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Beschützer der Träume

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31.05.2015
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Beschützer der Träume

Und wieder bricht die Nacht herein. Die Sonne versteckt sich hinter dem Horizont, denn sie ahnt bereits, was bald wieder passieren wird. Emma liegt schon seit einiger Zeit in ihrem weichen Bett und ruht sanft, während sie mich mit ihren Armen fest umklammert hält. Die Tür zum Zimmer steht einen Spalt weit offen und von draußen scheint das gelbliche Licht einer alten Glühbirne herein. Während der Mond langsam aufgeht, stelle ich mich bereits auf das Schlimmste ein. Ich weiß nicht, ob ich heute überleben werde, denn der heutige Tag war besonders schwer für Emma. Die genauen Geschehnisse kenne ich nicht, aber sie hat heute sehr lange geweint. Irgendetwas schreckliches muss geschehen sein.

Plötzlich steht ihr Vater in der Tür und betrachtet seine Tochter für einen Augenblick, dann tritt er ein, stellt sich vorsichtig vor Emmas Bett und streicht ihr eine blonde Strähne aus dem Gesicht. Seine Augen sind stark gerötet, sein Gesicht aufgedunsen vom vielen Weinen und er seufzt erschöpft, als er das Zimmer wieder verlässt und die Zimmertür vollständig schließt. Auch ihm müsste ich heute beistehen, doch er ist erwachsen und kann sich zur Not selbst verteidigen, doch das kleine Mädchen kann das nicht. Sie weiß noch nicht wie, sie ist doch erst zwei Jahre alt. Irgendwann wird sie sich selbst verteidigen können, wenn sie groß ist und mich längst vergessen hat, doch bis dahin werde ich sie und ihre Träume verteidigen.

Je höher der Mond steigt und die Zeit voranschreitet, desto nervöser werde ich. Diesmal wird es ein Kampf auf Leben und Tod. Eigentlich ist es das immer, doch heute werden sie so stark sein, wie niemals zuvor. Aber egal, was geschehen mag, ich würde sie nicht an Emma heran lassen! Wenn ich morgen in Fetzen vor ihrem Bett liegen sollte und sie um mich trauert, dann weiß ich zumindest, dass ich sie beschützen konnte. Für mich wird es Ersatz geben, aber ich werde immer ihr erster sein.

Der Mond scheint unheilvoll zum Fenster herein und während die Kirchenglocke in der Ferne mit kraftvollen Schlägen Mitternacht ankündigt, befreie ich mich sachte aus Emmas Umarmung und steige aus dem Bett. Mein Schwert liegt unter einer losen Bodendiele in einer Ecke des Zimmers, vielleicht nicht das beste Versteck, aber bisher hatte ich keine Probleme, an es heranzukommen. Manchmal steht ein Stuhlbein auf der Diele, aber da nie etwas auf dem Stuhl selbst liegt, kann ich ihn verschieben. Doch heute liegt auf ihm ein schwarzes Kleid, das Emma heute den ganzen Tag getragen hat. Es ist recht hübsch geschnitten, aber die Kleine mag es nicht. Mehrfach hat sie heute versucht es auszuziehen und geschrien, als ihre Tante es ihr verbot. Ich mag es auch nicht.

Ich hebe die lose Bodendiele hoch, schiebe sie beiseite und greife mit beiden Pfoten in das dunkle Loch. Als ich mein Blechschwert endlich in Händen halte, fühle ich mich sicherer. Es hat mir schon unzählige Male gute Dienste geleistet und ich hoffe, dass es mir heute das Leben und Emmas Träume retten wird. Ich schwinge es gekonnt durch die Luft, schiebe die Bodendiele mit der Spitze des Schwertes wieder an seinen rechtmäßigen Platz und klettere auf Emmas Kinderbett. Noch drei Glockenschläge, dann würde es losgehen. Vielleicht würde der Kampf die ganze Nacht dauern, aber ich würde nicht weichen. Keines der Monster würde meiner geliebten Emma zu Nahe kommen!

Mitternacht. Ich atme tief durch, gehe in Angriffsstellung und warte. Wo würden sie zuerst auftauchen? Im Zimmer herrscht vollkommene Stille, ich suche mit meinen großen Knopfaugen jeden Winkel ab, aber nirgends zeichnet sich ein Schatten ab. Kein verdächtiges Geräusch ist zu hören, kein Knurren und kein Knarren. Die widerlichen gelben Augen, die sonst aus dem Kleiderschrank starren, sind ebenfalls nicht da. Minutenlang geschieht überhaupt nichts, aber ich traue mich nicht, das Schwert zu senken. Kommt heute kein Monster? Oder haben sie sich heute woanders versteckt?

Ich springe vom Bett und schaue darunter nach, doch auch hier befindet sich kein Monster. Wo sind sie nur? Irgendwas schreckliches muss heute geschehen sein, aber warum schleicht hier dann kein einziger Albtraum herum? Ich laufe auf die Zimmertür zu und schaue vorsichtig durch den Spalt unter ihr. Im Flur brennt kein Licht mehr, aber es ist hell genug, um zu erkennen, dass sich auch hier nichts bewegt. Als nächstes renne ich zum Fenster und klettere auf die Fensterbank. Es steht einen Spalt weit offen, damit eine nächtliche Sommerbrise hereinwehen kann. Dies wäre eigentlich der perfekte Zugang zum Zimmer, doch draußen liegt die kleine Stadt in stillem Schlummer und abgesehen von ein paar Katzen und Nachtarbeitern, bewegt sich hier nicht viel.

Emma wird plötzlich unruhig und stöhnt leicht in ihrem tiefen Schlaf, was für mich das Zeichen zum Angriff ist. Die Albträume haben meine Unachtsamkeit ausgenutzt und sich heimlich an sie angeschlichen, während ich das Zimmer abgesucht habe. Jetzt lauert ein beachtliches Exemplar am Fußende des Bettes und blickt mich über seine Schulter mit seinen grauenvollen gelben Augen an. Es ist das Schrankmonster und diesmal ist es um einiges größer und mächtiger als sonst. Auf vier Pfoten, mit grünlichen Schuppen bedeckt, einem breiten Schwanz und einem langen Gesicht, fletscht es die riesigen Zähne und starrt mich mit einem Grinsen an. Es fordert mich heraus, geht es mir durch den plüschigen Kopf, also springe ich von der Fensterbank und renne auf das Bett zu. Doch das Schrankmonster lacht nur und gibt ein Knurren von sich, das wie ein Befehl klingt. Im nächsten Moment springt ein kleines, eidechsenartiges Monster unter dem Bett hervor und schneidet mir den Weg ab. Es greift mich mit seinen scharfen Klauen an und ich pariere die Schläge in letzter Sekunde mit dem Schwert.

Das Zimmer verändert sich, die Konturen verschwinden und plötzlich finde ich mich am heutigen Morgen wieder. Emma läuft durch das Wohnzimmer, schreiend und flehend, dass sie nicht mitgenommen werden will. Ihre Tante läuft hinter ihr her, doch ihr Gesicht ist eine hässliche Fratze, die hämisch lacht und mit langen Armen und spitzen Klauen nach dem Kind greifen will. Emma rennt um ihr Leben, doch ihre tapsigen Schritte reichen nicht aus, um zu entkommen. Ich sprinte los und schlage mit dem Schwert nach der Klaue, die nach der Kleinen greift. Das Monster schreit auf und schlägt mich quer durch den Raum, während sich meine Besitzerin in einer Nische zwischen Zimmerwand und einem großen Schrank versteckt. Sie drängt sich so weit wie möglich gegen die Wand und schreit erneut, als sie sieht, dass ihre Monstertante sie wieder jagt. Ich bin leicht benommen, aber noch nicht geschlagen. Als ich mich erhebe, muss ich feststellen, dass mein Schwert in einer Wand steckt, zu hoch, dass ich einfach danach greifen kann, doch ich gebe nicht auf. Ich schnappe mir einen Hocker, der in der unmittelbaren Nähe steht und schiebe ihn unter das Schwert. Es steckt tief in der Wand und meine Zeit wird knapp, denn Emmas Tante steht bereits vor der Nische und greift nach dem weinenden und schreienden Mädchen, das Todesängste ausstehen muss. Mit aller Kraft ziehe ich und kann meine Waffe letztendlich lockern. Mit einem entschiedenen Ruck falle ich mit dem Schwert vom Hocker und pumpse auf meinen flauschigen Hintern, rappele mich aber sofort auf und renne auf das Monster zu. Dieses hat Emma bereits gepackt und hebt sie empor. Ich habe keine Zeit zu verlieren und schicke meinen Säbel geschickt auf seine tödliche Mission. Es fliegt wie ein Geschoss durch die Luft und versenkt sich in der Schläfe des Monsters, das Emma fallen lässt und blutend zusammenbricht.

Kurz darauf stehe ich wieder im Schlafzimmer und das eidechsenartige Monster liegt tot vor mir, mein Schwert in seiner Schläfe steckend. Ich ziehe es schwer atmend heraus und muss mit Schrecken feststellen, dass das Schrankmonster fast an Emmas Kopf angekommen ist. Mir bleiben nur noch wenige Minuten, bevor es in sie eindringt und meine geliebte Kleine den wahrscheinlich schlimmsten Albtraum erleben muss, den sich ein Mensch nur vorstellen kann. Doch noch während ich auf das Bett klettere, rollen mehrere kleine, runde Albträume unter dem Bett hervor und versuchen mit ihren kleinen, dürren Händen nach meinen Beinen zu greifen. Eine der Albtraumkugeln kann mich leicht berühren und ich sehe, das Emma heute Morgen ihren Vater Weinen gesehen hat, was sie selbst traurig stimmte, doch die Szene verschwindet sofort wieder und ich kann weiterklettern.

Oben angekommen schlägt das Schrankmonster sofort mit seinem Schwanz nach mir, während es das Maul aufreißt und in Emmas Traum eindringen will. Doch ich kann ausweichen, springe direkt vor das Monster und hebe mein Schwert. Du wirst ihr kein Leid antun! Das lasse ich nicht zu! Mondlicht scheint auf uns beide und das Ungetüm zögert für einen kurzen Moment, dann grinst es mich mit seinen gelblichen Zähnen an und schlägt mit der Pranke zu.

Ich sehe das schwarze Kleid vor mir. Es ist riesengroß und flattert im unsichtbaren Sturm. Davor steht ein Krankenwagen, der mit Blaulicht vor dem Haus steht, in welchem Emma lebt. Es ist Nacht und es stürmt. Der Regen peitscht mir um die großen Ohren, während ich langsam auf die Szene zugehe. Drei Rettungsleute rennen vom Krankenwagen aus ins Haus. Von drinnen höre ich Geschrei und verzweifelte Rufe. Es sind Emma und ihr Vater.

Im Eingangsbereich des Hauses herrscht ein regelrechter Tumult. Emmas Vater wird von einem der Rettungsleute zurückgehalten, während die anderen beiden im Flur hocken. Der Vater schreit herzzerreißend. Emma betrachtet die Szene von der Eingangstür aus und schreit nach ihrer Mutter. Diese liegt am Fuß der Treppe in den ersten Stock, vor ihr die Rettungskräfte. Blut klebt auf dem Treppenteppich. Sie muss gestürzt sein. Schnell greife ich nach Emmas Hand und ziehe sie aus der Sichtweite der Szene. Zunächst weigert sie sich, doch als sie mich verdutzt anschaut, kommt sie mit mir mit. Sie schluchzt und versucht sich zu beruhigen, doch die Schreie ihres Vaters erschweren dies. Ich lege ihr meine Pfoten sanft auf die Ohren, während sie mich anschaut und sich die Tränen aus dem Gesicht wischt. Lange starrt sie mich an, dann umarmt sie mich und drückt mich fest an sich heran. Diesen Albtraum kann ich nicht besiegen, denke ich traurig, während alles um mich herum verschwindet – außer dem Kleid.

„Mama?“ Emma fragt immer wieder nach ihr. Sie ist vollkommen erschöpft und hat noch nicht begriffen, dass ihre Mutter nie zurückkehren wird. Ihr Vater hat sie auf dem Arm, drückt sie an sich und krallt sich in ihr schwarzes Kleid. „Wo ist Mama?“ Die Kleine macht große Augen, als sie ihren Vater weinen hört und fängt selbst damit an. Vater und Tochter stehen abseits eines Friedhofs, auf dem sich mehrere Menschen in schwarzer Kleidung versammeln. Jedes Gesicht zeigt eine Trauermiene, es ist ein Aufzug, den niemand gerne sieht. Nicht mehr lange und ihr wird gesagt werden, was schreckliches passiert ist. Der Auslöser für ihren Albtraum und der Beginn meines Kampfes.

Es passiert während der Trauerfeier. Emma versteht nicht, was vor sich geht. Dutzende Leute stehen im Wohnzimmer, in der Luft liegt der Duft von frischgebrühtem Kaffee, Kuchen wird an die Trauergäste verteilt, aber Emma will nichts davon. Ihre Tante drängt ihr ein Stück Erdbeerkuchen auf, aber nach dem ersten Zubeißen bricht sie ab. Solange sie nicht weiß, wo ihre Mama ist, will sie nichts essen. Jeden weiteren Bissen verweigert sie, fängt an zu schluchzen und kann nur mit Mühe und Not davon abgehalten werden, dass sie anfängt zu weinen und zu schreien. Ihr Vater eilt zu ihr und nimmt sie auf den Arm. Er sieht schwach aus, braucht eigentlich Ruhe, aber irgendwie findet er die Kraft, sich um seine Tochter zu kümmern, die wieder nach ihrer Mama fragt. Seit dem Unfall ignoriert er diese Frage und fängt nur an zu weinen, weil er selbst nicht weiß, wie er es ihr schonend beibringen soll, doch irgendwann muss er es tun.

Ich sitze auf der Treppe in den ersten Stock und beobachte das Ganze mit einem Kloß im Hals. Traurig muss ich darüber nachdenken, was ich am besten tun soll, um Emma zu helfen. Selbst wenn ich diesen Albtraum besiegen kann, so wird er immer wieder zum Leben erwachen. Die nächsten Wochen und Monate, wenn nicht gar Jahre, werden die Hölle für sie werden, wenn ihr niemand hilft – wenn ich ihr nicht helfen kann. Ich muss alles daran setzen zu überleben und Nacht für Nacht gegen dieses Monster zu kämpfen. Während ich meine Pfoten zu Fäusten balle und mich erhebe, steht plötzlich Emmas Tante vor der Kleinen und kniet sich zu ihr.
„Wo ist Mama“, fragt das Mädchen schluchzend. Die Umgebung verdunkelt sich zusehends. Das schöne Sommerwetter, das man durch die Fenster betrachten konnte, verschwindet und stattdessen sieht man nur noch gähnende Schwärze. Eine unheilvolle Aura hängt über dem Haus und ich weiß, dass es soweit ist. Ich weiß, dass Emmas Tante sehr direkt ist, sie hat selbst keine Kinder und hat daher keine Ahnung, was sie bei der Kleinen anrichtet, aber ich habe ihr mehr Fingerspitzengefühl zugetraut. Ich schnappe mein Schwert und klettere eilig die Treppenstufen hinunter.

„Wo ist Mama?“ Ich spüre die Angst, die Emma immer mehr einnimmt und zerreißen wird, wenn ich nichts unternehme.
„Deine Mama ist nun ein Engel“, antwortet die Tante mit einem Lächeln im Gesicht, das sich immer mehr zu einem breiten Grinsen verzieht. Ist sie wieder der Albtraum, frage ich mich, während ich auf sie zuschleiche. Alle anderen Menschen sind erstarrt, als wäre die Zeit stehengeblieben. Emmas Vater steht etwas abseits und betrachtet die beiden. Ich kann nicht sagen, ob er von der Starre ebenfalls betroffen ist oder nicht, aber das ist für den Moment egal. Ich verstecke mich zwischen Hosenbeinen, husche weiter zum Wohnzimmersessel, dann zum Tisch und habe Emma fast erreicht.
„Engel“, fragt sie ihre Tante mit großen Augen und scheint nicht zu verstehen.
„Sie lebt jetzt im Himmel“, bekommt sie als Antwort. „Deswegen trägst du auch dieses hübsche Kleid. Wir feiern.“ Ich sehe Emma an, dass sie nicht versteht, was ihre Tante ihr sagen will. Sie weiß zwar, was Engel sind und dass diese im Himmel leben, aber warum ihre Mama nun einer von ihnen sein soll, bleibt ihr unbegreiflich.
„Ich will zu Mama“, jammert sie und will weg von der Tante, doch diese festigt nur ihren Griff. Gleich passiert es, denke ich und renne auf die Tante los. Doch blitzartig packt mich eine Hand und zerrt mich weg. Einer der Gäste hält mich fest in seiner Hand, er hat kein Gesicht, aber er schaut auf mich nieder. Ich muss mich so schnell wie möglich befreien, sonst würde das Schrankmonster in Emmas Traum eindringen.

Doch es ist zu spät. Auch wenn ich beherzt in die Hand meines Peinigers steche und mich somit befreien kann, so antwortet die Tante bereits.
„Das geht nicht, sie ist für immer weg“, sagt die Tante mit aufgebrachter Stimme. Offensichtlich reicht ihr das Verhalten von Emma. „Sie kommt nie wieder zurück! Niemals!“ Jetzt ist der Moment der Erkenntnis da. Emma stockt der Atem, Tränen kullern ihr die kleinen Wangen hinunter und mit einem angsterfüllten Schrei löst sie den Albtraum aus. Er dringt tief in ihre Gedankenwelt ein, zerlöchert sie wie einen Schweizer Käse und hüllt sie mit Angst und Schrecken aus. Die Fenster werden mit schwarzen Kleidern gepflastert, die in einem unsichtbaren Wind flattern und der das Haus zum Beben bringt. Der Sturm reißt das Dach des Hauses ab, gesichtslose Menschen fliegen durch die Luft, Einrichtungsgegenstände stürzen zu Boden oder heben ab. Ich halte mich verzweifelt an einem Stuhlbein fest, doch er hebt schließlich ab und ich mit ihm. Die Finsternis verschlingt mich und ich habe dabei nur einen Gedanken: Ich habe versagt.

Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis ich wieder zu mir komme. Um mich herum stehen die gesichtslosen Figuren, die mit mir weggeflogen sind und nicht mehr zum Albtraum gehören. Emma, schießt es mir durch den Kopf und ich springe sofort auf. Mein Schwert ist verschwunden, es liegt irgendwo inmitten eines riesigen Schutthaufens, der mit uns vom Himmel gestürzt ist. Und unbewaffnet habe ich keine Chance gegen die gesichtslosen Menschen, die mich augenlos anstarren und scheinbar nur darauf gewartet haben, bis ich aufwache. Verzweifelt schaue ich mich um, aber hier ist nichts, das ich gegen die albtraumhaften Gestalten einsetzen kann. Wir befinden uns in der Finsternis, einem Ort, von dem aus die Albträume Zugang zu den schönen Träumen der Menschen erhalten. Es ist wie eine Eingangshalle zu einem Museum aus Erinnerungen und Gedanken. Die Albträume suchen sich die aus, die sie tragen können, formen sie zu etwas, dass sie gegen die schönen Träume einsetzen können und verwenden es gnadenlos. Hier ist es dunkel, es gibt kein Oben und kein Unten, keinen Boden und keinen Himmel. Doch in der Ferne schimmert ein Licht, das Zugang zum Traum des Mädchens gibt, das ich retten muss. Ich weiß nicht, was das Schrankmonster Emma schon gezeigt hat und ich weiß nicht, was es ihr noch zeigen wird, aber für mich steht fest, dass ich was unternehmen muss.

Die Trauergäste versuchen nach mir zu greifen, aber ihre Bewegungen sind zu träge, sodass ich mit Leichtigkeit zwischen ihnen hindurchschlüpfen kann. Es sind Dutzende und sie verfolgen mich augenblicklich. Ich muss irgendeine Waffe finden, sonst habe ich keine Chance gegen das Schrankmonster. Doch wo soll ich suchen? Verzweifelt suche ich die Schuttberge ab, werfe Ziegelsteine nach den Wesen, die zwar kurz zu Boden gehen, sich dann jedoch wieder erheben und mich langsam verfolgen. Ich lande auf einem Teil einer Straße, auf der ich einen zerstörten Krankenwagen vorfinde. Ein Teil vom Dach hat ihn unter sich begraben und zerquetscht. Die Tür an der Rückseite steht offen und panisch suche ich im Inneren etwas, das ich als Waffe verwenden kann. Ich finde durch Zufall einen Reflexhammer, der vollkommen unbeschädigt ist und flüchte mit diesem Richtung Licht. Es ist nicht die beste Waffe, sie ist weder scharf noch spitz, aber immer noch besser als nichts. Die Meute holt auf und versucht mich vor einem Schutthaufen einzukesseln, weshalb mir nichts anderes übrig bleibt als ihn zu erklettern. Er ist recht hoch, immer wieder geben die bröckeligen Steine unter mir nach, doch ich bin leicht genug, um nicht abzustürzen. Die Trauergäste klettern mir nach, manche von ihnen bleiben stecken, andere bringen ihre Umgebung zum Einstürzen, doch einige können auch mit mir mithalten, was mir überhaupt nicht gefällt.

Oben angekommen, bleibe ich doch noch stecken. Mein linker Fuß versinkt im Schutt und panisch grabe ich mich mit dem Reflexhammer wieder aus, doch in genau dem Moment, in welchem ich freikomme, packt mich ein Gesichtsloser am anderen Bein und zieht mich zurück. Beherzt schlage ich nach der Hand und komme abermals frei, verliere aber das Gleichgewicht und stürze den Berg auf der anderen Seite hinunter. Ich lande weich auf einem Stück Wiese, auf dem Wildblumen wachsen und ein umgestürzter Baum liegt. Nur wenige Meter entfernt steht ein großer schwarzer Sarg, der unbeschädigt ist und daneben ist ein rechteckiges Loch in der Erde zu sehen, in das der Sarg eigentlich beigesetzt werden soll.
Einige Fäden meiner Beine haben sich gelöst, doch noch kann ich laufen, auch wenn nur vorsichtig. Ohne nachzudenken laufe ich auf das Loch zu, um mich dort zu verstecken und Zeit zu schinden. Für den Notfall stecke ich mir vor jedem Kampf eine Nadel mit ein wenig Faden hinter mein rechtes Ohr und ohne reparierte Beine brauche ich nicht weiterkämpfen.

Es ist dunkel hier, aber es reicht, damit ich mich um meine Beine kümmern kann. Schwer atmend fange ich an zu nähen, schaue immer wieder nach oben und hoffe, dass die Trauergäste hier unten nicht nachsehen werden. Mithilfe des Hammers würde ich schon wieder nach oben kommen, wenn die Luft rein ist.
Doch wieder werden meine Hoffnungen zerstört, als sich mehrere Wesen über das Grab beugen. Ich schaffe es noch rechtzeitig ein Bein zu reparieren, dann stürzt auch schon eines der Monster zu mir ins Loch. Noch während es auf dem Bauch liegt, stürze ich mich auf es, schwinge den Hammer und schlage immer wieder auf den Kopf ein. Das Vieh greift nach mir, packt mich an meinem beschädigten Bein und wirft mich einmal quer durch das Grab. Ich spüre, wie sich mein Bein von meinem restlichen Körper verabschiedet und ich dann auf der Erdwand aufschlage. Noch während ich versuche mich aufzuraffen, steht der Trauergast schon, schaut kurz auf das Plüschbein in seiner Hand und wirft es dann achtlos beiseite. Ich gebe nicht auf, auch wenn mir ein Bein fehlt. Der Reflexhammer ist neben mir gelandet, ich schnappe ihn mir und hüpfe auf das Monster zu. Du wirst mich nicht aufhalten! Ungeschickt weiche ich einer angreifenden Hand aus und lande vor den Füßen des Gesichtslosen. Ich schlage zu und stumm geht er auf die Knie, um mich besser packen zu können. Ich haue ihm die Hände immer wieder beiseite, doch in meinem gegenwärtigen Zustand schaffe ich das nicht lange. Wieder werde ich gepackt, doch diesmal empor gehoben, direkt vor den Kopf des Wesens. Ich höre ein Reißen und ein Knurren, sehe, wie sich etwas unter der Gesichtshaut zu bewegen scheint und plötzlich reißt diese entzwei und entblößt ein riesiges Maul, das über das gesamte Gesicht geht. Messerscharfe Zähne blitzen mich an und machen sich bereit, mich in Stücke zu reißen. Ich ramme den Hammer quer in das Maul, woraufhin ich losgelassen werde und hart aufkomme. Einen Moment später liegt der Hammer neben mir und das Monster will sich auf mich stürzen. Ich schließe die Augen und ergebe mich meinem Schicksal. Ich habe endgültig versagt.

Doch es geschieht nichts. Meine Gliedmaßen werden nicht auseinandergerissen und meine fluffige Füllwolle wird nicht überall verstreut. Stattdessen schießt ein gleißender Blitz senkrecht durch den Gesichtslosen und reißt ihn entzwei. Es riecht nach verkohltem Fleisch, ich werde unter dem Toten begraben, aber zuvor bekomme ich noch mit, wie außerhalb des Grabes ein Licht umherschwirrt. Ich weiß nicht, was es ist und was es dort tut, aber ich bemerke noch, wie ein abgetrennter und blutender Arm eines gesichtslosen Monsters in das Grab fliegt, bevor es dunkel um mich herum wird.

Jemand hebt den toten Körper an, unter welchem ich begraben bin und ermöglicht es mir dadurch, hervorzukrabbeln. Ich schnappe nach Luft, blicke mich irritiert um und erschrecke, als ich die helle Gestalt erblicke, die mir ihre Hand entgegenstreckt. Zögerlich nehme ich sie an und werde aus dem Grab gehoben, direkt neben den Sarg, der offen steht. Daneben steht meine Retterin, ein leuchtender Engel, in ein weißes Sommerkleid gehüllt und mit langen Engelsflügeln geschmückt. Sie setzt mich auf dem Boden ab und reicht mir mein verlorenes Bein, das sie ebenfalls aus dem Grab gehoben haben muss. In der gesamten Umgebung liegen verstümmelte Gesichtslose herum, Blut ziert den großen Schuttberg und die Wiese, auf der ich sitze. Der Zorn eines Engels, denke ich mir. Emmas Rettung, die aus dem Traum verbannt wurde. Und meine Erschafferin. Es ist Emmas Mutter, die vor mir steht.

„Du hast viel durchgemacht“, sagt sie sanft und beugt sich zu mir nieder. Sie zieht die Nadel mit dem Faden hinter meinem Ohr hervor und beginnt mein Bein anzunähen. Da der Faden zu kurz ist, wird es nur ein Provisorium, aber es ermöglicht es mir wenigstens wieder zu gehen. „Du wirst in den Traum zurückkehren und meine geliebte Tochter retten, nicht wahr?“ Ich nicke, während ich ihr Werk betrachte. Für einen kurzen Faden, ist das Bein wieder gut angebracht und sollte für diese Nacht halten, solange ich ihn nicht zu sehr belaste. „Ich kann ihr nicht helfen, da ich nicht mehr in diesen Traum gehöre, aber dir kann ich helfen.“ Sie blickt sich für einen kurzen Moment um, erhebt sich und schlägt kräftig mit den Flügeln. Im nächsten Moment löst sie sich in Luft auf, sie hinterlässt eine Spur aus glitzerndem Licht und aufgeregt blicke ich umher, nur um feststellen zu müssen, dass sie plötzlich wieder vor mir steht. In ihrer Hand hält sie mein Schwert. Es ist verbogen und von Staub bedeckt, doch als sie es mir reicht, verwandelt es sich. Es ist größer, wieder vollkommen gerade und glänzt stark silbern. „Mit diesem Schwert kannst du jedes Böse besiegen, das sich dir in den Weg stellt“, ermuntert sie mich mit einem Lächeln, während ich es annehme und mich erhebe. Ich fühle, dass das Schwert nun von einer gutartigen Macht beseelt ist und diese mir den Mut und die Kraft gibt, die ich brauche, um Emma zu retten.

Emmas Mutter fliegt mich in das Licht. Sie weiß, dass sie den Traum nicht betreten kann und ich bin mir unsicher, ob sie überhaupt ein Teil des Traumes war oder doch eine göttliche Erscheinung verkörpert, die ihrer Tochter beistehen will. Aber letztendlich ist es egal, was sie ist. Ich habe meine Schöpferin wiedergetroffen, jene Frau, die mich extra für Emma genäht und mir mit ihrer Liebe Leben eingehaucht hat, das ich nutze, um Emma solange ich kann zu beschützen. Ich will diese Frau nicht enttäuschen und ich weiß, dass ich das auch nicht werde. Selbst wenn ich trotz allem sterben sollte, so werde ich das Schrankmonster mit mir nehmen.

Als das Licht schwächer wird, sehe ich wieder das riesige schwarze Kleid in einiger Ferne. Vor dem Kleid stehen die Ruinen des Hauses, in welchem die Trauerfeier stattgefunden hat. Schwache Rauchsäulen steigen davon auf, um das Haus herum liegen gesichtslose Leichen und kleine schwarze Kleider. Es regnet, es stürmt und immer wieder schlagen helle Blitze in der Nähe des Hauses ein. Ich stürme sofort Richtung Haus, ohne eine Sekunde darüber zu verlieren, dass ich vielleicht wieder mein Bein verlieren könnte. Das Schrankmonster hat die Kontrolle über den Traum übernommen und es gibt nur Zwei, die sie ihm wieder abnehmen können: Emma und ich. Das kleine Mädchen ist zu jung, um zu wissen, wie sie die Kontrolle über ihren eigenen Traum erlangt, doch ich als Wesen, das zwischen Traum und Wirklichkeit wandelt, bin dazu in der Lage. Ich kann den Albtraum besiegen und dem Traum wieder seine kindliche Unschuld geben, die er verdient. Und das werde ich tun.

Entschlossen stehe ich auf der Türschwelle und halte mein Schwert vor meinen Plüschkörper. Dieses Haus kenne ich nicht und ich habe keine Ahnung, ob ich Emma hier überhaupt finden kann. Die Tür zum Keller ist angebrannt und zeigt nun eine geisterhafte Fratze, die den Betrachter anlacht und die Treppe in den ersten Stock ist nun höher und breiter, es ist schwerer die Stufen zu erklimmen und sie enden nicht mehr in einem Flur, sondern einem Puppenhaus, das in Flammen steht. Puppen aus Plastik starren aus den Fenstern des kleinen Hauses und sehen traurig aus. Das Wohnzimmer ist mit einem Teppich ausgelegt, der viele Wellen wirft und ein Vorankommen erschwert. In der Mitte hat er ein riesiges Loch, dessen Ränder zackige, gelbe Zähne entblößen und gierig auf ihr nächstes Opfer warten.
Während ich langsam durch das Erdgeschoss schleiche, sehe ich noch viele andere Veränderungen, die Emma zu Tode erschrecken müssen. In der Küche stehen alle Schubladen und Schranktüren offen, manche von ihnen haben gelbe Augen und schlagen sich selbstständig zu, wenn man an ihnen vorbeigeht. Im Badezimmer steht eine riesige Badewanne, die einen Abfluss besitzt, in dem ein kleines Kind ohne großen Aufwand verschwinden kann, der Spiegel über dem Waschbecken ist beschlagen und Phantome huschen auf der anderen Seite des Spiegels umher, klopfen an ihn und versuchen herauszukommen. Die Veränderungen sind zahllos. Teilweise sind Gänge verschwunden oder so abstrus verändert, dass ich es mich nicht traue, sie ohne weiteres entlangzuschreiten, andererseits sind Treppen und andere Gänge erschienen, die zuvor noch nicht da waren. Die Ruinen gleichen einem unüberwindbaren Labyrinth, in welchem ich mich nicht zurechtfinden kann.

Und so finde ich auch keine Spur von Emma. Ich kann nicht sagen, ob sie vom Schrankmonster verschlungen wurde oder sich irgendwo versteckt. Es ist zu ruhig, aber es gibt einen Ort, den ich aufsuchen muss, denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sich das kleine Mädchen dort versteckt. Das einzige Problem ist nur, wie ich dorthin gelangen soll in diesem fremden Labyrinth. Solange ich das Schrankmonster nicht besiegt habe, habe ich auch keine Kontrolle über den Traum und kann mir nicht meinen eigenen Weg schaffen. Ich muss die gehen, die mir zu Verfügung stehen und ich weiß, das sie ihrer eigenen Logik folgen. Die Tür zum Keller erscheint mir daher der erste Schritt zu sein, um mein Ziel zu erreichen. Ich kenne das Schrankmonster und seine Vorlieben und da es denkt, dass ich aus seinem Albtraum entfernt wurde, muss es sich auch nichts anderes überlegen, um mich in die Irre zu führen.
Als ich vor der Kellertür stehe und das Grinsen der Fratze immer breiter wird, zucke ich nur kurz mit dem Schwert und stoße zu. Es durchbohrt das Holz und augenblicklich zieht das Gesicht eine überraschte Miene und beginnt zu schrumpfen, als würde die Luft aus einer Luftmatratze entweichen. Kaum ist es verschwunden, verblasst auch die Tür und legt einen neuen Weg frei. Zunächst ist es nur ein dunkler Gang, der bis zu einem offenen Sarg führt. Er wird von einem Scheinwerfer von oben angestrahlt und vor dem Sarg sitzt Emma und weint. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich sie schon hier antreffe und geselle mich irritiert zu ihr. Sie verdeckt ihr Gesicht vor mir und schluchzt unaufhörlich. Warum ist sie hier? Der Sarg ist leer, wie es zu erwarten war, denn Emmas Mutter ist bereits kein Teil des Traumes mehr, aber warum weint sie dann? Ich zögere, denn ich kenne die Spielchen, die das Schrankmonster gerne treibt. Obwohl mein innerer Drang, Emma einfach zu berühren und ihr Trost zu spenden, fast unwiderstehlich ist, hebe ich stattdessen mein Schwert an und berühre sie sanft an der Schulter. Mit einem fast unmenschlichen Schrei schreit sie mich plötzlich an und verpufft zu Rauch. Vor Schreck setze ich mich auf meinen Plüschhintern und krieche ein paar Schritte zurück, bevor ich erkenne, dass es eine Illusion gewesen ist. Ich schüttle den Kopf und lache erleichtert in mich hinein. Natürlich! Warum auch sonst sollte Emma hier gewesen sein?! Es ist ein Trick gewesen! Ein Alarm, der das Schrankmonster auf mich aufmerksam machen soll!
Jetzt muss es schnell gehen, denn das Monster kann jederzeit auftauchen und mich wieder aus dem Traum schmeißen. Oder schlimmeres. Und ich weiß nicht, ob ich es besiegen kann, weswegen mir vorerst nur die Flucht bleibt. Ich klettere in den Sarg hinein, schiebe in Windeseile die Kissen beiseite und lege damit eine Bodenklappe aus Holz frei. Ein Poltern geht durch das gesamte Gebäude und ich sehe einen Schatten, der an der Kellertür vorbeihuscht, dann kurz innehält und den Raum betritt. Gelbe Augen starren mich aus der Dunkelheit heraus an, verziehen sich zu schmalen Schlitzen und dann brüllt das Schrankmonster. Es spurtet auf mich los wie ein Raubtier, das es auf seine Beute abgesehen hat und ich habe kaum Zeit, um die Bodenklappe zu öffnen und hindurch zu schlüpfen, doch irgendwie schaffe ich es und verschwinde in der Finsternis.

Ich komme gedämpft auf einem Teppich auf, rappele mich hoch und flüchte sofort in den nächsten Raum, um mich zu verstecken. Ich befinde mich im Wohnzimmer, doch dieses hier erkenne ich wieder. Hier ist alles so, wie es sein sollte, aber dennoch betrübt mich die Tatsache, dass vor dem Fenster immer noch das riesige schwarze Kleid zu sehen ist. Im Haus selbst ist es Nacht, ich sehe zum großen Teil nur Konturen, auch wenn durch die Fenster Licht von einem unsichtbaren Mond hineinstrahlt, aber es reicht, um zu erkennen, dass der Wohnzimmerschrank offensteht, in welchem ich mich augenblicklich verstecke. Nur ein paar Sekunden später höre ich ein Reißen und ein Ziehen, wie ich es noch nie zuvor gehört habe. Etwas kracht und poltert, dann ist es für einen Moment wieder vollkommen still. Ich verharre angespannt im Schrank und warte darauf, dass sich das Monster wieder in Bewegung setzt. Doch es scheint zunächst zu lauschen, während ich mich in die hinterste Ecke des Schrankes quetsche, in welchem Geschirr und Fotoalben aufbewahrt werden. Zum Glück habe ich den Teil mit den Alben erwischt, denn nur eine falsche Bewegung beim Geschirr und das Schrankmonster hätte gewusst, wo ich bin.
Als es nichts vernimmt, setzt es sich langsam in Bewegung, gedämmte Schritte hallen sanft wider und zeigen mir dadurch zumindest ungefähr, wo es sich befinden muss. Immer wieder sehe ich kurz einen unheimlichen Schatten am Wohnzimmerschrank vorbeihuschen, doch als dies nicht mehr geschieht, wage ich mich langsam zur Tür und öffne sie leise. Das Schrankmonster schreitet langsam und aufrecht den Flur entlang, hält immer wieder für einige Sekunden inne und läuft dann weiter. Es weiß nicht, wo ich bin und das ist auch gut so. Desto weniger es weiß, wo ich bin, desto größer ist meine Chance Emma zu finden. Und es wird sicherlich schwierig werden. Denn um diesen Albtraum zu besiegen, benötige ich ihre Hilfe. Das Schrankmonster ist heute viel zu stark für mich alleine, aber mit Emmas Hilfe kann ich es besiegen. Ich muss sie dafür allerdings schnellstmöglich finden!

Wenn ein Albtraum zu stark ist, kann er trotzdem besiegt werden, wenn der Träumende zeigen kann, was ihn in diesem Traum am meisten ängstigt. Es ist nicht das erste Mal, dass ich Emma dazu befragen muss, aber noch nie habe ich es mit solch einem starken Albtraum zu tun gehabt, der meine Fähigkeiten bei weitem übersteigt. Kann ich Emma die Angst vor der Person oder der Sache nehmen, die für all das verantwortlich ist, so ist es auch ein leichtes das Schrankmonster zu bezwingen und den Albtraum zu beenden.

Mit äußerster Vorsicht schleiche ich durch das Erdgeschoss und muss mich immer wieder vor dem Monster verstecken, das mich sucht. Hat es Emma schon gefunden? Als es hoch in den ersten Stock wandert, bin ich mir sicher, dass dies nicht der Fall ist. Das Schrankmonster weiß, dass ich für die Treppe lange brauche und es hätte mich sofort entdeckt, wenn ich versucht hätte, sie empor zu klettern. Das Monster sucht im ersten Stock nach Emma, dessen bin ich mir sicher. Und es verhilft mir unfreiwillig zu einem Vorteil. Es kann nicht nach zwei Personen gleichzeitig suchen und wir befinden uns in einem Teil des Traumes, in welchem es nichts ändern können sollte. Wir sind schon zu tief in ihm drin und hier hat Emma die alleinige Kontrolle, wenn sie sie nutzen könnte. Ich hingegen kann vielleicht nichts ändern, aber ich kann ihn beeinflussen. Hier kann aus einem unbeeinflussbaren Traum ein luzider Traum werden, in welchem der Träumende tun und lassen kann, was er will, doch Emma besitzt diese Fähigkeit noch nicht. Stattdessen muss sie durch mich handeln, ich handle für sie und werde sie retten!

Mir wird schnell klar, dass ich das Schrankmonster hinunterlocken muss, irgendwohin, wo es zumindest vorübergehend mit Suchen beschäftigt ist, um mir die Zeit zu verschaffen, um in den ersten Stock klettern zu können. Doch wie soll ich das schaffen? Ein lautes Geräusch muss schleunigst her und es fällt mir wie Schuppen von den Augen, als ich begreife, wie ich das am leichtesten schaffen kann. Ich schleiche zurück zum Wohnzimmerschrank und ziehe die Türen so weit wie möglich auf. In einer Ecke des Raumes hat Emma ihre Spielsachen liegen und beherzt greife ich mir zwei schwere Plastikklötze und gehe in Position. Mit voller Wucht trifft mein erster Wurf ein Kuchenservice, es scheppert und erzeugt ein helles Klirren, aber nichts geht zu Bruch. Für einen kurzen Moment lausche ich, kann das Schrankmonster aber nicht hören, weshalb ich auch meinen zweiten Klotz mit aller Gewalt werfe und eine hohe Vase treffe. Sie zerbricht unter lautem Krachen in tausend Teile und das ist das Geräusch, das ich brauche, um die Aufmerksamkeit des Schrankmonsters auf mich zu ziehen. So schnell mich meine Beine tragen, renne ich Richtung Treppe und verstecke mich im nächstliegenden Raum. Ein Fauchen geht durch das Haus, gefolgt von einem Knurren und Poltern, das von der obersten Stufe der Treppe kommt. Es hat angebissen, denke ich und mache mich bereit.

Das Monster sprintet gewandt wie eine Eidechse die Treppe hinunter und rast zielstrebig in Richtung Wohnzimmer. Kaum ist es an mir vorbei, mache ich mich ans Klettern. Ich habe diese Stufen sonst immer innerhalb von zwei Minuten erklommen, doch mein lädiertes Bein macht mir zu schaffen. Es dauert etwas länger als gewollt, doch die Zeit reicht, um das Monster lange genug zu beschäftigen. Erschöpft erreiche ich den ersten Stock und höre bereits, wie sich das Schrankmonster wieder Richtung Treppe aufmacht, da fällt mir als erstes die Tür zu Emmas Zimmer auf, die offensteht. Hat es dort schon nach ihr gesucht? Mein Herz macht einen angsterfüllten Satz, als das Monster unten auf der Treppe steht und ich befürchte, dass es mich gesehen haben könnte. Ich renne zur offenen Tür in das von Mondlicht erfüllte Zimmer und direkt auf den Kleiderschrank zu. Vorsichtig öffne ich die Tür und rechne schon damit, dass jeden Moment ein Schreckensschrei den Raum erfüllen könnte, doch stattdessen höre ich nur ein leises Wimmern aus der hintersten Ecke. Dort liegt ein sich bewegender Wäschehaufen, bestehend aus Kleidungsstücken, die achtlos von den Kleiderbügeln heruntergerissen wurden, die über mir baumeln. Langsam hebe ich ein Kleidungsstück nach dem anderen beiseite und lege schon bald einen blonden Kopf frei, der es mit der Angst zu tun bekommt. Beruhigend lege ich dem kleinen Mädchen die weiche Tatze auf den Kopf und streichle sie langsam, wodurch das Wimmern sofort verschwindet. Sie blickt auf und erkennt in der Dunkelheit, wer vor ihr steht. Sie greift mit beiden Händen nach mir und drückt mich an sich, während ich behutsam die Hand auf ihren Mund lege, damit sie versteht, dass sie nicht anfangen darf zu weinen.

Die kleine Emma schluchzt, während sie mich fest an sich drückt, kann sich aber erstaunlich schnell wieder beruhigen und lässt mich los. Nun würde der schwierige Teil kommen, denn ich muss erfahren, was sie am meisten in ihrem Traum ängstigt und das kann ich sie nicht einfach fragen, schließlich kann ich nicht sprechen. Doch eines erleichtert mich ungemein: Diese Traum-Emma kennt mich und kennt vor allem meine Anweisungen, die ich ihr einst in einem Traum mitgeteilt habe. Verstecke dich im Kleiderschrank, habe ich ihr gesagt. Verstecke dich im Haus des Schrankmonsters!

Als ein erneutes Poltern das Haus erschüttert, schließe ich vor Schreck schnell die Tür von innen und dränge mich zu Emma. Nur einen Moment später steht das Schrankmonster im Zimmer und versucht das Kind zu wittern, doch es ahnt nicht, dass sie sich ausgerechnet in seinem Versteck aufhält. Es ist der Trumpf, den Emma und ich schon immer hatten. Das Monster rechnet nicht damit, dass sie sich im Kleiderschrank versteckt. Niemals würde es denken, dass das kleine Mädchen, dass sich nachts vor der Behausung des Schrankmonsters fürchtet, sich gerade dort verbirgt. Und so ist es auch heute. Das Monster geht zwar eine Weile im Raum auf und ab, doch es kann keine Spur aufnehmen und verlässt das Zimmer mit einem genervten Knurren wieder.

Erleichtert verlassen wir den Schrank, wobei Emma meine Hand unter keinen Umständen loslassen will. Ich blicke kurz zur Tür hinaus und sehe gerade noch den Schweif des Monsters, der um eine Ecke verschwindet, bevor ich mich wieder an Emma wende. Ich möchte sie fragen, wie viel sie schon sehen musste und wie es ihr geht, doch ich weiß, dass ich das nicht kann. Alles, was ich tun kann, ist ihr begreiflich zu machen, dass sie mir unbedingt zeigen muss, was sie ängstigt. Und ich hoffe, dass es nicht das Schrankmonster selbst sein würde. Einen ganzen Moment schauen wir uns nur in die Augen und ich hoffe, dass Emma von alleine darauf kommt, was ich von ihr will, da zerspringt das Fensterglas und im Raum steht das Schrankmonster.

Als wir vollkommen außer Puste vor der Hintertür des Hauses ankommen, ist die Gefahr noch lange nicht gebannt. Es hat nur einen Sekundenbruchteil gebraucht, bevor ich Emma an der Hand gepackt geflüchtet bin. Gleich gegenüber von Emmas Zimmer ist die Wäscheklappe, die uns zum Keller führte. Das Monster ist zu groß dafür, was uns einen kleinen Vorteil verschafft. Wir rennen vom Haus weg und Richtung Kleid, während hinter uns ein gewaltiges Brüllen zu hören ist. Die Erde bebt, immer wieder verlieren Emma und ich das Gleichgewicht und schließlich stützt das Haus in sich zusammen und wirbelt eine Staubwolke auf, die uns die Sicht nimmt. Irgendwie hat das Monster die Kontrolle übernommen!

Im nächsten Moment wird Emma von mir weggerissen und panisch renne ich durch den dichten Dreck, der sich in der Luft befindet. Ich höre sie schreien, das Monster lacht zischend und verrät dadurch seine Position.
„Emma“, rufe ich nach meinem Schützling und bin selbst darüber überrascht, dass ich eine Stimme besitze. Sie klingt kräftig und erzeugt genug Resonanz, dass mir das kleine Mädchen antworten kann.
„Hilfe“, höre ich sie flehend schreien. Ihre Stimme scheint aus weiter Ferne zu kommen und ich renne ihr irritiert hinterher. Die Sicht will sich nicht klären, vielmehr erscheint es so, als würde ein Sturm losbrechen, der den Staub und Dreck mit sich bringt. Wieder ruft sie nach mir und ihre Stimme hat sich abermals ein ganzes Stück von mir entfernt. Es gibt nur eine Möglichkeit diesen Albtraum sofort zu beenden.
„Emma, was ängstigt dich?“ Sie kennt diese Frage, denn es ist die Frage, die ihre Mutter ihr immer stellte, wenn die Kleine sich vor sich etwas fürchtete. Und ich hoffe, dass sie sie hören kann. Doch als ich keine Antwort vernehme, brülle ich meine Frage mit meiner neuen Stimme erneut gegen den Sturm.
„-eid“, höre ich nur und verstehe zunächst nicht. Was meint sie nur? Ich gehe rasend schnell alle Möglichkeiten durch, die mit diesem Traum zu tun haben könnten und finde die Lösung. Das Kleid. Das schwarze Trauerkleid ängstigt sie in diesem Traum am meisten, denn es verkörpert für sie den Verlust ihrer Mutter! Doch wo ist es? Will das Schrankmonster Emma zum Kleid bringen, um ihr den Verstand zu rauben?

Ich blicke mich irritiert um und muss feststellen, dass ich es inmitten dieses Sturm nicht finden kann. Wenn das Monster Emma zum Kleid bringen will, dann muss ich augenblicklich etwas unternehmen! Aber wenn ich mich irre, dann ist alles aus. Was soll ich nur tun?
Schlagartig legt sich der Sturm und noch während Staub und Dreck zu Boden schweben, erkenne ich das Kleid in der entgegengesetzten Richtung. Das Schrankmonster wollte mich in die Irre führen und obwohl ich nicht verstehe, warum sich der Sturm legt, bleibt mir nur noch eins zu tun. Das Kleid ist riesig, dass ich es unter keinen Umständen verfehlen kann, weshalb ich mein Schwert abermals auf seine tödliche Reise schicke.
Wie ein silberner Pfeil schießt das Schwert auf das Kleid zu und reißt ein Loch in dessen Mitte, aus dem helles Licht strahlt. Es vertreibt die Nacht und hüllt alles in Licht.

Im nächsten Moment stehe ich auf einer sonnigen Wiese, Wildblumen wachsen überall und ich erkenne sofort, dass ich auf dem Friedhof bin. Ein einsamer Grabstein steht hier und davor kniet Emma. Neben ihr steht das Schrankmonster und schaut über seine Schulter zu mir und grinst. Es versucht abermals die Kontrolle über den Traum zu gewinnen, indem es etwas anderes schafft, dass das kleine Mädchen ängstigt. Doch das lasse ich nicht zu. Auch wenn mein Schwert verschwunden ist, so ist das Monster nun stark geschwächt. Es ist geschrumpft – vielleicht so groß wie ich – und sieht harmloser aus, doch die Bösartigkeit in seinen Augen ist nicht gewichen.
Ich stürme los und versuche irgendeinen Plan zu entwickeln, wie ich es aufhalten kann, doch so recht will mir keiner einfallen. Daher stürze ich mich einfach auf es und wälze mich mit ihm auf der Wiese. Emma nutzt sofort die Gelegenheit, springt auf und will nur noch weg von dem Grabstein.

Währenddessen gewinnt das Monster mehr und mehr die Oberhand und schafft es letztendlich, mir ein Auge auszubeißen. Es baumelt an Fäden, die das Auge nicht loslassen wollen, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis es ganz abreißt. Ich versuche mich mit Händen und Füßen zu wehren, doch es ist vergebens. Die Fäden an meinen Beinen haben sich abermals gelockert und das Monster packt letztlich meine Arme und reißt einen mit einen Kichern heraus. Auch wenn ich keine Schmerzen empfinden kann, so weiß ich doch, was sie bedeuten. Mein Leben ist vorbei. Das Monster packt meinen Kopf mit einer Klaue und zieht.

„Nein“, vernehme ich einen mutigen Schrei, gefolgt von einem dumpfen Schlag. Das Schrankmonster fliegt im hohen Bogen von meinem Körper und lässt dabei meinen Kopf los, der sich dagegen gewehrt hat, meinen restlichen Körper im Stich zu lassen. Emma steht vor mir, außer Atem, da sie zu mir gerannt ist. Sie hat das Monster in den Bauch getreten, welches sich nun vor Schmerzen auf dem Boden windet und keucht. „Lass Teddy in Ruhe“, schreit Emma das Vieh an, dass sich mühsam erhebt und sie versucht anzugrinsen. Offensichtlich hat das kleine Mädchen ihre Angst vor dem Schrankmonster überwunden oder sie hatte schlichtweg Angst, mich ebenfalls zu verlieren. Doch als mein Körper anfängt zu glühen und aus dem Nichts glitzernde Fäden erscheinen, die sich in der Luft winden und meine Körperteile wie von Geisterhand wieder verbinden und festigen, traue ich meinem Urteilsvermögen fast nicht mehr. Emma hat die Kontrolle über den Traum übernommen!

Als ich stehe, erscheint mein Schwert in meiner Hand und das Grinsen im Gesicht des Schrankmonsters verschwindet schlagartig. Es weiß, dass es nicht mehr gewinnen kann und doch weicht es nicht zurück. Nun steht es Zwei zu Eins gegen es, aber scheinbar hat sogar ein Albtraummonster ein Fünkchen Ehre. Oder es weiß nicht, wann es aufgeben sollte.
Es versucht sich auf mich zu stürzen, doch ich pariere seinen Angriff gekonnt und es fällt zu Boden. Noch während es sich umdreht, habe ich meine Schwertspitze bereits auf seinen Hals gerichtet. Verwirrt blickt es mich an und hebt den Kopf an, damit die Spitze leicht in seinen Hals sticht. Es will, dass ich es niederstrecke, geht es mir durch den Kopf.

Doch es ist wie jede Nacht. Es kennt meine Entscheidung bereits, denn nur so konnte es so viele Nächte lang mein Kontrahent sein.
„Verschwinde“, brumme ich meine Nemesis an und ich erkenne im Blick des Monsters, dass es reumütig wirkt. Es ist auch nur ein Gefangener seines Seins, so wie ich und daher müssen wir für ein angemessenes Gleichgewicht in den Träumen der Kinder sorgen. So wie ich nach einer verlorenen Schlacht repariert werden kann, um immer wieder aufs Neue für Emmas Träume eintreten zu können, so lasse ich zumindest das Schrankmonster entkommen, wenn dies gegen mich verliert. So war es schon immer und so wird es sein, bis zu jenem Tag, an welchem einer von uns beiden seinem unausweichlichem Schicksal in die Augen sehen muss. Doch dieser Tag ist nicht heute.
Vor unseren Augen löst sich das Schrankmonster zu dunklem Staub auf und verschwindet damit für diese Nacht aus der Traumwelt des kleinen Mädchens.

Kinderhände umfassen meinen plüschigen Körper von hinten und heben ihn hoch.
„Ich hab dich lieb, Teddy!“ Emma ist plötzlich überglücklich und sie weiß, dass der Albtraum überstanden ist. Ich liebe dich auch, Emma. Ich werde dich beschützen und auf dich aufpassen. Solange ich da bin, wird dir kein Albtraum zu nahe kommen. Denn ich bin der Beschützer deiner Träume.

 

Nach längerer Ruhezeit mal was neues, bei dem ich in der Gegenwart geschrieben habe (was mir überhaupt nicht liegt). Hoffe, es gefällt trotzdem. Viel Spaß beim Lesen! :)

 

Hallo Tom!

Du hast hier schon drei (lange) Texte gepostet, zu den ersten beiden auch eine Menge Kommentare bekommen, aber selbst hast du noch keinen einzigen Kommentar geschrieben. Möchtest du nicht damit anfangen? Geben und nehmen, die Lebendigkeit des Forums unterstützen und so.

Zu deinem Text:

Ich komme schlecht rein, was am Stil liegt. Ich versuche, zu erklären, was ich meine.

Ich finde, dass du zu weit weg bist von deinen Protagonisten. Das Geschriebene klingt sachlich, emotionslos, wie ein Bericht. Der Leser kann nicht mitfühlen.

Beispiel:
"Seine Augen sind stark gerötet, sein Gesicht aufgedunsen vom vielen Weinen"
=> Show, don't tell sagt man dazu. Ich kenne den Vater nicht (da du ihn mir noch nicht vorgestellt hast, er ist bloß Vater, Ende), ich sehe ihn nichtmal heulen (du sagst nur, er hätte viel geweint), das Ganze ist mir egal.
=> Um mitfühlen zu können, müsste ich den Vater erstmal kennenlernen, er braucht ein "Gesicht", eine Persönlichkeit. Dann müsste der Leser ihn "weinen" sehen, Quatsch, Rotz und Wasser heulen müsste er, lass die Tränen auf den Boden aufschlagen, geh näher ran an den Mann!

"desto nervöser werde ich."
=> Show, don't tell! Dieser Teddy ist der Held der Geschichte, zeig uns seine Nervösität, berichte nicht nur von ihr! (Und ich bin echt gespannt, wie sich Nervosität bei einem Teddybären äußert.)
"Wenn ich morgen in Fetzen vor ihrem Bett liegen sollte"
=> Das ist so emotionslos, wie soll der Leser da mitfiebern? Macht es dem Bären nichts aus, zerfetzt zu werden, hat er keine Angst? Und wenn es ihm wirklich nichts ausmacht, dann wäre er kein passender Protagonist für eine Heldengeschichte, weil er einfach langweilig wäre.

Noch ein paar Details:

"Die Sonne versteckt sich hinter dem Horizont, denn sie ahnt bereits, was bald wieder passieren wird."
=> Du personifizierst die Sonne. Warum? Ist sie einer deiner Protagonisten? Spielt die Sonne in deiner Geschichte irgendeine tragende Rolle? Warum schreibst du ihr eine Persönlichkeit zu?

"und ruht sanft, während sie mich mit ihren Armen fest umklammert hält."
=> Sanft ruhen und fest umklammern sind für mich gegensätzliche Dinge.

"Irgendetwas schreckliches"
=> Schreckliches groß.

"befreie ich mich sachte aus Emmas Umarmung und steige aus dem Bett"
=> Und wie macht er das? Zeige es mir! Er ist ein Teddy, hat vermutlich ziemlich kurze Beine, der kann nicht einfach aus dem Bett "steigen". Er müsste sich am Laken abseilen, todesmutig den weiten Weg auf den Teppich hinabspringen oder sowas. Zeige es!

"Show, don't tell", Tom! Beschäftige dich damit!

Grüße,
Chris

 

Chris Stone

Hallo Chris,
erstmal vielen Dank für deine ehrliche Kritik. Dieser Text hat mir wirklich viel Kopfzerbrechen bereitet, was seltsamerweise daran liegt, dass es mir schwer fällt Texte in der Gegenwartsform zu schreiben, ohne dass sie gleich nach einem wissenschaftlichem Aufsatz klingen. Daher ist dein Vergleich mit einem Bericht gar nicht so verkehrt und ich verstehe sehr gut, dass dir daher auch die Emotionen gefehlt haben. Mit diesem Thema werde ich mich also noch mal auseinandersetzen und hoffe, dass ich es beim nächsten Mal besser machen kann.

Viele Grüße
Tom

P.S. Wenn ich mal dazu komme (was leider nicht oft ist), lese ich auch die Texte von anderen Mitgliedern und die Kritiken. Allerdings musste ich feststellen, dass sich die Kritiken mit meiner eigenen praktisch decken, weshalb ich nicht noch mal darauf antworte. Wenn es dich allerdings ruhiger schlafen lässt, werde ich künftig meinen Senf dazu geben. ;)

 

Hallo Tom,

deine Geschichte hat sich ein bisschen hingezogen, vielleicht einen Tacken zu lang, aber dennoch habe ich sie komplett und gerne gelesen.
Mit Lob wird man nicht besser, man fühlt sich nur gebauchpinselt, aber Kritik möchte ich auch nicht äußern.
Warum schreibe ich dann?
Weil ich Dir sagen will, dass da meiner Meinung nach viel Potenzial ist und jetzt sage ich Dir auch warum:
ich hatte eine Gänsehaut! Als die Mutter als Engel an dem Grab auftaucht und dem Teddy hilft, haben sich mir alle Häärchen aufgestellt. Das hatte ich nicht erwartet und fand es sehr schön :herz:
Und der Gedanke von Teddy, als er sieht, was die Mutter mit den Feinden angerichtet hat,

Der Zorn eines Engels

hat mir auch sehr gut gefallen, so poetisch :)
Also, weiter so! ;)

Liebe Grüße

Joey

 

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