein Gespräch mehr mit ihren Töchtern.
Im Geheimen besprachen diese und Tante Karin schon den Umzug zu ihr, doch jetzt ist das bedeutungslos geworden....

Tick tack, tick tack, tick tack...
Der Hagelschauer lässt nach. Zwischen den dichten Wolkenschichten bahnen sich tatsächlich ein paar wenige Sonnenstrahlen einen Weg auf die Häuserdächer. Traurig wendet Lina den Blick von dem ekligen Anblick ab. Er bleibt am Schreibtisch hängen. Besser gesagt an der silbernen Kette darauf. Es ist eine wunderschöne Halskette mit einem münzgroßem Herzen daran.
Lina wird übel. Erinnert sie das Schmuckstück doch an einen der schlimmsten Tage ihres Lebens.

Sie war sechzehn. Das schönste Mädchen der Klasse. Und doch die einzige, die noch nie einen Freund gehabt hat. Regelmäßig versuchten die Jungs ihr Glück bei ihr, doch Lina machte sich stets zahlreiche Gedanken und konnte nie die Liebe erwidern.
Sie wollte nicht irgendeinen Jungen. Sie wollte den Jungen an ihrer Seite. Irgendwann waren all ihre Freundinnen in einer Beziehung und unterhielten sich über kaum was anderes mehr. Ihre beste Freundin Marie, überredete sie dazu, sich eine vergangene Beziehung auszudenken um sie vor dem Hohn der anderen zu schützen. Und so war sie dann auch die einzige auf der Schule, die die Wahrheit über Lina kannte.
Tante Karin machte sich immer mal wieder einen Spaß daraus sie zu ärgern und Witze darüber zu machen, dass sie ihr bald einen süßen Jungen suchen wird. Doch trotzdem wurde Tante Karin zum Ende hin jedes Mal wieder ernst und betonte, dass sie sich von niemandem Druck machen lassen durfte. Würde sie jemals auf einen Jungen eingehen, nur weil die anderen es so wollen, würde sie das für immer verfolgen. Nein, ihr erster Freund sollte wirklich gut ausgesucht sein.
Und dann irgendwann war es endlich soweit. Auf einer Feier lernte sie den besten Freund von dem Freund ihrer besten Freundin kennen. Lucas.
Lucas zog vor einigen Jahren aus Spanien hier her. Er war gut gebaut, hatte schwarze Wuschelhaare und dieses Lächeln... Er war witzig, hatte dieses spanische Temperament und warf sofort ein Auge auf Lina. Sie war im siebten Himmel. Ihr ganzer Körper kribbelte, als er sie zum ersten Mal ansprach. Es folgten mehrere Dates und dann, als er sie nach dem vierten Treffen nach Hause brachte, passierte es. Er schenkte ihr diese traumhafte Silberkette und küsste sie. Sie war sich sicher, niemals wieder wird sie jemand anderen haben wollen. Zum ersten mal, nach so vielen Jahren, schien die Welt wieder in Ordnung zu sein.

Es war im Sommer. Sie war mit Lucas in der Stadt unterwegs, als es begann zu regnen. Da die beiden sowieso gerade in der Nähe des Hauses seines Kumpels, Maries Freund, waren, schlug Lucas einen Filmabend mit ihm vor.
Anfangs schien alles normal, doch als die drei im Wohnzimmer saßen und der erste Streifen lief, begann der Freund ihrer besten Freundin damit, sie immer wieder 'versehentlich' zu berühren. Die Berührungen wurden immer intensiver und Lina hoffte inständig, dass Lucas dazwischen gehen würde, doch als er tatenlos zusah, wie sie regelrecht begrabscht wurde, wurde es ihr zu bunt.
Sie sprang auf, doch der Junge zog sie sofort wieder zu sich runter. Panisch schaute sie ihren Freund an. Was dann geschah, wird sie nie wieder vergessen können. Mit einem breiten Grinsen schaute er sie an. „Weißt du noch, als du mich gebeten hast, mit dem Sex noch zu warten und ich eingewilligt habe ? Ich habe es mir anders überlegt.“ Lina war starr vor Schreck. Auf einen Schlag war der süße Spanier, der Junge den sie liebte, verschwunden.
Sie war alleine mit diesen zwei Typen, die sie ekelhaft angrinsten. Als sie registrierte was geschah, war es schon zu spät. Maries Freund packte sie von hinten und hielt sie mit aller Kraft fest. Panisch kreischend versuchte sie sich zu befreien. Sie trat um sich. Schnell hatte Lucas ihre Beine fixiert. Mit einem Ruck riss er ihr die Hose herunter. Lina hatte Todesangst. Ein letztes Mal bäumte sie sich auf und versuchte sich mit allen Mittel zu befreien. Sie biss um sich, versuchte zu kratzen. Vergeblich. Der Schmerz, als Lucas in sie eindrang, betäubte sie. Ihre Gegenwehr verschwand. In Tränen aufgelöst, lies sie es über sich ergehen, jeder Stoß entfachte unerträgliche Schmerzen. Als Lucas fertig war, wechselten sich die Freunde ab.
Sie hoffte so sehr, dass sie durch die Schmerzen das Bewusstsein verlor. Hoffte so sehr, dass es gleich vorbei sein würde. Ihre Gebete wurden nicht erhört. Irgendwann merkte sie, dass die Jungs ihren Griff gelockert hatten. Sofort riss sie sich los und trat Maries Freund zwischen die Beine. Irgendwie zog sie sich mit einer Hand die Hose hoch und rannte los. Lucas schaffte es noch, sie an der Halskette zu greifen, doch sie zerriss und landete irgendwo in ihrem Pullover.
Lina stürmte nach draußen und versteckte sich. Mehrere Stunden kauerte sie damals hinter einem Müllcontainer, bis sie wieder nach Hause humpelte.
Sie schämte sich, ekelte sich vor sich selber. Gebrochen beschloss sie, niemals jemandem davon zu erzählen und tatsächlich hat nie jemand davon erfahren.

Tick tack, tick tack, tick tack...
Noch immer spürt sie diesen stechenden Schmerz im Unterleib, wenn sie die Kette anschaut. Sie hat selber nie verstanden, warum sie sie noch behält.
Inzwischen sind die Wolken komplett verschwunden. Die Sonne beginnt langsam ihren Untergang.
Linas Blick wandert nur wenige Zentimeter von der Kette weg und landet auf dem Foto ihrer Abschlussklasse. Eine Person fällt ihr besonders auf. Es ist ihre beste Freundin Marie. Eine Mischung aus Trauer und Wut erfüllt Lina.

Es waren nur noch wenige Tage vor den Abschlussprüfungen. Es begann damit, dass Lina bemerkte, wie hinter ihrem Rücken getuschelt wurde. Die Jungs der Schule grinsten sie verdächtig an. Die Mädchen warfen ihr böse Blicke zu. Als sie das nächstes Mal auf ihre beste Freundin traf, begann sie zu schreien und schlug ihr ins Gesicht.
Einer der Jungs hatte Fotos von der Vergewaltigung gemacht. Zwar zeigten die Fotos eindeutig, dass es sich um Lina handelte, doch zeigten sie nicht, welche Qualen sie dort durchleben musste. Jeder Erklärungsversuch wurde von ihrer besten Freundin überhört. In ihrem Kopf war nur dieses Bild, wie ihr Freund mit ihrer besten Freundin schläft.
Gerade jetzt hätte Lina jemanden gebraucht, der für sie da ist, doch Marie verschlimmerte die Situation nur. Außer sich vor Wut verbreitete sie weiter Gerüchte in der Schule und schon bald war Lina überall als Hure bekannt.
Nur schwer konnte sie sich dazu bewegen, weiter zum Unterricht zu gehen.

Tick tack, tick tack, tick tack...
Lina ist sich sicher. Sie hat in diesem Leben alles verloren. Absolut alles. Wofür würde es sich jetzt noch lohnen, weiter zu machen ? Was kann sie sich von der Zukunft noch erhoffen ? Es hat keinen Sinn mehr, weiter zu machen. Ein letztes Mal lässt sie ihren Blick durch den Raum schweifen. An ihrem Kleiderschrank bleibt er hängen. Was ist das für ein Bild ?
Verwirrt verzieht sie die Mine. Sie lässt die Tabletten zurück auf die Matratze fallen und verschließt die Wasserflasche. Neugierig steht sie aus dem Bett auf und geht zum Bild herüber. Vorsichtig löst sie es vom Schrank. Ein Lächeln huscht ihr über das Gesicht.
Mit Buntstiften sind ein großes und ein kleines Mädchen darauf gezeichnet. Auf dem Boden sitzen sie sich gegenüber. Mit einer Decke und ein paar Stühlen haben sie sich eine Höhle gebaut. Die Sprechblase des kleineren Mädchen lässt Tränen in Linas Augen entstehen. 'Du bist die tollste Schwester der Welt und ich habe dich ganz ganz doll lieb' Spätestens jetzt ist klar von wem die Zeichnung stammt.
Lina fühlt sich sofort an die Zeit zurück erinnert, als sie die Höhlen mit ihrer Tante baute. Nur durch ihre Liebe und ihre Fürsorge konnte aus Lina ein vernünftiges Mädchen werden. Schlagartig sieht Lina wieder klar. WAS ZUM TEUFEL TUT SIE HIER ?
Ja, sie hat Leute verloren, die ihr was bedeuten, aber die wichtigste Person in ihrem Leben ist noch da und sie braucht sie ! Wie egoistisch müsste sie sein, um ihre kleine Schwester in dieser Welt alleine zurückzulassen ? Was ist aus dem Schwur geworden sie zu beschützen und niemals alleine zu lassen ? Ihr wird eine Sache klar : All die Ereignisse haben sie nicht gebrochen. Sie haben sie stärker gemacht. Stark genug, um sich und ihrer Schwester eine Zukunft zu geben. Beinahe entfährt Lina ein Lachen. Sie war so blöd.
In diesem Moment geht die Zimmertür auf. Hatte sie sie denn nicht abgeschlossen ? Egal. Als sie Anna im Türrahmen stehen sieht, läuft sie sofort auf sie zu und nimmt sie fest in den Arm. „Ich habe dich auch ganz doll lieb !“ Schluchzt sie und drückt sie noch fester an sich. Erst als sie bemerkt, dass Anna die Umarmung nicht erwidert, löst die den Griff wieder vorsichtig. „Alles in Ordnung, Anna ?“ Mit kaltem Blick schaut ihre kleine Schwester sie an. „Hast du mich wirklich lieb ?“, möchte sie wissen. Lina wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. „Natürlich ! Du bist doch meine kleine Anna.“ Eine einzelne Tränen beginnt die Wange von Anna herunter zu laufen. „Warum lässt du mich dann im Stich ?“ Sie streckt ihren Arm aus und zeigt auf das Bett.
Als sich Lina umdreht, wird ihr übel. Schwindelig. Sie hat das Gefühl gleich umzukippen. Fassungslos starrt sie auf ihren eigenen Körper, der regungslos im Bett liegt. Die Tabletten sind nicht mehr zu sehen, die Flasche ist halb leer.
„Nein...“, beginnt zu leise. „Nein, das.... Ich habe es nicht getan. Ich habe entschieden für dich da zu sein !“ Literweise beginnen Tränen aus ihren Augen zu schießen. Sie dreht sich wieder um und erblickt Tante Karin im Türrahmen stehen. Enttäuscht schüttelt sie ihren Kopf. „Ich war mir sicher, du würdest die richtige Entscheidung treffen, Lina.“ Mit eiskalter Hand greift sie ihre Nichte am Handgelenk. Sie dreht sich um und beginnt sie hinter sich herzuziehen. „Nein...ich will das nicht !“ Mit aller Kraft versucht sich Lina loszureißen. „Ich will zu Anna !“ schreit sie, als sie den Türrahmen durchschreitet.

Tick tack, tick tack, tick tack....

 

Hallöchen TRomeike,

und herzlich willkommen bei den Wortkriegern!

Deine erste Geschichte ist wirklich gut gelungen. Sehr traurig, und ohne Zweifel sehr ergreifend. Und das Ende haut richtig rein. Die Protagonistin (die sehr glaubhaft beschrieben ist) hat gerade noch einen Grund gefunden, weiterzuleben ... aber einen Augenblick zu spät.

Bei der Satzzeichensetzung hat es aber was, so weit ich gesehen habe, ist vor jedem Fragezeichen, Rufzeichen und Doppelpunkt noch ein Zeichenabstand, der da aber nicht hingehört. Im Gegensatz dazu befindet sich vor jedem ... kein Abstand, wo einer hingehören würde; zur Erklärung: wenn ein Wort mittendrin unterbrochen wird, grenzen die drei Punkte direkt an das Wort, zB: "Verfluchte Sch..."; wenn das vorherkommende Wort aber ausgeschrieben ist, gehört ein Abstand vor die Punkte, zB: "Er sollte sie vor Unheil beschützen ..." oder "Ihre Tante ... Tante Karin."

Auch sind mir ein paar Fehler und fehlende Kommas aufgefallen:


Jedesmal machten sie einen Packt, niemandem davon zu erzählen.

Pakt


Dann gabs da noch ihre Oma, ihren Opa, ihren Papa, ihre Mama und sie alle liebten sie.

Dann gabs da noch ihre Oma, ihren Opa, ihren Papa, ihre Mama, und sie alle liebten sie.


Doch Lina war dicht dumm.

nicht


Jedesmal erklärte sich Tante Karin sofort bereit auf Lina und ihre kleine Schwester Anna aufzupassen.

Jedes Mal erklärte sich Tante Karin sofort bereit, auf Lina und ihre kleine Schwester Anna aufzupassen.


Damals schwor sie sich all ihre Liebe an Anna weiterzugeben, sie zu beschützen und sie niemals zu verlassen.

Damals schwor sie sich, all ihre Liebe an Anna weiterzugeben, sie zu beschützen und sie niemals zu verlassen.


Sie wurde letzte Nacht von einem Auto erfasst, als sie in der Stadt über die grüne Ampel lief.

Zwar nicht direkt ein Fehler, aber "über eine grüne Ampel" erscheint mir passender, "über die grüne Ampel" klingt so, als gäbe es in der Stadt nur eine einzige Ampel.


Dann reißt sie sie eilig auf und beginnt die Tabletten auszudrücken.

Dann reißt sie sie eilig auf und beginnt, die Tabletten herauszudrücken.


Die Depressionen und Stimmungsschwankungen von Mama nahmen immer weiter zu und sie begann jegliche Hilfe abzulehnen.

Die Depressionen und Stimmungsschwankungen von Mama nahmen immer weiter zu, und sie begann, jegliche Hilfe abzulehnen.


Als sie selbst Papa begann aus dem Weg zu gehen,

Als sie selbst Papa aus dem Weg zu gehen begann,

oder, was mir persönlich besser gefallen würde:

Als sie anfing, selbst Papa aus dem Weg zu gehen,


Mama versuchte verzweifelt die Erleichterte zu spielen.

Mama versuchte verzweifelt, die Erleichterte zu spielen.


Ihr war bewusst, dass sie die letzte Person verloren hatte, die ihr versuchte zu helfen.

Da stimmt die Zeitform nicht ganz zusammen, eher so:

Ihr war bewusst, dass sie die letzte Person verloren hatte, die ihr zu helfen versucht hatte.


Lina brachte all ihre Kraft auf, um Anna eine heile Welt vorzugauckeln

vorzugaukeln


Diese deprimierende und beängstigende Gegend war der Tropfen, der das Fass für Mama zum Überlaufen brachte. Sie begann das Trinken.

Sie begann, zu trinken.


Doch trotzdem wurde Tante Karin zum Ende hin jedesmal wieder ernst und betonte, dass sie sich von niemandem Druck machen lassen darf.

Doch trotzdem wurde Tante Karin zum Ende hin jedes Mal wieder ernst und betonte, dass sie sich von niemandem Druck machen lassen durfte.

oder

dass sie sich von niemandem unter Druck setzen lassen sollte.


Zwar zeigen die Fotos eindeutig, dass es sich um Lina handelt, doch zeigen sie nicht, welche Qualen sie dort durchleben musste.

Zwar zeigten die Fotos eindeutig, dass es sich um Lina handelte, doch zeigten sie nicht, welche Qualen sie dort durchleben musste.


Nur schwer konnte sie sich dazu bewegen weiter zum Unterricht zu gehen.

Nur schwer konnte sie sich dazu bewegen, weiter zum Unterricht zu gehen.


Wofür würde es sich jetzt noch lohnen weiter zu machen ?

Wofür würde es sich jetzt noch lohnen, weiter zu machen?


Es macht keinen Sinn mehr weiter zu machen.

Es macht keinen Sinn mehr, weiter zu machen.

Außerdem ist die Wortwiederholung "macht - machen" genau genommen kein Fehler, aber doch schreibtechnisch etwas ungelenk; ich würde dir empfehlen, "macht" in "hat" zu ändern


Ein Lächeln huscht ihr über das Gesicht.

Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht.

Mit eiskalter Hand greift sie ihre Nichte am Handgelenk. Sie dreht sich um und beginnt sie hinter sich herzuziehen. „Nein...ich will das nicht !“ Mit aller Kraft versucht sich Lina loszureißen. „Ich will zu Anna !“ schreit sie, als sie den Türrahmen durchschreitet.

Das Ende bereitet mir Gänsehaut :thumbsup:

Alles in allem ein sehr gelungener Einstieg hier (besser als meiner). Ich hoffe, das es dir bei den Wortkriegern gefallen wird! :)

MfG
NerdLion

 

Hallo NerdLion, danke für die Kritik und die Verbesserungsvorschläge. Freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat :)
Die Fehlerliste ist ja doch bisschen länger, als ich gedacht hätte. Meine nächste Geschichte werde ich dann wohl lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig korrekturlesen ;) Deine Formulierungsvorschläge haben mir auch gut gefallen und werden bei meinem nächsten Projekt auf jeden Fall berücksichtigt.
Liebe Grüße :)

 

Hallo Tromeike,

die Geschichte hat mich leider nicht so gepackt.
Ich wusste schon nach dem ersten Absatz, wie sie ausgehen wird.
Du packst alles an Klischees rein, was man alles schon irgendwo gelesen, gehört und gesehen hat.
Oma gestorben, Opa nimmt sich das Leben, Mama und Papa lassen sich scheiden, Papa nimmt sich eine jüngere, Mama fängt das Saufen an und wird depressiv, der nette Spanier stellt sich als Vergewaltiger raus, die liebe Tante stirbt bei einem Unfall usw. Das kann einem sicher alles widerfahren, aber es ist mir irgendwie "too much". Es wirkt alles so erzählt, als ob nur mit Nachdruck ihr angestrebter Selbstmord erklärt werden soll, unter dem Motto: Es musste ja so kommen mit dem armen Mädchen. Das ist mir alles irgendwie zu platt und zu kitschig.

Spätestens jetzt ist klar von wem die Zeichnung stammt.

Den Satz würde ich streichen. Die Sätze davor erklären von selbst, von wem die Zeichnung ist.

Lucas zog vor einigen Jahren aus Spanien hier her

Falsche Zeit: Lucas war vor einigen Jahren aus Spanien hier her gezogen.

[QUOTE]Literweise beginnen Tränen aus ihren Augen zu schießen.[/QUOTE]

Bei dem Satz habe ich mir tonnenweise die Haare ausgerupft.;)

Einer der Jungs hatte Fotos von der Vergewaltigung gemacht. Zwar zeigten die Fotos eindeutig, dass es sich um Lina handelte, doch zeigten sie nicht, welche Qualen sie dort durchleben musste

Die Jungs haben sie vergewaltigt. Ich halte es für unrealistisch, dass sie Fotos von ihrer Straftat herumzeigen.


Wir müssen ja alle noch lernen, ich schließe mich da voll mit ein. Ich bin sicher, dass du das bestimmt noch besser kannst.

Viel Spaß noch weiterhin.

Gruß
Raimond

 

Hallo Raimond, danke für die Kritik. Ich gebe zu, die Geschichte gehört nicht gerade zu meinen Meisterwerken. War eher eine spontane Sache, an einem freien Nachmittag :)
Trotzdem werde ich mich bei zukünftigen Werken an deine Bemerkungen erinnern und in mein Schaffen mit einfließen lassen :D
Liebe Grüße

 

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