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Warum die Berge an manchen Stellen höher sind

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24.01.2009
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Warum die Berge an manchen Stellen höher sind

Schön hat es Martina hier, denke ich und inhaliere den Anblick der Berge, die frische Luft und das Kuhglockengebimmel. Bayrisches Alpenland wie gemalt und ich mittendrin. Man könnte gleich und hier eine Kamera aufbauen und einen Heimatfilm drehen. Frau im Dirndl trifft auf neu eingetroffenen Tierarzt, natürlich ist der Junggeselle, und gemeinsam retten sie eine Gämse, die angeschossen zurückgelassen wurde. Happy End mit rosa Herzen und im Hintergrund des Abspanns üppig blühende Geranien an den Balkonen eines Holzhauses. Ja, genau so einen Film könnte man von Martinas Terrasse aus drehen.
Meine alte Schulfreundin legt mir ihre Hand auf die Schulter und holt mich aus meiner Gedankenwelt zurück in die Realität.
„'Tschuldigung. Wollt dich nicht erschrecken“, sagt Martina und reicht mir einen Pott Kaffee.
Ich schwenke den Blick von den Bergen zum Pool. Mein Sohn Finn tobt nach stundenlanger Autofahrt seinen Hippeldrang aus. Ja, Martina hat es schön hier. Schöne heile Welt. Familie, Haus, Garten, Pool. Einer der Gründe, warum ich noch nie von fast Dänemark bis nach fast Österreich gefahren bin. Ich wollte keine Auszeit aus meinem Leben für einen Schnupperkurs im: So könnte es auch sein - Leben.
Ausreden erfand ich viele; Finn krank, ich krank, Sturmwarnung, meine Pension ausgebucht, Handwerker im Haus, Auto kaputt, ein Regenwurm hat sich ein Bein gebrochen, weiß der Fuchs.
Dabei gönne ich das alles Martina. Ich freue mich für sie. Gerade jetzt freue ich mich für sie.

„Schön, dass die Jungs sich so gut verstehen“, sagt Martina, nachdem wir die Kinder ins Bett verfrachtet haben. Sie öffnet eine Flasche Merlot, stellt Käse, Obst und Brot auf den Tisch.
„Ja“, sage ich und fühle mich gleichfalls erleichtert. Finn ist fünf, Martinas Sohn Aron acht. Ob sich der Große mit dem Kleinen abgibt, war das unbekannte x in der Reiseplanung. Ich konnte nur hoffen, die zwei würden sich vertragen und mir dadurch ein paar Momente der Ruhe bescheren.
„Aron hat nicht viele Freunde“, sagt Martina. „Ich glaube, es liegt irgendwie daran, dass er seinem Alter voraus ist.“
„Voraus?“, frage ich.
„Na ja. Er ist seinen Spielgefährten einfach überlegen. Cleverer als sie, also nicht unbedingt intelligenter, weiß Gott nicht, aber irgendwie, ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll, soziale Intelligenz trifft es vielleicht.“
„Das ist sicher auch hart für dich“, sage ich. Für mich wäre es jedenfalls furchtbar, wenn Finn niemanden zum Spielen fände.
„Mir tut es einfach für Aron leid. Er kann doch nichts dafür.“
„Nein“, sage ich und sehe Aron vor mir, der groß und kräftig für sein Alter ist. Vielleicht gibt er sich ja tatsächlich mit einem Fünfjährigen ab, weil er ein ausgeprägtes Sozialverhalten hat. Aber warum meiden ihn Kinder seines Alters dann? So ganz kann ich mir keinen Reim drauf machen, aber ich nicke mitfühlend.
„Lass uns über dich reden. Du bist ja zum Entspannen hier, nicht um für mich die Psychotante zu spielen. Wie geht es dir?“
„Ich bin müde“, sage ich ehrlich, weil der Wein mir gerade den Rest gibt. „Von der langen Fahrt, von der Luft, von meiner Pension, vom Alleinsein, von allem eigentlich.“
Martina legt ihre Hand auf meine. "Eine Woche nur wir beide. Wie früher."
Ich lächle. Das ihr Mann gerade auf einem Kongress weilt, war mir mehr als recht.
„Ich verwöhne dich und du redest dir den ganzen Ballast von der Seele. Guck, der Watzmann da drüben, auf den schaufeln wir all deine Sorgen und die Bergsteiger freuen sich, weil sie noch ein paar Meter höher kraxeln können.“
Ich lächle über die Idee, die Alpen wären Sorgenberge. Wie viele beschissene Leben es wohl brauchte, sie zu dieser Größe aufzutürmen?
Martina lässt meine Hand los und schenkt uns Wein nach.
Ihre Bemutterung fühlt sich gut an und erst jetzt, in diesem Moment, stelle ich fest, was für ein Wrack ich eigentlich bin. Ein bisschen Wein, ein bisschen Käse, ein paar liebe Worte und ich könnte vor Rührung losflennen.

Am nächsten Tag fahren wir mit den Kindern zur Wimbachklamm. So mit dem tosenden Wasser unter uns und nur noch Rauschen in den Ohren, da denke ich an zu Hause. An die stürmischen Tage und Nächte bei uns am Meer und an das marode Dach meiner Pension, für das ich kein Geld habe. Ich sehe mich bei Unwetter am Fenster zittern, weil ich mich vor einer Ladung herabfallender Ziegel fürchte.

Nachmittags liegen Martina und ich faul in der Sonne. Mit eiskaltem Zitronenwasser, Melone und Schokoladeneis. Wir baden in Kindheitsgeschichten und stellen fest, wie grausam wir zu manchen Verehrern aus Jugendzeiten waren. Als das Telefon klingelt, verschwindet Martina im Haus. Ich schließe die Augen und genieße die Stille. Einfach nur Ruhe, wie schön sich das anfühlt, bis die Kinder auftauchen. Ich weigere mich, die Augen zu öffnen, den Moment wieder herzugeben und doch springe ich auf, als ich Arons Stimme höre.
„Setz dich und friss Gras! Wenn du nicht frisst, gibt es drei Stockhiebe!“
Um Finns Hals liegt eine Hundeleine. Mein Sohn kauert auf dem Rasen und zupft Löwenzahnblätter. Aron steht hinter ihm, einen Knüppel durch die Luft schwingend. Er hat sich ein Bettlaken um den Körper geschlungen, während mein Sohn nackt ist.
„Du musst das Gras in echt fressen“, herrscht Aron ihn an.
„Hör sofort damit auf“, schreie ich, während ich mich auf Finn stürze. „Lass die Leine los. Hörst du! Und leg den Knüppel weg.“
Ich nehme meinen Sohn in den Arm und öffne das Halsband.
„Du musst kein Gras essen“, sage ich und streichle sein Haar.
Finn guckt mich an, als wäre ich eine Irre.
„Aber wir spielen doch nur“, sagt er schließlich.
„Und was soll das für ein Spiel sein?“, frage ich.
„Aron ist Cäsar und ich bin sein Sklave“, erklärt mein Sohn mir stolz. Mir kommt die Galle hoch. Aron grinst und Finn befreit sich aus meiner Umarmung, legt sich die Leine wieder um den Hals. Ich nehme sie ihm erneut weg. „Geh ins Haus und zieh' dir was an. Das Spiel ist zu Ende.“
„Aber warum denn?“
„Weil ich es sage. Und jetzt geh. Bitte!“
Finn steht auf, zieht einen Schmollmund und stampft bockig davon.
„Und du mein Freund“, ich versuche ganz ruhig zu sprechen, was mir nur kläglich gelingt, „du unterlässt solche Spielchen. Hast du mich verstanden!“
„Du darfst mir nichts verbieten. Du bist nicht meine Mutter“, sagt Aron.
„Ich bin nicht deine Mutter, aber ich verbiete dir, Finn zu befehlen, er solle Gras essen. Ich verbiete dir, ihn nackt an einer Leine herumzuführen und ihm Stockhiebe anzudrohen.“
Aron beginnt zu schreien, als hinge sein Leben davon ab. Martina stürzt aus dem Haus, das Telefon noch am Ohr. Verdattert trete ich einen Schritt zurück und beobachte, wie sich Arons Gesicht tiefrot färbt und irgendwie aufbläht.
„Was?“, fragt Martina, als sie bei uns ist.
„Sie wollte mich schlagen“, heult jetzt Aron und zeigt mit dem Finger auf mich.
Mir bleiben vor Entsetzen alle Worte weg, und weil ich sprachlos bin, wedle ich wie bekloppt mit den Händen.
„Das ... ich wollt' nicht. Ich würde doch nie ...“, stammle ich schließlich.
Martina mustert mich, als wäre ich ein Schwein und sie muss jetzt entscheiden, ob es fett genug zum Schlachten sei. Ich gebe mir alle Mühe, ganz dünn auszusehen.
„Wirklich nicht“, beteuere ich nochmals.
Eine Frauenstimme quäkt aus dem Telefon: „Hallo? Alles in Ordnung? Was ist da los?“ Martina würgt kurzerhand das Telefonat ab und kniet vor ihrem Sohn nieder. Aron quetscht sich ein Tränchen aus dem Auge.
„Du darfst Mama jetzt nicht anlügen. Wollte Lena dich wirklich schlagen?“ Dabei streicht sie sanft über seine Wangen.
„Bestimmt wollte sie das. Sie war total gemein.“
„Schon gut. Mama ist jetzt da. Niemand wird dich schlagen, hörst du? Ich verspreche es dir.“ Dann gibt sie Aron einen Kuss. „Du darfst dir jetzt eine Tafel Schokolade holen. Aber gib Finn davon ab.“
Kaum hat Martina den Satz beendet, stürmt Aron in Richtung Küche.
„Ich hab, … ich wollt' wirklich nicht. Ich habe ihn nicht angerührt“, setze ich erneut an, aber Martina winkt ab.
„Er macht gerade eine schwierige Phase durch. Er ist so unglaublich sensibel“, sagt sie, aber ich kann hören, wie ein Rest Unsicherheit in ihrer Stimme mitschwingt.
Sensibel ist eine hübsche Umschreibung für sadistische Spielchen, denke ich, halte es aber aus irgendeinem Grund für unklug, Martina jetzt über die Situation aufzuklären. Ich werde es ihr sagen, später, wenn die Unsicherheit aus ihrer Stimme fort ist.

„Man könnte glauben, sie sind Geschwister“, sagt Martina.
Ich lege mir eine Decke über Beine und Füße, ich friere, während Martina noch immer im T-Shirt neben mir sitzt. Die Kinder sind im Baumhaus, wir sehen die Lichter ihrer Taschenlampen durch die Fenster tanzen. Seit heute Nachmittag bin ich unter Hochspannung, wenn Finn nicht in meiner Nähe ist. Der Abend im Baumhaus war die beste Idee, die ich hatte. Von der Terrasse aus habe ich die beiden im Blick. Finn und Aron. Vor allem Aron. Ich gucke ständig auf die Uhr und hadere, weil Finn schon seit einer Stunde ins Bett gehört. Aber auch er hat Urlaub, ich will ihm nicht den Spaß verderben.
„Und? Hast du dich schon ein bisschen erholt?“, fragt mich Martina und ich greife das Stichwort dankbar auf, schließlich muss ich ihr noch von den grausamen Spielchen ihres Sohnes erzählen. Als ich meinen Bericht abgeschlossen habe, verzieht Martina das Gesicht. Ich weiß nicht, wie ich es deuten soll, ob sie mir glaubt oder ob sie es mir übel nimmt, das Thema nicht als beendet anzusehen. Schließlich lacht sie.
„Was ist daran komisch?“, frage ich.
„Kinder sind grausam. Weißt du doch.“
„Das finde ich auch nicht komisch.“
„Du hast recht.“ Martina wird ernst. „Erinnerst du dich, wie wir deine Schwester am Wäscheleinenpfosten, am Marterpfahl, angebunden haben und dann zum Baden gingen?“
Natürlich erinnere ich mich. Am Abend schlug mein Vater mir zwei Mal ins Gesicht. Eine rechts, eine links. Es war das erste und einzige Mal, dass er mich schlug. Ich schweige.
„Wir haben sie in der prallen Sonne stehen lassen“, fährt sie fort.
Ich sehe Mutter vor mir, wie sie mit Karin aus dem Krankenhaus kam. Krebsrote Haut und einen Sonnenstich, so endete es damals für meine Schwester. Karin war sechs, ich neun. Ich wollte Karin einfach nur nicht mit zum Strand nehmen, einmal nicht meine kleine Schwester am Rockzipfel haben.
„Aber wie kommt Aron auf solche Spiele?“, frage ich. Meine Beweggründe von damals kenne ich, Arons dagegen sind mir ein Rätsel.
„Vielleicht hat er es von einem anderen Kind. Vielleicht aus irgendwelchen Geschichtsbüchern, Bildern aus dem Fernsehen, was weiß denn ich. Guck dir die beiden doch an. Sie sind ein Herz und eine Seele. Warum sollte Aron Finn etwas antun?“
Ich überlege, ob ich vielleicht doch zu dünnhäutig bin. Ob ich nicht zu sehr die Übermutter spiele? Aber verdammt, es war nicht in Ordnung, was wir damals mit Karin machten und heute war es mein Sohn, der Gras fressen sollte, der an der Leine hing und über dem Aron seinen Knüppel schwang. Vielleicht würde Martina es anders sehen, wenn die Rollen vertauscht gewesen wären.
„Bitte, Lena“, sagt Martina. „Du reibst dich auf. Du bist alleinerziehend, selbstständig, immer an der Kante zum finanziellen Desaster. Du kannst nicht die Welt verbessern, Kinder sind nicht immer nur niedlich.“
„Ich will die Welt nicht verbessern“, sage ich trotzig.
„Doch, das willst du. Und Hilfe kannst du auch keine annehmen.“
Wie kommt Martina jetzt darauf? Wieso sitze ich jetzt auf der Anklagebank? „Das ist nicht wahr!“
„Ach?“ Martina legt den Kopf schief und guckt mich skeptisch an. „Und warum wolltest du dann nicht, dass Karin für eine Woche in der Pension einspringt?“
„Es ist Karins Urlaub“, sage ich. „Sie braucht ihn doch auch, bei ihrem Job.“
„Sie selbst hat es angeboten. Für sie ist es in Ordnung. Verstehst du? Das Problem hat nicht Karin, sondern du.“
„Sonst noch was?“, frage ich und hoffe, wir können das Thema als beendet ansehen.
„Ja.“
„Was?“
„Geh' zur Bank und nimm eine Scheißhypothek für die Dachreparatur auf. Warte nicht, bis das Haus über deinem Kopf wegfault.“
In mir zieht sich alles zusammen. Die Kälte kriecht durch Decke und Strickjacke.
„Ich denk drüber nach“, sage ich. Zu mehr fühle ich mich nicht in der Lage. Es ist höchste Zeit Finn ins Bett zu bringen.

Den ganzen nächsten Tag verbringe ich damit, mich zurückzuhalten, meinen Sohn nicht der totalen Kontrolle auszusetzen. Martina quält mich nicht mit Vorwürfen. Aron spielt keine komischen Spiele. Am Abend fühle ich mich wirklich schon viel besser als bei meiner Ankunft. Die Kinder sind wieder im Baumhaus, aber heute schicke ich Finn doch eher ins Bett, ich hatte den ganzen Tag das Gefühl, er sei nicht ganz fit.
Als ich später selbst hochkomme, ist mein Sohn noch wach. Alle Lampen im Zimmer sind angeknipst.
„Was ist denn los?“, frage ich.
„Ich habe so Angst vor dem Müller.“
„Vor welchem Müller denn?“
„Vor dem, der kleine Kinder isst.“
„Hat dir Aron von dem Müller erzählt?“
„Ja“, sagt Finn. „Der Müller hat nur ein Bein, ist aber trotzdem ganz schnell. Und er hat Glasaugen, mit denen er ganz gut gucken kann. Auch in der Nacht. Und er hat nur vier Zähne. Die sind aber von einem richtigen Löwen, gar keine Menschenzähne.“
„Das ist aber ein gruseliger Müller“, sage ich und wiege Finn sacht hin und her. „Und weißt du was? So einen Müller gibt es gar nicht. Das ist ein Märchen, was Aron dir erzählt hat.“
„So ein Märchen wie das von Hänsel und Gretel?“
„Genauso ein Märchen. Und es beginnt mit: Es war einmal.“
„Nein. Aron hat gesagt, der Müller lebt und holt sich jeden Monat ein Kind.“
Verflucht sei dieser Bengel. Kein Wunder, dass Aron keine Freunde findet.
„Da hat der Aron aber ganz kräftig geschwindelt. Glaub' mir, es gibt keinen solchen Müller. Man kann mit einem Bein auch überhaupt nicht laufen. Da fällt man nämlich um.“
„Aber er kann hopsen. So wie ein Känguru. Ganz schnell und ganz weit.“
„Das ist alles ausgedacht. Das stimmt nicht. Verstehst du? Es ist nur eine Geschichte.“
„Wirklich?“
„Ganz bestimmt“, sage ich. „Es gibt keinen Müller hier.“
„Bleibst du jetzt hier?“
„Ja. Ich passe auf uns auf. Versprochen.“
Finn kuschelt sich in seine Decke. Ich nehme seine Hand in meine, warte bis er eingeschlafen ist, lausche seinem Atem und bewache den kleinen Körper.
Gruselgeschichten gehören zu einem Sommerabend. Alles normal. Ja, genau das wird Martina sagen, wenn ich ihr von der Müllergeschichte erzähle, und genau deshalb werde ich ihr davon nichts erzählen. Am Ende zeigt ihr Finger nur wieder auf mich.

In der Küche schnipple ich den Salat, Martina bastelt Grillspieße, und wir lachen über jeden Scheiß, albern wie Teenager sind wir.
Und mitten hinein in meine gute Laune fragt Martina, ob ich es mir überlegt hätte, das mit der Hypothek. Bei dem Grundstück sei das mit der Bank ja nur eine Formalität.
„Und wenn ich die Raten nicht aufbringe?“, frage ich und meine gute Laune landet mit den Zwiebelschalen in der Schüssel für den Kompost.
„So arg?“
Ich nicke.
„Wenn du die Rate mal einen Monat nicht aufbringen kannst, zahle ich sie für dich. Zinnloser Kredit. Ich weiß, ich werde das Geld von dir zurückbekommen“, sagt Martina.
„Danke“, sage ich, und weiß, ich werde ihr Angebot nicht annehmen.
Aron rettet mich davor, das Thema weiter auszudiskutieren. „Finn hat mein Autogramm vom Neuer schwarz gemacht!“
Mein Sohn steht hinter ihm.
„Hast du das?“, frage ich ihn. Finn nickt. „Warum?“
„Weil Aron zu mir gesagt hat, ich bin ein blöder Schlappschwanz.“
Martina stöhnt, ich rolle mit den Augen.
„Wie? Schwarz gemacht?“, fragt Martina.
„Er hat es übermalt. Und jetzt sieht man die Schrift nicht mehr.“
„Oh“, sagt Martina. Zu mir sagt sie: „Das Autogramm hat er von ihm persönlich bekommen. Aron ist ein großer Bayern-Fan. Wie sein Vater.“
„Und nun?“, frage ich, irgendwie an alle in diesem Raum gerichtet.
„Finn muss mir ein neues Autogramm besorgen. Aber der Neuer muss es mir selbst geben, sonst zählt es nicht.“
Martina seufzt, ich stöhne.
„Und warum hat der Aron zu dir gesagt, dass du ein blöder Schlappschwanz bist?“, frage ich jetzt Finn.
„Weil ich immer beim Boxen verliere.“
„Ihr boxt?“ Sofort schrillen in mir die Alarmglocken.
„Playstation“, sagt Aron.
Ich atme auf. „Und wieso hast du es nicht verhindert, dass Finn das Autogramm bemalt hat?“
„Weil ich gespielt hab.“
„Allein?“, frage ich.
„Natürlich allein. Mit ihm macht das ja keinen Spaß.“
Martina holt eine Tafel Schokolade aus der Schublade und schickt die Kinder aus der Küche.
„Wir haben ein Problem“, sagt sie.
„Ich habe ein Problem. Weil ich nicht weiß, wie ich den Neuer dazu bringen soll, deinem Sohn persönlich ein Autogramm zu übergeben“, sage ich halb im Scherz, halb im Ernst.
„Du nimmst das nicht wirklich ernst, oder? Du hast ja keine Vorstellung davon, was diese Karte für Aron bedeutet.“
Nein, habe ich nicht. Aber es ist mir auch Schnuppe. Soll er doch froh sein, dass er ständig gegen den kleinen Finn gewinnt. Aber nein, der große Aron muss ihn auch noch beleidigen. Das alles sage ich nicht. Stattdessen sage ich: „Ich kann mich nur für Finn entschuldigen.“
„Das macht es für Aron nicht besser.“
„Was soll ich deiner Meinung nach tun? Eine Schokoladenfabrik ausrauben?“ Das hätte ich nicht sagen sollen, denn Martina dreht sich weg und bastelt weiter an ihren Fleischspießen. Ich schnipple, nein hacke, weiter Salat. Wir schweigen eine gute Stunde und beim Abendessen versuchen wir so zu tun, als hätte das Gespräch in der Küche nie stattgefunden.

Am nächsten Tag wandern wir mit den Kindern zu einer Alm. Finn ist von all den Kühen ganz angetan, obwohl es die bei uns im Norden ja auch gibt. Nur stehen die Kühe hier nicht hinter Zäunen und bimmeln mit ihren schweren Glocken, wenn sie umherziehen. Martina ist in der Almstube, um Buttermilch, Kaffee und belegte Brote zu kaufen. Ich sitze an einem der Tische draußen und lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Die Jungs spielen direkt hinter mir auf der Wiese.
„Hast du Lust auf eine Mutprobe?“, höre ich Aron fragen.
„Mutprobe?“, fragt Finn.
„Das ist eine Aufgabe und wenn man die erfüllt, ist man ein Held.“
„Ja“, sagt Finn.
„Siehst du die Kuh mit den Hörnern und dem Ring in der Nase?“
„Was ist mit der?“
„Geh zu der hin und ziehe ganz kräftig an dem Ring“, sagt Aron.
Entsetzt springe ich auf: „Auf keinen Fall machst du das!“
„Aber, dann bin ich ein richtiger Held“ strahlt Finn.
„Du sollst nicht jeden Mist glauben, den Aron dir erzählt.“ Mein Puls ist auf 180, innerlich sehe ich ein Rindvieh meinen Sohn zertrampeln. Der kleine Psychopath steht mit verschränkten Armen vor mir und grinst.
„Was soll der Scheiß?“, frage ich ihn.
„Schlag mich doch, wenn du dich traust.“
Und genau das tue ich. Ich hole aus und pfeffere ihm eine.
Hinter mir klirrt Geschirr. Martina muss in diesem Moment herausgekommen sein. Sicherlich liegen da jetzt eine Menge Scherben auf dem Boden.
Ich drehe mich nicht um. Ich suche nicht Martinas Blick oder nach Worten, die um Verzeihung bitten. Ich sehe die Alpen, die Wiese, die Kühe mit ihren Glocken, ich höre den Bach plätschern, mein Sohn weicht drei Schritte von mir, Aron brüllt los.

 
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Huhu Frollein,

wollte dir ein ganz schnelles Feedback geben. Das ist eine perfekte kleine Geschichte. Man hasst diesen Aron mit der Ich-Erzählerin. Niemand kommt gut weg in der Geschichte. Martina nicht, die Überlegene, die allles schön redet, die ihrem Sohn niemals eine Grenze setzen würde, die Ich-Erzählerin nicht, die am Ende tatsächlich zuschlägt (perfektes Ende auch!) und selbst Finn nicht, der tatsächlich etwas Weichliches hat. Ein hübsches, kleines Psychospiel hast du da geschaffen!

Lieben Gruß
Andrea :)

Edit: Die Geschichte würd ich allerdings mit "Aron brüllt los" enden lassen. Mit dem "Heimatfilm" am Ende bekommt das Ganze eine ironische, distanzierte Note, die nicht zum Ernsten und Unmittelbaren der übrigen Geschichte passt.

 

Hallo Fliege,

mir gefällt deine Geschichte. Ich wusste nicht, über wen der vier Figuren ich mich am meisten aufregen sollte :)

Nur ein paar Kleinigkeiten:

Ich wollte keine Auszeit aus meinem Leben für einen Schnupperkurs im: So könnte es auch sein - Leben.
Hier würde ich anstatt Doppelpunkt Anführungszeichen setzen.
Ich wollte keine Auszeit aus meinem Leben für einen Schnupperkurs im ‚So könnte es auch sein' – Leben.

Guck, der Watzman da drüben,
Watzmann

Ich weiß nicht, wie ich es deuten soll, ob sie mir glaubt oder ob sie es mir übel nimmt, dass Thema nicht als beendet anzusehen.
das Thema

Allein liege ich im viel zu großen Bett und vermisse ich Finn.
vermisse Finn.

Da tapst es im Flur, die Tür öffnet sich und mein kleiner Sonnenschein steht heulend im Zimmer. Ich knips die Nachttischlampe an und genieße es, wie er zu mir kommt und sich in meine Arme schmiegt.
Wenn mein Kind heulend vor mir steht, wo ich weiß, es ist mit einem kleinen Sadisten zusammen, würde ich mich als erstes fragen, was es hat, anstatt zu genießen, dass es sich gleich in meine Arme schmiegt. :hmm:

„Vor dem, der keine kleinen Kinder isst.“
wieso “keine kleinen Kinder”? ist er nur große oder ist hier ein “keine” versehentlich reingerutscht? :)

Ja, genau das wird Martina sagen, wenn ich ihr von der Müllergeschichte erzähle und genau deshalb, (ICH DENKE, KEIN KOMMA)werde ich ihr davon nichts erzählen.

Du hast ein paar sehr gute Umschreibungen drin. Das sind meine Lieblingsstellen:

warum ich noch nie von fast Dänemark bis fast nach Österreich gefahren bin
Wie viele beschissene Leben es wohl brauchte, sie zu dieser Größe aufzutürmen?
Ich weigere mich, die Augen zu öffnen, den Moment wieder herzugeben und doch springe ich auf, als ich Arons Stimme höre.
Martina mustert mich, als wäre ich ein Schwein und sie muss jetzt entscheiden, ob es fett genug zum Schlachten ist. Ich gebe mir alle Mühe ganz dünn auszusehen.
meine gute Laune landet mit den Zwiebelschalen in der Schüssel für den Kompost.
Martina stöhnt, ich rolle mit den Augen. ... Martina seufzt, ich stöhne.

Sehr schön!

Liebe Grüße,
GoMusic

 
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Liebe Fliege,

die Empfehlung hast du ja schon, von daher brauche ich dir nicht am Ende meines Kommentares schreiben: Weil dieser ganze Text so ..., werde ich ... :D
Nun weiß ich aber nicht, ob das für die Challenge kontraproduktiv ist. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich das nicht auf dem Schirm hatte, als ich sie empfohlen habe. Nun ja, aber bisher hat ja noch keiner gesagt, dass man Texte nicht empfehlen darf, wenn sie in einer Challenge sind. :shy:

Mich faszinieren immer wieder die kleinen Detailsachen, die du so passend einbaust. Entweder hast du deine Fühler immer auf Beobachtung stehen und nimmst viel aus dem Alltagsleben mit, oder du hast sehr gute Erinnerungen an (vielleicht autobiografische) Erlebnisse. Vielleicht sprudelt dein Hirn aber auch nur die Ideen so raus, letztendlich ist das ja egal, Hauptsache, es kommen dann so Fliege-Geschichten raus.

Ein paar Anmerkungen kann ich mir aber nicht verkneifen:

Schön hat es Martina hier, denke ich und inhaliere alles, was ich fassen kann.
Also das ist ja bildsprachlich gemeint - für mich funktioniert das aber nicht so besonders. Inhalieren hat was mit Luft oder Gasen zu tun, fassen ist anfassen. Meintest du vielleicht eher erfassen? Aber auch dann würde mir ein "auf mich wirken lassen" oder "lasse ich auf mich einströmen" besser wie dieses inhalieren taugen.

und das Kuhglockengebimmel von weiter weg
eleganter wäre: das entfernte Kuhglockengebimmel (btw: woher weiß die Prota dann, dass es Kühe sind?)

Familie, Haus, Garten, Pool. Einer der Gründe, warum ich noch nie von fast Dänemark bis fast nach Österreich gefahren bin. Ich wollte keine Auszeit aus meinem Leben für einen Schnupperkurs im 'So könnte es auch sein' - Leben.

Mist, in der Empfehlung schreibe ich von zwei alleinerziehenden Frauen ... aber so hat es, außer dieser eine Satz, den ich wohl verdrängt habe, auf mich gewirkt. Es gibt ja keine Männer im Text, außer den Rabauken.

, ein Regenwurm hat sich ein Bein gebrochen,
:D

Sie öffnet eine Flasche Merlot, stellt Käse, Obst und Brot auf den Tisch.
Du wirst denken, ich hätte einen Knall, aber für mich gehört nach dem Käse erst das Brot.


Ich nehme meinen Sohn in den Arm und öffne das Halsband.
entweder - oder


„Das wollt ich nicht“, stammle ich schließlich irgendwie zurecht.
Ist das Absicht, diese Antwort? Also die Zweideutigkeit, die daraus entsteht?


Ich gebe mir alle Mühe ganz dünn auszusehen.
Mühe, ganz


„Schon gut. Mama ist jetzt da. Niemand wird dich schlagen, hörst du FRAGEZEICHEN. Ich verspreche es dir.“
Die Kinder schlafen heute Nacht im Baumhaus, wir sehen das Licht der Taschenlampen wild durch die Luft tanzen.
Wie muss ich mir das vorstellen, wenn sie im Baumhaus sind?


Die Übernachtung im Baumhaus war die beste Idee, die ich hatte. Von der Terrasse aus habe ich die beiden im Blick. Finn und Aron. Vor allem Aron.
Also will Lena die ganze Nacht auf das Baumhaus starren? Und ich hätte eher Angst als Mutter, dass Aaron Finn aus dem Baumhaus hinauswirft und der runterfällt :D.
Am Abend fühle ich mich wirklich schon viel besser, als bei meiner Ankunft.
Komma weg

„Vor dem, der kleinen Kinder isst.“

der die kleinen
Martina holt eine Tafel Schokolade aus der Schublade
Ist Aaron eigentlich ein Moppelchen, wenn Martina immer mit Schokolade reagiert? ;)
. Nur stehen die Kühe hier nicht hinter Zäunen und bimmeln mit ihren schweren Glocken, wenn sie umherziehen.
vielleicht weiden statt umherziehen?


Ich sitze an einem der Tische draußen und lass mir die Sonne ins Gesicht scheinen.
lass' oder lasse
„Hast du Lust auf eine Mutprobe“, fragt Aron.
Fragezeichen und Aaron mit zwei a


„Geh zu der hin und zieh ganz kräftig an dem Ring“, sagt Aron.
Aaron


„Du sollst nicht jeden Mist glauben, den Aron dir erzählt.“


Und genau das tue ich. Ich hole aus und pfeffer ihm eine.
pfeffere oder pfeffer'

Hinter mir fällt Geschirr zu Boden. Martina muss in diesem Moment herausgekommen sein. Sicherlich liegen da jetzt eine Menge Scherben auf dem Boden.
Zweimal Boden muss nicht sein. ... eine Menge Scherben herum ... ginge doch auch.


Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Fliege!

"Spannung" würde glatt auch noch passen. Am Ende ist man froh, dass alle noch leben. Auf jeden Fall stirbt eine Freundschaft. Dir gelingt es wirklich gut, zu Beginn die Idylle zu beschreiben, nur um sie dann kippen zu lassen.

„Setz dich und friss Gras! Wenn du es nicht frisst, gibt es drei Stockhiebe!“

Puh, von 0 auf 100! Toll gemacht.

Und du packst ein heikles Thema an. Machtgebaren, Grausamkeit unter Kindern und wie man als Erwachsene damit umgeht.

„Aron hat nicht viele Freunde“, sagt Martina. „Ich glaube, es liegt irgendwie daran, dass er seinem Alter einfach voraus ist.“
„Voraus?“, frage ich.
„Na ja. Er ist seinen Spielgefährten einfach überlegen. Cleverer als sie, also nicht unbedingt intelligenter, weiß Gott nicht, aber irgendwie, ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll, soziale Intelligenz trifft es vielleicht.“

„Lass uns über dich reden. Du bist ja zum Entspannen hier, nicht um für mich die Psychotante zu spielen.

Diese Dialoge verankern den Text ganz klar in der heutigen Zeit. Bei der "sozialen Intelligenz", die dazu führt, dass er keine Freunde hat, zuckt man schon.

Ich war auch von zwei alleinerziehenden Müttern ausgegangen, vielleicht wäre noch ein weiterer Satz über Aarons Vater ganz gut.

„Oh“, sagt Martina. Zu mir sagt sie: „Das Autogramm hat er von ihm selbst bekommen. Aron ist ein großer Bayern Fan. Wie sein Vater.“

Das hatte ich schon auf einen getrennt lebenden Vater bezogen.

Aaron selbst ist für mich hart an der Grenze einer noch realistischen Figur. Er ist schon sehr taktisch in seiner Boshaftigkeit, kaum emotional, selbst, als Finn sein Autogramm übermalt.

„Finn hat mein Autogramm vom Neuer schwarz gemacht“, sagt er.
Mein Sohn steht hinter ihm.
„Hast du das?“, frage ich ihn. Finn nickt. „Warum?“
„Weil Aron zu mir gesagt hat, ich bin dumm und ein Schlappschwanz.“
Martina stöhnt, ich rolle mit den Augen.
„Wie? Schwarz gemacht?“, fragt Martina.
„Er hat es übermalt. Und jetzt sieht man die Schrift nicht mehr.“

Da hätte ich bei Aaron erheblich mehr Wut und Verzweiflung erwartet, womöglich auch so, dass man die Beiden nicht so einfach hätte zusammen aus dem Zimmer schicken können. Und das hätte mir Aaron auch vorübergehend menschlicher und sympathischer gemacht. So ist er eigentlich durchgehend so ein kleiner eiskalter Psychopath. Du beschreibst, dass sich auch die Frauen an Situationen erinnern, wo sie grausam und gefühllos waren, was ich gut finde. Aber bei ihnen gibt es eben noch andere Seiten.

Wie sich in die Freundschaft der Frauen Zweifel, Ärger und Mißtrauen einschleichen, das hast du toll aufgebaut. Und auch, wie sich das Kinderthema mit den eigenen Themen mischt.

„Ach?“ Martina legt den Kopf schief und guckt mich skeptisch an. „Wieso musste ich dann so viele Worte aufbringen, dass es durchaus eine gute Idee ist, wenn Karin für dich die Pension eine Woche übernimmt?“
„Es ist Karins Urlaub, den sie da für mich opfert“, sage ich. „Sie braucht ihn doch auch, bei ihrem Job.“
„Sie selbst hat es angeboten. Für sie ist es in Ordnung. Verstehst du? Das Problem hat nicht Karin, sondern du.“

Den fettgedruckten Satz finde ich etwas umständlich. Vielleicht zwei Sätze draus machen?

Wie deine Protagonistin am Ende so unter Druck gerät, dass sie die Kontrolle verliert, wie selbst ihr kleiner Sohn vor ihr zurück weicht, auch dass natürlich in diesem Moment die Freundin hinter ihr erscheint, sich ihr Mißtrauen, das sie wahrscheinlich nie ganz verloren hatte, bestätigt, das ist wirklich ein super Ende.

Ich finde, dass deine Geschichte die Empfehlung absolut verdient hat.

Liebe Grüße von Chutney

 

Wow, Fliege,

das ist eine richtig gut erzählte Geschichte. Großartig, wie du aus dem ganz alltäglichen Wahnsinn so viel Spannung aufkommen lässt. Du bauschst da nichts auf, alles kommt auf "weichen Pfötchen" daher und steuert Schritt für Schritt auf die Katastrophe zu. Eigentlich ganz "unaufgeregt" und dadurch so glaubhaft und echt.

Der Autor in mir hat sich so ab der Hälfte gefragt, wie du das wohl auflösen wirst. Dass finde ich am schwierigsten, wenn man so dicht an der Realität schreibt - einen Abschluss mit "Knall" zu finden, ohne, dass der künstlich wirkt.
Die Explosion Martinas ist nur logisch und fügt sich wunderbar in das Drama ein und bildet einen sehr gelungenen Abschluss. Alles weitere spielt sich in den Köpfen des Lesers ab und ist nicht mehr nötig auszuerzählen.

Tjoa, ich bin so begeistert, dass ich nicht groß konstruktiv sein kann. Allerdings schließe ich mich bernadette an, am Einstiegssatz habe ich mich auch aufgehangen.

Grüßlichst
Weltenläufer

 

Lieben Dank an alle, für Eure Zeit und die Kommentare! Hat mich ja ein bisschen umgehauen gestern, hab ich so nicht erwartet. Im so schöner war es :gelb:.

Hey Andy,

wollte dir ein ganz schnelles Feedback geben.

Schnell ist ja gar kein Ausdruck. Ich dachte, ich guck nicht richtig, so schnell war das. Und auf jeden Fall Danke dafür. Ich war mir nämlich nicht unbedingt sicher, ob das für den Leser aufgeht, oder ob ich ihn einfach nur mit so Mutter-Kind-Zeugs langweile. War eine ziemliche Befreiung deine schnelle Rückmeldung.

Ein hübsches, kleines Psychospiel hast du da geschaffen!

Ich konnte ja nur hoffen und hätte ja auch gut daneben gehen können. Ach, was bin ich froh. Ich habe die Geschichte in den letzten zwei Jahren drei Mal angefangen und es wieder gelassen und sie dann ins Exil geschickt. Und als ich über das Thema des Monats nachdachte (Ich habe mir die Titel in einem Wondratschek Gedichtband angeguckt und einen rausgesucht, der nach Konflikt schreit), da kam sie einfach zurück aus ihrem Exil, ganz ohne Erlaubnis. Und da dachte ich, eine Chance geb ich ihr noch und dann schrieb sie sich zu meinem Erstaunen ziemlich fix runter.

Letzter Satz war ganz schnell weg. Hätte ich fast selber drauf kommen können. Aber gut, bin ich eben nicht.


Hallo GoMusic,

Ich wusste nicht, über wen der vier Figuren ich mich am meisten aufregen sollte :)

Gut so!

Nur ein paar Kleinigkeiten:

Das ist so furchtbar an mir. Wenn ich die Geschichte fertig hab, dann werde ich furchtbar ungeduldig und dann kommen so Sachen, wo man sich echt schämt. Andere dagegen, da bin ich einfach nur dankbar, weil ich die nie und nimmer aus Unkenntnis. Jedenfalls bin ich sehr dankbar für Listen.

Wenn mein Kind heulend vor mir steht, wo ich weiß, es ist mit einem kleinen Sadisten zusammen, würde ich mich als erstes fragen, was es hat, anstatt zu genießen, dass es sich gleich in meine Arme schmiegt.

Es steht ja mit Kopf, Armen und Beinen da. Und vielleicht ist sie auch einfach froh, es in ihrer Nähe zu wissen und nicht mehr in der Nähe von Aron. Und perfekt ist sie ja nun auch nicht. Für mich geht das so in Ordnung. Das bleibt.

Du hast ein paar sehr gute Umschreibungen drin. Das sind meine Lieblingsstellen:

So Listen hab ich auch gern. Danke dafür.


Liebe bernadette,

Nun weiß ich aber nicht, ob das für die Challenge kontraproduktiv ist. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich das nicht auf dem Schirm hatte, als ich sie empfohlen habe.

Also, bei der Jugendchallange, hatte ich auch eine Empfehlung, aber trotzdem nicht den Hauch einer Chance. Außerdem glaube ich, dass die Thematik nicht jedermanns Sache ist. Und wo wir jetzt alle für den Herzchenbutton sensibilisiert sind, wer weiß, wie viele da noch nachkommen.

Entweder hast du deine Fühler immer auf Beobachtung stehen und nimmst viel aus dem Alltagsleben mit, oder du hast sehr gute Erinnerungen an (vielleicht autobiografische) Erlebnisse. Vielleicht sprudelt dein Hirn aber auch nur die Ideen so raus, ...

Ich glaub, von allem etwas. An dieser Geschichte ist autobiographisch der Pool vor dem Watzmann :). Der Rest kommt von irgendwo her.

Ein paar Anmerkungen kann ich mir aber nicht verkneifen:

Schon klar.

Also das ist ja bildsprachlich gemeint - für mich funktioniert das aber nicht so besonders. Inhalieren hat was mit Luft oder Gasen zu tun, fassen ist anfassen.

weltenläufer sagt das ja auch. Wenn ich irgendwo stehe, dann habe ich aber genau das. Ich will das alles ganz tief in mich aufsaugen, die ganze Atmosphäre, das Gefühl in diesem Moment und dadurch stehe ich dann da und atme ganz tief und bewusst, was dann was von inhalieren hat. Aber wenn die Leser da nicht folgen, ist natürlich Mist. Und so wichtig ist das Wort jetzt auch nicht.

Mist, in der Empfehlung schreibe ich von zwei alleinerziehenden Frauen ... aber so hat es, außer dieser eine Satz, den ich wohl verdrängt habe, auf mich gewirkt. Es gibt ja keine Männer im Text, außer den Rabauken.

Darüber hab ich mir im Vorfeld auch schon Gedanken gemacht. Du erwähnst den Mann nur ein einziges mal und prompt kommt die Quittung von Dir. Hatte mich aber dagegen entschieden, den Mann noch mal auftreten zu lassen, weil er auch als Supernebenfigur die ganze Sache ja nicht teilnahmslos hinnehmen kann. Auch eine Nichtreaktion wäre am Ende eine Reaktion, die der Leser wertet. Und da war mir am Ende dann egal, ob der Leser den Mann eventuell überliest. Alleinerziehend könnte auch Martina gut sein, also, am Ende ist es für den Verlauf der Geschichte völlig egal, ob da nun ein Mann ist oder nicht.

Du wirst denken, ich hätte einen Knall, aber für mich gehört nach dem Käse erst das Brot.

Echt? Wenn Du die vier Sachen auf den Tisch stellst, dann achtest Du dabei auf eine Reihenfolge?

entweder - oder

In den einen Arm nehme ich ihn, mit der anderen Hand öffne ich das Halsband. Demnach - und.

Ist das Absicht, diese Antwort? Also die Zweideutigkeit, die daraus entsteht?

Ja.

Wie muss ich mir das vorstellen, wenn sie im Baumhaus sind?

Fenster im Baumhaus?

Also will Lena die ganze Nacht auf das Baumhaus starren? Und ich hätte eher Angst als Mutter, dass Aaron Finn aus dem Baumhaus hinauswirft und der runterfällt.

Das ist sehr vorausschauend gedacht. Lena ist da eher nicht so wie du ;).

Ist Aaron eigentlich ein Moppelchen, wenn Martina immer mit Schokolade reagiert? ;)

Groß und kräftig für sein Alter ist er jedenfalls.

Aaron mit zwei a

Geht auch. Meiner heißt aber Aron - da liegt die Betonung dann mehr auf dem o und ich habe einen Hang zu Protagonistennamen mit vier Buchstaben.

Den Rest werde ich gleich einarbeiten. Vielen Dank auch für deine Liste und schon wieder geh ich mich schämen. Ich muss mich echt mehr in Geduld üben, was das Einstellen betrifft. Da stehe ich mir echt selbst im Weg rum. Aber ist auch so schön, das Einstellen jetzt.


Hallo Chutney,

"Spannung" würde glatt auch noch passen. Am Ende ist man froh, dass alle noch leben. Auf jeden Fall stirbt eine Freundschaft. Dir gelingt es wirklich gut, zu Beginn die Idylle zu beschreiben, nur um sie dann kippen zu lassen.

*freu* Also, alles irgendwie. Und vor allem das mit dem Spannungstag. War ja so meine Sorge wie ich bereits anmerkte.

Puh, von 0 auf 100! Toll gemacht.

Es funktioniert, Yeah!

Und du packst ein heikles Thema an. Machtgebaren, Grausamkeit unter Kindern und wie man als Erwachsene damit umgeht.

Schönes Thema aber auch. Jedenfalls finde ich es sau spannend.

Bei der "sozialen Intelligenz", die dazu führt, dass er keine Freunde hat, zuckt man schon.

Da habe ich noch eine Frage zu, nimmt dieser Satz zu zu viel voraus?

Ich war auch von zwei alleinerziehenden Müttern ausgegangen, vielleicht wäre noch ein weiterer Satz über Aarons Vater ganz gut.

Ich verweise mal auf meine Antwort an bernadette. Aber wenn es da zu noch mehr verwirrten Lesern kommt, werde ich mir Gedanken drüber machen müssen.

Aaron selbst ist für mich hart an der Grenze einer noch realistischen Figur. Er ist schon sehr taktisch in seiner Boshaftigkeit, kaum emotional, selbst, als Finn sein Autogramm übermalt.

Ja.

Da hätte ich bei Aaron erheblich mehr Wut und Verzweiflung erwartet, womöglich auch so, dass man die Beiden nicht so einfach hätte zusammen aus dem Zimmer schicken können. Und das hätte mir Aaron auch vorübergehend menschlicher und sympathischer gemacht. So ist er eigentlich durchgehend so ein kleiner eiskalter Psychopath.

Darüber habe ich bei der Szene ganz ehrlich auch beim Schreiben drüber nachgedacht. Das Ergebnis wäre gewesen, weil er der größere und ältere ist und eh irgendwie brutal, hätte er ihn wahrscheinlich vermöbelt und Finn wäre wieder in der Opferrolle. Da habe ich mich dagegen entschieden und ihn einseitig als kalt und v.a. berechnend gelassen. Das ist der Grund.

Wie sich in die Freundschaft der Frauen Zweifel, Ärger und Mißtrauen einschleichen, das hast du toll aufgebaut.

Danke.

Wie deine Protagonistin am Ende so unter Druck gerät, dass sie die Kontrolle verliert, wie selbst ihr kleiner Sohn vor ihr zurück weicht, auch dass natürlich in diesem Moment die Freundin hinter ihr erscheint, sich ihr Mißtrauen, das sie wahrscheinlich nie ganz verloren hatte, bestätigt, das ist wirklich ein super Ende.

Schön, dass das nicht so überlesen wird, wie der nichtvorhandene Vater. Das ist mir nämlich wichtig und auch so ein Sorgenkind von mir gewesen.

Danke auch für die stilistische Anmerkung. Mach mich gleich ran.


Hey weltenläufer,

Großartig, wie du aus dem ganz alltäglichen Wahnsinn so viel Spannung aufkommen lässt. Du bauschst da nichts auf, alles kommt auf "weichen Pfötchen" daher und steuert Schritt für Schritt auf die Katastrophe zu. Eigentlich ganz "unaufgeregt" und dadurch so glaubhaft und echt.

So was freut mich ja immer ganz besonders. Weil, so will ich ja schreiben. Das ist ja irgendwie mein Ding. Und wenn es funktioniert, um so besser.

Der Autor in mir hat sich so ab der Hälfte gefragt, wie du das wohl auflösen wirst. Dass finde ich am schwierigsten, wenn man so dicht an der Realität schreibt - einen Abschluss mit "Knall" zu finden, ohne, dass der künstlich wirkt.

Ja, wahrscheinlich hätte ich mich das auch gefragt, wenn ich die Geschichte nicht selbst geschrieben hätte. Ich habe ja den Vorteil, dass ich sozusagen auf das Ende hin zugeschrieben hab. Ich hatte nur diese Ohrfeige im Kopf und mich gefragt, wie kriege ich den Leser dazu, den Weg mit mir zu gehen? Mein Problem war also nicht das Ende, sondern alles davor.

Tjoa, ich bin so begeistert, dass ich nicht groß konstruktiv sein kann.

Gut so! :)

Allerdings schließe ich mich bernadette an, am Einstiegssatz habe ich mich auch aufgehangen.

Okay, okay.

Lieben vielen Dank an Euch. Jetzt arbeite ich noch die Sachen ein und dann allen einen wunderbaren, (arschkalten) Sonntag. Hier ist jedenfalls kalt.

Fliege

 

Hallo Fliege

Erstmal vorweg: Ganz großes Lob für die Geschichte. Ich hatte sehr viel Spaß beim Lesen, irgendwie hast du damit auch einen Nerv bei mir getroffen, weil ich das Thema interessant finde - wie setzen Eltern ihren Kindern Grenzen bzw. wie wirkt es sich aus, wenn sie eben keine gesetzt bekommen? Welche Konflikte ergeben sich daraus für das Umfeld der Eltern, vor allem auch mit ihren Bekannten, wenn sich die Kinder dann daneben benehmen? Zu wem halten die Eltern (meist natürlich zu ihren Kindern - aber wie entwickelt sich das, wenn Freundschaften daran zu zerbrechen drohen)?

Sprachlich habe ich nichts daran auszusetzen. Das ist 1A-flüssig geschrieben. Da ist praktisch kein Satz zu viel, keiner zu wenig. In der Qualität habe ich lange keine Geschichte gelesen, muss ich sagen. Auch die Figuren nehme ich dir ab. Du hast ihnen etwas Individuelles gegeben, ohne viele Worte dafür zu gebrauchen, sie sind über weite Strecken authentisch und glaubhaft. Auch die Konflikte sind gut dosiert, es ist eine Spannungskurve erkennbar, die sich steigert und am Ende ihren Höhepunkt erreicht. Die Beziehung zwischen Lena und Martina ist zu Beginn herzlich, gefriert dann aber immer mehr. Das ist sehr schön herausgearbeitet.

Die Empfehlung hat der Text in meinen Augen völlig zu recht bekommen.

Trotzdem gab es auch ein paar Punkte, die mir nicht so gut gefallen haben.

Die Kinder schlafen heute Nacht im Baumhaus, wir sehen das Licht der Taschenlampen wild durch die Luft tanzen.

Da wundere ich mich schon über Lena, dass sie ihren Sohn mit Aron allein im Baumhaus übernachten lässt. Abends mag sie ihn ja noch sehen, aber irgendwann gehen auch die Frauen ins Bett, dann sind die Kinder auf sich allein gestellt. Und sie weiß zu dem Zeitpunkt ja schon, dass mit Aron was nicht stimmt - zum einen durch die Erzählung von Martina, er habe keine Freunde, dann natürlich durch die Szene, die sie mitbekommen hat. Nicht nur, dass Aron auf sadistische und möglicherweise gefährliche Spiele steht, sie hat auch noch mitbekommen, was er für ein hinterlistiger, intriganter kleiner Drecksack (sorry) ist. Schließlich hat er behauptet, Lena wollte ihn schlagen, was ja nicht stimmte. Also das nehme ich ihr an der Stelle nicht ab, dass sie Finn mit ihm im Baumhaus schlafen lässt. Abends dort spielen - meinetwegen. Aber übernachten? Nein.

Dann kommen wir zum Höhepunkt und Ende der Geschichte:

„Schlag mich doch, wenn du dich traust.“
Und genau das tue ich. Ich hole aus und pfeffer ihm eine.

Also ich weiß nicht - ich bin da zwiegespalten. Ja, Aron ist mies. Vielleicht auch gefährlich. Er ist nervig, er ist kalt, er ist intrigant - aber reicht das schon aus, ihn zu schlagen? Die Hürden bei einer Mutter, ein fremdes Kind zu schlagen, sind doch enorm hoch (auch beim Eigenen natürlich, aber bei Fremden vielleicht noch mehr). Da muss sehr vieles zusammenkommen, vielleicht muss das eigene Kind wirklich in akuter Gefahr sein. Diese akute Gefahr sehe ich in der Szene nicht, da Lena ja das komplette Gespräch der Kinder mitbekommt. Ihr muss doch klar sein, dass sie in jeder Hinsicht verliert, wenn sie Aron schlägt. Ganz egal, ob Martina das jetzt sieht oder nicht. Ich denke, da müsste sie sich so weit unter Kontrolle haben. Vielleicht wäre es was anderes, wenn Finn schon auf dem Weg zum Stier ist oder so - aber so wie es beschrieben ist finde ich die Reaktion sehr überzogen. Was natürlich noch hinzukommt (und ich auch nicht vergessen habe), dass Lena selbst emotional sehr unter Stress steht, mit ihrer ganzen Situation, den finanziellen Sorgen usw.. Das mag das Ganze noch begünstigen.

Also - ich tu mich ein bisschen schwer mit der abschließenden Ohrfeige, auch wenn es natürlich, das muss man auch sagen, ein grandioser Schluss ist. Aber da du die Geschichte ja auch als Thema des Monats eingestellt hast - diesen "letzten Ausweg", den sehe ich bei der Ohrfeige nicht. Sie hätte zum Beispiel auch die Möglichkeit, Martina noch mal explizit auf Arons Verhalten anzusprechen. Denn bis auf die Sache mit dem übermalten Autogramm gab es keine echte Diskussion der beiden Frauen über Arons Verhalten und die Probleme, die Lena damit hat. Beim ersten Gespräch schwenkt das Thema sehr schnell zu Karin, und von der Gruselgeschichte erzählt ihr Lena ja gar nichts mehr.

Den Titel mag ich auch nicht so gern. Wäre die Geschichte nicht von dir, hätte mich der Titel jetzt nicht dazu gebracht, sie zu lesen.

Dann noch zwei kleine Sachen zum Text:

„Vor dem, der kleinen Kinder isst.“

kleine

(Übrigens: Die Idee mit dem Müller ist toll!)

Und er hat Glasaugen, womit er ganz gut gucken kann.

Bis auf diesen Satz hast du Finns Sprache gut eingefangen. Aber ich glaube nicht, dass ein Fünfjähriger das Wort "womit" gebraucht, vielleicht eher "mit dem".

So Fliege - ich hatte an zwei Stellen bisschen Probleme mit der Glaubwürdigkeit der Figuren - wobei das schon zu hart klingt. Sagen wir so, ich habe mich an den Stellen gefragt, würden sie wirklich so reagieren? Es ist natürlich nicht abwegig, aber ich denke, man könnte die Motivation noch etwas feiner herausarbeiten.

Sonst ist das aber ein in jeder Hinsicht überdurchschnittlicher Text, sehr gelungen und eine hohe Vorgabe für jeden, der zum Thema des Monats noch etwas einreichen wird. Großes Kompliment!

Grüsse
Schwups

 
Zuletzt bearbeitet:

„Sie wollte mich schlagen“, heult jetzt Aron und zeigt mit dem Finger auf mich.

Ja, Fliege, ab dieser Szene ahnt man als Leser schon, dass es vermutlich kein heiles Rauskommen aus der Geschichte geben wird, zumindest nicht für alle. Aus einer Alltagsflucht, einer beschaulichen Urlaubsidylle wird unversehens ein Psychodrama, das für die beiden Frauen wohl das Ende ihrer Freundschaft bedeuten wird.
Ja, ist eine traurige Geschichte. Aber vollkommen glaubwürdig und nachvollziehbar von dir erzählt.

Für mein Gefühl dürfte über der Story durchaus auch das Stichwort Gesellschaft stehen.
Auch wenn es nur ein paar alltägliche Szenen sind, geht es allemal um Themen von gesellschaftlicher Relevanz: Die Überforderung alleinerziehender, berufstätiger Mütter (bzw. Elternteile), das ewige Dilemma um das rechte Maß an Erziehung, das man den Kindern angedeihen lassen soll, der meist viel zu unkritische Blick auf die eigenen Kinder, der vermutlich aus einem falsch verstandenen Beschützerinstinkt heraus entsteht. Einem Beschützerinstinkt überdies, der, weil evolutionsbiologisch determiniert, sich nicht rational überwinden lässt. Und daraus resultiert dann natürlich auch dieser lächerlich eitle Konkurrenzkampf unter Eltern, der sie die ganz augenscheinlichen Schwächen des eigenen Kindes in etwas Besonderes umdeuten, oder sie schlich mit euphemistischen Begriffen umschreiben lässt. („Mein Sohn ist kein verzogener, egoistischer Fratz, er ist seinen Spielgefährten einfach überlegen. Cleverer als sie.“ „Mein Sohn ist kein Hooligan, er ist nur ein erlebnisorientierter Fußballfan.“ usw.)
Nein, als wirkliche Sympathieträger taugen die Figuren dieser Geschichte nicht. Am ehesten noch der kleine Finn, aber was soll man einem gerade mal fünfjährigen Hosenscheißer auch schon groß vorwerfen?
Ja, bei der Geschichte kann man schon ins Nachdenken kommen. Ins Nachdenken darüber, was für eine unheimliche Komplexität das menschliche Zusammenleben auf allen Ebenen hat, ob jetzt auf der scheinbar spielerischen Ebene von Kindern, oder auf der Ebene der Eltern-Kind Beziehung, bzw. auf allen nur denkbaren Varianten dazwischen. Und wenn es noch so viele Theorien zum menschlichen Sozialverhalten gibt, keine wird allgemeingültig auf jedes einzelne Individuum angewendet werden können.
Oder anders gesagt: Es gibt keinen Grund, nicht verrückt zu werden.
Was wird aus Lena? Was aus dem armen Finn, den Lena mit ihrer Mutterliebe schier erdrückt? Was wird aus dem empathielosen Aron, diesem Musterbeispiel des furchtbaren Kindes, das außer den Eltern niemand gernhaben kann?
Vor allem in Hinblick auf das Thema „Letzte Ausfahrt“ bin ich nicht sehr optimistisch, was den weiteren Lebensweg der Figuren betrifft. (Oder wie Bernd das Brot schon sagte: „Alles ist wie immer, nur schlimmer.“)

Wirklich nur ein paar Kleinigkeiten sind mir aufgefallen:

„Sie wollte mich schlagen“, heult jetzt Aron und zeigt mit dem Finger auf mich.
Mir bleiben vor Entsetzen alle Worte weg, und weil ich sprachlos bin, wedle ich wie bekloppt mit den Händen.
„Das wollt ich nicht“, stammle ich schließlich irgendwie zurecht.

Mit diesem Redebegleitsatz kann ich nicht viel anfangen. Was bedeutet irgendwie zurecht? Zurecht (zusammengeschrieben) kann sich ja nur auf das Verb beziehen, im Sinne von: irgendwie zurechtstammeln.
Aber das klingt einfach nur … äh, na ja, nach einem sehr eigenartigen Verb halt. (Ich kenne z.B. zurechtkommen. zurechtmachen, zurechtrücken. Aber: zurechtstammeln? Hm.)
Wenn da nur stünde:
"Das wollt ich nicht“, stammle ich (schließlich).
wäre das vollkommen ausreichend, obendrein eindeutiger. Das Wort stammeln drückt doch auch ohne weitere Ausschmückung Lenas momentane Verfassung aus, noch dazu, wo sie in der Zeile darüber sowieso explizit beschrieben ist. („Mir bleiben vor Entsetzen alle Worte weg, und weil ich sprachlos bin …“)

Dieses Entsetzen nehm ich Lena auch vollkommen ab, ich mein, eine blödere, peinlichere Situation kann man sich (als Freundin und Mutter) ja kaum vorstellen.
Aber weil ich eben dieses Entsetzen, die Scham von Lena so spüren kann, passt mir das überhaupt nicht dazu:

Martina mustert mich, als wäre ich ein Schwein und sie muss jetzt entscheiden, ob es fett genug zum Schlachten ist. Ich gebe mir alle Mühe ganz dünn auszusehen.

Natürlich sind das hübsche, originelle Formulierungen, die beim Lesen automatisch ein Grinsen auslösen. (Wäre das eine amerikanische Soap-Opera, würde an dieser Stelle vermutlich das Lachen eines imaginären Publikums eingespielt werden.) Allerdings passen sie für mein Gefühl einfach nicht hierher. Der selbstironische, witzig sein wollende Sprachduktus der Erzählerin zerstört für mich die Ernsthaftigkeit und Dramatik dieser Szene. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Lena in so einer Situation derart humorvolle Gedanken durch den Kopf gehen.
Mir wäre es lieber, du würdest hier auf die bildhafte Umschreibung verzichten (auch wenn die Stelle vermutlich ein Darling von dir ist), und dich stattdessen einer etwas nüchternen Sprache bedienen. Wäre für mich einfach glaubwürdiger.

Ich konnte nur hoffen, die Zwei [zwei] würden sich vertragen

Am Abend schlug mein Vater mir rechts und links eine runter. Es war das erste und einzige Mal, dass er mich schlug.
Hier stört mich weniger die Wortwiederholung, sondern der Ausdruck „eine runterschlagen“, den ich einfach nicht kenne. Bei uns in Ö sagen wir ausschließlich: „eine runterhauen“.

Ich schwenk den Blick
Ich wollt' Karin

usw.


Dieses quasi Verschlucken des letzten Buchstabens eines Verbs kommt öfter vor. Das würde ich aber der wörtlichen Rede vorbehalten, vor allem auch, weil ich kein nachvollziehbares Muster erkenne, wann du es verwendest und wann nicht. Ich wollt‘ Karin z.B. liest sich für mein Gefühl holpriger als Ich wollte Karin
Und wenn du es schon als „Stilmittel“ verwendest, solltest du dich zumindest einer durchgängigen Schreibweise bedienen. Also entweder immer mit Apostroph oder immer ohne.

nimm eine Scheiß Hypothek für die Dachreparatur auf.
entweder: eine scheiß Hypothek
oder: eine Scheißhypothek

Und das ist jetzt sehr pjngelig, aber:

Ich sitze an einem der Tische draußen und lass mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Die Jungs sitzen hinter mir auf der Wiese.

Irgendwie sehe ich Aron und Finn da nicht unmittelbar hinter Lena, sondern, na ja, irgendwo auf der Wiese halt, und bin etwas irritiert, als ich dann plötzlich einen mehrzeiligen Dialog zwischen ihnen lese, beinahe als wäre das jetzt eine andere Erzählperspektive.
Vielleicht könntest du da noch irgendwie erwähnen, dass die Jungs ganz in der Nähe sind und Lena ihr Gespräch mithören kann.

Eventuell so:

Ich sitze an einem der Tische draußen und lass mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Die Jungs sitzen hinter mir auf der Wiese
„Hast du Lust auf eine Mutprobe“, höre ich Aron fragen.
„Mutprobe?“, fragt Finn

usw.

Hat mir sehr gut gefallen, Fliege. (Vor allem, wie sehr du deine Figuren hast leiden lassen. :D)

offshore

 
Zuletzt bearbeitet:

offshore schrieb:
Mit diesem Redebegleitsatz kann ich nicht viel anfangen. Was bedeutet irgendwie zurecht? Zurecht (zusammengeschrieben) kann sich ja nur auf das Verb beziehen, im Sinne von: irgendwie zurechtstammeln.

Ich habe das anders gelesen im Sinne von: zu Recht kann ich sagen, dass ich das nicht wollte.

Aber ich gebe offshore insofern recht, dass ich auch über die Stelle gestolpert bin und anfangs nicht genau wusste, wie das gemeint sein sollte.

edit:
ach, was ich jetzt wieder vergaß zu sagen: Der Titel ist auch nicht so meins, zudem müsste da aus meinem Gefühl heraus ein Bindestrich dazwischen.

 

Hallo Fliege,

ich bin geplättet. Das Wort "Heimatfilm" im Titel hat mich nicht gerade angelockt, aber um beim Thema des Monats mit abstimmen zu können, will ich auch alle Beiträge dazu lesen. Und dann so was!

Ich erspare Dir eine weitere Paraphrasierung der Lobeshymnen, die Du schon bekommen hast, und sage einfach: dito! Ich schätze, alle Eltern (nicht nur Mütter), die über ihre Rolle öfter mal nachdenken, können sich in dieses Geschehen hervorragend hineindenken.

Auch die kleinen Kritikpunkte, die ich hätte, wurden alle schon genannt - bis auf einen:

„Aron hat nicht viele Freunde“, sagt Martina. „Ich glaube, es liegt irgendwie daran, dass er seinem Alter einfach voraus ist.“
„Voraus?“, frage ich.
„Na ja. Er ist seinen Spielgefährten einfach überlegen. Cleverer als sie, also nicht unbedingt intelligenter, weiß Gott nicht, aber irgendwie, ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll, soziale Intelligenz trifft es vielleicht.“
„Das ist sicher auch hart für dich“, sage ich. Für mich wäre es jedenfalls furchtbar, wenn Finn niemanden zum Spielen fände.
„Mir tut es einfach für Aron leid. Er kann doch nichts dafür.“
„Nein“, sage ich und sehe Aron vor mir, der groß und kräftig für sein Alter ist. Vielleicht gibt er sich ja tatsächlich mit einem Fünfjährigen ab, weil er ein ausgeprägtes Sozialverhalten hat. Aber warum meiden ihn Kinder seines Alters dann? So ganz kann ich mir keinen Reim drauf machen, aber ich nicke mitfühlend.

Mir ist bewusst, dass Martina ihren Aron idealisiert, dass sie seine Schwächen und seine grausamen Züge nicht wahrhaben will. Wenn sie seinen Mangel an Freunden deshalb darauf zurückführen möchte, dass er irgendwie besser sei, ist das absolut plausibel. Aber muss es ausgerechnet eine höhere soziale Intelligenz sein, die sie ihm attestiert? So vernagelt kann doch ein ansonsten vernünftig denkender Mensch gar nicht sein, nicht mal im Hinblick auf das eigene Kind.

Kann sein, dass ich damit wesentliche Grundlagen Deiner Geschichte in Frage stelle. Immerhin beruht Martinas Verhalten in weiten Teilen darauf, dass sie ihrem Sohn die Gemeinheiten nicht zutraut (oder sie verharmlost), die Lena beobachtet. Aber für mich wäre es wesentlich plausibler, wenn Martina die vermeintliche Überlegenheit Arons auf einem anderen Gebiet verorten würde - z.B. bei der "normalen", kognitiven Intelligenz - das reicht völlig aus, um jemanden zum Außenseiter zu machen, und passt außerdem zu seinem berechnenden Verhalten. Und wenn Martina zudem davon ausginge, das er in sonstiger Hinsicht - insbesondere im Sozialverhalten - einfach ganz normal und unauffällig sei, begründet das m.E. auch hinreichend, dass sie ihm keine Grausamkeit zutraut.

Also etwas abstrakter umschrieben: Dass Martina Arons negative Charakterzüge nicht sehen will, ist eine Sache; aber dass sie sie ins Gegenteil verkehrt, finde ich nicht glaubhaft. Logischer wäre es, dass sie das an anderer Stelle kompensiert.

Kannst ja mal drüber nachdenken.

Grüße vom Holg ...

 

Hallo Fliege,

Gratulation auch von mir zu deiner neuen Geschichte und zur "Empfehlung". Hierzu möchte ich ganz kurz erwähnen, da es an anderer Stelle heftig diskutiert wird, dass es diese "Empfehlungen" waren, die mich ins Forum gezogen haben. Zunächst nur Gastleser, wollte ich im Laufe der Zeit immer mehr lernen, so schön zu schreiben wie die Autoren, deren Geschichten ich in dieser Rubrik las.

Doch nun wieder zu deiner KG:
Wenn ihr (die Profis) vom handwerklichen Können schreibt, dann kann ich das nur bedingt nachvollziehen. Ich kenne die Maßstäbe (wenn es die überhaupt gibt) hierfür nicht. Daher kann ich in meinen Kommentaren auch nur über mein Empfinden schreiben, über das, was mich am Text anspricht und was eher nicht. Das nur mal vorne weg, da ich die anderen Antworten gelesen habe und mich immer wieder wundere, besser wäre: freue, wie man Texte noch (außer dem persönlichen Empfinden) interpretieren kann.

Das Thema ist wirklich nicht meines, das muss ich zugeben. Über verhaltensauffällig Kinder und überforderte Eltern möchte ich nur ungern lesen. Doch ich habe es (dir zuliebe :)) getan und war begeistert, wie du das Thema angegangen bist. Es ist leicht zu lesen, keine zu langen, zu unverständlichen Sätze, viel Dialoge die für sich sprechen. Für mich somit: alles richtig gemacht.

Aron hat nicht viele Freunde“, sagt Martina. „Ich glaube, es liegt irgendwie daran, dass er seinem Alter einfach voraus ist.“

Dieser Satz hat mich in die Irre geführt, da ich annahm, es handelt sich bei Aron um ein überdurchschnittlich intelligentes Kind. Aber das hat sich ja im Anschluss ...

Cleverer als sie, also nicht unbedingt intelligenter, weiß Gott nicht, aber irgendwie, ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll, soziale Intelligenz trifft es vielleicht.“

... anders heraus gestellt.

Von daher finde ich diesen Satz klasse.

Auch dieser Satz, mit den Gedanken, Überlegungen, erster Skepsis? von Lena gefällt mir gut:

Vielleicht gibt er sich ja tatsächlich mit einem Fünfjährigen ab, weil er ein ausgeprägtes Sozialverhalten hat. Aber warum meiden ihn Kinder seines Alters dann? So ganz kann ich mir keinen Reim drauf machen, aber ich nicke mitfühlend.

Und so fährst du mit der Erzählung fort. Deckst nach und nach die Charaktere Aller auf, lässt sie handeln. Agieren und reagieren. Du machst das auch oft recht witzig, bringst mich zum schmunzeln, das hat mich sehr angesprochen. Dann habe ich mir Gedanken über den Spannungsbogen gemacht und habe ihn auch gefunden. Klingt sicher merkwürdig für dich, doch ich hatte da so meine Zweifel.

Gestört hat auch mich, dass Lena ihren Sohn mit Aron ins Baumhaus lässt. Da war ja schon der Vorfall mit dem Sklaven-Spiel. Ich kann nachvollziehen, dass Lena, dem lieben Frieden wegen?, es tagsüber erlaubt, aber über Nacht, alleine mit dem ungezogenen, kleinen Lügner? Ich weiß nicht. Das kann ich nicht nachvollziehen. Aber als Außenstehender beurteilt man ja immer anders.

Danke für die schöne Geschichte.

Gruß Tintenfass

 

Hallo Tintenfass!

Hierzu möchte ich ganz kurz erwähnen, da es an anderer Stelle heftig diskutiert wird, dass es diese "Empfehlungen" waren, die mich ins Forum gezogen haben. Zunächst nur Gastleser, wollte ich im Laufe der Zeit immer mehr lernen, so schön zu schreiben wie die Autoren, deren Geschichten ich in dieser Rubrik las.

Schreib das doch in den entsprechenden Diskussionsthread. Es wird das Anliegen unterstützen, die Empfehlungsfunktion wieder mehr zu nutzen.

Wenn ihr (die Profis) vom handwerklichen Können schreibt, dann kann ich das nur bedingt nachvollziehen. Ich kenne die Maßstäbe (wenn es die überhaupt gibt) hierfür nicht. Daher kann ich in meinen Kommentaren auch nur über mein Empfinden schreiben, über das, was mich am Text anspricht und was eher nicht. Das nur mal vorne weg, da ich die anderen Antworten gelesen habe und mich immer wieder wundere, besser wäre: freue, wie man Texte noch (außer dem persönlichen Empfinden) interpretieren kann.

Da stell Dein Licht mal nicht unter den Scheffel. Zum einen sind Deine ersten Geschichten ja wohl sehr gut angekommen, so dass Du Dich nicht als blutiger Anfänger fühlen musst. Zum anderen braucht man ja kein Profi zu sein, um zu beurteilen, was man als Leser an einer Geschichte gut oder nicht gut findet. Ich selbst bin noch kürzer hier als Du und habe kommentiert, wie es mir in den Sinn kam - natürlich immer in angemessener Form, aber inhaltlich ohne Vorbehalte. Hat mir noch keiner vorgeworfen, auch wenn natürlich nicht immer alle meiner Meinung sind.

Grüße vom Holg ...

 

Hallo Fliege,

zu der Geschichte wurde ja schon viel Gutes gesagt und das ist alles auch gerechtfertigt und
sie ist sicher auch eine Empfehlung wert.
Also kann man dir dazu nur gratulieren.

Wenn ich es richtig gelesen habe, stammt von dir auch die Idee zu dem Wettbewerb.
Das Thema des Monats lautet "letzte Ausfahrt"
Die Story ist wie gesagt super, alles wunderbar.
Aber ich sehe in der Geschichte irgendwie keinen richtigen Bezug zu dem Thema "letzte Ausfahrt".
Aber ich lasse mich da gerne aufklären.


Dass ein Moderator hier einen Wettbewerb ausruft, finde ich super.
Auch dass er daran selbst teilnimmt, ist in Ordnung für mich.
Wie gesagt, die Geschichte hat sicher auch eine Empfehlung verdient und ich will hier auch niemanden etwas unterstellen.
Ich will nur anmerken, dass wenn ein Moderator einem anderen Moderator noch während der Wettbewerbsphase einer Geschichte den Status "Empfehlung" verleiht ( Empfehlungen kommen hier ja auch nicht so oft vor), könnte es bei dem Einen oder Anderen einen gewissen Eindruck hinterlassen.
Klar, das bedeutet ja nicht automatisch, dass diese Story gewinnt, aber wäre es nicht besser, Geschichten erst nach Ablauf eines Wettbewerbes den Status "Empfehlung" zu verleihen?
Ist nur eine Anregung.

Das hat natürlich nichts mit der Geschichte an sich zu tun und sie ist wirklich sehr gut und hat mir wirklich gut gefallen.


Gruß
Raimond

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich will nur anmerken, dass wenn ein Moderator einem anderen Moderator noch während der Wettbewerbsphase einer Geschichte den Status "Empfehlung" verleiht ( Empfehlungen kommen hier ja auch nicht so oft vor), könnte es bei dem Einen oder Anderen einen gewissen Eindruck hinterlassen.

Hallo Raimond,

darauf will ich direkt antworten, weil ich ja empfohlen habe. Ich habe genau deine Bedenken in einem anderen Thread angesprochen:

http://www.wortkrieger.de/showthread.php?57072-Thema-des-Monats/page2&p=646325#post646325


und genau weil Empfehlungen nicht so oft vorkommen, gibt es aktuell noch diese Diskussion:

http://www.wortkrieger.de/showthread.php?57138-Erwartungen-an-empfohlene-Geschichten

Deswegen dachte ich, dass ich einfach wieder mehr Geschichten empfehlen werde. Ungeschickt, dass es eben grade die mit dem Thema des Monats war.

 

Ich habe genau deine Bedenken in einem anderen Thread angesprochen:

Oh, o.k. Danke für den Hinweis.
Den Thread hatte ich vorher nicht gesehen und nicht gelesen.

Gruß

Raimond

 
Zuletzt bearbeitet:

@all - vielen lieben Dank auch Euch! Und bevor hier noch mehr aufläuft, Ärmel hoch und los.
Worauf ich jetzt nicht in jedem Beitrag einzeln eingehe, die Übernachtung im Baumhaus habe ich zu einem abendlichen Beisammensein im Baumhaus abgeändert. Problem hoffentlich gelöst.


Hallo Schwups,

Erstmal vorweg: Ganz großes Lob für die Geschichte. Ich hatte sehr viel Spaß beim Lesen, irgendwie hast du damit auch einen Nerv bei mir getroffen, ...

Freut natürlich.

Sprachlich habe ich nichts daran auszusetzen. Das ist 1A-flüssig geschrieben. ... Auch die Figuren nehme ich dir ab. Du hast ihnen etwas Individuelles gegeben, ohne viele Worte dafür zu gebrauchen, sie sind über weite Strecken authentisch und glaubhaft. Auch die Konflikte sind gut dosiert, es ist eine Spannungskurve erkennbar, die sich steigert und am Ende ihren Höhepunkt erreicht. Die Beziehung zwischen Lena und Martina ... ist sehr schön herausgearbeitet.

Da analysiert aber einer voll mit beim Lesen. Aber, so bin ich auch. Schon ein Ding, was das Forum hier mit einem macht.

Trotzdem gab es auch ein paar Punkte, die mir nicht so gut gefallen haben.

Schon klar ;).

Übernachtung ist erledigt, bleibt noch:

Also ich weiß nicht - ich bin da zwiegespalten. Ja, Aron ist mies. Vielleicht auch gefährlich. Er ist nervig, er ist kalt, er ist intrigant - aber reicht das schon aus, ihn zu schlagen? Die Hürden bei einer Mutter, ein fremdes Kind zu schlagen, sind doch enorm hoch (auch beim Eigenen natürlich, aber bei Fremden vielleicht noch mehr) .. Was natürlich noch hinzukommt (und ich auch nicht vergessen habe), dass Lena selbst emotional sehr unter Stress steht, mit ihrer ganzen Situation, den finanziellen Sorgen usw.. Das mag das Ganze noch begünstigen.

Für mich reicht das total. Lena ist seit Tagen unter Hochspannung, ihr Sohn wird aufgefordert sich umzubringen und dieser kleine Miesling fordert sie direkt heraus. Kurzschlusshandlung, Peng. Emotionale Überreaktion. So jedenfalls meine Intention. Wenn sich alle Menschen so schön unter Kontrolle hätten und es noch mehr äußerer Reize bedürfte, würden wohl etliche Kinder weniger geschlagen werden. Aber das ist ein anderes Thema, hier geht es ja darum, dass Du es der Figur Lena nicht abnimmst, so wie Du sie wahrgenommen hast. Das ist natürlich weniger gut und ich muss es wohl hinnehmen.

Sie hätte zum Beispiel auch die Möglichkeit, Martina noch mal explizit auf Arons Verhalten anzusprechen.

Aber Lena schweigt lieber. Sie redet/diskutiert nicht so gern über Probleme. Also, das traue ich ihr noch weniger zu, in meiner Figurenwahrnehmung. Sicherlich wäre es richtiger und korrekter, aber so tickt die eben nicht. Die schluckt und schluckt und macht mit sich selbst aus und am Ende explodiert sie.

Den Titel mag ich auch nicht so gern. Wäre die Geschichte nicht von dir, hätte mich der Titel jetzt nicht dazu gebracht, sie zu lesen.

Wenn jemand einen Vorschlag hat, gern her damit. Aber Titel sind echt nicht mein Ding. Ich mag da auch nicht gern ewig drüber nachdenken. Ich war froh über den, weil er so schön widersprüchlich ist und die Situation doch gut beschreibt. Dass man mit dem Wort Heimatfilm nicht unbedingt viele hinterm Ofen vorlockt, verstehe ich schon auch.

Kleinigkeiten sind eingearbeitet.

... und eine hohe Vorgabe für jeden, der zum Thema des Monats noch etwas einreichen wird.

Dazu weiter unten mehr. Danke Dir!


Hey offshore,

Aber vollkommen glaubwürdig und nachvollziehbar von dir erzählt.

Na ja. Bei all den Kritiken hier, beginne ich doch langsam zu zweifeln.

Für mein Gefühl dürfte über der Story durchaus auch das Stichwort Gesellschaft stehen.

Da bin ich altmodisch. Ich fand es schön, als man sich festlegen musste.

Ich fand aber trotzdem schön, was Du da zu den Themen schreibst, die für Dich anklingen und so deine Gedanken dazu.

Nein, als wirkliche Sympathieträger taugen die Figuren dieser Geschichte nicht. Am ehesten noch der kleine Finn, aber was soll man einem gerade mal fünfjährigen Hosenscheißer auch schon groß vorwerfen?

Genau!

Ja, bei der Geschichte kann man schon ins Nachdenken kommen. Ins Nachdenken darüber, was für eine unheimliche Komplexität das menschliche Zusammenleben auf allen Ebenen hat, ob jetzt auf der scheinbar spielerischen Ebene von Kindern, oder auf der Ebene der Eltern-Kind Beziehung, bzw. auf allen nur denkbaren Varianten dazwischen. Und wenn es noch so viele Theorien zum menschlichen Sozialverhalten gibt, keine wird allgemeingültig auf jedes einzelne Individuum angewendet werden können.

Was jetzt aber auch gut ist, so können wir ganz viele Geschichten darüber schreiben und nicht immer die Gleichen.

Was wird aus Lena? Was aus dem armen Finn, den Lena mit ihrer Mutterliebe schier erdrückt? Was wird aus dem empathielosen Aron, diesem Musterbeispiel des furchtbaren Kindes, das außer den Eltern niemand gernhaben kann?
Vor allem in Hinblick auf das Thema „Letzte Ausfahrt“ bin ich nicht sehr optimistisch, was den weiteren Lebensweg der Figuren betrifft. (Oder wie Bernd das Brot schon sagte: „Alles ist wie immer, nur schlimmer.“)

Über die Antworten will ich gar nicht weiter nachdenken. Heute ist Sonntag, verdammt :).

Kleinigkeiten soweit übernommen, nur hier:

Natürlich sind das hübsche, originelle Formulierungen, die beim Lesen automatisch ein Grinsen auslösen. (Wäre das eine amerikanische Soap-Opera, würde an dieser Stelle vermutlich das Lachen eines imaginären Publikums eingespielt werden.) Allerdings passen sie für mein Gefühl einfach nicht hierher. Der selbstironische, witzig sein wollende Sprachduktus der Erzählerin zerstört für mich die Ernsthaftigkeit und Dramatik dieser Szene.

Ich brauch sie aber, weil ich den Leser nicht *nur* in ein tiefes, schwarzes Loch stürzen will. Oder doch, will ich, aber wenigstens ein bisschen Leichtigkeit dabei, ein bisschen Unterhaltung, ach was weiß ich. Ich bin als Leser bei so Texten den Autoren immer dankbar, wenn ich zwischenzeitlich mal wieder hochgezogen werde. Das ist aber sicher subjektives Empfinden.

Hier stört mich weniger die Wortwiederholung, sondern der Ausdruck „eine runterschlagen“, den ich einfach nicht kenne. Bei uns in Ö sagen wir ausschließlich: „eine runterhauen“.

Ich kenne das aber. Wobei mir das Wort jetzt auch Schnuppe ist. Täte nicht weh, es zu ändern, wenn da noch andere hängen bleiben.

Hat mir sehr gut gefallen, Fliege. (Vor allem, wie sehr du deine Figuren hast leiden lassen.)

Hehe.


Nochmal Hey bernadette,

Aber ich gebe offshore insofern recht, dass ich auch über die Stelle gestolpert bin und anfangs nicht genau wusste, wie das gemeint sein sollte.

Dann ist ja gut, dass die jetzt weg ist.

edit:
ach, was ich jetzt wieder vergaß zu sagen: Der Titel ist auch nicht so meins, zudem müsste da aus meinem Gefühl heraus ein Bindestrich dazwischen.

Von mir aus. Wobei ich glaub, es liegt mehr am Heimatfilm.


Hallo The Incredible Holg,

ich bin geplättet. Das Wort "Heimatfilm" im Titel hat mich nicht gerade angelockt, aber um beim Thema des Monats mit abstimmen zu können, will ich auch alle Beiträge dazu lesen. Und dann so was!

Ich hoffe, Du ärgerst Dich nicht, wenn ich die Geschichte aus dem Wettbewerb ziehe. Später dazu mehr. Es täte mir dann leid um deine investierte Zeit.

Ich erspare Dir eine weitere Paraphrasierung der Lobeshymnen, die Du schon bekommen hast, und sage einfach: dito!

Meno! :)


Also etwas abstrakter umschrieben: Dass Martina Arons negative Charakterzüge nicht sehen will, ist eine Sache; aber dass sie sie ins Gegenteil verkehrt, finde ich nicht glaubhaft. Logischer wäre es, dass sie das an anderer Stelle kompensiert.

Kannst ja mal drüber nachdenken.


Werde ich machen. Ich lass das in mir arbeiten, auch wenn ich mich im Augenblick noch sträube. Ich hatte nämlich ein wahrhaft existierendes Vorbild für Martina. Wenns aber nicht funktioniert - ach je, ich schlafe einfach paar mal drüber.


Hey Tintenfass,

Hierzu möchte ich ganz kurz erwähnen, da es an anderer Stelle heftig diskutiert wird, dass es diese "Empfehlungen" waren, die mich ins Forum gezogen haben.

Ja, schreib das mal in den Thread. Hier kriegen es ja nicht alle mit. Und es ist ein echtes Argument.

Daher kann ich in meinen Kommentaren auch nur über mein Empfinden schreiben, über das, was mich am Text anspricht und was eher nicht.

So, und als ich hier ankam ging es mir genau so. Und allen anderen auch. Und wir sind auch alle keine studierten Germanisten und Journalisten, sondern auch Kellner und Krankenpfleger und weiß der Fuchs was alles. Und was will man denn mehr schreiben, als seine Empfindungen. und das ist ja das Interessante am Ende für uns Schreibende. Wie viele unterschiedliche Menschen die Geschichten lesen. Und mal ehrlich, wie viele Leute da draußen lesen Bücher und schreiben als Bewertung bei Amazon: Das Buch kam schnell mit der Post an. 5 Sterne. Ich glaub, Du hast eine ganze Menge zu sagen und jeder Autor hier, hört Dir gerne zu. Bitte hab echt keine Hemmungen. Es ist auch mal ganz erfrischend, nicht jedes Wort auf der Goldwaage zu wissen ;).

Das Thema ist wirklich nicht meines, das muss ich zugeben. Über verhaltensauffällig Kinder und überforderte Eltern möchte ich nur ungern lesen. Doch ich habe es (dir zuliebe :)) getan und war begeistert, wie du das Thema angegangen bist. Es ist leicht zu lesen, keine zu langen, zu unverständlichen Sätze, viel Dialoge die für sich sprechen.

Das ist so toll! Lieben Dank für deine Überwindung und dann auch noch Begeisterung, ach schön. Das ist ein riesen Kompliment. Ich mag das gern lesen.

Von daher finde ich diesen Satz klasse.

Und das ist auch schön, weil es ja schob Gegenstimmen gab. Das macht es jetzt wieder spannend.

Dann habe ich mir Gedanken über den Spannungsbogen gemacht und habe ihn auch gefunden. Klingt sicher merkwürdig für dich, doch ich hatte da so meine Zweifel.

Nein, klingt nicht merkwürdig.

Gestört hat auch mich, dass Lena ihren Sohn mit Aron ins Baumhaus lässt.

Ist weg.

Danke für die schöne Geschichte.

Danke Dir!

The Incredible Holg schreibt an Tintenfass:

The Incredible Holg schrieb:
Da stell Dein Licht mal nicht unter den Scheffel. Zum einen sind Deine ersten Geschichten ja wohl sehr gut angekommen, so dass Du Dich nicht als blutiger Anfänger fühlen musst. Zum anderen braucht man ja kein Profi zu sein, um zu beurteilen, was man als Leser an einer Geschichte gut oder nicht gut findet. Ich selbst bin noch kürzer hier als Du und habe kommentiert, wie es mir in den Sinn kam - natürlich immer in angemessener Form, aber inhaltlich ohne Vorbehalte. Hat mir noch keiner vorgeworfen, auch wenn natürlich nicht immer alle meiner Meinung sind.

unterschreib!

Hey Raimond,

Raimond schrieb:
zu der Geschichte wurde ja schon viel Gutes gesagt und das ist alles auch gerechtfertigt und
sie ist sicher auch eine Empfehlung wert.
Also kann man dir dazu nur gratulieren.

Dankeschön.

Aber ich sehe in der Geschichte irgendwie keinen richtigen Bezug zu dem Thema "letzte Ausfahrt".
Aber ich lasse mich da gerne aufklären.

Also Erstens wohnen die beiden Mädels zwei letzte Ausfahrten voneinander entfernt und Zweitens geht auch die Interpretation: Letzte Möglichkeit durch - und Lena weiß eben irgendwann nicht mehr weiter, als zuzuschlagen.
Aber darüber brauchen wir ja nun nicht mehr zu reden, weil ich die Geschichte wegen dieser leidlichen Diskussion zurückgezogen hab und mich jetzt ganz auf die Regeln konzentrieren kann und nicht unter Verdacht gerate, sie zu meinen eigenen Gunsten auszulegen, weil ich ja eben dieses TdM ausgerufen habe. Kommt man sich ja irgendwann selbst blöd vor.

Ich will nur anmerken, dass wenn ein Moderator einem anderen Moderator noch während der Wettbewerbsphase einer Geschichte den Status "Empfehlung" verleiht ( Empfehlungen kommen hier ja auch nicht so oft vor), könnte es bei dem Einen oder Anderen einen gewissen Eindruck hinterlassen.
Klar, das bedeutet ja nicht automatisch, dass diese Story gewinnt, aber wäre es nicht besser, Geschichten erst nach Ablauf eines Wettbewerbes den Status "Empfehlung" zu verleihen?

Nein. Wir hatten hier schon viele Wettbewerbe und noch nie hat es eine solche Regel gebraucht. Die Abstimmungen haben sich davon nicht beeinflussen lassen. Es darf und soll empfohlen werden (auch dafür sind solche Wettbewerbe da) und egal vom wem. Es braucht einen, dem die Geschichte gefällt, um sie zu empfehlen. Es braucht mehrere Stimmen, um bei der Abstimmung zu gewinnen.
Irgendwann heißt es noch, die guten Geschichten dürfen nicht kommentiert werden, weil die guten Kommentare irgendwen beeinflussen. Wer nicht wissen will, wie die Geschichten der Mitstreiter bei der Jury abschneiden, der muss halt an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen.

Ich hoffe, jetzt werden wieder die Pfeifchen angezündet und es wird geschrieben und überhaupt!

Lieben Dank Ihr alle für Eure Zeit, Eure Gedanken, für Lob und Kritik! Es war mir eine Freude!
Herzlichste Grüße, Fliege

 

Hallo Fliege!

Bei der "sozialen Intelligenz", die dazu führt, dass er keine Freunde hat, zuckt man schon.
Da habe ich noch eine Frage zu, nimmt dieser Satz zu zu viel voraus?

Ich finde den Dialog wichtig, er erzeugt schon so ein leichtes Unwohlsein, aber auch Neugier. Außerdem ist es gut, in der "Sklavenszene" zu wissen, wie Martina zu dem Thema steht. Es hat dann schon auch eine gewisse Komik, wenn man ihre Worte noch im Kopf hat.

Liebe Grüße von Chutney :)

 

Ich hoffe, Du ärgerst Dich nicht, wenn ich die Geschichte aus dem Wettbewerb ziehe. Später dazu mehr. Es täte mir dann leid um deine investierte Zeit.

Mitnichten, die Zeit war hervorragend investiert! Und wenn mich nicht der Wettbewerb in Deine Geschichte gelockt hätte, dann wahrscheinlich die (hochverdiente!) Empfehlung.

Ist allerdings schade für den Wettbewerb, dass die Geschichte nicht mehr drin ist. Aber nach der ganzen Diskussion finde ich Deine Entscheidung sehr salomonisch. Außerdem hat so auch wieder jemand anders eine Chance! ;)

Grüße vom Holg ...

 

Liebe Fliege,

ich möchte mich den vielen positiven Rückmeldungen zu deiner Geschichte gerne anschließen. Die Geschichte liest sich toll und inhaltlich kann ich sie auch sehr gut nachvollziehen, unter anderem weil mir Jungen mit Aron-Tendenz auch schon untergekommen sind.

Ein absolutes Highlight sind für mich die pädagogisch wirklich wertvollen Schokolade-Belohnungen der Mutter, die du so ganz nebenbei einfließen läßt. Das ist das Krönchen über Arons gestörtem Sozialverhalten. Aber so was gibt es ja wirklich.

Als sie am Ende so ganz allein ist, und sogar ihr Sohn - für den sie ja kämpft - zurückweicht, da musste ich schlucken. Sehr gut gemacht.

Was mich ein wenig gestört hat, ist die Drumherumgeschichte mit dem Dach und der Hypothek und den Sorgen. Irgendwie erwartete ich, dass das später noch einmal eine Rolle spielen wird, tut es aber nicht.

Liebe Grüße
Lobilotte

 

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