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Serie Das Monster in der Mine

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05.01.2015
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Das Monster in der Mine

»Monster! Monster!! Monster!!!« Vorarbeiter Flint ruderte mit den Armen und warf Blicke über seine Schulter, während er den langen Feldweg hinunter eilte, der ihn nach Hause führte. Flints Körper war in den letzten Jahren enorm in die Breite gegangen, was dafür sorgte, dass die Regulationssoldaten, die das Stadttor bewachten, den Stürmer ob seines Tempos mit einem anerkennenden Nicken bedachten, bevor sie das Tor hochzogen.

Da der füllige Vorarbeiter bereits in der Vorwärtsbewegung war, sah er nicht ein, vor dem Stadttor Halt zu machen, um seine Personalien überprüfen zu lassen. Er stieß einen Soldaten beiseite und warf sich zu Boden, um durch den Spalt in Sicherheit zu rutschen. Als er sich vergewissert hatte, dass ihm niemand gefolgt war, blieb er liegen und schnaufte schwer.
»Bist du noch zu retten, Mann?«, beklagte sich der zur Seite gestoßene Soldat und rappelte sich auf.
Flint wimmerte, rollte sich auf den Rücken und schnappte nach Luft.

Dem Hauptmann, der die ganze Szene beobachtet hatte, passte das Verhalten des Vorarbeiters nicht, der für die Aufsicht über eine ganze Gruppe Minenarbeiter verantwortlich war. »Was ist eigentlich los mit dir? Du schreist herum, als wäre der Teufel persönlich hinter dir her. Wo sind deine Leute?«
»Monster!«, wiederholte Flint.
»Monster?«, entgegnete der Hauptmann und zog die Mundwinkel lang. Er packte Flint am Kragen und zog ihn auf die Beine zurück. Sein Gegenüber nickte hektisch.
»Monster!«, antwortete er. Damit schien alles gesagt zu sein. Der Hauptmann nahm seinen Umhang ab, wickelte ihn um Flint und stützte ihn, um ihm den Weg zum Büro zu vereinfachen.

Zwei unbeteiligte Soldaten, die das ganze Schauspiel beobachtet hatten, sahen einander an. Irgendetwas musste ihnen entgangen sein.

»Habe ich gerade etwas verpasst?«, fragte ein Soldat, der ein Geschütz bemannte.
»Das ist wohl eine Art Jargon für Anführer«, vermutete ein Anderer, der den Dampfkessel eines Lastwagens reparierte. »Jeder weiß, dass die Leute aus den Führungsriegen nicht viele Worte brauchen, um eine Botschaft zu übermitteln.«
»Ah.« Der erste Soldat ließ die Trommel seines Geschützes rotieren und dachte über die Worte seines Kameraden nach. »Verstehe. Das scheint aber nur zu klappen, wenn sie untereinander reden.«

Eine längere Pause des Sinnierens schloss sich an.

»Vermutlich ist es die Art wie man das Wort ausspricht«, theoretisierte der Andere.
»Du meinst, dasselbe Wort kann ein oder mehrere Bedeutungen haben?«
»Mhm.«
»Monster. MON-ster. Mohnster. Moharnster.«
»Monster«, sang der über Funk zugestellte Kamerad im Tenor.
»Da ist was dran. Ich glaube, du hast Recht.«

*​

Die Stute Kimba schritt gemächlich einen gewundenen Feldweg entlang, der links und rechts von erntereifem Korn flankiert wurde. Auf dem Rücken des Pferdes stöhnte der Jäger Geoff und hielt sich seine Hände vor die Augen, als er einige traditionell bekleidete Landbewohner passierte, die auf dem Feldweg tanzten.

»Es reicht«, murmelte er, »Ich bin von malerischen Landschaften so was von bedient. Überall sieht es aus wie auf einem Landschaftsgemälde.«
»Guten Tag, Meister Jäger!«, rief ein freundlicher Bauer, der auf einem Strohhalm herumkaute. Er winkte dem Reisenden zu und stützte sich auf seine rostige Sense.
»Du kannst mich kreuzweise!«, antwortete Geoff und formte mit den Fingern eine Geste, die aus Jugendschutzgründen nicht näher beschrieben werden soll. Der Sohn des Landwirtes, der in unmittelbarer Nähe seines Vaters Schmetterlingen nachjagte, begann zu weinen.

Eine in der Umgebung stattfindende Bauernhochzeit setzte dem Ganzen die Krone auf. Der Jäger hörte Leute singen. In der Ferne sah er einen Holzpfahl stehen, an dem bunte Girlanden hingen. Der Wind trug das heitere Gelächter der Leute zu ihm und wiegte das Korn wie eine Hand, die sanft durch das Fell eines Hundes strich. Geoff hielt sich die Ohren zu und knurrte.

»Ich darf jetzt keine Dummheiten machen, Kimba. Mir gefällt es hier auch nicht, aber Job ist Job«, murmelte er und griff nach dem Pergament mit der Auftragsausschreibung, das ihn an diesen Ort geführt hatte. Offenbar gab es ein Monsterproblem in einer der Minen von New Sidesvale. Geoff, Doktor und Meisterjäger im Fachgebiet „paranormale Aktivitäten“, hatte den Auftrag angenommen, ohne sich über das Umland schlau zu machen. Hätte ihm jemand gesagt, dass ihn die Hölle in Herbstfarben erwarten würde, wäre er vermutlich am Anschlagbrett vorbeigegangen.

»Wir brauchen das Geld, Kimba«, erklärte er seinem Pferd, das mit der Verwaltung seiner Aufträge überhaupt nichts zu tun hatte. »Du musst neu beschlagen werden und neues Zaumzeug würde dir sicher auch gefallen. Ich brauche Munition, Vorräte und Kleidung. Schließlich steht der Winter vor der Tür.«
»Halt!«, rief ein Soldat und streckte seine Hand nach vorne. »Gib mir fünf!«
»Was.« Geoff seufzte. »Ich habe keine Zeit für derartigen Unfug.«
»Kennst du das alte Sprichwort nicht, Meister Jäger? Gib einem Jäger fünf und du hast Glück!«
Natürlich kannte Geoff dieses Sprichwort und es ging ihm gehörig auf den Zeiger. An jeder Ecke stand irgendein Idiot und streckte ihm die Hand entgegen. Er hatte bereits vor langer Zeit aufgehört, diesem alten Brauch nachzukommen und tat stattdessen Folgendes: »Du hast das Sprichwort falsch verstanden. Gib dem Jäger fünf und es bringt dir Glück.«
»Das sagte ich doch.«
»Du meinst, dass sie meinen, du sollst mir fünf geben. In Wirklichkeit, und das sage ich als Jäger, meinen die Leute, dass du mir fünf Crowns geben sollst. Dann gibt es Glück.«
»Oh. Ach so?«
»Mhm.«
»Na, wenn das so ist ...« Der Soldat kramte fünf Münzen aus dem Beutel, der an seinem Gürtel hing und übergab sie dem Jäger. »Wann geht es denn los mit dem Glück?«
»Keine Ahnung.« Geoff zuckte mit den Schultern. »Ich habe keine Zeit, um mit dir darauf zu warten. Ich muss zum Hauptmann. Jägerangelegenheiten.«
»Ah, das Flugblatt? Ja! Er erwartet dich bereits in seinem Büro. Bring dein Pferd zum Stall und ich führe dich hin.«

*​

»Da drin ist das Büro des Hauptmannes!«, sagte der Soldat, der auf dem Weg zur Kaserne in einen Eimer voller Jauche getreten war. Das passierte ihm nur, weil er einer schwarzen Katze ausweichen wollte, die ihm vor die Stiefel lief.
»Danke, Soldat.« Geoff klopfte dem jungen Mann auf die Schulter. »Vorsichtig, die Leiter ...«
»Huch! Das war knapp. Gut, dass ich noch rechtzeitig unter ihr durch gehen konnte.«
»Mhm.« Geoff klopfte an der Tür an. Es beunruhigte ihn, als er das Geräusch eines Reißverschlusses hörte, der hochgezogen wurde.
»Das kann doch nicht ...« Im Büro rumpelte es. Zwei Männer unterhielten sich und klangen getrieben. »Herein!«
Geoff zog die Brauen hoch und trat ein. Als er die Tür schloss, hörte er einen Spiegel zerbrechen.
»Oh weia«, rief ein Soldat.

Das Büro des Hauptmannes sah unaufgeräumt aus. Eine Büste des Bürgermeisters lag auf dem Boden. Vom Wandgemälde, das ein wunderschönes Landschaftsbild zeigte und Geoff wütend machte, fehlte ein Stück. Die Luft roch nach Wein, was wohl an der Karaffe lag, die umgefallen war und den Papierkram, der auf den Tisch lag, rot verfärbte. Auf einem Stuhl mit erstaunlich hoher Lehne saß der Hauptmann und bemühte sich um einen Funken von Autorität. In dem Durcheinander war es für ihn gar nicht einfach, ein gewisses Maß militärischer Korrektheit zu wahren. Neben ihm stand ein dicker Mann mit hochrotem Kopf und schwankte. Auf seinem grauen Gehrock befanden sich zahlreiche Weinflecken.

»Die Vase am Fenster brennt«, merkte Geoff an.
»Tut sie nicht«, entgegnete der dicke Mann und stieß sie aus dem offenstehendem Fenster.
»Aua!«, rief ein Soldat.
»Dein Haar! Es brennt!«, warnte ein anderer.
Geoff räusperte sich und hob das Ausschreiben hoch. »Ich bin wegen des Auftrags hier.«
Der Hauptmann zog die Brauen hoch und lehnte sich in die Pfütze, die sich auf seinem Schreibtisch gebildet hatte. »Na endlich. Hören Sie zu, ich möchte nicht, dass jemand fragt, wofür wir diesen Tee brauchen und warum es dreißig Tonnen sein müssen ...«
Geoff fuhr mit Nachdruck dazwischen: »Der Monsterauftrag.«
Der Uniformierte sah den Jäger an und faltete seine Hände. »Ach so.« Schweigen.

Die drei Herren betrachteten einander. Der dicke Mann schniefte.

»Vergessen Sie das mit dem Tee«, sagte der Hauptmann.
»Schon geschehen. Kommen Sie zum Punkt.«
»Vor einigen Tagen kam es zu einem Zwischenfall in einer unserer Minen. Vorarbeiter Flint, der hier neben mir steht, hat drei seiner Männer als vermisst gemeldet und von einem Monster berichtet, das sie angegriffen hat.«
»Details.« Geoff kämpfte gegen den inneren Drang, auf einem Stuhl Platz zu nehmen.
»Ich habe nicht viel gesehen, Meister Jäger. Es war dunkel im Stollen. Wir haben unsere Arbeit getan, als wir dieses unmenschliche Kreischen gehört haben. Als ich einen meiner Männer schreien hörte, hat mich die Panik gepackt und ich bin davongelaufen, ohne mich umzudrehen. Ich bin von der Mine bis nach Hause gerannt, ohne eine Pause zu machen.«
Geoff hob eine Braue und nickte. »Ich sehe mir die Mine mal an. Mein Grundhonorar beträgt 1000 Crowns. Je nachdem, was mich da drinnen erwartet, wird es einen Aufschlag geben und einen Gefahrenzuschuss verlange ich auch. 1200. Grundpreis. Nicht verhandelbar.«
»Aber wir haben …«
Geoff stöhnte und unterbrach den Hauptmann erneut: »... nicht so viel, weswegen wir in der Mittagszeit Wein in unsere Rüben kippen und mit feinen, handgemachten Gehröcken herumsitzen, während wir teure Kunstobjekte zerstören. Verkauft mich nicht für dumm. Für diese Frechheit möchte ich die Hälfte im Voraus, sonst könnt ihr euch einen anderen Idioten suchen.«
»Gib ihm das Geld, Hauptmann.« Der Vorarbeiter stand wie eine Eins.
»Warum? Du hast den Auftrag ausgeschrieben und es waren deine Männer!«
»Jetzt gib ihm das Geld!«

Der Hauptmann schimpfte leise und zahlte Geoff aus, der wie ein Adler auf der Jagd jede Münze beäugte, die ihm überreicht wurde.

Draußen rief ein Soldat: »Nein! Renn da nicht rein! Das ist doch das Schwarzpulversilo!«

Dann gab es einen Knall.

*​

»Etwas stinkt da, Kimba.« Sein Pferd schnaubte. Es schien sich zu fragen, warum der Jäger jedes Mal mit ihm sprach, obwohl er genau wusste, dass es nichts dazu zu sagen hatte. »Flints Aussage schmeckt mir nicht.«

Der Jäger folgte dem Feldweg, passierte die Taverne der rückständigen Minna und bog an der ersten Gabelung rechts ab. Genau wie man es ihm erklärt hatte. Der Weg wurde derartig schmal und steinig, dass Geoff seine Stute zurücklassen musste. Er wusste, dass Kimba nicht ausbüxen würde und ließ das Pferd am Straßenrand grasen.

Geoff schulterte sein Gewehr und setzte seinen Lederhut auf. Er packte Munition, etwas heiliges Wasser und ein Kräutersäckchen in eine Gürteltasche. Man wusste schließlich nie, mit was man es zu tun haben würde.
»Hier ist es steil und gefährlich. Wenn er, wie er gesagt hat, vom Mineneingang aus bis nach Hause gerannt ist, hat er die Balance eines Seiltänzers ...«

Er folgte dem steilen Weg, bis er den Zugang zum Minenschacht erreichte. Vor der breiten Höhle lagen die Leichen von zwei Männern. Eine getrocknete Blutspur hatte es sich auf dem Weg bequem gemacht und mündete in einer roten Pfütze direkt vor seinen Stiefeln. Neben den Männern lagen Bergarbeiterhelme, deren Lichter noch brannten.
»Eigenartig«, brummte Geoff. »Sie sind vor einem Monster geflohen und haben ihre Helme abgenommen?«

Der Jäger untersuchte die Umgebung. Neben einer gefüllten Lore, in der sich hauptsächlich Kohle und Gestein befand, und einigen Fässern voller Öl fand er nichts Nennenswertes. Die Leichen waren wesentlich interessanter. Einer der Männer lag mit dem Gesicht zu Boden, der andere schaute mit einem Auge, das angemaltem Papier ähnelte, in den Himmel. Das zweite Auge fehlte, was Geoff dem riesigen Loch zurechnete, dass im Kopf des Toten klaffte.

»Der ist nicht geflohen«, stellte Geoff fest. »Sein Körper war im Ruhezustand, als der tödliche Schlag ihn erwischt hat. Sicher ist, dass er von irgendwas überrascht worden ist. Aber nicht von hinten. Die Klaue oder das Objekt wurde dem Burschen frontal in den Kopf geschlagen. Was auch immer es war, es muss eine Mordskraft gehabt haben. Der zweite Mann hat ähnliche Verletzungen, allerdings wurde er am Hinterkopf erwischt. Zwei Mal, wie es aussieht. Das erste Mal hat wohl nicht gereicht. Er wollte fliehen, aber nicht von der Mine weg, sondern in sie hinein. Interessant.«

Geoff sammelte einen der Helme auf und zog ihn über seinen Hut. Er betrat die Mine und pfiff laut. Sein Pfeifen drang in den Schacht und verstummte, als hätte man es verschluckt. Er erhielt keine Antwort.

»Hier sieht es nicht nach einer Flucht aus«, murmelte er. Ein Generator röchelte in seinen letzten Atemzügen und die Lampen, die er mit Energie versorgte, flackerten. Die Vorräte waren penibel aufgereiht. Einige Werkzeuge, Spitzhacken und Schaufeln, lagen sortiert in offen stehenden Kisten. Ein Fass enthielt Dynamitstangen, die nie zum Einsatz gekommen waren.

»Da hatte jemand weiterführende Pläne«, schlussfolgerte er und wagte sich vorwärts.

Die Luft im Schacht war kühl und wurde stickiger, je tiefer er in den Stollen hinein ging. Die Öllampen an den Wänden hatten ihren Dienst bereits eingestellt. Geoff folgte den verlegten Schienen, bis er eine Abzweigung erreichte. Der Geruch, der ihm in die Nase stieg, ließ keine Zweifel daran, in welche Richtung er zu gehen hatte: Fernab der Schienen, in einem Nebenstollen, verrottete ein Kadaver.

»Herzhaft«, brummte der hochgewachsene Mann und hielt sich seinen Hut vor die Nase. Einige Fußspuren gaben Aufschluss darüber, was an dieser Stelle geschehen war: »Hier hat jemand gewartet. Die Fußspuren sind tief genug, um daraus zu schlussfolgern, dass es Flint gewesen sein muss.« Der Fachmann betrachtete die Leiche, die mit dem Gesicht voran im Dreck lag. Der Schädel des Mannes war eingeschlagen worden. »Da hat aber jemand Abstand gehalten, als es gekracht hat ...«

Er schritt über den Toten hinweg und folgte einer Spur, die aussah, als wäre etwas über den Boden geschleift worden. »So, so«, kommentierte der Jäger, als er die Spitzhacke des Bergarbeiters fand, die auf dem Boden lag. »Die hat er fallen gelassen. Wollte wohl weg. Weg von ...« Er trat einige Schritte nach vorne, bis ein hektisches Rasseln einsetzte. »Dir!«
Der Jäger drehte den Kopf nach rechts und leuchtete mit der Helmlampe in eine Höhle, in der mehrere Felsen lagen. Wieder rasselte es und etwas zischte. »Eine Bohrwurmkolonie.«

Geoff beobachtete zahlreiche Drohnen, die so groß wie sein Fuß waren. Kleine Fühler ertasteten das Terrain vor ihnen. Als sie vom Licht des Helms getroffen wurden, quietschten die Kreaturen auf und rollten sich zu Bällen zusammen. Inmitten der Höhle lag ein riesiges Exemplar und fixierte den Eindringling, obwohl es keine Augen besaß. Es öffnete sein gigantisches Maul und präsentierte drei Reihen spitzer Zähne, während es mit dem Schweif, an dem sich eine runde Verhärtung befand, auf den Boden trommelte.

»Eine Matriarchin.« Geoff schaltete umgehend das Licht aus. Das Monster zischte und er konnte hören, wie es über den Boden kroch. »Du verteidigst deine Kolonie, mh?«

Der Jäger ging mehrere Schritte zurück und hielt still. Die Matriarchin kroch zu ihm, zischte ihm ins Gesicht und benetzte ihn mit Bohrwurmschleim.
»Ew.« Der Jäger schüttelte sich, verhielt sich aber weiterhin passiv.

Als die Matriarchin merkte, dass Geoff keine Gefahr für ihre Kolonie darstellte, kroch sie zurück. Der Jäger wusste, dass er unter strenger Beobachtung stand, wenn man dies so nennen konnte.

»Damit ist mir eigentlich alles klar«, sagte der Vollgeschleimte und entfernte sich langsam.

Bevor er die Mine hinter sich ließ, zündete er eine Dynamitstange und warf sie in den Hauptschacht. Die Detonation löste brüchiges Gestein, das die Höhle verschloss.

*​

Flint wanderte über die generalüberholte Hauptstraße von New Sidesvale und klopfte mit seinem Gehstock den Takt einer Melodie, die er bei der Konferenz, von der er gerade kam, gehört hatte. Er summte leise.

Es war Nacht geworden und die Dunkelheit hatte die Straßen für sich eingenommen. In New Sidesvale war der Dampfwagen noch nicht weit verbreitet, weswegen der Vorarbeiter mitten auf der Fahrbahn gehen konnte. Ein elektrisches Surren breitete sich aus, als die Straßenlampen mit der Nachtschicht begannen.
»Ah!«, rief Flint, klatschte begeistert in die Hände und lächelte.
»Flint«, sagte jemand, der sich von hinten an den fülligen Mann herangeschlichen hatte.
Der Vorarbeiter erstarrte und nahm eine steife Haltung an. Der Gewehrlauf zwischen seinen Schulterblättern versprach nichts Gutes. »Meister Jäger.«

Der Jäger sagte nichts. Das Drücken des Laufs diktierte die Richtung und das Tempo. Flint atmete tief ein und langsam aus. Ein normaler Bürger wäre von einer wenig vorteilhaften Abendentwicklung ausgegangen, doch Flint hatte mit etwas Derartigem gerechnet.

»Du hast nicht ernsthaft geglaubt, dass ich die Bohrwurmkolonie zerstöre, mh?«, fragte der Jäger in einer Seitengasse. Eine Katze sprang von einer Mülltonne und suchte das Weite.
»Natürlich nicht.« Flint bewahrte Haltung. Sein Gesprächspartner ließ die Waffe sinken und trat vor ihn.
»Wusstest du von der Matriarchin?«
»Ja.« Flint stützte sich auf seinen Gehstock. »Bedauerlicherweise hat sie nur einen erwischt.«
»Und die zwei anderen?«
Flint schüttelte mit dem Kopf. »Eine Sauerei. Notwendig, leider, aber dennoch unschön.«
Der Jäger nickte. »Mhm. Warum habt ihr den Auftrag ausgeschrieben?«
»Das stellt die Bevölkerung ruhig. Wenn es heißt, ein Monster wäre für die Toten verantwortlich, stellt keiner unangenehme Fragen.«
»Nun.« Der Jäger presste dem Gehrockträger den Gewehrlauf an den Hals. »Ich bin Monsterjäger und gehe gerade meinem Beruf nach. Nenn mir einen guten Grund, warum ...«
Diesmal unterbrach Flint den Monolog: »Ich kann dir sogar mehrere Gründe nennen. Erstens: Ich bin ein angesehener Bürger dieser Stadt und mein Tod würde dafür sorgen, dass dir im Nu ein halbes Regulationsregiment folgt. Zweitens: Das Ableben dieser Männer ist bedauerlich, aber im großen Ganzen ein zumutbarer Rückschlag. Es reicht, wenn ich dir sage, dass sie Problemfälle waren. Drittens: Wenn die Geschichten stimmen, dann gilt die Jägergilde als Neutral. Sie mischen sich nicht in die politischen Belange unseres Kontinents ein und bekommen dafür an jeder Ecke Arbeit. Selbst, wenn sie zwischen zwei verfeindeten Nationen hin und her pendeln.«
»Du hast mich für irgendwelchen politischen Dreck benutzt?«, grollte der Jäger und drückte den Lauf fester an den Hals von Flint. Er schien seine Waffe mit einem Dolch zu verwechseln. Langsam wurde dem Vorarbeiter mulmig. Der Gedanke, dass seine Gleichung Fehler enthielt, ließ seinen Magen zu einem Stein zusammenschrumpfen.
»Bedauerlich, aber notwendig«, ächzte Flint. »Auf lange Sicht war das die richtige Entscheidung, Meister Jäger.«
»Diese Entscheidung hat das Leben von drei Männern gefordert und am Ende der Nacht könnten es vier sein.« Der Jäger entsicherte seine Flinte.
Langsam verlief die reservierte Kälte des Vorarbeiters wie die Schminke eines Clowns nach einem Dauerlauf. »Nun hör mich doch zu Ende an, Meister Jäger!«
»Warum sollte ich das tun?«
»Weil es sich für dich lohnt!«
Der Jäger brummte und senkte seine Waffe. »Sprich.«
Flinte atmete hastig, bevor er in einem Tempo antwortete, das üblicherweise von Gatten vorgelegt wurde, die von ihrer Frau in Flagranti erwischt worden sind: »Du bekommst natürlich das volle Gehalt für die Erledigung des Auftrags. Kein Beweis notwendig. Der Hauptmann ist darüber in Kenntnis gesetzt worden. Darüber hinaus verdopple, nein, verdreifache ich deine Belohnung. Geld spielt keine Rolle. Ich muss am Leben bleiben. Es ist wichtig! Ich bin wichtig! Entweder erledigst du mich hier und jetzt, was dir ein falsches Gefühl von moralischer Überlegenheit verschafft, weil du glaubst, das Richtige getan zu haben, was allerdings deinen Bauch nicht füllt und dich zu einem Vogelfreien macht, oder du vertraust mir dieses eine Mal und verlässt die Stadt als reicher Mann.«
Der Jäger haderte damit. Er fuhr sich durch die Haare, während er auf und ab ging. »Mit allen Aufschlägen sind das 5000 Crowns«, sagte er schließlich. Flint fiel ein riesiger Stein vom Herzen, der dem Kiesel, der früher sein Magen gewesen war, Gesellschaft leistete. »Dazu nehme ich meinen Grundbetrag als Schweigegeld und du legst neues Zaumzeug und den Hufbeschlag für Kimba drauf.«
»Geld spielt keine Rolle«, wiederholte Flint und lächelte warm. »Sag dem Hauptmann einfach „Der Wurm ist erledigt“ und er weiß Bescheid.«
Sein Gesprächspartner schnaufte wie ein Stier und raufte sich die Haare. »Geh mir aus den Augen. Sorge dafür, dass ich diese Entscheidung nicht bereue.«

Der Jäger schulterte sein Gewehr und setzte seinen Lederhut auf.

Flint sah ihm nach. »Das wirst du nicht, Meister Jäger«, sagte er leise, als der bewaffnete Mann in den Schein der elektrischen Lampen trat.

*​

»Neues Zaumzeug!«, sagte Geoff zu Kimba, die störrisch schnaubte. »Stell dich nicht so an. Ich weiß, dass es noch ein wenig eng anliegt, aber du musst es eintragen. Nicht mal über deine neuen Schuhe hast du dich gefreut. Du bist schon eine verwöhnte Gans, weißt du das?«

Flint hatte Wort gehalten. Als Geoff dem Hauptmann den kryptischen Satz übermittelte, weiteten sich die Augen des Wächters und sie wurden noch größer, als er die Rechnung präsentiert bekam. Diesmal wurde er jedoch ohne Murren ausgezahlt. Das Einzige, was der Hauptmann zusätzlich verlangte, war eine Unterschrift unter einem Dokument, das die Existenz eines Monsters bestätigte. Geoff musste nicht lügen, schließlich waren Bohrwürmer Ungeheuer – wenn auch keine gefährlichen.

Der Jäger, um eine Erfahrung und 6200 Crowns reicher, machte sich zur Abreise bereit, als einige Lastwagen die Stadtmauer passierten.

»Huh«, machte er, »Die Zeiten ändern sich, was, Kimba? Wer weiß? Vielleicht bin ich irgendwann auch in einem Dampfwagen unterwegs und du bist arbeitslos.«
Kimba zeigte sich unbeeindruckt. Sie naschte von ihrem Hafer.
»Du hast Recht.« Er klopfte dem Tier auf die Flanke. »Deine Position ist überhaupt nicht in Gefahr.«

Geoff schwang sich auf den Rücken seines Pferdes und ließ sie losschreiten, als der letzte Lastwagen durch das Tor gefahren war.
»Jetzt hast du aber wirklich genug gefressen, Kimba. Am Ende gebe ich mein ganzes Geld für Hafer aus.«

Auf der Brücke begegnete ihm der Soldat, der ihm bei seiner Ankunft fünf Crowns übergeben hatte. Einer seiner Arme war bandagiert. In seinem Gesicht klebten einige Pflaster. Sein Kopf war frei von Haaren.
»Du bring-pscht überhauprrrt kein Glück«, beschwerte er sich. Seine Zunge flatterte und er hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben.

Geoff tätschelte seine Glatze und kommentierte: »Das ist doch gar nicht wahr. Sieh nur.« Er zeigte auf den Boden.
Der Soldat spazierte um sein Gewehr herum wie eine Tänzerin an der Stange und blickte zu Boden. »Oh. Eine Münze.«
»Das sind zehn Coronets, Kumpel. Dafür kannst du dir am Automaten einen Kaugummi holen.«
Der Glatzkopf lächelte und offenbarte einige Lücken, die zuletzt noch nicht da waren. »Du hascht Rescht!«

Während der Jäger sich entfernte, schwankte der Soldat zum nahegelegenen Kaugummiautomaten und warf die Münze ein.
Warum der Boden ihn daraufhin verschluckte und weshalb jemand etwas von einem Giganturax und der Münze der Herausforderung rief, ist eine andere Geschichte.

 

Dieser Text ist ein kleines Experiment für mich. Nach außen hin ein klassischer NWZed mit Anfang, Mittelteil und Ende, aber eigentlich probiere ich mit der Geschichte einige Dinge aus (Wenn ichs chon in einer Textwerkstatt, werkel ich an Texten herum!):

Zuerst ist das wohl meine dialoglastigste Geschichte. Viele Informationen werden in Dialogen übermittelt und ich möchte schauen, ob das klappt. Danach übe ich eine Storytellingart, die ich persönlich sehr interessant finde: Der Plot im Hintergrund der Geschichte. Während Geoff sein eigenes Abenteuer erlebt, habe ich Ereignisse in die Geschichte gestrickt, die, wenn es so funktioniert wie ich es mir vorstelle, eine andere, kleine Geschichte erzählen.

Daher wäre meine Fragen, ob das Ding so funktioniert hat, wie ich es mir wünsche und wenn nicht, wie ich es besser machen könnte.

Falls Geoff noch unbekannt sein sollte:

Es gibt bisher zwei Geschichten mit ihm.

1. Im Hause Wilson stimmt was nicht!
2. Vorsicht, bissig!

 

Hallo NWZed,

In packte Munition, etwas
das In steht hoffentlich für ein anderes Wort.
»Ah!«, rief Flint, klatschte begeistert in die Hände und lächelte.
Warum???
Da es der erste Satz des Absatzes ist, sollt die Aussage mit dem vorherigen Absatz nichts zu tun haben.

Also gelacht habe ich. Einige ungewöhnliche Satzkonstruktionen reizten mich zum Lachen und der glückliche Soldat ist ein Schmankerl für sich. Und der Bohrwurm ist auch eine nette Erfindung, nur: was macht er? Es scheint einen Zusammenhang zu geben, besonders auch mit den Lastwagen am Ende. Aber richtig deutlich wird er mir nicht.

Flint sah ihm nach. »Das wirst du nicht, Meister Jäger«, sagte er leise
Das klang mir so, als ob der Jäger bald die nächste Leiche sein würde, aber dieser Eindruck ist wohl falsch.

Mir bleibt also nur noch eine Hoffnung, dass die Serie eine Fortsetzungsgeschichte ist und der nächste Teil Aufklärung bringt.

Die anderen Teile habe ich jetzt noch nicht gelesen, son dern bin ganz unbeleckt an den Text drangegangen.

Liebe Grüße

Jobär

 

Jo, jo, Jobär! Danke fürs Lesen!

das In steht hoffentlich für ein anderes Wort.

Oh ja ... an dem Satz habe ich herumgewerkelt und ganz übersehen, dass da etwas in die Hose gegangen ist. Wird umgehend geändert.

Warum???
Da es der erste Satz des Absatzes ist, sollt die Aussage mit dem vorherigen Absatz nichts zu tun haben.

Der Absatz wird zurückgeschoben. Mea Culpa, da hab ich übereifrig ge-entert. *g*

nur: was macht er? Es scheint einen Zusammenhang zu geben, besonders auch mit den Lastwagen am Ende.

Das ist schonmal richtig. Machen tut der Bohrwurm eigentlich nichts, er ist eben da. Im großen Ganzen, dass sich da in meinem Hinterkopf befindet, ergibt das Viech durchaus Sinn. *g* Wie gesagt, ich experimentiere gerade ein wenig, wodurch es passieren kann, dass einige Stellen nicht ganz funktionieren, wie ich sie mir vorstelle. Damit ich weiß, an welchen Punkten ich zu arbeiten habe, stelle ich dieses Experiment unter die wachsamen Augen der Wortkrieger, die mir jeden Unsinn, den ich verzapfe, umgehend um die Ohren knallen.

Mir bleibt also nur noch eine Hoffnung, dass die Serie eine Fortsetzungsgeschichte ist und der nächste Teil Aufklärung bringt.

Eine direkte Fortsetzung wirds nicht geben. Vielleicht hört man indirekt in anderen Texten etwas davon. Wie gesagt: Hier probiere ich ein wenig herum. Das wird beim ersten Anlauf bestimmt nicht so funktionieren, wie ich mir das vorgestellt habe, aber darum lechze ich auch nach wertvollem Feedback.

 

Hallo NWZed,

muss ich die beiden anderen Geschichten gelesen haben, um diese hier zu verstehen? Denn bei mir bleiben viele Fragen offen. Verstanden habe ich, dass Flint die Bergarbeiter getötet hat und de Schuld auf ein Monster geschoben hat, das es nicht gibt. Aber warum hat er sie getötet? Geoff findet dann diese Bohrwürmer, die ja eigentlich keine Gefahr sind, und sprengt dann die Mine. Aber warum?

Was mir sehr gut gefällt ist das Setting. Irgendwo zwischen Mittelalter, erstem Weltkrieg und Endzeit. Es gibt Altertümliches (Öllampen) und Modernes (Lastwagen).

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Hendrik! Danke für dein Feedback,

muss ich die beiden anderen Geschichten gelesen haben, um diese hier zu verstehen?

Nein. Üblicherweise möchte ich, dass meine Geschichten für sich alleine stehen können. Der ein oder andere Insidergag ist natürlich drin, aber im besten Fall sind die nicht wichtig für die Geschichte.

Verstanden habe ich, dass Flint die Bergarbeiter getötet hat und de Schuld auf ein Monster geschoben hat, das es nicht gibt.

Natürlich gab es ein Monster. Da der Bohrwurm aber nur einen erledigt hat, musste Flint sich um die beiden anderen kümmern. Bohrwürmer sind, wie ich versucht habe zu zeigen, lichtscheu und verlassen ihren Bau nicht.

Aber warum hat er sie getötet?

Das ist das Experiment, das der Text darstellt. Es gibt die Geschichte in der Geschichte. Ich übe eine Storytellingmethode, mit der ich keine Erfahrung habe, wodurch das Ganze etwas verwirrend sein kann. Das Feedback hilft mir, auszumachen, wo die Schwächen liegen, an denen ich dann gezielt arbeiten kann.

und sprengt dann die Mine. Aber warum?

Das kann ich verraten: Um die Bohrwurmkolonie zu schützen, die ja von den Menschen für irgendwelchen Quatsch benutzt worden sind.

Irgendwo zwischen Mittelalter, erstem Weltkrieg und Endzeit. Es gibt Altertümliches (Öllampen) und Modernes (Lastwagen).

Das ist schonmal eine sehr gute Beobachtung, hinter der die Wahrheit versteckt ist!

 
Zuletzt bearbeitet:

Na gut,

es gibt drei Geschichten:

Der glücklose Soldat, der sich am Ende auf den Weg in eine weitere Geschichte macht.

Der Jäger, der vielleicht etwas zu viel sieht.

Der Vorarbeiter, der - wie sich im Verlauf herausstellt - ein angesehner, d.h. reicher Bürger ist. Dann geht es noch um 30 Tonnen Tee und einige Lastwagen. Mit der Mine können die eigentlich nur wenig zu tun haben, da die ja vom Jäger verschlossen wurde. Schlussfolgerung: Die Arbeiter mussten sterben, weil sie vom Tee, der auf dem Minengelände lagerte, wussten und deshalb eliminiert werden mussten. Dann sind da noch das Öl und die Dynamitstangen. Also hier ist eindeutig was faul in der Mine. Aber hier erkenne ich zu wenig Informationen.

Warum die Zeit wichtig ist, ertschließt sich mir auch nicht. Dampfwagen und elektrische Straßenlampen und ein Generator deuten ja auf die frühe Phase der Industrialisierung hin. Kleine Elektrogeräte wie Helmlampen gibt es da noch nicht und Verbrennungsmotoren scheinen auch nicht erfunden zu sein.

Also:

Die Bohrwurmgeschichte funktioniert.
Die Geschichte vom glücklosen Soldaten funktioniert auch (sozusagen der Humor-Tag)
Die Geschichte von Flint und seinen dubiosen Geschäften habe ich nicht durchschaut. Enrweder habe ich Informationen übersehen, oder sie nicht verstanden (z.B. warum es wichtig sein soll, wie man Monster ausspricht).

Liebe Grüße

Jobär

 

Enrweder habe ich Informationen übersehen, oder sie nicht verstanden (z.B. warum es wichtig sein soll, wie man Monster ausspricht).

Das war nur ein Dialog. Die Informationen, die nebenbei übermittelt worden sind, sind wichtiger.

Dampfwagen und elektrische Straßenlampen und ein Generator deuten ja auf die frühe Phase der Industrialisierung hin.

Korrekt. Diese Dinge haben zu tun mit

Flint und seinen dubiosen Geschäften

Das Hauptaugenmerk meinerseits liegt natürlich auf der Bohrwurmgeschichte. Das ist der Mainplot. Das Experiment ist die Geschichte, die dahinter steht und die nur über kleinere Informationshappen erzählt wird. Mir persönlich fällt auf, dass die Minensache nicht richtig zur Geltung kommt. Da müsste ich nochmal ran, um Hinweise auf das Motiv der drei Herrschaften zu streuen, damit sich der Leser ein besseres Bild machen kann. Mal sehen, was mir dazu einfällt.

 

Hi NWZed,

finde dein Schreib-Experiment spannend, allerdings wundere ich mich auch, dass es bei den Wortkriegern auf so wenig Gegenliebe stößt.

Konkret zu deinen Fragen:
Deine Dialoge sind glaubwürdig und für mich transportieren sie die Infos.
Der trottelige, abergläubige Soldat kommt gut und bekommt die volle Punktzahl.
Geoff ist eine interessante exzentrische Figur mit ihrem unbegründeten Groll auf Naturschönheiten.
Die Geschichte hinter der Geschichte konnte leider auch ich nicht deutlich herausfiltern.
Da ging es mir ähnlich wie den beiden Jungs vor mir, obwohl ich schon die gegebenen Hinweise berücksichtigt habe.

Möglicherweise liegt es am Tag Fantasie, der viele Interpretationsmöglichkeiten zulässt und auf die falsche Fährte locken könnte. So bin ich anfänglich verschiedenen Ansätzen gefolgt, die immer wieder ins Nichts führten. Zunächst vermutete ich, die Bauernhochzeit wäre aus dem Gemälde entflohen, das Geoff beschädigt im Büro des Hauptmanns vorfindet. Du weißt schon, Pieter Bruegel der Ältere.
Insgesamt haben sich für mich mehr Fragen aufgetan als geklärt.

Welche Rolle spielt der Reißverschluss, der geschlossen wird und woran erkennt Geoff in welche Richtung er gezogen wird? (Homosexuelle Beziehung der beiden im Büro?)
Was soll die brennende Vase auf dem Fensterbrett? (Vernichtung von Beweisen?)
Es wird viel gesungen, gesummt und im Takt geklopft in deiner Geschichte. Hat das eine besondere Bewandtnis?
In welche Richtung fahren die Lastwagen eigentlich? Ich kann das nicht erkennen.
Ich befürchte, dass deine Hinweise im Text nicht konkret genug ausfallen bzw. dass es zu viele sein könnten, die dann zu einer gewissen Verwirrung sorgen.
Ich komme zu dem Schluss: Flint macht Kohle mit der Kohle über den Weg der Elektrizität, sonst würde er sich nicht so spitzbübisch freuen, als die Straßenbeleuchtung anspringt. Ob das allerdings Grund genug ist, die Bergarbeiter zu töten, die hinter seine Machenschaften gekommen sind, wage ich zu bezweifeln.
Ich muss aber sagen, das sind Erkenntnisse, die ich nach mehrmaligem Lesen und längerer Ratezeit zusammen fantasiert und nicht wirklich herausgelesen habe. Hinweise sind da, ganz klar, aber ob der Otto-Normal-Leser sie auch als solche erkennt und ob er überhaupt bereit ist, sich die Mühe des Erlesens zu machen, ist hier die Frage.

Themenwechsel: Schlag doch bitte mal beim guten alten Duden nach, ob es nicht ratsamer ist, ´der Andere´ oder ´die Anderen´ der Kleinschreibung zu unterwerfen.

Und zum Schluss ein wenig Kleinviehmist:
„Sein Pferd schnaubte. Es schien sich zu fragen, warum der Jäger jedes Mal mit (ihr) IHM
sprach, obwohl er genau wusste, dass (sie) ES nichts dazu zu sagen hatte.“

„Geoff schwang sich auf den Rücken seines Pferdes und ließ (sie) ES losschreiten, als der letzte Lastwagen durch das Tor gefahren war.“
Das Pferd ist nun mal sächlich. Könntest dir mit Stute aus der Klemme helfen, tust du auch
manchmal.

Schade, dass ich dir nicht mehr positives Feedback geben konnte. Wenn du mir die Auflösung des Rätsels mitteilen möchtest, ohne die anderen einzuweihen, dann freue ich mich auf eine PM.
Grüße peregrina

 

Hallo Peregrina! Vielen Dank fürs Reinschauen.

Welche Rolle spielt der Reißverschluss, der geschlossen wird und woran erkennt Geoff in welche Richtung er gezogen wird? (Homosexuelle Beziehung der beiden im Büro?)

Sollte nach Außen hin so wirken, war aber nicht so gemeint.

Was soll die brennende Vase auf dem Fensterbrett? (Vernichtung von Beweisen?)

Korrekt!

Es wird viel gesungen, gesummt und im Takt geklopft in deiner Geschichte. Hat das eine besondere Bewandtnis?

Nee. Manchmal dient es einfach nur zur Darstellung einer dramatischen Pause oder dem Überbrücken von peinlichem Schweigen. Hilft, die Situation bildhafter zu machen.

In welche Richtung fahren die Lastwagen eigentlich? Ich kann das nicht erkennen.

Geoff verlässt die Stadt und die Lastwagen fahren hinein. Du hast Recht: das sollte ich deutlicher machen.

Ich komme zu dem Schluss: Flint macht Kohle mit der Kohle über den Weg der Elektrizität, sonst würde er sich nicht so spitzbübisch freuen, als die Straßenbeleuchtung anspringt

So weit, so korrekt! Wie gesagt, ich bin selbst nicht zufrieden, dass die drei Bergarbeiter so blass bleiben. Da bin ich am Rätseln, wie ich das besser rüberbringe.

Schlag doch bitte mal beim guten alten Duden nach, ob es nicht ratsamer ist, ´der Andere´ oder ´die Anderen´ der Kleinschreibung zu unterwerfen.

Wird gemacht. Bei diesen Punkten bin ich mir nämlich wirklich nicht sicher.

Das Pferd ist nun mal sächlich. Könntest dir mit Stute aus der Klemme helfen, tust du auch
manchmal.

Nicht für meinen Erzähler. Da ist das Pferd eine Figur für sich und verdient eine entsprechende Erwähnung als Solche. *g* Kimba ist für Geoff ein besonderes Lebewesen, weswegen sie wie eine Person behandelt wird. Der Erzähler ist neutral, aber immer auf der Seite seiner Hauptfiguren.

Eine PM über die Auflösung folgt!

 

Hallo NWZed,

noch mal ich.
Du konntest mein Anliegen, das ich mit dem Fettgedruckten hatte, nicht erkennen. Da habe ich mich etwas verdreht ausgedrückt.
Die kameradschaftliche Beziehung zwischen Geoff und seinem Pferd Kimba mag ich sehr und das Tier ist natürlich ein wichtiger Hauptdarsteller im Geschehen.
Mir ging es um den grammatikalischen Aspekt.
Wenn du einen Satz mit ´Pferd´ beginnst, dann solltest du den mit ´es´ weiterführen und auf keinen Fall ´sie´ einsetzten.
Ein klassisches Beispiel:
DAS Mädchen strich SEIN Haar aus dem Gesicht, dann schaute ES in den Spiegel.
Da gerät man auch sehr in Versuchung, mit den weiblichen Pronomen fortzufahren.

Danke für die Aufklärung des Falles. Ich muss sagen, da hast du dir die Messlatte selber sehr hoch gelegt, wenn du den Inhalt über diese Storytellingmethode transportieren möchtest.

Dabei wünsche ich dir gutes Gelingen.

Einen inspirierten Sonntag,
peregrina

 

Wenn du einen Satz mit ´Pferd´ beginnst, dann solltest du den mit ´es´ weiterführen und auf keinen Fall ´sie´ einsetzten.

Damit hast du natürlich vollkommen recht! Betrachte es als erledigt!

Ich muss sagen, da hast du dir die Messlatte selber sehr hoch gelegt, wenn du den Inhalt über diese Storytellingmethode transportieren möchtest.

Ja. Ist auch sehr anstrengend und nach dem Experiment glaube ich, dass es nix für mich ist. *g*

 
Zuletzt bearbeitet:

NWZed schrieb:
Henrik Sturmbluth schrieb:
muss ich die beiden anderen Geschichten gelesen haben, um diese hier zu verstehen?
Nein. Üblicherweise möchte ich, dass meine Geschichten für sich alleine stehen können.

Nun denn, NWZed.
Als Leser, der mit Fantasy-Geschichten absolut nichts am Hut hat und Humortexten üblicherweise sehr skeptisch gegenübersteht, hab ich versucht, einmal über meinen Schatten zu springen und hab mir diese Story hier vorgenommen. (Vor allem deshalb, weil ich durch deine Kommentare weiß, dass du ja durchaus witzig sein kannst. :D)

Und mein Resümee gleich vorweg: besonders witzig/lustig/humorvoll fand ich das Ding nicht, na ja, eigentlich überhaupt nicht. Da gibt es zwar einerseits diesen Running Gag mit dem Soldaten, der sich das Glück quasi erkaufen wollte, dem aber dann ein Malheur nach dem anderen passiert:

»Die Vase am Fenster brennt«, merkte Geoff an.
»Tut sie nicht«, entgegnete der dicke Mann und stieß sie aus dem offenstehendem Fenster.
»Aua!«, rief ein Soldat.
»Dein Haar! Es brennt!«, warnte ein Anderer.[anderer]
[…]

Draußen rief ein Soldat: »Nein! Renn da nicht rein! Das ist doch das Schwarzpulversilo!«

Dann gab es einen Knall.


Das kann ich mir in einem Film noch ganz witzig vorstellen, wo diese Szenen dann sozusagen nebenbei, wie beiläufig, bzw. im Hintergrund spielen, aber in geschriebener Form wird’s schwierig für mich. Man kann halt nur Satz für Satz hintereinander schreiben bzw. lesen, und dadurch bekommen diese Witzchen eine vermeintliche Wichtigkeit, die ihnen eigentlich nicht wirklich zusteht, weil sie eben zu wenig witzig sind. Ich komme mir als Leser dabei ein bisschen so vor, als würde ich mit der Nase darauf gestoßen: „He, das ist witzig, was?“ Slapstick in Bildern zu zeigen ist einfach viel leichter, als in Worten.

Das andere ist die Erzählsprache, die für mich nicht unbedingt die Einordnung des Textes unter Humor rechtfertigt. Du hast zwar immer wieder Formulierungen, die offenbar ganz bewußt einen komplizierteren Weg als nötig gehen, aber das wirkt für mich eher nach bemühtem Humor, da fehlt für mein Gefühl dem Text einfach eine gewisse Leichtigkeit.

Nun ja, und die Story an sich …
Ich (als Fantasy-Desinteressierter?) tu mir schwer, das Setting einzuordnen, dieses Mischmasch verschiedenster Topoi und Szenarien.
Zum einen wirkt das alles ein bisschen steampunkmäßig, zum anderen erinnert es mich an den Disney-Film Shrek, also irgendwie hab ich echt Probleme, mir da eindeutige Bilder im Kopf entstehen zu lassen, und das verleitet mich dann eben auch dazu, einfach so leidenschaftslos darüber hinwegzulesen. (Wobei mir möglicherweise das eine oder andere wichtige Detail entgeht.)
Und auch der Plot ist mir zu … wie soll ich sagen, also irgendwie so Kraut und Rüben wild durcheinander gewürfelt. Ein bisschen Ritter der Kokosnuss-Klamauk, ein bisschen Lucky Luke, der ununterbrochen mit seinem Pferd schwafelt, ein bisschen ekliger Bohrwurmschleim, dann noch ein Kaugummiautomat usw. …

Also ich weiß nicht, als einer, der mit deinem Geschichtenuniversum nicht vertraut ist, kann ich mit dieser Geschichte hier leider überhaupt nichts anfangen. Weder inhaltlich, noch sprachlich, und die extravagante Formatierung mit diesen tausenden Leerzeilen gefällt mir sowieso nicht.

Gib mir bitte einen Lesetipp, NWZed, welche deiner Geschichten es deiner Meinung nach schaffen könnte, dich als Autor in meinen Augen zu rehabilitieren. Meine ich ganz ernst.

offshore


Ach ja, noch eine Kleinigkeit:

Ein Fass enthielt Dynamitstangen, die scheinbar nie zum Einsatz gekommen waren.
Und wie soll ich mir das jetzt vorstellen? Dass sie in Wahrheit längst detoniert sind?

 

Hallo ernst! Danke fürs Reinschauen, auch, wenns für dich nichts gewesen ist!

Ja, die Geoff-Texte sind immer so eine Sache für sich, denn mit denen spiele ich gerne herum. Da die Wortkrieger eine Textwerkstatt sind und ich nicht ständig ein und dasselbe machen möchte, kommen manchmal Experimente wie dieses hier dabei raus.

Rehabilitation kann ich daher nicht umgehend anbieten, da viele meiner Texte demselben Stil folgen: Klamauk, wie du bereits sagtest, und visuellem Kram.

Trotzdem biete ich Vorsicht, bissig! an, weil diese Geschichte einem klareren Verlauf folgt und in der ich nicht experimentiert habe.

Weiter gehts, Schritt für Schritt:

Das kann ich mir in einem Film noch ganz witzig vorstellen, wo diese Szenen dann sozusagen nebenbei, wie beiläufig, bzw. im Hintergrund spielen, aber in geschriebener Form wird’s schwierig für mich

Ja. Daher verzichte ich in anderen Geschichten weitestgehend auf diesen groben Unsinn, weil meine Figuren eine recht eingeschränkte Wahrnehmung haben und ihnen einige Details entgehen würden, was so um sie herum passiert.

Der Soldat, dem nur Blödsinn passiert, war eher so ein Nebengedanke, den ich beim Schreiben ganz lustig fand. Normalerweise wäre er dem finalen Schnitt zum Opfer gefallen, aber da es sich um einen experimentellen Text handelt, hab ich ihn drinnen gelassen.

Ich (als Fantasy-Desinteressierter?) tu mir schwer, das Setting einzuordnen, dieses Mischmasch verschiedenster Topoi und Szenarien.

Das höre ich gerade bei dieser Geschichte nicht zum ersten Mal und das ist ein ganz valider Kritikpunkt. Ich bin weit übers Ziel hinaus geschossen. Da war die Intention löblicher als das finale Ergebnis, in dem ich mich selbst mehrfach verrannt habe. Die Welt, in der das alles stattfindet, ist Steam/Dieselpunk. Für das Monster in der Mine hab ich mir einen Bereich ausgedacht, der noch nicht so weit ist und noch in den Kinderschuhen der Industrialisierung steckt. Dadurch ist das ganze Szenario unheimlich verwirrend geraten. *g*

aber das wirkt für mich eher nach bemühtem Humor, da fehlt für mein Gefühl dem Text einfach eine gewisse Leichtigkeit.

Das sehe ich als Problem. Die Leichtigkeit, mit der die Geschichte erzählt wird, ist sehr wichtig - und dadurch, dass ich mich so verrannt habe, kam auch meine Erzählsprache ins Stocken. Auch, weil ich sehr viel mit Dialogen gespielt habe - mehr als sonst. Dadurch bekam der Erzähler nicht genug Zeit, um sich zu entfalten. Und wenn, dann warens kurze Stakkatosätze, in denen er eiligst eine Umgebungsbeschreibung ausspucken musste. Ja, hier kann ich dir voll und ganz zustimmen.

Und auch der Plot ist mir zu … wie soll ich sagen, also irgendwie so Kraut und Rüben wild durcheinander gewürfelt.

Richtig. Hier habe ich zu viel gewollt und dadurch zu wenig geliefert.

Und wie soll ich mir das jetzt vorstellen? Dass sie in Wahrheit längst detoniert sind?

Hyperaktives Dynamit! Hast du noch nie davon gehört?

Wird erledigt! *g*

 

Hallo-o flammbert, auch dir danke ich für deine Zeit,

Du musst wissen; ich bin, wenn es darum geht, lustige Texte zu lesen, ein sehr unlustiger Mensch. Hier musste ich aber tatsächlich mehrmals laut auflachen,

Das freut mich sehr. Humor ist eben eine sehr subjektive Sache und das meine Witze nicht bei jedem zünden, ist mir bekannt. Kann ich ja auch nicht verlangen.

Bei mir hat diese Fülle an Informationen eher dazu geführt, dass ich mich entgegen meiner Gewohnheit von der Geschichte eher habe berieseln lassen, als den Handlungssträngen zu folgen.

Das ist eine sehr hilfreiche Information! Die hilft mir dabei, auf die Stellen zu deuten, die nicht funktioniert haben. Danke!

Wo du vielleicht kürzen könntest, beziehungsweise den Monolog von Geoff umändern könntest, wäre die Stelle, an der er die Leichen entdeckt. Geoff analysiert und begutachtet, das ist aber eher langweilig zu lesen.

Da gebe ich dir recht und habe inzwischen auch mit dem Finger darauf deuten können, woran das genau liegt: Geoffs Detektivspielerei hätte in einem Videospiel funktioniert, nicht aber im geschriebenem Wort. Hier ziehe ich den Leser von Anhaltspunkt zu Anhaltspunkt, wodurch sich das Mysterium gar nicht richtig entfalten kann. Dazu wird der Leser zu sehr an der Hand genommen und kann nicht selber miträtseln. Geoff kaut ihm alles vor.

Das mit dem "show, don't tell" hätte ich an dieser Stelle viel mehr beherzigen müssen.

Vorsicht, Falle: Geoff hatte einen Helm über den Hut gezogen.

Stimmt. Das ist mir selbst entgangen. *g*

Nee, das klingt seltsam. "Verlief über den Weg ...", oder so.

Es sollte seltsam klingen. Für mich persönlich besteht da kein Änderungsbedarf.

 

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