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Thema des Monats Fleischvögel und gebrannte Creme

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02.02.2004
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Fleischvögel und gebrannte Creme

Da hat er gehangen, am Querbalken der Scheune. Grossvater Alfred, von allen nur Ätti genannt. Die Erinnerung ist präsent, als hätte mir jemand ein Polaroid ans Hirn geklebt. Mit schiefem Kopf, die blaue Zunge seitwärts aus dem Mund, Augen nach oben verdreht. Schwarzer Anzug, weisses Hemd, Krawatte, glänzende Lackschuhe. Aus der rechten Jackentasche lugt ein Zettel heraus. Und zu beiden Seiten auf der Bockleiter – meine Eltern. Vater stemmte den leblosen Körper hoch, Mutter säbelte mit einem Küchenmesser am Strick herum. Ein rot eingefärbtes Hanfseil, dreifachverdrillt, ohne Zweifel das Seil vom Ätti. Selbst gefertigt, hing immer über der Drehbank in der Werkstatt, gleich neben dem Bild der Greta Garbo.
„Schau nur, Franz, eine grossartige Schauspielerin. Und die gleichen Augen wie dein Grosi Hanni“, sagte er damals, als ich ihm das Znüni brachte und dabei auf das Bild starrte. Das Hanni, auf ewig dem Ätti Alfred versprochen, war eine bodenständige Frau. Selbst als der Ätti mit ihr ins Stöckli zog und den Hof dem Vater überliess, half sie weiter bei der Stall- und Haushaltsarbeit. Eines Morgens stand das Hanni nicht mehr auf.
„Das Alter“, sagte der Arzt.
„Der Kummer“, sagte Mutter.
„Musste wenigstens nicht lange leiden“, sagte Vater.
Dafür litt der Ätti. Jeden Freitag tuckerte er auf seinem geliebten Hürlimann zu Hanni auf den Friedhof und danach auf ein Zweierli Roten in den Ochsen. Später fuhr er nur noch zum Ochsen, dafür täglich. Ein Zweierli reichte schon lange nicht mehr.

„Wenn der so weiter säuft“, meinte Vater, „dann kann er sich bald neben sein Hanni legen.“
Dabei war der Ätti schon einmal nahe dran. Beim Umladen im Futtersilo fünf Meter runtergefallen, das Bein zog er fortan etwas nach. Ein Kururlaub kam nicht in Frage. „Eher würde ich mich aufhängen“, hatte er bei der Rückkehr aus dem Spital gesagt und mit einer Krücke gegen den Dachbalken geklopft.
„Der versäuft noch seine ganze Rente.“
„Lass ihm doch die Ausfahrten“, meinte meine Mutter und stellte die geschwellten Kartoffeln auf den Tisch.
„So, aha, und wer hat dem Huber seinen Landschaden bezahlen müssen?“
Lange wurde im Dorf darüber gesprochen, wie der Ätti mit seinem Hürlimann den direkten Weg über Bauer Hubers frisch bestelltes Rapsfeld genommen hat, nur damit er nach seiner ausgiebigen Ochsentour nicht an der Polizeistation vorbei musste. Am anderen Tag verriet die Dreckspur zu unserem Hof, wem Huber den Schaden zu verdanken hatte. Huber tobte, hatte irgendetwas von Ernteausfall gepoltert, mein Vater hatte gezahlt und der Ätti bekam einen Monat Traktorverbot. Da ist er halt gelaufen, zum Ochsen. Mutter fand ihn anderntags schlafend auf dem Miststock, direkt neben den Hühnern.

***

Das Seil gab nach. Vom Gewicht überrascht, fiel Vater mit dem Ätti rückwärts ins Stroh. Ich stand wie angewurzelt am offenen Scheunentor.
„Hans, der Bueb!“
Vater schob den Ätti von sich weg und sprang auf die Beine.
„Franz, raus! Mach, dass du wegkommst.“
Ich starrte weiterhin auf den leblosen Ätti, der unförmig zwischen den Strohballen lag.
„Los, mach schon“, brüllte Vater und zeigte aufs Haus.
Ich konnte mich nicht bewegen, da knallte es auf meiner Backe. Laute Worte war ich gewohnt, die Ohrfeige war neu. Heute weiss ich, es war Hilflosigkeit. Ich rannte heulend ins Haus, warf mich aufs Bett und vergrub den Kopf in die Tagesdecke. Der Geruch war vertraut und beruhigend. Ein leises Klopfen und die Tür ging auf. Mama setzte sich neben mich und gleichzeitig spürte ich ihre Hand auf meinem Rücken.
„Tut mir so leid, Franz. Vater wollte halt nicht, dass du das mit ansehen musst.“
Ich fragte mich, wie die Ohrfeige dazu passte. Jedenfalls blieb es bis heute die einzige.

***

Ich war gerade unterwegs auf der A1 Richtung Zürich-Flughafen und drückte die Freisprechtaste. Es klingelte drei Mal, dann ein Knacken.
„Hallo Mutter! Wie geht es dir?“ Blick in den Seitenspiegel, rechts einordnen, runter vom Gas.
„Ja, geht schon, Bueb. Wir schlagen uns durch“, sagte sie mit aufgewühlter Stimme.
„Ich muss was mit dir bereden.“ Nicht mit euch, nein, mit dir, Mutter. "Geht es Sonntag?"
Mit gesetztem Blinker überholte ich einen schleichenden Lastwagen. Schlachtvieh. Auf der Seitenwand ein lachender Kuhkopf.
"Oh wie schön, ich mache Fleischvögel, und zum Dessert gibt’s gebrannte Creme, für dich extra mit frischer Niedle."
In Mutters Stimme schwang Bekümmerung mit. Wenn sie jetzt wieder wegen Vater anfing ...
"Vater ist etwas durcheinander, gestern waren wieder diese Herren vom Bundesamt für Strassenbau da."
Da war es wieder, das Magenbrennen, ich musste mir unbedingt noch etwas aus der Apotheke besorgen. Innerlich stöhnte ich auf und schloss kurz die Augen, nach dem Öffnen leuchteten vor mir dutzende Bremslichter. Das ABS ratterte, die elektronische Lenkhilfe behielt den Wagen in der Spur, Technik und Mensch verhinderten gemeinsam den Aufprall.
"Also gut, Mutter, Sonntag. Tut mir leid, aber hier ist grad sehr viel Verkehr."
"Oh, ja, natürlich, bis Sonntag, pass auf dich auf, Bueb."
Ein Knacken beendete unser Gespräch und aus den Lautsprechern erklang die Stimme einer fröhlichen Moderatorin. Ich drückte den Ausknopf.

***

Sonntag. Vor mir das offene Scheunentor.
Ich höre Vater kommen, sein Schlurfen hat die letzten Monate zugenommen. Seine Hose steht offen und ein Zipfel seines Hemds schaut heraus. Spärliche Haarsträhnen lugen aus seiner Mütze hervor. Einen kalten Stumpen im Mundwinkel, er ist alt geworden.

„Der Balken ist neu.“
Das helle Holz, der Rest Sägespäne, alles deutet auf kürzlich durchgeführte Zimmermannsarbeiten hin.
"Morsch. Musste ihn ersetzen. Nicht dass er mir noch auf den Kopf fällt."
Wie damals der Ätti. Schnell wische ich den Gedanken beiseite und so blicken wir weiter schweigend auf die Stelle in der Mitte des Balkens.
Sinnlos, denn der Hof steht seit langem im Weg, höheres Interesse und so. Der Staat baut seit längerem an der letzten Ausfahrt der A1, ein direkter Anschluss zum Stadion muss her, die Kosten steigen und der politische Druck wird immer grösser.
„Warum hast du ihn überhaupt noch ausgewechselt?“
„Morsch, hab ich gesagt. Dass du auch nie zuhörst. Aber das hast du ja noch nie ...“
Er dreht sich um und schlurft Richtung Haus davon, dabei brennt mir noch eine viel wichtigere Frage auf der Seele. Jetzt nur nicht den Moment verpassen, ich hole tief Luft.
„Warum hat sich der Ätti damals aufgehängt?“, rufe ich ihm nach, will nicht warten, bis wir in der Küche bei Mutter sitzen.
Vater schlurft weiter, dreht aber den Kopf leicht zur Seite.
„Hat es halt nicht verkraftet“, meinte er und zieht dabei die Schultern hoch.
„Was hat er nicht verkraftet, Vater? Hannis Tod?“
Jetzt steht er vor der Haustür, streckt die zitternde Hand Richtung Klinke, zögert.
„Oder hat er es einfach nicht mehr ausgehalten? Hat er vielleicht dich nicht mehr ausgehalten?"
„Red‘ keinen Blödsinn, komm rein, Mutter hat Fleischvögel gekocht.“ Damit stösst er die Haustür auf und quält sich über die Schwelle.
Ich schaue noch einmal zu dem frisch verbauten Balken, einen kurzen Moment sehe ich wieder die polierten Lackschuhe, darüber den Sonntagsanzug. Die Erinnerung machte mich schwindelig, Vaters Blick, die Ohrfeige, der Zettel aus Ättis Tasche. Vater hat ihn an sich genommen, als sie zusammen am Boden lagen.
"Ein Zettel? Keine Ahnung, was du meinst", pflegte Vater meine Fragen abzuwürgen. Vielleicht war es tatsächlich nur die Einbildung eines verschreckten Kindes.

Eigentlich will ich nicht ins Haus, will nicht wie früher zwischen Tisch und Wand sitzen, bis Mutter die Fleischvögel aufträgt und Vater nach dem Käse verlangt, dabei aber keinen Mucks duldet, denn im Radio laufen gleich die Zwölfuhrdreissig-Nachrichten.
Als Kind lebte ich gerne auf unserem Hof, obwohl die Arbeit nach der Schule hart war. Kühe treiben und melken, den Stall ausmisten und im Sommer bei dreissig Grad in der prallen Sonne auf den Wiesen das Heu umschichten. Aber es gab auch die schönen Seiten des Hoflebens, zum Beispiel als das Vreneli mitten in der Nacht kalbte und Vater mich dazu aus dem Bett holte. Er hatte feuchte Augen und ich durfte das Frischgeborene mit Stroh abreiben. Oder mit den Schulfreunden im Heu Verstecken spielen, der Karin den jüngsten Wurf Katzen zeigen und dafür einen Kuss ernten.

Es war in der sechsten Klasse, da mussten meine Eltern wegen irgendeiner Gerichtssache in die Stadt fahren und ich durfte im Nachbarhof bei Gublers zu Mittag essen. Ich hatte gerade einen gefüllten Teller vorgesetzt bekommen und begann, mir Erbsen in den Mund zu schieben, da rief Karins kleiner Bruder: "Mama, warum darf Franz schon essen?"
Herr Gubler schaute mich mit erhobenem Zeigefinger streng an, doch sein Lachen verriet, dass es wohl nicht ganz so schlimm war. Ich kaute verlegen auf meinen Erbsen herum und Karin grinste.
Als Frau Gubler ihre Schürze ablegte und sich setzte, riefen alle gleichzeitig: "Einen Guten miteinander." Und dann begann ein geschäftiges Treiben. Beat schaufelte in sich hinein und erzählte mit vollem Mund, wie der Max vom Lehrer einen Schwamm an den Kopf bekommen hatte, Karin schenkte mir Wasser nach und erzählte aus unserer Schulstunde, wie Herr Guggenbühl mit uns Knallgas herstellte und danach das ganze Zimmer nach faulen Eiern gerochen hatte. Karins Mutter lachte und der Vater schüttelte belustigt den Kopf.
„Irgendwann jagt der Guggenbühl noch das ganze Schulhaus in die Luft.“
Es war eines meiner schönsten Mittagessen.

Bei uns zu Hause ging es nie so fröhlich zu, kaum hatte Mutter den ersten Topf auf den Tisch gestellt, begann Vater zu essen, polterte irgendwelche Tiraden gegen die da oben in Bern, und Neuigkeiten gab es nur Punkt zwölfuhrdreissig aus dem Radio. Dann hiess es absolute Ruhe.
Erst nachdem Vater wortlos aufgestanden war und sich in der Stube aufs Sofa gelegt hatte, konnten Mutter und ich ein paar Worte wechseln. Doch da hatte die erzwungene Stille meine Gedanken bereits vernebelt.
Den Hof übernehmen, das wollte ich nie. Die Welt bereisen, das war mein Traum, all die Länder aus Mutters Gutenachtgeschichten. Ich bewarb mich als Reiseleiter, ganz zum Missfallen meines Vaters.

***

In der Küche riecht es wie damals. Ein Gemisch aus kaltem Stumpen und Bratfett. Wie von selbst bewege ich mich zum angestammten Platz, Vater sitzt an der Stirnseite und schiebt sich gerade eine Kartoffel zwischen die Zähne. Dazu presst er auf die Schale und fängt das Gelbe der Knolle mit dem Mund auf. Den Blick starr zum Fenster, das Radio auf dem Wandbrett in Griffnähe. Mutter eilt geschäftig zwischen Herd, Kühlschrank und Tisch umher, stellt die restlichen Speisen auf den Tisch, während Vater Käse schneidet. Kartoffeln und Käse genügten ihm, um satt zu werden.

Der aufkommende Novemberwind rüttelt an den Fensterläden. Schweigend, wie damals, essen wir vor uns hin, doch ich bin nicht mehr der kleine Bueb von damals und so lasse ich meine Gabel sinken und drehe mich zu ihm um.
„Vater. Wegen des Hofs musst du endlich ...“
„Ruhe, ich höre Nachrichten“, faucht Vater und dreht den Ton lauter.
Wir essen schweigend weiter und mit dem Schluss-Signet von Radio SRF1 schiebt Vater den Teller von sich, steht auf und verlässt die Küche.

Mutter setzt Kaffee auf, aus der Stube ertönt lautes Schnarchen und ich falle mit der Tür ins Haus.
„Ich verstehe einfach nicht, warum Vater den Hof nicht verkaufen will.“ Mutter räumt das Geschirr in die Maschine.
„Die Abfindung vom Bund ist doch recht grosszügig. Oder ist es vielleicht wegen dem Ätti?“
Beinahe wäre ein Teller zu Bruch gegangen.
„Dein Vater meint, kein Geld der Welt treibt ihn von seinem Hof.“
„Sturer Bock.“
„Franz!“
„Ist doch wahr. Der Ätti hätte das sicher nicht gewollt.“
„Sag nicht sowas, Bueb.“
„Warum hat er sich eigentlich damals aufgehängt?“
„Sei still, ich will nicht, dass du so über ...“
„Dann verkauft den Hof. Macht eine Weltreise, du hast dir doch immer gewünscht, die Welt zu sehen.“
„Ach Bueb, dein Vater ...“
„Ich weiss, der Hof ist sein alles. Aber was ist mit dir?“
„Mein Platz ist hier auf dem Hof, bei Karl.“

Die gebrannte Creme schmeckt komisch, vielleicht ist die Niedle ja sauer geworden.
Den Kaffee trinken wir schweigend, ich weiss nicht, wie ich den Faden wieder aufnehmen soll. Danach begleitet mich Mutter zum Auto. Vater lassen wir schlafen. Der Novemberwind frischt auf und treibt Blätter über den Innenhof. Ein Huhn flieht gackernd vor der jagenden Katze. Ein leichter Niesel setzt ein und lässt meine Brille beschlagen.
„Komm, steig ein, wir müssen darüber reden“, sage ich zu Mutter und öffne ihr die Tür.
Sie blickt mich erstaunt an, erkennt aber, dass ich es ernst meine.
Ich starte die Standheizung und drehe mich zu Mutter um.
Der bequeme Beifahrersitz meines Geländewagens scheint sie förmlich zu verschlucken, ihr Blick ist starr geradeaus gerichtet.
„Sie werden euch den Hof wegnehmen.“
„Ich weiss, aber dein Vater will halt nicht verkaufen.“
„Ist es wegen dem Ätti? Sag endlich, Mutter. Ich spüre doch, dass da mehr war als Kummer.“
Ihre Lippen zittern.
„Mutter?“
Die Tränen laufen nun ungebremst.
„Wir konnten doch nichts dafür. Erst die Sache mit dem Milchpreis, dann standen wir vor einem Berg mit Schulden, der Hof sollte sogar zwangsverpfändet werden, das hat der Ätti wohl nicht länger ...“
„Gab es einen Zettel, Mutter?“
Sie zieht ihr Taschentuch aus der Schürze und schnäuzt sich geräuschvoll.
„Vater hat ihn weggeworfen.“
„Was stand darauf?“
Sie sieht weiter geradeaus und beginnt zu rezitieren:
„Lieber Karl, liebe Fränzi. Macht euch keine Vorwürfe, ihr sollt den Hof nicht verlieren müssen. Deshalb gehe ich jetzt zu meinem Hanni und ihr könnt meine Lebensversicherung einlösen.
Alles Gute, Euer Ätti Alfred.“

Ich schlucke leer, mit einem Schlag verschiebt sich mein ganzes Weltbild. Alles erscheint mir in einem neuen Licht. Unser Hof, meine Eltern, der Tod vom Ätti.
„Aber, die Versicherung zahlt doch gar nicht bei … in solchen Fällen.“
Mutter wischt sich über die Augen und plötzlich wird ihre Stimme klar und fest.
„Wir haben ihn zurechtgemacht, ins Bett gelegt und dann Doktor Hofstettler angerufen.“
Ich lasse die Scheibenwischer laufen und sehe, wie Vater in der Tür steht. Mit einem frischen Stumpen zwischen den Zähnen schaut er ungerührt zu uns herüber. Kleine Rauchwölkchen steigen auf, werden vom Herbstwind verwirbelt.
„Ihr habt mich glauben lassen, der Ätti habe noch gelebt, nachdem ihr ihn vom Balken geschnitten habt.“
„Hat er ja auch, erst im Bett hat sein Herz aufgehört zu schlagen. Doktor Hofstettler hat den Brief gelesen, genickt und ohne zu Zögern den Totenschein ausgestellt. So konnten wir den Ätti würdig neben dem Hanni begraben."
Würdig begraben? Als ob sie dem Ätti sonst seine letzte Ruhestätte verwehrt hätten.
"Und die Versicherung?"
"Hat gezahlt, unser Hof war gerettet."
Schweigend starren wir vor uns hin, das Schruppen des Scheibenwischers ist das einzige Geräusch.

„Wir fliegen nächsten Monat nach Bali. Komm doch einfach mit?“ Keine Ahnung, was der spontane Gedanke gerade soll, aber es fühlt sich richtig an.
Mutter starrt durch die Seitenscheibe, dicke Tropfen ziehen ihre Bahnen und verschleiern die Sicht auf den Hof.
„Einfach mal die Sonne geniessen, am Strand spazieren. Wann warst du das letzte Mal am Meer?“
Sie dreht sich abrupt um.
„Aber Bueb, ich kann den Karl doch nicht alleine lassen.“
Ihr Blick lässt keinen Zweifel offen.
Ich lehne mich zu ihr rüber und nehme sie in die Arme.
„Schon gut, Mutter. Passt auf euch auf.“
Sie gibt mir einen Kuss auf die Backe und öffnet die Beifahrertür.
„Das werden wir. Schreib uns eine Karte aus Thailand.“
Ich starte den Wagen und rolle vom Hof. Im Rückspiegel sehe ich Mutter winken, Vater ist bereits verschwunden. Ein Schild bei der Abzweigung weist auf den Bau des letzten Zubringerstücks der A1 hin. Ich schüttle den Kopf und biege auf die Landstrasse Richtung Stadt ein.
Meine Gedanken sind gerade beim frisch gezimmerten Querbalken, als das Telefon klingelt. Ich schaue aufs Display und drücke die Freisprechtaste.
„Hallo Karin. Ja, ich bin auf dem Heimweg.“


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Glossar
Grosi = Grossmutter
Stöckli = kleineres Gebäude auf einer Hofstätte, das für die Altbauern errichtet wurde
Zweierli Roten = ein Glas (2dl) Rotwein
geschwellte = gekochte
Fleischvögel = Rinderrouladen
Niedle = Rahm
Miststock = Misthaufen
Znüni = Vesper zwischen Frühstück und Mittagessen

 

Hallo dot

In deiner Kurzgeschichte zeigst du uns zwei Tragödien in einer Familie mit vielen Parallelen. In beiden Fällen handelt es sich um den Niedergang der Hofbesitzer, verknüpft mit der existenziellen Angst, den Hof zu verlieren. Im einen Fall wegen Geldmangels, im anderen Fall wegen eines Bauprojektes und einer baldigen Zwangsenteignung.

Ich finde es eine schöne Idee, wie du die Schicksale mit dem Hof verknüpfst. Geht es hier eben nicht "nur" um ein Haus oder das Grundstück, sondern eben die Existenz. Und bevor man die verliert, wählt man lieber den "letzten Ausweg".

Subtil und ein wenig versteckt deutest du am Ende auch an, dass das Leben des Vaters dasselbe Ende nehmen wird wie das des Ättis:

Meine Gedanken sind gerade beim frisch gezimmerten Querbalken, als das Telefon klingelt.

Tja, hatte er da wohl wirklich nur Angst, dass ihm der morsche Balken auf den Kopf fällt? Oder braucht er aus einem anderen Grund den stabilen Balken? Damit würde sich dann der Kreis wieder schließen, obwohl der Tod den Hof dieses Mal auch nicht retten würde - wie beim letzten Selbstmord. Hier enden dann wohl auch die Parallelen, aber der Sohn hat ja ohnehin kein Interesse, den Hof weiterzuführen.

Wie gesagt gefällt mir die Idee - aber mir ist es nicht stringent genug erzählt. Die Geschichte hat in meinen Augen ein paar Längen, manchmal zerfasert sie fast, da war mir dann nicht klar, worauf du überhaut hinaus willst. Ich hatte manchmal den Eindruck, du willst da zu viel hineinpacken, und dann verlierst du den Fokus auf das Wesentliche. Der eigentliche Konflikt zwischen dem Erzähler und seinem Vater wird nicht ausgetragen, was dann immer etwas unbefriedigend ist.

Auch handwerklich lässt sich der Text noch im einen oder anderen Fall verbessern.

Das Hanni, auf Ewig dem Ätti Alfred versprochen, war eine bodenständige Frau,

Es macht die Geschichte authentisch, dass du sie mit Schweizerdeutschen Begriffen spickst. Dazu gehört wohl auch, Frauen mit dem neutralen Artikel zu benennen (macht man in manchen Regionen Deutschlands ja auch so), aber ich denke, hier müsste es "auf ewig" heißen.

Das Hanni, auf Ewig dem Ätti Alfred versprochen, war eine bodenständige Frau, selbst als der Ätti mit ihr ins Stöckli zog und den Hof dem Vater überliess, half sie weiter bei der Stall- und Haushaltsarbeit.

Hier würde ich unbedingt zwei Sätze draus machen.

„Das Alter“, sagte der Arzt. „Der Kummer“, sagte Mutter. „Musste wenigstens nicht lange leiden“, sagte Vater.

Vielleicht Absätze machen? Finde ich sonst ganz gut, weil du auch gleich die Figuren ein wenig charakterisierst.

„Der Versäuft noch seine ganze Rente.“

versäuft

Es war lange Dorfgespräch,

Das ist irgendwie so flapsig. Zwar ist die Geschichte größtenteils in so einem Ton verfasst, aber würde viel kaputtgehen, wenn du etwas schreibst wie: "Lange wurde im Dorf darüber gesprochen ..." oder so?

Der Ätti kommt ja hier wirklich als reiner Säufer rüber, der es irgendwann nicht mal mehr schafft, seine Frau auf dem Friedhof zu besuchen, sondern lieber in die nächste Kneipe tuckert. Bist du sicher, dass du ihn hier nicht zu negativ darstellst? Denn später kommt ja durch, dass es böse Konflikte mit seinem Sohn (also dem Vater des Erzählers) gab. Der Erzähler meint ja später sogar, dass der Ätti sich vielleicht deshalb das Leben genommen haben könnte. Das musst du besser vorbereiten, finde ich. Das ist eine schwere Anschuldigung, und für mich als Leser kam die aus der Luft. Hier hättest du Gelegenheit, das zu tun, aber hier stellst du den Vater des Erzählers ja so hin, als hätte er den Ätti immer in Schutz genommen und ihm im schlimmsten Fall gerade mal eine Woche Traktorverbot gegeben.

„Franz, raus! Mach dass du weg kommst.“

wegkommst

Heute weiss ich, es war zum ersten Mal so etwas wie Hilflosigkeit.

Ich würde es mit dem "so etwas wie" nicht abschwächen. Wenn es nicht Hilflosigkeit selbst war, gibt es vielleicht ein besseres Wort, das du stattdessen verwenden könntest, aber eigentlich trifft es das ganz gut. Denn Hilflosigkeit ist ja ein zentrales Motiv deiner Geschichte. Hilflosigkeit gegenüber der Armut, gegenüber der Regierung, gegenüber dem Ehemann oder dem Vater. Ich würde das nicht abschwächen hier.

Mit gesetztem Blinker überhole ich einen schleichenden Lastwagen.

Du musst auf die Zeiten achten, du bist an manchen Stellen durcheinander gekommen. Hier bist du versehentlich ins Präsens gerutscht. Ich würde die Geschichte durchgehend im Präteritum erzählen, jetzt hast du da irgendwie einen komischen Mix drin.

Schlachtvieh. Auf der Seitenwand ein lachender Kuhkopf.

Spielt das eine Rolle? Würde es weglassen, der Dialog mit der Mutter ist interessanter.

„Oder hat er es einfach nicht mehr ausgehalten? Hat er vielleicht dich nicht mehr ausgehalten?«

Das ist so eine Stelle, die nicht gut vorbereitet ist. Wo kommt dieser Vorwurf her? Ich dachte, da kommt vielleicht später eine Erklärung, und du schreibst zwar, der Vater habe ein strenges Regime geführt auf dem Hof - aber dafür gibt es zu wenig Belege in der Geschichte. Die Strenge beim Mittagessen, die eine Ohrfeige - das reicht mir nicht, um hier den gefürchteten Patriarchen zu sehen, der er sein soll. Und es reicht auch nicht, zu denken, der Großvater habe sich deshalb umgebracht. Wenn dass der Grund sein soll, dann musst du den Vater anders darstellen.

Ich schaue noch einmal zu dem frisch verbauten Balken, einen kurzen Moment sehe ich wieder die polierten Lackschuhe, darüber den Sonntagsanzug. Aus der rechten Jackentasche lugt ein Zettel heraus. Vater hat ihn an sich genommen, als sie zusammen am Boden lagen. Die Erinnerung machte mich schwindelig, Vaters Blick, die Ohrfeige, der Zettel aus Ättis Tasche. »Ein Zettel? Keine Ahnung, was du meinst«, pflegte Vater meine Fragen abzuwürgen. Vielleicht war es tatsächlich nur die Einbildung eines verschreckten Kindes.

Hier sind die Zeiten auch durcheinander gekommen. "lugt" müsste Vergangenheit sein, "die Erinnerung machte mich schwindlig" eigentlich Präsens. Ich finde es auch keine gute Idee, den Zettel hier erst einzuführen. Warum wartest du damit so lange, warum zeigst du uns das nicht schon zu Beginn, bei der ersten Erinnerung? Hat das dramaturgische Gründe? Ich finde den Zettel ein gutes Spannungsmoment und würde ihn früher bringen.

Eigentlich will ich nicht ins Haus, will nicht wie früher zwischen Tisch und Wand sitzen, bis Mutter die Fleischvögel aufträgt und Vater nach dem Käse verlangt, dabei aber keinen Mucks duldete, denn im Radio liefen die Zwölfuhrdreissig Nachrichten.

Zeiten ("duldet") :)

Das finde ich eben jetzt nicht übermäßig streng, dass der Vater in Ruhe seine Nachrichten hören will.

Als Kind lebte ich gerne auf unserem Hof, obwohl die Arbeit nach der Schule hart war.

Diesen Abschnitt würde ich nicht hier bringen. Das sind die angesprochenen Längen. Ich hab mich darauf gefreut, dass jetzt endlich beim Essen der lange schwelende Konflikt ausgetragen wird, dann schwenkst du wieder in die Vergangenheit. Komm zum Punkt an der Stelle. Lass die Figuren den Konflikt austragen.

Kartoffeln und Käse genügten ihm, um satt zu werden.

Genügt das nicht jedem Menschen, um satt zu werden? Dem normalen Schweizer reicht doch schon Brot und Käse, oder nicht :)?

Es musste etwa in der sechsten Klasse gewesen sein, da mussten meine Eltern wegen irgendeiner Sache mit dem Hof in die Stadt fahren

Das 2x musste klingt nicht gut.

Karins Vater schaute mich mit erhobenem Zeigfinger streng an,

Zeigefinger

wie Herr Guggenbühl mit uns Knallgas herstellte und danach das ganze Zimmer nach faulen Eiern gerochen hatte

Das ist mir auch alles wieder zu abschweifend. Bleib bei deinen drei Figuren, das würde die Geschichte wirklich interessanter machen. Mein Chemie-Unterricht ist lange her, aber was hat die Herstellung von Knallgas mit Schwefel zu tun?

Erst nachdem Vater wortlos aufgestanden und sich in der Stube aufs Sofa gelegt hatte,

aufgestanden war

Es ist, als wär ich nie weggewesen.

weg gewesen

„Warum hat er sich damals aufgehängt? Sicher nicht nur wegen seinem Hanni?“

Hier sind wir jetzt fast am Ende der Geschichte, aber ich kann dem Erzähler nicht folgen. Ich habe bislang keinen anderen Grund herauslesen können.

Erneut greift Mutter in die Schürze und zieht einen vergilbten, zerknitterten Zettel aus der Tasche.

Den trägt sie in ihrer Küchenschürze herum?

„Ihr habt mich glauben lassen, der Ätti habe noch gelebt, nachdem ihr ihn vom Balken geschnitten habt.“

Vielleicht ist mir das entgangen, aber auch die Info war zu diesem Zeitpunkt neu für mich.

Mir wird bewusst, dass tatsächlich der Kummer über den Verlust seines Hannis der wahre Grund für Ättis Selbstmord war.

Davon bin ich den ganzen Text über ausgegangen, du beschreibst es zu Beginn ja auch genau so. Warum also dann die Überraschung des Erzählers?

Und doch ist es keine Ausrede für sein jahrelanges Patriarchat.

Das kommt mir eben zu wenig rüber im Text. Du behauptest es hier zwar, aber dafür, dass es dann so weitreichende Konsequenzen hat - immerhin denkt der Erzähler, der Vater habe sich mitschuldig am Tod des Großvaters gemacht - ist es nicht klar genug für mich.

„Gut, Mutter. Es ist dein Leben, du musst damit klar kommen. Passt auf euch auf.“

klarkommen

Das finde ich jetzt schon einen ziemlich lapidaren und kalten Abschied. So kam der Erzähler bislang gar nicht rüber. Dass er einfach zur Mutter sagt: "Es ist dein Leben, du musst damit klarkommen." Finde ich keinen schönen Abschied. Auch dass es keine Aussprache mehr mit dem Vater gibt, hat mir nicht so gut gefallen.

Also dot, wie gesagt, Idee gefällt mir gut, auch das Setting mit dem Hof in der Schweiz ist schön gewählt und es kommt auch authentisch rüber. Trotzdem hat mich die Geschichte aus den genannten Gründen nicht ganz überzeugen können. Ich würde sie wirklich etwas "kompakter" erzählen und den Schwerpunkt mehr auf die Dominanz des Vaters richten, unter der alle anderen auf dem Hof zu leiden haben.

Wünsche dir ein schönes restliches Jahr und einen guten Rutsch,
Schwups

 

Hallo dotslash

im Grunde hat die Geschichte alles, um richtig gut zu sein. Einen durchdachten und atmosphärischen Anfang, das Bergbauernsidyll in der Schweiz (weiß auch nicht, aber da wird einem gleich romantisch), die altertümlichen Namen, die niedlichen Schweizer Ausdrücke (die ich nicht verstehe, aber irgendwie auch gar nicht nachschlagen will), die Beschwörung der kleinen Welt, des vertrauten Zusammenseins in der Familie (es beruhigt uns moderne Menschen ja ungemein, dass sich über all die Jahre nichts verändert), einen Stil, der die Figuren sofort und mit wenigen Worten nahe bringt, ein Konflikt, der an der Grundlage des Idylls wackelt ...
Wegen all dem lese ich die Geschichte mit Genuss und wirklich gern.
Nur mit dem Schluss machst du halt alles zunichte, was du zuvor mühsam und kunstvoll aufgebaut hast. Das ist wie ein Schlag ins Gesicht. Er hat seinem Vater gar nichts zu sagen und seiner Mutter auch nur, dass sie eben selbst zurecht kommen muss und selbst der Anruf bei seiner Frau wirkt distanziert. Vielleicht war das ja deine Absicht, aber wenn das so war, hättest du deinen Protagonisten zuvor anders zeichnen müssen. Du lässt die Eltern-Kind-Geschichte völlig im Dunkeln (außer, dass er den Betrug gesehen hat). Eine Auflösung fehlt, nicht einmal ein richtig offener Schluss bleibt. Du lässt es einfach ausklingen.

„Aber Bueb, ich kann den Karl doch nicht alleine lassen.“
Ihr Blick lässt keinen Zweifel offen.
„Gut, Mutter. Es ist dein Leben, du musst damit klar kommen. Passt auf euch auf.“
Sie gibt mir einen Kuss auf die Backe und öffnet die Beifahrertür.
„Das werden wir. Schreib uns eine Karte aus Thailand.“
Ich starte den Wagen und rolle vom Hof. Im Rückspiegel sehe ich Mutter winken, Vater ist bereits verschwunden. Ein Schild bei der Abzweigung weist auf den Bau des letzten Zubringerstücks der A1 hin. Ich schüttle den Kopf und biege auf die Landstrasse Richtung Stadt ein.
Meine Gedanken sind gerade beim frisch gezimmerten Querbalken, als das Telefon klingelt. Ich schaue aufs Display und drücke die Freisprechtaste.
„Hallo Karin. Ja, ich bin auf dem Heimweg.“
das markierte könntest du im Grunde weg lassen, dann hast du einen offenen Schluss

„Der versäuft noch seine ganze Rente.“

Sprachlich gefällt es mir, da habe ich nichts anzumerken, was nicht schon angemerkt wäre...

viele Grüße
und einen guten, inspirierten Start ins neue Jahr
Isegrims

 

Hallo dotslash,

Schwups hat ja schon einige Fehler aufgelistet, also nur noch ein Hinweis:

„Franz, raus! Mach dass du weg kommst.“
Ich würde vor das dass ein Komma setzen. Es gibt im Internet beide Versionen, aber da Du im vorherigen Satz ein Komma setzt, würde ich es hier auch setzen.

Was soll ich zu der Geschichte sagen? Sie ist halt keine Heile-Welt-Geschichte, in der Vater und Sohn schließlich wieder zueinander finden. Ich habe mich schon gefragt, was denn geschehen würde, wenn auch die Mutter vor dem Vater stirbt. Ob er sie auch vermissen würde? Jedenfalls scheint er keine Hemmung zu haben, ohne Rücksicht auf seine Frau aus dem Leben zu scheiden - der Hof ist ihm halt wichtig. War der Hof dem Vater auch damals so wichtig, dass der Ätti nur eine Lösung sah? Ich komme bei meiner Betrachtung zu dem Schluß, dass sich die beiden kaum ähneln und ich frage mich schon, was da in Kindheit und Jugend des Vaters geschehen ist, dass er so ein sturer Egozentriker geworden ist.

Liebe Grüße

Jobär

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Schwups

Danke für deine detaillierte Textbesprechung.
Ich bin froh, dass dir Idee und Setting gefallen haben und der subtile Wink mit dem Dachbalken aufgefallen ist, der war schon so gewollt.
Bezüglich der Zeitform wollte ich tatsächlich mit dem Präteritum die Geschichte im hier und jetzt erzählen, um sie von den Rückblenden zu unterscheiden. Das scheint mir, wie deine Korrekturhinweise offenlegen, wohl nicht ganz gelungen zu sein. Alles im Präteritum zu erzählen wäre denkbar, doch ich hatte mir quasi die Aufgabe gestellt, einen Versuch gewagt, mit den Zeiten zu spielen. So möchte ich (natürlich korrigiert) vorerst daran festhalten, mal schauen, was andere dazu sagen.

Schwups schrieb:
Der eigentliche Konflikt zwischen dem Erzähler und seinem Vater wird nicht ausgetragen, was dann immer etwas unbefriedigend ist.
Da ist man als Autor oft betriebsblind, ich habe das gespannte Verhältnis zwischen Vater und Erzähler bereits so verinnerlicht, dass mir die kleinen Anspielungen Konflikt genug waren. Das reicht dem Leser natürlich nicht, da muss ich tatsächlich noch etwas aus-, bzw. nachholen.

Schwups schrieb:
Es macht die Geschichte authentisch, dass du sie mit Schweizerdeutschen Begriffen spickst. Dazu gehört wohl auch, Frauen mit dem neutralen Artikel zu benennen (macht man in manchen Regionen Deutschlands ja auch so), aber ich denke, hier müsste es "auf ewig" heißen.
Stimmt, die Idee war, bei den Rückblenden und der Fokusierung auf die älteren Begebenheiten, sich etwas an der Sprache Gotthelfs anzulehnen. Heute würde niemand mehr seine Frau mit "das Hanni" betiteln. Ausser vielleicht im Wallis ... ;)
Zwei Sätze/auf ewig ist korrigiert.

Schwups schrieb:
„Das Alter“, sagte der Arzt. „Der Kummer“, sagte Mutter. „Musste wenigstens nicht lange leiden“, sagte Vater.
Vielleicht Absätze machen? Finde ich sonst ganz gut, weil du auch gleich die Figuren ein wenig charakterisierst.
Das verstehe ich jetzt nicht. Bei mir erscheinen die drei Sätze bereits untereinander. Ich habe mal die Leerzeichen hinter den Punkten gelöscht, vielleicht hatte das ja die Auswirkung auf gewisse Browser, die Zeilen zu verbinden.


Schwups schrieb:
Das ist irgendwie so flapsig. Zwar ist die Geschichte größtenteils in so einem Ton verfasst, aber würde viel kaputtgehen, wenn du etwas schreibst wie: "Lange wurde im Dorf darüber gesprochen ..." oder so?
Nein, flapsig soll die Geschichte nicht rüber kommen, deshalb: Gekauft, danke.

Schwups schrieb:
Der Ätti kommt ja hier wirklich als reiner Säufer rüber, der es irgendwann nicht mal mehr schafft, seine Frau auf dem Friedhof zu besuchen, sondern lieber in die nächste Kneipe tuckert.
[...]
Das musst du besser vorbereiten, finde ich. Das ist eine schwere Anschuldigung, und für mich als Leser kam die aus der Luft. Hier hättest du Gelegenheit, das zu tun, aber hier stellst du den Vater des Erzählers ja so hin, als hätte er den Ätti immer in Schutz genommen und ihm im schlimmsten Fall gerade mal eine Woche Traktorverbot gegeben.
Betriebsblindheit II.
Tatsächlich wird der Ätti da recht plakativ auf den depressiven Säufer reduziert. Ich sehe, da muss ich ebenfalls nach legen, danke fürs Aufzeigen.

Schwups schrieb:
Heute weiss ich, es war zum ersten Mal so etwas wie Hilflosigkeit.
Ich würde es mit dem "so etwas wie" nicht abschwächen.
Stimmt, ich streiche das.

Schwups schrieb:
Mit gesetztem Blinker überhole ich einen schleichenden Lastwagen.
Du musst auf die Zeiten achten, du bist an manchen Stellen durcheinander gekommen. Hier bist du versehentlich ins Präsens gerutscht. Ich würde die Geschichte durchgehend im Präteritum erzählen, jetzt hast du da irgendwie einen komischen Mix drin.
Wie bereits oben erwähnt, ich möchte daran festhalten, korrigiere aber die falschen Zeitformen.

Schwups schrieb:
Schlachtvieh. Auf der Seitenwand ein lachender Kuhkopf.
Spielt das eine Rolle? Würde es weglassen, der Dialog mit der Mutter ist interessanter.
Gehört wohl auch in die Kategorie "zu viel hineinpacken? War so ein ironischer Nebengedanke beim Schreiben, fands irgendwie passend, aber klar, kann weg.

Schwups schrieb:
„Oder hat er es einfach nicht mehr ausgehalten? Hat er vielleicht dich nicht mehr ausgehalten?«
Das ist so eine Stelle, die nicht gut vorbereitet ist.
[...]
Die Strenge beim Mittagessen, die eine Ohrfeige - das reicht mir nicht, um hier den gefürchteten Patriarchen zu sehen, der er sein soll. Und es reicht auch nicht, zu denken, der Großvater habe sich deshalb umgebracht. Wenn dass der Grund sein soll, dann musst du den Vater anders darstellen.
Somit liegt der Knackpunkt in der fehlenden Darstellung des jahrelangen Vater/Sohn-Zwist.

Schwups schrieb:
[...]Ich finde es auch keine gute Idee, den Zettel hier erst einzuführen. Warum wartest du damit so lange, warum zeigst du uns das nicht schon zu Beginn, bei der ersten Erinnerung? Hat das dramaturgische Gründe? Ich finde den Zettel ein gutes Spannungsmoment und würde ihn früher bringen.
Ich hatte den Zettel schon von anfang an im Sinn. Betriebsblindheit III.
Nein, danke für den Tipp, der Zettel sollte tatsächlich ein (weiteres) Spannungselement sein, aber wenn man ihn bereits früher bringt, jo, macht Sinn.

Schwups schrieb:
Als Kind lebte ich gerne auf unserem Hof, obwohl die Arbeit nach der Schule hart war.
Diesen Abschnitt würde ich nicht hier bringen. Das sind die angesprochenen Längen. Ich hab mich darauf gefreut, dass jetzt endlich beim Essen der lange schwelende Konflikt ausgetragen wird, dann schwenkst du wieder in die Vergangenheit. Komm zum Punkt an der Stelle. Lass die Figuren den Konflikt austragen.
Das klingt gut, da setzte ich an.

Schwups schrieb:
Genügt das nicht jedem Menschen, um satt zu werden? Dem normalen Schweizer reicht doch schon Brot und Käse, oder nicht ?
Immer diese Klischees, ts, ts, ts. :D

Schwups schrieb:
Erneut greift Mutter in die Schürze und zieht einen vergilbten, zerknitterten Zettel aus der Tasche.
Den trägt sie in ihrer Küchenschürze herum?
Dramaturgische Freiheit :p
Den hat sie sich im Haus eingesteckt, bevor sie den Franz zum Auto begleitete, wollte das ganze nicht vor Vater offenlegen. Wird nachgereicht.

Schwups schrieb:
[...]Ich würde sie wirklich etwas "kompakter" erzählen und den Schwerpunkt mehr auf die Dominanz des Vaters richten, unter der alle anderen auf dem Hof zu leiden haben.
Das nehme ich mit in die Überarbeitung.

Danke für dein konstruktives Feedback.
Ebenfalls einen guten Rutsch.

Liebe Grüsse,
dot

***

Hallo isegrims

isegrims schrieb:
im Grunde hat die Geschichte alles, um richtig gut zu sein. Einen durchdachten und atmosphärischen Anfang, das Bergbauernsidyll in der Schweiz (weiß auch nicht, aber da wird einem gleich romantisch), die altertümlichen Namen, [...]
Wegen all dem lese ich die Geschichte mit Genuss und wirklich gern.
Danke dir dafür, scheinbar habe ich in dem Bereich schon mal alles richtig gemacht.

isegrims schrieb:
Nur mit dem Schluss machst du halt alles zunichte, was du zuvor mühsam und kunstvoll aufgebaut hast. Das ist wie ein Schlag ins Gesicht. Er hat seinem Vater gar nichts zu sagen und seiner Mutter auch nur, dass sie eben selbst zurecht kommen muss und selbst der Anruf bei seiner Frau wirkt distanziert. Vielleicht war das ja deine Absicht, aber wenn das so war, hättest du deinen Protagonisten zuvor anders zeichnen müssen.
Auch Schwups hat die Mängel in der Vorgeschichte, dass der Sohn ein zerrüttetes Verhältnis mit dem Vater hat, bereits gut aufgezeigt.
Ohne den geschwärzten Teil würde mir eine wichtige Aussage der Geschichte fehlen, alleine den Hintergrund für das Verhalten des Sohns muss ich noch besser herausarbeiten.

isegrims schrieb:
Sprachlich gefällt es mir, da habe ich nichts anzumerken, was nicht schon angemerkt wäre...
Das freut mich, auch dir wünsche ich einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Liebe Grüsse,
dot

***

Hallo jobär

Dein Kommentar deckt sich mit der Einschätzung der Vorredner, dass die Kindheit besser ausgeleuchtet werden muss.

jobär schrieb:
Was soll ich zu der Geschichte sagen? Sie ist halt keine Heile-Welt-Geschichte, in der Vater und Sohn schließlich wieder zueinander finden. Ich habe mich schon gefragt, was denn geschehen würde, wenn auch die Mutter vor dem Vater stirbt. Ob er sie auch vermissen würde?
Der Vater ist ein alter sturer Bock, aber nicht herzlos.

jobär schrieb:
War der Hof dem Vater auch damals so wichtig, dass der Ätti nur eine Lösung sah?
Wie Schwups bereits schön erkannte, da geht es um die Existenz, nicht um den Hof. Dem Ätti war das Fortbestehen der Familie wichtig, der Vater Karl war da nicht die Triebkraft.
Doch seit der Ätti ihm den Hof so tragisch übergeben hat, war es fortan das höchste Ziel, ebenfalls die Existenz des Hofs, und damit das Familienerbe am Leben zu halten.

Komma habe ich gesetzt.
Ich danke dir für deine wertvolle Rückmeldung.

Liebe Grüsse,
dot


[Edit: Hallo Wintersfrau, danke für deine Interpretation, die deckt sich erstaunlich gut mit meiner Intention.
Schön, dass trotz mageren Hintergrundinfos das Ganze zu funktionieren scheint.
Werde dir noch detailliert antworten.]

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo dotslash ,

ich finde du fängst das Ländliche sehr schön ein. Für mich als Stadtkind kommt das sehr authentisch. Auch die kleinen Sprengel aus der Kindheit/ Jugend finde ich gelungen gesetzt. Die Erinnerung mit dem Kalben und den Katzenbabies.
Beim Kalben gefällt mir, dass du von den feuchten Augen des Vaters sprichst. Das zeigt sehr gut, in welcher Welt er lebt.

Auch wie der Großvater seinen letzten Lebensabschnitt verbracht hat, bringst du mit sehr schönen Bildern rüber. Ein bisschen Humor lugt durch, aber vor allem wird der Kummer sehr schön gezeichnet.
(Als der Traktor weg ist, wird eben zur Kneipe gelaufen ...)

Finde, du zupfst auch ganz gekonnt an dem Spannungsbogen. Die Auflösung kommt nicht mit einem lauten Knall daher, aber deine Geschichte ist ja insgesamt eine der ruhigen Töne und deswegen passt das für mich ganz wunderbar. Außerdem finde ich das eine psychologisch stimmige Auflösung. Also dass er sich da nicht trennen kann von, wo der Hof quasi mit dem Tod seines Vaters bezahlt worden ist ...

Also ich brauchte einen Moment, um mich auf die Geschichte einzulassen, dann aber hat sie mich warm eingefangen.
Am Ende weiß man nicht, wer von deinem Personal einem mehr leid tut. Alle Figuren sind Verlierer. Zum Vater brauch ich nicht viel zu sagen. Die Mutter kommt nicht aus ihrer Rolle heraus und fristet weiter ihr trauriges Dasein. Dein Ich-Erzähler hat nichts erreicht und ihm bleibt nur die Abkehr.
Auf allen Ebenen traurig. Über das vorgeschlagene offene Ende würde ich nachdenken.

„Der ersäuft noch seine ganze Rente.“
gewolltes Wortspiel?

„Ja geht schon, Bueb. Wir schlagen uns durch“, klang ihre aufgewühlte Stimme.
kann man das so sagen?

Die gebrannte Creme schmeckt scheisse, vielleicht ist die Niedle ja sauer geworden.
kippt aus dem Ton

gerne gelesen :)

Komm gut ins Neue Jahr :anstoss:

grüßlichst
weltenläufer

Nachtrag: habe ich beim ersten Komentieren vergessen. Du könntest darüber nachdenken, eine stärkere Hookline an den Anfang zu setzen. Die hast du ja schon, nur eben erst im zweiten Satz. Ich denke, damit fängst du mehr Leser mit ein:

Da hat er gehangen, am Querbalken der Scheune. Grossvater Alfred, von allen nur Ätti genannt.

 

Hallo Wintersfrau

Erst einmal, sie gefällt mir. Ich mag die Atmosphäre, die du in der Geschichte aufbaust, mag den Dialekt und den Ort, den Bauernhof, als Hauptplatz der Geschehnisse.
[...]
Man kann sich sowieso sehr gut in die einzelnen Personen hineinfinden.
Das hört man gerne, danke dir.

Ab der Stelle, als du den neuen Balken erwähnst, war ich irgendwie in Hab-Acht-Stellung. Sollte dem Vater das gleiche Schicksal blühen, wie Ätti,
[...]
Hier an der Stelle schreibst du dann auch: "Meine Gedanken sind gerade beim frisch gezimmerten Querbalken, als das Telefon klingelt.
Eine schöne "Fährte" hast du da gelegt."
Freut mich, dass der Wink mit dem Dachbalken funktioniert hat.

Für mich ist das wie eine Art cut. Der Sohn hat den letzten Versuch unternommen, doch noch mit seinem Vater und seiner Mutter ins Reine zu kommen.
Er hat aber auch begriffen, dass er einfach nichts mehr erreichen kann.

Für mich nimmt er nun endgültig Abschied von seinem Vater.

Bis auf den letzten Satz gehe ich mit dir absolut einig, alleine der Abschied vom Vater, der fand schon vor längerer Zeit statt, die beiden können einfach nicht miteinander.

Schön, finde ich den letzten Satz noch, in dem du von seinem Heimweg schreibst. Er fährt in sein Heim.
Nicht, zurück in sein Haus, oder in seine Wohnung, nein in etwas, was ihm Geborgenheit bietet,
Das hast du jetzt schön gesagt.

Das einzige, was mir auffällt ist die Ehefrau. Sie kommt doch sehr plötzlich in das Geschehen herein, aber vielleicht auch wieder unter dem Aspekt, dass der Sohn nun mit seinem Elternhaus abschließt, gewollt von dir.
Ja, das war gewollt. Er hat inzwischen sein eigenes (funktionierendes) Leben, so ganz unverhofft kam sie ja nicht in die Geschichte, Karin war seine Jugendfreundin. ;)

Der Tippfehler ist korrigiert.

Danke fürs Lesen und Gutfinden.
Liebe Grüsse,
dot

 

Hey dot

Vor allem die Atmosphäre deiner Geschichte hat es mir sehr angetan. Du schaffst es mit gut gewählten Details eine Stimmung zu generieren, die mich das Geschehen an Ort und Stelle miterleben lässt. Wirklich wunderbar. Ich bin noch nicht lange wach und ich dachte, vielleicht liegt's an mir. Aber dann sah ich, dass es Schwups ähnlich empfunden hat: Die Geschichte war mir ingesamt zu wenig stringent erzählt - also nicht die einzelnen Passagen, da hatte ich nie das Gefühl, man müsse kürzen. Aber die Montage der Elemente hat es für mich schwierig gemacht, neben den einzelnen Szenen und Bildern auch die Geschichte zu geniessen. Vielleicht hast du mal Lust, ein wenig herumzuexperimentieren und zu schauen, wie die Story daherkommt, wenn sie linearer erzählt ist. Auf der anderen Seite: Die von dir gewählte Abfolge von Szenen und Erinnerungen macht ja auch einen guten Teil der Stimmung aus.

Was mir noch aufgefallen ist:

Mit schiefem Kopf, die blaue Zunge seitwärts aus dem Mund, Augen nach oben verdreht, das Seil um den Hals.

Den letzten Teilsatz würde ich streichen, er bringt keine neue Information.

. Selbst als der Ätti mit ihr ins Stöckli zog und den Hof dem Vater überliess, half sie weiter bei der Stall- und Haushaltsarbeit.

Klingt etwas technisch. Vielleicht einfach: „… half sie weiter im Stall“.

Dafür litt der Ätti. Jeden Freitag tuckerte er auf seinem geliebten Hürlimann zu Hanni auf den Friedhof und danach auf ein Zweierli Roten in den Ochsen. Später fuhr er nur noch zum Ochsen, dafür täglich. Ein Zweierli reichte schon lange nicht mehr.

Mit wenigen Worten sehr viel gesagt. Eine wunderbare Passage!

Beim Umladen im Futtersilo fünf Meter runtergefallen[,] das Bein zog er fortan etwas nach.

Es dauert etwas, bis der Ursache die Wirkung folgt. Daher würde ich hier einen Punkt setzen.

„Der ersäuft noch seine ganze Rente.“

Du meinst „versäuft“, oder?

Eigentlich will ich nicht ins Haus, will nicht wie früher zwischen Tisch und Wand sitzen, bis Mutter die Fleischvögel aufträgt und Vater nach dem Käse verlangt, dabei aber keinen Mucks duldete, denn im Radio liefen die Zwölfuhrdreissig Nachrichten.

Da sind die Zeiten durcheinandergeraten.

Nicht mit euch, nein, mit dir [,] Mutter.

Mutter zuliebe absolvierte ich eine vierjährige Bauernlehre, doch den Hof übernehmen, das wollte ich nie. Die Welt bereisen, das war mein Traum, all die Länder aus Mutters Gutenachtgeschichten, und nach der Sache mit dem Ätti fiel das Atmen auf dem Hof immer schwerer. Mein Entschluss stand fest, ich wollte Pilot werden. Dabei erlitt ich bereits kurz nach dem Start mein persönliches Grounding, eine Sehschwäche warf mich aus dem Rennen, stattdessen bewarb ich mich als Reiseleiter und so erreichte ich mein Ziel doch noch. Ganz zum Missfallen meines Vaters.

Ich weiss nicht, ob die Passage nötig ist. Ich fände es schöner, wenn das Missfallen über den Lebensweg – z.B. in einem Dialog – gezeigt oder angedeutet würde.

Mir wird bewusst, dass tatsächlich der Kummer über den Verlust seines Hannis der wahre Grund für Ättis Selbstmord war. Vater hatte sich demnach in seinen Hof verbissen, den ihm sein Vater mit dieser Verzweiflungstat vererbt hat. Und doch ist es keine Ausrede für sein jahrelanges Patriarchat.

Die Passage fand ich unnötig erklärend.

Ich habe deinen Text gern gelesen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber dot,

nicht immer war früher alles besser :Pfeif: - du zeigst uns das in einem bildhaft gut erzählten Familiendrama aus der Schweiz. Beim Aufbau der einzelnen Szenen geht es mir wie Schwups und Peeperkorn, dass mir das stringente fehlt. Da komme ich nochmal darauf zurück.

Obwohl ich als Süddeutsche dem Schweizerdeutschen sehr nahe bin, kenne ich einige Ausdrücke auch nicht. Ich fände es sehr informativ und zuvorkommend, wenn du am Ende der Geschichte einen kleinen Anhang in Form einer Übersetzungsliste präsentieren würdest.
Ich notiere hier mal, was ich übersetzen würde:
Grosi
Zweierli
geschwellte Kartoffeln
Fleischvögel
Niedle


Die Erinnerung ist präsent, als hätte mir jemand ein Polaroid ans Hirn geklebt.
Das finde ich ein komisches Bild. An die Stirn, vor die Augen, alles okay - aber ans Hirn - da stelle ich mir einen offenen Schädel vor :shy:
Vater stemmte den leblosen Körper hoch, Mutter säbelte mit einem Fuchsschwanz am Strick herum.
säbeln scheint mir da nicht so zu passen -das ist ja eine Säge, damit kann man ja keine Stiche oder Schläge auf den Strick ausüben, da muss sie daran rumsägen, rupfen, ich weiß nicht. Ich denke aber, dass man mit einem Fuchsschwanz ganz schlecht einen Strick auseinanderbekommt. Die Zacken sind zu grob, das Seil doch nicht so straff, dass sie da wirklich genung Gegenzug hat.Ich würde ihr ein großes Küchen- oder Sackmesser in die Hand geben.

Ein rot eingefärbtes Hanfseil, dreifachverdrillt, ohne Zweifel das Seil vom Ätti. Sein Gesellenstück, hing immer über der Drehbank in der Werkstatt, gleich neben dem Bild der Greta Garbo.
Er war Seiler? Lenkt das nicht zu sehr ab, es geht doch um den Hof.


Mutter machte sich für ihn stark, dass er nicht ins Heim musste. „Eher würde ich mich aufhängen“, hatte er bei der Rückkehr aus dem Spital gesagt und mit einer Krücke gegen den Dachbalken geklopft.
Das passt aber gar nicht so recht in die heimatliche Situation, dass der ins Heim soll :confused:


„Der ersäuft noch seine ganze Rente.“
versäuft

Lange wurde im Dorf darüber gesprochen, wie der Ätti mit seinem geliebten Hürlimann den direkten Weg über Bauer Hubers frisch bestelltes Rapsfeld genommen hat, nur damit er nach seiner ausgiebigen Ochsentour nicht an der Polizeistation vorbei musste.
:D

Huber tobte, hatte irgendetwas von Ernteausfall gepoltert, mein Vater hatte gezahlt und der Ätti bekam eine Woche Traktorverbot.
Jetzt mal im Ernst, dot: eine Woche Traktorverbot? das ist lächerlich.

Ich war gerade unterwegs auf der A1 Richtung Zürich-Flughafen, da schaute ich aufs Display und drückte die Freisprechtaste. Es klingelte drei Mal, dann ein Knacken.
wieso wird das Displayanschauen erwähnt? ist unnötig.

Das ABS ratterte, die elektronische Lenkhilfe behielt den Wagen in der Spur, Technik und Mensch verhinderten gemeinsam den Aufprall.
das liest sich wie in einer Fachzeitschrift, bitte weniger distanziert und sachlich

Einen kalten Stumpen im Mundwinkel, er war alt geworden.
Der Stummel ist alt geworden? ;)
„Oder hat er es einfach nicht mehr ausgehalten? Hat er vielleicht dich nicht mehr ausgehalten?"
Das hat mich irritiert, weil man vorher überhaupt nicht wahrgenommen hat, dass der Vater so ein Ekel sein soll. An dem musst du noch mal nachlegen.


Mein Entschluss stand fest, ich wollte Pilot werden. Dabei erlitt ich bereits kurz nach dem Start mein persönliches Grounding, eine Sehschwäche warf mich aus dem Rennen, stattdessen bewarb ich mich als Reiseleiter und so erreichte ich mein Ziel doch noch. Ganz zum Missfallen meines Vaters.
Würde ich einkürzen:

Ich bewarb mich als Reiseleiter, ganz zum Missfallen meines Vaters.


Es war in der sechsten Klasse, da mussten meine Eltern wegen irgendeiner Sache mit dem Hof in die Stadt fahren und ich durfte bei Karin Gubler vom Nachbarhof zu Mittag essen. Ich hatte gerade einen gefüllten Teller vorgesetzt bekommen und begann mir Erbsen in den Mund zu schieben, da rief Karins kleiner Bruder: "Mama, warum darf Franz schon essen?"
Karins Vater schaute mich mit erhobenem Zeigefinger streng an, doch sein Lachen verriet, dass es wohl nicht ganz so schlimm war. Ich kaute verlegen auf meinen Erbsen herum und Karin grinste.
Als Frau Gubler ihre Schürze ablegte und sich setzte, riefen alle gleichzeitig: "Einen Guten miteinander." Und dann begann ein geschäftiges Treiben. Beat schaufelte in sich hinein und erzählte mit vollem Mund, wie der Max vom Lehrer einen Schwamm an den Kopf bekommen hatte, Karin schenkte mir Wasser nach und erzählte aus unserer Schulstunde, wie Herr Guggenbühl mit uns Knallgas herstellte und danach das ganze Zimmer nach faulen Eiern gerochen hatte. Karins Mutter lachte und der Vater schüttelte belustigt den Kopf.
„Irgendwann jagt der Guggenbühl noch das ganze Schulhaus in die Luft.“
Es war eines meiner schönsten Mittagessen.
Würde ich komplett streichen, da auch ohne diesen Absatz klar wird, dass es beim Protagonisten daheim nicht so liebevoll zu geht. Das ist zwar sehr schön geschrieben, aber nimmt eben die Stringenz aus der Geschichte.

Erneut greift Mutter in die Schürze und zieht einen vergilbten, zerknitterten Zettel aus der Tasche.
den sie seit Jahren mit sich rumträgt :D
mach da eine andere Szene draus oder lass dir was einfallen.
Und doch ist es keine Ausrede für sein jahrelanges Patriarchat.
Da will ich noch was drüber wissen, besonders, wenn der auch schlimm gegen den Ätti war.

Du hast manchmal im Text Behauptungen aufgestellt, (Patriarch), die du mal zeigen musst. Dass der Vater so ein Arsch sein soll, kommt überhaupt nicht richtig raus, außer bei der Radioszene. Ich würde an deiner Stelle den kompletten Text nochmal mit der Frage durchlesen, ob es das eine oder andere als Info überhaupt geben muss.

Aber trotz den Kritikpunkten habe ich die KG sehr gerne gelesen und der Plot ist auch kurzweilig. Die Entscheidung vom Ätti gefällt mir, das war einfach pragmatisch - er ist bei seiner Frau und die anderen haben wieder Geld :D.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hey dot,

meine Güte, was hier alles so an Geschichten abgeliefert worden ist ... ich werde wohl losen müssen oder so :).

Deine kleine Landliebe hat mir nämlich auch sehr gut gefallen. Paar Kleinigkeiten hab ich trotzdem mitgebracht.

... Alles noch wie damals, nur steht der alte Hürlimann jetzt ohne Räder aufgebockt neben dem leeren Miststock und rostet vor sich hin.
... Und die gleichen Augen wie dein Grosi Hanni“, sagte er damals, als ich ihm das Znüni brachte und dabei auf das Bild starrte. ... Selbst als der Ätti mit ihr ins Stöckli zog und den Hof dem Vater überliess, ...
Dafür litt der Ätti. Jeden Freitag tuckerte er auf seinem geliebten Hürlimann zu Hanni auf den Friedhof und danach auf ein Zweierli Roten in den Ochsen. Später fuhr er nur noch zum Ochsen, dafür täglich. Ein Zweierli reichte schon lange nicht mehr.

ich bin echt schwer reingekommen. Klar ist dieses lokalgefärbte wichtig, aber ich olles Stadtkind aus dem Norden bin etwas überfordert. Das der Hürlimann ein Traktor ist, konnt ich mir grad noch so zusammenreimen, aber was ist ein Miststock? Grosi Hanni hab ich auch irgendwie zur Großmutter hinbekommen, Zweierli - keine Ahnung und Ochse - so hieß wohl die Kneipe. Also, ich war jedes Mal raus und musste das erst mal sortieren oder auch resignieren und dachte, oh je das kann ja anstrengend werden. Wurde aber besser.

Die Erinnerung ist präsent, als hätte mir jemand ein Polaroid ans Hirn geklebt.

Fand ich ein total tolles Bild. Also, bei mir hat es funktioniert. Ist halt eine frische Form von: ins Hirn gebrannt.

„Lass ihm doch die Ausfahrten“, meinte meine Mutter und stellte die geschwellten Kartoffeln auf den Tisch.

Was esst ihr da für Zeugs? Wie so schwellen bei Euch in der Schweiz die Kartoffeln?

Lange wurde im Dorf darüber gesprochen, wie der Ätti mit seinem geliebten Hürlimann den direkten Weg über Bauer Hubers frisch bestelltes Rapsfeld genommen hat, nur damit er nach seiner ausgiebigen Ochsentour nicht an der Polizeistation vorbei musste.

Satzmonster! Etwas umständlich auch, wenn Du mich fragst. Das geht bestimmt auch etwas gerader und schlanker:

Nach ausgiebigen Ochsentour nahm der Ätti mit seinem Hürlimann nämlich den direkten Weg über das Rapsfeld vom Huber-Bauer. Nur, damit er nicht an der Polizeistation vorbei musste.

Und schon kann man es im Vorbeigehen verstehen ;).

Schlachtvieh. Auf der Seitenwand ein lachender Kuhkopf.

Boah!

"Oh wie schön, ich mache Fleischvögel, und zum Dessert gibt’s gebrannte Creme, für dich extra mit frischer Niedle."

Sehr schön. Liest sich genau wie eine französische Weinkarte für mich. Bestellung auf gut Glück und nach Preis :).

"Vater ist etwas durcheinander, gestern waren wieder diese Herren vom Bundesamt für Strassenbau da."

Im Dialog eher kurze Sätze. Wir sprechen eher kurz, wir holen Luft. Gerade zwischen "durcheinander" und "gestern". Da macht Mutter erst mal einen Luftpunkt nach "durcheinander".

"Also gut, Mutter, Sonntag. Tut mir leid, aber hier ist grad sehr viel Verkehr."
"Oh, ja, natürlich, bis Sonntag, pass auf dich auf, Bueb."

Ne, ne. So reden nicht mal die Schweizer. Man redet sich im direkten Dialog weder mit Namen noch mit Familiengrad an. Kommt einen vielleicht so vor, macht man aber nicht.
Pass auf dich auf, Alfons ... klingt plausibel dieses Alfons, aber in Wirklichkeit ... achte mal drauf.

Ich drückte die Hörertaste und aus den Lautsprechern erklang eine übertrieben fröhliche Moderatorin mit den neusten Staumeldungen.

Mag das nicht. Die Staumeldung und fröhliche Moderatorin. Passend würde ich finden, wenn er der fröhlichen Moderatorin (was auch immer sie grad moderiert) den Frohsinn abschalten würde. So nach dem Motto, nach Frohsinn ist mir grad nicht - was sich der Leser dann allein denken könnte, Du verstehst ...

Einen kalten Stumpen im Mundwinkel, er war alt geworden.

Das mochte ich. Frag mich nicht warum, ist ja jetzt keine super Wortschöpfung von Dir, aber ich mag es in dem Zusammenhang. Irgendwie beschreibt er seinen Vater ja wie den letzten Penner. Aber mit diesen drei Worten kommt doch wieder bisschen Liebe rein.

Sinnlos, denn der Hof steht seit langem im Weg, höheres Interesse und so. Der Staat baut seit längerem an der letzten Ausfahrt der A1,

WW

Eigentlich will ich nicht ins Haus, will nicht wie früher zwischen Tisch und Wand sitzen, bis Mutter die Fleischvögel aufträgt und Vater nach dem Käse verlangt, dabei aber keinen Mucks duldete, denn im Radio liefen die Zwölfuhrdreissig Nachrichten.

Richtig gut!

... und schiebt sich gerade eine Kartoffel zwischen die Zähne. Dazu presst er auf die Schale und fängt das Gelbe der Knolle mit dem Mund auf.

Er hat die Kartoffel also schon zwischen den Zähnen und dann fängt er sie noch mal mit dem Mund auf ? Ich kapier den Vorgang nicht.

Es war in der sechsten Klasse, da mussten meine Eltern wegen irgendeiner Sache mit dem Hof in die Stadt fahren und ich durfte bei Karin Gubler vom Nachbarhof zu Mittag essen. ... Dann hiess es absolute Ruhe.

Meine absolute Lieblingsstelle. Das sagt viel über die Familienhirachie aus. Mutter wuselt zwischen Tisch und Küche, Papa sitzt auf den Zeigerschlag muss angerichtet sein, Nachrichten sind Tradition, ... Ich werde ab heute alle meine Figuren über die Tischmanieren einführen, was man da an Text spart :D.

..., doch ich bin nicht mehr der kleine Bueb von damals und so lasse ich meine Gabel sinken und drehe mich zu ihm um.
„Vater. Wegen des Hofs musst du endlich ...“
„Ruhe, ich höre Nachrichten“, faucht Vater und dreht den Ton lauter.
Wir essen schweigend weiter und mit dem Schluss-Signet von Radio SRF1 schiebt Vater den Teller von sich, steht auf und verlässt die Küche. Es ist, als wär ich nie weg gewesen.

Hehe! Und fett liest der Leser selbst heraus. Könnte eigentlich weg.

Erneut greift Mutter in die Schürze und zieht einen vergilbten, zerknitterten Zettel aus der Tasche. Das Déjà-vu ist überwältigend. Wortlos reichte sie mir das Papier.

Bisschen konstruiert, findest Du nicht? Ich finde es extrem unglaubwürdig. Lass sie es aus dem Kopf zitieren, dass würde ich sofort kaufen. Aber eine hübsche Wendung im Geschehen.

Sehr gern gelesen. Wirklich. Schöner Ausflug aufs Land und das Thema gleich doppelt umgesetzt.
Beste Grüße, Fliege

 

Fliege

Ich muss dot zu Hilfe kommen.

Ne, ne. So reden nicht mal die Schweizer. Man redet sich im direkten Dialog weder mit Namen noch mit Familiengrad an. Kommt einen vielleicht so vor, macht man aber nicht.
Pass auf dich auf, Alfons ... klingt plausibel dieses Alfons, aber in Wirklichkeit ... achte mal drauf.

Oh doch. Ich kenne das zur Genüge. Pass uff di uff, Maidle oder Chum in de Zit heim, Maidle
Der Bub oder das Mädchen wird hintendrangepappt :)

 

bernadette schrieb:
Ich muss dot zu Hilfe kommen.

Sagst du das auch zu deinen Söhnen? "Um zwölf bist du zu Haus, Sohn."
Klingt für mich vom Sprachgebrauch eher nach Großeltern als Eltern. Und die Mutter redet doch sonst ganz normal. Aber gut. Ich glaub sehr an regionale Eigenheiten und ich bin weit weg von Euch :).

 

Meine Mutter spricht so mit meinen Jungs, und das haut ja dann vom Alter her wieder hin. Und die sagt: Bueb, das ist gaaaanz was anderes als Sohn. :D

 

Hallo dotslash,

eine schöne Geschichte. Wären nicht die vielen Begriffe gewesen, die ich nicht verstanden habe, wie z.B. Niedle oder was ist ein Fleischvogel? Aber sonst ist mir vielen bekannt vorgekommen vom Landleben. Ich kann den Karl gut verstehen, mein ältester Bruder hat heute den Hof von unserem Großvater und mit nunmehr schon 76 Jahren hat er ihn nun endlich an seinen Jüngsten abgegeben. Mir hat gefallen, wie du die Geschichte um Ätti durch die ganze Geschichte gezogen hast und die neue Situation durch den Bau der A1 verbunden hast.
Und beim letzten Satz musste ich schmunzeln. Da hat er seine Karin geheiratet, die ihm den ersten Kuss geschenkt hatte.

Kleinigkeiten:

„Der ersäuft noch seine ganze Rente.“

Ersäufen kann man seinen Kummer. Die Rente kann man meiner Meinung nach nur versaufen.

Kühe treiben und melken, den Stall ausmisten und im Sommer bei dreissig Grad in der prallen Sonne auf den Feldern das Heu umschichten.

Da du viele regionale Ausdrücke verwendest, die ich nicht verstehe, müsste es hier aber heißen auf den Wiesen das Heu ....

Ich habe die Geschichte sehr gerne gelesen.

Schönen Gruß
khnebel

 

Hallo liebe Kritiker

Entschuldigt meine Verspätung, aufgrund Überlastung im RL komme ich gerade zu gar nix. :(

Ich bin nun etwas verunsichert, was gewisse Aspekte meiner Geschichte angehen, denn was dem einen gefällt, stösst beim anderen auf Ablehnung. Grosser Konsens herrscht jedoch bei der nicht-stringenten Erzählweise, da werde ich auf jeden Fall durch Umstellen nachbessern. Und ein Glossar für Schweizer Ausdrücke habe ich auch angehängt. ;)
Aber mal der Reihe nach ...

***

Hallo weltenläufer

Beim Kalben gefällt mir, dass du von den feuchten Augen des Vaters sprichst. Das zeigt sehr gut, in welcher Welt er lebt.
Danke für diese Einschätzung, war definitiv die Intention.

Also ich brauchte einen Moment, um mich auf die Geschichte einzulassen, dann aber hat sie mich warm eingefangen.
Am Ende weiß man nicht, wer von deinem Personal einem mehr leid tut. Alle Figuren sind Verlierer.
Danke, dass du dich darauf eingelassen hast und ich dich unterhalten konnte.

Über das vorgeschlagene offene Ende würde ich nachdenken.
Habe ich, da mir der Twist zur Jugendfreundin wichtig ist, und einigen sogar gefällt, möchte ich am Schlussabsatz festhalten. Allerdings werde ich den Abschied etwas herzlicher gestalten.

„Der ersäuft noch seine ganze Rente.“
gewolltes Wortspiel?
:lol: Nein, Tippfehler. Eigentlich eine Korrektur aus V wird v.

„Ja geht schon, Bueb. Wir schlagen uns durch“, klang ihre aufgewühlte Stimme.
kann man das so sagen?
Du meinst das Durchschlagen? Ja, eigentlich schon, durch den Dschungel voller Alltagssorgen.

Die gebrannte Creme schmeckt scheisse, vielleicht ist die Niedle ja sauer geworden.
kippt aus dem Ton
Jep, die schmeckt jetzt nur noch komisch.

Du könntest darüber nachdenken, eine stärkere Hookline an den Anfang zu setzen.
Da hat er gehangen, am Querbalken der Scheune.[...]
Das hat was, die Geschichte funktioniert auch ohne aufgebockten Hürlimann (Traktor) und den Miststock (-haufen).

Danke dir fürs Lesen und deine konstruktiven Gedanken.
Liebe Grüsse, dot

***

Hallo Peeperkorn

Vor allem die Atmosphäre deiner Geschichte hat es mir sehr angetan. Du schaffst es mit gut gewählten Details eine Stimmung zu generieren, die mich das Geschehen an Ort und Stelle miterleben lässt. Wirklich wunderbar.
Was wünscht man sich mehr? Danke schön.

Aber dann sah ich, dass es Schwups ähnlich empfunden hat: Die Geschichte war mir ingesamt zu wenig stringent erzählt
Da ist es wieder. Ich stelle mal den Block mit dem Mittagessen bei Karin etwas nach oben.

Dann:
Seil um den Hals kommt weg, das Hanni hilft einfach im Stall, Punk folgt, die Zeiten werden ausgebügelt und über die erklärenden Passagen denke ich noch mal nach, danke dafür.

Liebe Grüsse, dot

***

Hallo bernadette

Ich fände es sehr informativ und zuvorkommend, wenn du am Ende der Geschichte einen kleinen Anhang in Form einer Übersetzungsliste präsentieren würdest.
Aber gerne doch.

bernadette schrieb:
Die Erinnerung ist präsent, als hätte mir jemand ein Polaroid ans Hirn geklebt.
Das finde ich ein komisches Bild. An die Stirn, vor die Augen, alles okay - aber ans Hirn - da stelle ich mir einen offenen Schädel vor
Fliege schrieb:
Fand ich ein total tolles Bild. Also, bei mir hat es funktioniert. Ist halt eine frische Form von: ins Hirn gebrannt.
1:0 für Fliege.:D

Vater stemmte den leblosen Körper hoch, Mutter säbelte mit einem Fuchsschwanz am Strick herum.
säbeln scheint mir da nicht so zu passen
Ich kaufe das Küchenmesser.

... Sein Gesellenstück, hing immer über der Drehbank in der Werkstatt, ...
Er war Seiler? Lenkt das nicht zu sehr ab, es geht doch um den Hof.
Gesellenstück durch selbst gefertigt ersetzt.

Mutter machte sich für ihn stark, dass er nicht ins Heim musste. „Eher würde ich mich aufhängen“, hatte er bei der Rückkehr aus dem Spital gesagt und mit einer Krücke gegen den Dachbalken geklopft.
Das passt aber gar nicht so recht in die heimatliche Situation, dass der ins Heim soll
Ich ändere mal in "Ein Kururlaub kam nicht in Frage."
Daher keine Ruhe, und das Bein heilte schlecht ab. Passt es so besser?

Jetzt mal im Ernst, dot: eine Woche Traktorverbot? das ist lächerlich.
Uff, bist du streng. Okay, ein Monat. ;)

Ich war gerade unterwegs auf der A1 Richtung Zürich-Flughafen, da schaute ich aufs Display und drückte die Freisprechtaste. Es klingelte drei Mal, dann ein Knacken.
wieso wird das Displayanschauen erwähnt? ist unnötig.
Verpeilt! Er wählt natürlich die Nummer, kann also weg.

Das ABS ratterte, die elektronische Lenkhilfe behielt den Wagen in der Spur, Technik und Mensch verhinderten gemeinsam den Aufprall.
das liest sich wie in einer Fachzeitschrift, bitte weniger distanziert und sachlich
Sorry, den Absatz mag ich, weil er das reine Funktionieren in Gefahrensituationen illustriert.

Einen kalten Stumpen im Mundwinkel, er war alt geworden.
Der Stummel ist alt geworden?
Wirklich jetzt? Ich mach 'nen Punkt hin, aber "Vater war alt geworden" klingt mir einfach zu gestelzt.

„Oder hat er es einfach nicht mehr ausgehalten? Hat er vielleicht dich nicht mehr ausgehalten?"
Das hat mich irritiert, weil man vorher überhaupt nicht wahrgenommen hat, dass der Vater so ein Ekel sein soll. An dem musst du noch mal nachlegen.
Ja, aber da brauche ich noch etwas Zeit für.

Würde ich einkürzen:
Ich bewarb mich als Reiseleiter, ganz zum Missfallen meines Vaters.
Stimmt, hab's gekürzt, danke.

Es war in der sechsten Klasse, da mussten meine Eltern ...
Würde ich komplett streichen, da auch ohne diesen Absatz klar wird, dass es beim Protagonisten daheim nicht so liebevoll zu geht. Das ist zwar sehr schön geschrieben, aber nimmt eben die Stringenz aus der Geschichte.
Ich habe den Absatz weiter oben platziert, so hoffe ich mehr Stringenz erreicht zu haben.

Erneut greift Mutter in die Schürze und zieht einen vergilbten, zerknitterten Zettel aus der Tasche.
den sie seit Jahren mit sich rumträgt
mach da eine andere Szene draus oder lass dir was einfallen.
Hat Schwups auchbschon angemeckert, anscheinend doch zu konstruiert. Ich lasse Mutter aus dem Kopf zitieren, wie Fliege vorschlägt.

Und doch ist es keine Ausrede für sein jahrelanges Patriarchat.
Da will ich noch was drüber wissen, besonders, wenn der auch schlimm gegen den Ätti war.
Und die vorangehenden erklärenden Sätze werden ja bereits mehrfach angemeckert, deshalb streiche ich diese Passage.

Ich würde an deiner Stelle den kompletten Text nochmal mit der Frage durchlesen, ob es das eine oder andere als Info überhaupt geben muss.
Guter Vorschlag, danke.

Danke dir fürs Lesen und die Kritikpunkte.
Liebe Grüsse, dot

***

Hallo Fliege

Deine kleine Landliebe hat mir nämlich auch sehr gut gefallen.
Landliebe? Ui, da hast du aber das wenige Positive herausdestilliert. :D

Tut mir leid, dass ich mich in der Gotthelfschen Sprache versucht habe und die Schweizer Ausdrücke den Zugang zur Geschichte erschwerten. Ich hoffe, das von bernadette initiierte Glossar hilft dir ein wenig weiter.

Lange wurde im Dorf darüber gesprochen, ...
Satzmonster! Etwas umständlich auch, wenn Du mich fragst. Das geht bestimmt auch etwas gerader und schlanker[/quote]wäre dann aber nicht mehr Gotthelf. und von bernadette gab's ein Smiley, jetzt stehts wieder 1:1 :D

Schlachtvieh. Auf der Seitenwand ein lachender Kuhkopf.
Boah!
Boah!
Gemäss Schwups zu viel des Guten, gemäss Fliege ... boah. Hm, was nun?

Ne, ne. So reden nicht mal die Schweizer. Man redet sich im direkten Dialog weder mit Namen noch mit Familiengrad an. Kommt einen vielleicht so vor, macht man aber nicht.
Doch. Für Erklärungen verweise ich entspannt auf meine Sekundantin bernadette.

Mag das nicht. Die Staumeldung und fröhliche Moderatorin.
Auch wenn es so was von realistisch ist, (Ich hasse die übertrieben fröhlichen Morgenshows auf den CH- Sendern) dein Vorschlag gefällt mir besser. Gekauft, danke.

Einen kalten Stumpen im Mundwinkel, er war alt geworden.
Das mochte ich. Frag mich nicht warum, ist ja jetzt keine super Wortschöpfung von Dir, aber ich mag es in dem Zusammenhang. Irgendwie beschreibt er seinen Vater ja wie den letzten Penner. Aber mit diesen drei Worten kommt doch wieder bisschen Liebe rein.[/quote]Das hast du aber schön gesagt, danke.

Er hat die Kartoffel also schon zwischen den Zähnen und dann fängt er sie noch mal mit dem Mund auf ? Ich kapier den Vorgang nicht.
Er führt die Kartoffel zum Mund und drückt die Schale aus, so dass nur die Knolle in den Mund flutscht. Der zweite Satz ist somit die detaillierte Beschreibung zum Vorgang im ersten Satz.

Ich werde ab heute alle meine Figuren über die Tischmanieren einführen, was man da an Text spart
:lol:

Es ist, als wär ich nie weg gewesen.
Hehe! Und fett liest der Leser selbst heraus. Könnte eigentlich weg.
Ich vertraue dir mal, hehe.

Erneut greift Mutter in die Schürze und zieht einen vergilbten, zerknitterten Zettel aus der Tasche. Das Déjà-vu ist überwältigend. Wortlos reichte sie mir das Papier.
Bisschen konstruiert, findest Du nicht? Ich finde es extrem unglaubwürdig. Lass sie es aus dem Kopf zitieren, dass würde ich sofort kaufen. Aber eine hübsche Wendung im Geschehen.[/quote]Danke! Und ja, ich lasse sie es nun aus dem Gedächtnis rezitieren.

Sehr gern gelesen. Wirklich. Schöner Ausflug aufs Land und das Thema gleich doppelt umgesetzt.
Das liest man gerne.

Danke dir fürs Lesen und die prima Vorschläge.
Liebe Grüsse, dot

***

Hallo khnebel

eine schöne Geschichte. Wären nicht die vielen Begriffe gewesen, die ich nicht verstanden habe, wie z.B. Niedle oder was ist ein Fleischvogel?
Danke. Siehe dazu das neu eingeführte Glossar am Ende.

Und beim letzten Satz musste ich schmunzeln. Da hat er seine Karin geheiratet, die ihm den ersten Kuss geschenkt hatte.
Mitunter ein Argument, den letzten Abschnitt doch stehen zu lassen.

Ersäufen kann man seinen Kummer. Die Rente kann man meiner Meinung nach nur versaufen.
Mehrfach angemeckert, eigentlich lustiges Wortspiel, aber ja, versäuft muss es heissen.

Da du viele regionale Ausdrücke verwendest, die ich nicht verstehe, müsste es hier aber heißen auf den Wiesen das Heu ....
Felder und Wiesen, da unterscheidet man zurecht, danke!

Ich habe die Geschichte sehr gerne gelesen.
Das freut mich.

Danke fürs Lesen und deine Anmerkungen.
Liebe Grüsse, dot

 

Ja geht schon, Bueb. Wir schlagen uns durch“, klang ihre aufgewühlte Stimme.
Nein, ich meinte nicht das durchschlagen, sondern das klang im Redebegleitsatz.
Abgesehen davon spreche ich diesem Satz jeden Klang ab ;)
Ja geht schon, Bueb. Wir schlagen uns durch.“ Ihr Stimme klang aufgewühlt.

Oder schlicht ..., sagte sie aufgewühlt.

Grüßlichst
Weltenläufer

 

weltenläufer schrieb:
Oder schlicht ..., sagte sie aufgewühlt.
Ah, der Klang. Alles klar. Danke für die Aufklärung, weltenläufer, ich war blind auf den Ohren. ;)

 

Hallo dot,

mir hat deine Geschichte auch gut gefallen.

Du erzählst sie auf eine ruhige Art und baust trotzdem Spannung auf.
Das Verhalten der Charaktere ist für mich nachvollziehbar, wenn auch traurig. Ja, hat mich traurig gemacht, deine Geschichte.

Ich finde den AUfbau deiner Geschichte gut, nur der Absatz über das Mittagessen bei Karin hat mich ein bisschen rausgeworfen, irgendwie hat er für mich nicht in die Familiengeschichte gepasst. Andererseits finde ich ihn an sich sehr schön - bin da etwas hin- und hergerissen. ;)

Was ich auch schön finde, ist das mit dem Querbalken, der sich so durch die Geschichte zieht. Ich mag solche Symbole.

Das sind noch ein paar Stellen, an denen ich hängengeblieben bin:

Heute weiss ich, es war zum ersten Mal so etwas wie Hilflosigkeit.
Mich stört das "zum ersten Mal" hier, weil du im Satz davor schon erwähnst, dass es die erste Ohrfeige war. Oder war der Vater vorher noch nie hilflos? Ich weiß nicht, ich bin über diesen Satz einfach gestolpert...

Schweigend starren wir vor uns hin, das Schruppen des Scheibenwischers war das einzige Geräusch.
Da ist plötzlich ein Zeitenwechsel drin.

Und noch zwei Kommafehler ;) :

„Franz, raus! Mach Komma dass du wegkommst.“

Nicht mit euch, nein, mit dir Komma Mutter.

Also, habs gern gelesen :)

Liebe Grüße,
Tintenfisch

 

Hallo tintenfisch

Ich wollte bewusst keine klassische Happy-End-Geschichte vom Land zeichnen, darum zieht sich der traurige Grundton bis zum Ende hin. Allerdings lasse ich den Prot jetzt wenigstens seine Mutter versöhnlich umarmen, da lag im Original ja noch viel mehr Tristesse in der Luft.

nur der Absatz über das Mittagessen bei Karin hat mich ein bisschen rausgeworfen, irgendwie hat er für mich nicht in die Familiengeschichte gepasst. Andererseits finde ich ihn an sich sehr schön - bin da etwas hin- und hergerissen.
Na ja, Karin ist zum Schluss schon so etwas wie Bestandteil der Familie. ;)
Aber ich weiss, was du meinst, wurde ja bereits auch von den Vorrednern zwiespältig aufgenommen.

Was ich auch schön finde, ist das mit dem Querbalken, der sich so durch die Geschichte zieht. Ich mag solche Symbole.
Schön, dass du das erwähnst. Tatsächlich ein wichtiges Accessoir in dieser Geschichte.

Mich stört das "zum ersten Mal" hier, weil du im Satz davor schon erwähnst, dass es die erste Ohrfeige war. Oder war der Vater vorher noch nie hilflos? Ich weiß nicht, ich bin über diesen Satz einfach gestolpert...
Du hast recht, es war einfach nur Hilflosigkeit. Meine Güte, Schwups Anmerkung habe ich auch vergessen umzusetzen, mea culpa.

Schweigend starren wir vor uns hin, das Schruppen des Scheibenwischers war das einzige Geräusch.
Da ist plötzlich ein Zeitenwechsel drin.
Mensch, die nächste Geschichte schreibe ich dann wieder nur in einer Zeitform. :dozey:

Und noch zwei Kommafehler :
„Franz, raus! Mach Komma dass du wegkommst.“
Nicht mit euch, nein, mit dir Komma Mutter.
Und auch hier, das erste Komma wurde bereits von jobär angemeckert und ich Dödel vergass es einzusetzen, ts, ts, ts.

Danke dir fürs Lesen, Fehler- und Gutfinden.

Liebe Grüsse,
dot

 

Hallo dotslash,

sicherlich wiederholt sich mein Beitrag zu deiner Geschichte, aber ich habe nicht die Zeit, die Vorkritiken zu lesen. Und Lobwiederholungen können eigentlich nie schaden.

Eine runde, sozusagen sauber runde Geschichte mit allem Drum und Dran. Gut gemacht.

Ich musste zunächst dein Profil besuchen, weil ich erfahren wollte, ob du aus der Schweiz bist. War mir, ehrlich gesagt, vorher noch nicht so wuchtig aufgefallen, wie in diesem Text. Und ich habe die Erklärungen erst am Ende der Geschichte gelesen und fand in der Nachschau, dass sie eigentlich nicht nötig waren, alles hat sich von selbst erklärt.

Durch die schweizerischen Wortsprengsel erhöhst du natürlich deutlich den Eindruck einer authentischen Geschichte, die sich so und nicht anders in der Wirklichkeit zugetragen haben könnte.

Du erzeugst eine dichte Atmosphäre, deine Geschichte lief wie ein Film vor meinen Augen ab und das ist, falls du dir da nicht sicher bist, einfach ein Kompliment. Wenn ein Autor es schafft, in mir einen Film zu erzeugen, dann hat er alles richtig gemacht.

Allenfalls in puncto Spannung, die sich in Grenzen hält, könntest du noch einen Scheit drauflegen, denn die brennende Frage, weshalb sich der Ätti umgebracht hat, könnte noch drängender für den Leser werden.

So ist sie im Grunde genommen über einen Teil der Geschichte beiseite geschoben durch das Verhalten des Vaters und diese Sturheit in puncto Hofverkauf. Da verändert sich die Gewichtung und bevor die Geschichte einen wirklich neuen Dreh bekommt, führst du zum Thema zurück.

Ich meine daher, dass es vielleicht gar nicht mal schwierig wäre, wenn du den Part des Vaters noch mit Einfügungen unterlegst, die die Frage nach dem Tod des Ätti noch wichtiger machen. Vielleicht sogar, dass der Leser ein wenig in die Irre geführt wird und du den Verdacht aufkeimen lässt, der Vater könnte irgendetwas Schlimmes damit zu tun haben. Ich glaube, auf diese Weise könntest du elegant die Spannung erhöhen und geschickt beim Thema bleiben.
Ich hoffe, ich habe mich irgendwie verständlich machen können.

Grundsätzlich stelle ich aber gerade "Forderungen" ;) auf hohem Niveau. Also bitte nicht missverstehen, wenn ich Verbesserungsvorschläge mache. Die Geschichte bleibt in meiner Einschätzung rund und gut.
Da müsste so manch anderer Autor noch lange rumpfriemeln, um dein Level zu erreichen.

Ich habe die Geschichte sehr gern gelesen, weil sie auch so flüssig läuft. An keiner Stelle stutzt man oder zieht die Stirn kraus, sondern man kann ruhig, so wie die eigentliche Atmosphäre, die du in der Geschichte erzeugst, lesen, wie es weiter geht. Dein Schreibstil gefällt mir gut.

Ich weiß, dass ich voll im Klischee stecke, wenn ich gestehe, dass mir auch die Verquickung des Themas mit dem Bauernhof und ausgerechnet in der Schweiz, gefallen hat. Ich habe gesehen, dass du gerade einen Suter liest, gerade bei dem entfällt mir immer wieder, dass er Schweizer ist.
Bei dir hab ichs erst nach dem Lesen vermutet. :D


Zum Titel wollt ich noch sagen, dass er passt.
Ein Fehlerchen ist noch an die Oberfläche gekommen:

„Ist doch war. Der Ätti hätte das sicher nicht gewollt.“
wahr


Lieben Gruß

lakita

 

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