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Meine Geheimnisse, deine Geheimnisse

Beitritt
17.02.2015
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Meine Geheimnisse, deine Geheimnisse

Als Herr Schulz an jenem Freitag ins Klassenbuch guckte, um ein armes Opfer zu finden, das die Hausaufgaben an der Tafel vorrechnete, herrschte Totenstille im Klassenzimmer. Christian spürte, wie sein Herz schneller schlug. „Nimm doch Patrick oder Natalie, von mir aus auch Martin oder Tobias, aber nimm bitte nicht mich!“, dachte er still.
Dann blieb der Zeigefinger auf einer Höhe hängen, die zu weit oben für Christians Nachnamen war und er spürte schon eine deutliche Erleichterung. Doch das Schicksal ist eine Schlange.
„Nehmen Sie doch Christian, der hat schon lange nichts mehr gesagt“, tönte plötzlich Patricks dämliche Stimme durch den Klassenraum. Wie ein Stich fuhr es Christian durch die Brust.
„Ja, das ist eigentlich eine gute Idee. Christian, würdest du bitte nach vorne kommen!“
Er hätte Patrick am liebsten erwürgt. Gleichzeitig konnte Christian hören, wie der Rest der Klasse aufatmete. Heute würde er die Drecksarbeit für die anderen machen.

Das Abschreiben der Aufgabe war das Einzige, was Christian selbstständig und fehlerfrei schaffte. Danach glich er einer Schere, die ein Spinnennetz durchschneiden soll. Aber das Netz war so dicht und die Schere so stumpf, dass sie sich schon beim ersten Schnitt verhedderte und feststeckte. Er konnte sehen, wie sich die ganze Klasse über ihn lustig machte. Patrick schnitt Grimassen und seine dumme Freundin Natalie streckte ihm die Zunge heraus. Aber am schlimmsten war, dass Frederike das alles miterlebte. Er traute sich nicht zu ihr zu gucken. Mit knallrotem Kopf stand er hilflos da und spürte, wie ihm kalter Schweiß die Stirn runterlief.

Nach nur wenigen Minuten hatte sich die Schere derartig tief im Netz verfangen, dass es keine Aussicht mehr auf Fortschritte gab und so durfte er sich endlich wieder hinsetzen. Jetzt wendete sich das Blatt, ein Nachfolger musste bestimmt werden und so unangenehm seine Zeit an der Tafel auch gewesen war, so befreit fühlte er sich jetzt, als Herr Schulz wieder seinen Zeigefinger ansetzte. Interessant zu sehen, wie die gesamte Schulklasse unter sich guckte. Sogar Patrick und Natalie sagten jetzt nichts.
„Wie wäre es denn mit Patrick? Der hat sich doch eben schon angeboten!“, sagte Christian laut.
Aber Herr Schulz grinste nur, guckte ihn an und sagte: „Nein, nein, der hat seine Hausaufgaben ja immer gemacht!“
Schließlich traf es eine andere arme Sau. Es schien, dass der Scherenschleifer in den vergangenen Wochen keine gute Arbeit gemacht hatte und so zog sich die Stunde in die Länge bis endlich der befreiende Pausengong kam. Erleichtert sprangen alle auf und verließen den stickigen Klassenraum in Richtung sonnige Freiheit.

Nachmittags trafen sich Christian, Martin, Tobias und Robert wieder auf dem Spielplatz. Sie saßen auf ihrer Stammbank und Christian steckte wie immer eine Zigarette an.
„Scheißtag!“, sagte er, als er die Zigarette in die Runde gab.
„Komm schon, bei Schulzi sieht niemand gut aus. Mach dir nichts draus, nächstes Mal ist wieder ein anderer dran“, meinte Robert.
„Und Patrick würde ich gerne mal eine in die Fresse hauen!“
„Wer würde das nicht. Aber das solltest du vielleicht nicht beim Schulzi machen!“, meinte Tobias.
„Ach Leute, lasst euch doch von all dem Kram nicht runterziehen! Solange wir hier herkommen und unsere täglichen Zigaretten rauchen können, ist doch alles gut“, meinte Martin.
Christian nahm noch einen Zug. Von wegen alles gut! Wenn bloß Frederike ihn nicht so gesehen hätte. Seine Freunde hatten ja keine Ahnung.

Abends saß Christian wieder einmal vor seinem Bildschirm. Bei Facebook klickte er auf Frederikes Profil. Da strahlte sie ihn an. In Wirklichkeit hielt sie ihn bestimmt für einen Vollidioten. Das Problem: Sie hatte Recht. Er traute sich ja noch nicht einmal, seinen Freunden davon zu erzählen.
„Mann, war für ein Scheißtag“, sagte er leise und ging ins Bett.

Am nächsten Morgen wachte er noch vor dem Wecker auf. Sein Smartphone vibrierte ständig. Als es immer weiter auf sich aufmerksam machte, raffte Christian sich auf. 34 Neuigkeiten bei Facebook! Er loggte sich ein.

Mit offenem Mund starrte er auf den Bildschirm und musste feststellen, dass Facebook Angaben auf seinem Profil hinzugefügt hatte.
„Christian ist Raucher und raucht ca. 1 - 2 Zigarette am Tag“, stand da. Oder auch: „Christian ist bei FindYourDate.com angemeldet und hat schon vier Frauen angeschrieben, aber keine Antwort erhalten.“ Christian spürte, wie sein Mund trocken wurde. Er schluckte. Dann las er die letzte Info: „Christian ist in Frederike verliebt.“ In diesem Moment hatte er das Gefühl, das dreckige Lachen von Patrick und Natalie hören zu können.

Fassungslos glotzte er einen Moment einfach nur auf die Einträge. Dann las er die ersten Kommentare auf seinem Profil, die angebliche Freunde dort hinterlassen hatten.
„Du Löwe, mach schön weiter so!“, meinte jemand. „Hab´ ich es mir doch gedacht!“, schrieb ein anderer. Dazu ein paar Likes.
Oft hatte er vor diesem Datenalbtraum Angst gehabt. Jetzt war er Wirklichkeit geworden. Verdammt! Warum passierte das ausgerechnet mit seinem Profil? Und woher wollten die das alles wissen? Christian wollte im Boden versinken.

Gerade als er versuchte, die peinlichen Angaben zu löschen und feststellte, dass dies nicht vorgesehen war, kam ihm eine beruhigende Idee: vielleicht war es nicht nur bei ihm so. Er klickte auf das Profil von Patrick und konnte ebenfalls interessante Sachen lesen. Patrick rauchte auch und ging dreimal in der Woche zum Nachhilfeunterricht. Außerdem wurden die letzten drei Pornofilme angezeigt, die er sich angeschaut hatte.
Christian klatschte in die Hand und lachte laut auf. Irgendwie fühlte es sich schon besser an, jetzt da er wusste, dass es nicht nur bei ihm so war. „Von wegen Hausaufgaben machen“, schrieb er unter die Pornofilme und kicherte vor sich hin. Er klickte auf andere Profile und stellte fest, dass überall viele Intimitäten zu lesen waren. Noch niemals war er von einer Sache so gefesselt gewesen. Was es da nicht alles zu entdecken gab. Der Rabauke aus der Parallelklasse, der insgeheim angeblich gerne Schnulzen guckte, das hübsche Mädchen aus der Klasse unter ihm, das angeblich Push-up-BHs trug und – der Wahnsinn – Martin, von dem Facebook behauptete, dass er schwul war. Christian kam aus dem Klicken und Lesen gar nicht mehr heraus. Herr Schulz soll eine Kochgruppe für Gemüsewoks haben? Wie geil war das denn bitte!

Als seine Eltern ihn zum Frühstück riefen, sagte er, dass er keinen Hunger habe und dass sie ihm später einen schönen Tag wünschten und zur Arbeit fuhren bekam er gar nicht mit. Die erste Stunde hatte er inzwischen schon längst verpasst, aber dafür sehr tief in die persönlichen Abgründe seines Umfeldes geschaut und einige Kommentare hinterlassen. Sollte er heute überhaupt zur Schule gehen? Man würde ihn auslachen. Na und? Er konnte immer noch behaupten, dass es gar nicht stimmte. Aber was würde Frederike jetzt denken und sollte er ihr etwas sagen? Ach was, bestimmt hatte sie es noch nicht einmal gelesen, sie interessierte sich doch gar nicht für ihn und in diesem Chaos wusste ohnehin niemand mehr, was auf wessen Profil stand. Natürlich musste er zur Schule gehen. Da ging heute bestimmt einiges. Er duschte, zog sich an und rannte zum Bus.

In der Schule herrschte wie erwartet große Aufregung. Schon auf dem Schulhof standen viele Leute herum, hielten ihre Smartphones in der Hand und redeten und gestikulierten wild miteinander.
„Du dumme Kuh! Ich will dich nie wieder sehen!“, hörte Christian Natalie ein anderes Mädchen anschreien, als er in Richtung Haupteingang ging. Laut Facebook hatte die etwas mit Patrick. Die zweite Stunde würde in wenigen Minuten anfangen. Vermutlich ohne Natalie. Christian gefiel das.
Schon von Weitem hörte er den Lärm aus dem Klassenraum und wie erwartet fand er die Klasse darin völlig aufgelöst, wild durcheinander schreiend und aufgebracht. Ganz plötzlich fühlte er sich unsicher und wollte schon fast zurückgehen. „Einfach so tun als wäre nichts“, dachte er sich. Und bloß keinen Blickkontakt mit Frederike aufnehmen.
„Hey, da kommt ja noch so ein Raucher!“, rief Robert als Christian zu seinen Freunden kam. Sie begrüßten sich mit einem Handschlag.
„Ganz böse, das hätte ich ja nicht von dir gedacht!“, meinte Martin.
„Na und ihr erst! Von wem habt ihr das denn nur!“
„Hey Christian, hast du schon ein paar heiße Bräute abgeschleppt?“, rief Patrick durch die Klasse und einige lachten und grölten. Christian spürte, wie sein Mund trocken wurde.
„Gar nicht, Mann, ich bin da nicht angemeldet. Aber du schaust wohl gerne Dokumentationen aus dem Bereich Biologie!“, rief er mit unsicherer Stimme zurück und wieder lachten alle.
Patrick schüttelte den Kopf: „Quatsch, Mann, ich kann nichts dafür, was Facebook schreibt!“
Dann wandte sich die allgemeine Aufmerksamkeit jemandem anderem zu.
„Ok Leute, ich gebe es zu: was da steht, stimmt! Ich habe es euch nur nie gesagt! Aber mich kotzt eure scheiß Mucke an! Ich höre lieber meine eigene!“, meinte ein Mitschüler und die Klasse lachte. Einige stimmten „Atemlos“ an.
Auf dessen Profil war Christian noch nicht gewesen und guckte jetzt seine Freunde fragend an.
„Bei ihm steht, dass er gerne Schlagermusik hört“, erklärte ihm Tobias.
„Würde ich ihm sogar zutrauen“, meinte Christian und war sich nicht sicher, ob man es ihm abkaufte, dass die Angaben auf seinem Profil falsch waren. Kurz blickte er durch die Klasse. Sein Blick fing sich mit Frederikes und sofort wurde ihm bewusst, dass sie es ganz sicher gelesen hatte. Schnell guckte er wieder weg. Ob es sie vielleicht doch interessiert hatte?

Herr Schulz kam und wollte allen Ernstes Unterricht machen. Die Klasse war in dieser Stunde hochkonzentriert, nur eben nicht auf die Tafel. Unter den Tischen verfolgten alle gespannt, was bei Facebook als nächstes passierte. Unfassbar, welche tiefsten Geheimnisse plötzlich für alle zugänglich waren. Oder stimmte etwa doch alles gar nicht? Viele jedenfalls schrieben inzwischen auf ihrer Seite, dass die Angaben nicht richtig sind. Manche hatten sich sogar ganz plötzlich abgemeldet. Wenige sagten aber auch, dass sie stimmten.
„Herr Schulz, stimmt es, dass sie eine Kochgruppe für Gemüsewoks haben?“, rief Robert durch die Klasse. Die Klasse lachte laut auf und Herr Schulz schnappte nach Luft, dann beruhigten sich wieder alle.
„Ja das stimmt, willst du mal vorbeikommen? Zum Gemüse schneiden reicht´s vielleicht!“, fragte er zurück und hatte die Lacher dieses Mal auf seiner Seite.

„Hey, was meinst du? Stimmt das alles oder sind das nur Fakes?“, fragte ihn Martin nach der Stunde. Aber ihre Unterhaltung wurde von Patrick unterbrochen.
„Na komm schon, Martin, du kannst es uns ruhig sagen! Facebook weiß es auch schon!“
„Alter es stimmt aber nicht. Ich bin nicht schwul! Oder lässt du dir etwa wirklich dreimal in der Woche das Gehirn erweitern?“
„Als ob ich das nötig hätte!“
Christian überlegte einen Moment und drehte sich dann wieder zu Martin um. Es wäre der Hammer, wenn Facebook mit allen Infos Recht hätte.
„Na ja, manches stimmt und manches halt nicht. Wir rauchen, das haben die Schweine schon richtig rausbekommen. Aber vieles haben die sich bestimmt auch ausgedacht. Vielleicht so ein Algorithmus, der irgendwas falsch berechnet hat.“
„Und mit Frederike?“, fragte Martin weiter.
„Quatsch Mann, natürlich nicht“, raunte Christian zurück und bereute schon seine Reaktion. Warum war das so schwer? Er erwischte sich, wie er vorsichtig zu ihr schaute, aber sie unterhielt sich gerade mit einer Freundin. Die ganze Zeit fühlte er sich unsicher. Es war einfach unangenehm hier zu sitzen. Ständig hatte er das Gefühl, dass Frederike zu ihm schaute. Bestimmt wartete sie darauf, dass er etwas zu ihr sagte. Eigentlich hätten sie heute noch drei Stunden gehabt, aber Christian hielt es jetzt schon nicht mehr aus.
„Lasst uns abhauen! Hier läuft heute eh nichts und ich hab´ keinen Bock mehr auf dieses ständige –Stimmt das? – und Stimmt das?“, sagte Christian. Er schnappte sich seine Sachen und stand auf. Seine drei Jungs folgten ihm. Gerade als sie den Klassenraum verlassen wollten, trafen sich seine und Frederikes Blicke wieder. Christian konnte nicht einfach an ihr vorbeigehen. Jetzt musste er etwas sagen. Er nickte ihr zu: „Nicht alles glauben, was Facebook sagt!“ Dann verließ er mit seiner Gang den Raum und die Schule. Am liebsten hätte er sich ein tiefes Loch gegraben und wäre darin versunken.

Auf dem Spielplatz herrschte die übliche Ruhe. Die Kiddies waren noch im Kindergarten und sonst trieb sich hier kaum jemand herum. Über den Spielplatz wusste Facebook nichts zu sagen, hier war die Welt noch in Ordnung. Sie setzten sich auf ihre Bank, Christian steckte eine Zigarette an und gab sie in die Runde. Er fühlte sich schrecklich. Wie konnte er nur so etwas Dummes zu ihr sagen? Wäre er ehrlich gewesen, würde er vielleicht jetzt mit ihr zusammen sein. Stattdessen hing er mit diesen Vollidioten herum.
„Hallo, träumst du?“, hörte er plötzlich Martin neben ihn fragen. Die Zigarette hatte die erste Runde gemacht und war wieder bei ihm. Christian nahm sie und zog daran, während die anderen mit ihren Smartphones die Neuigkeiten verfolgten.
„Am schlimmsten sind doch die dran, bei denen gar nichts steht“, meinte Tobias.
„So etwas gibt es auch?“, fragte Martin.
„Na klar, hier, Michael zum Beispiel. Es ist, als hätten die einfach vergessen, da was zu schreiben.“
„Vielleicht wissen sie über den nichts“, meinte Robert.
„Oder vielleicht gibt es über den einfach nichts zu sagen. Ich meine, Michael ist echt ein Langweiler. Ich kann mir schon vorstellen, dass es da nichts zu schreiben gibt!“
„Quatsch Mann, das ist doch eh alles falsch! Wenn da nichts steht, zeigt das einfach nur, dass ohnehin alles ausgedacht ist“, sagte Christian.
„Hey, schon vergessen?“, meinte Martin und wedelte mit der Zigarette.
„Alter, hör mir damit auf. Dass Jugendliche mal eine rauchen ist kein großes Geheimnis, dazu braucht man kein Facebook.“
„Also du meinst, dass das alles ausgedacht ist“, fragte Tobias nach.
„Keine Ahnung, Alter, bin ich Facebook? Ich glaube, dass das meiste Quatsch ist und sich irgendjemand einen Scherz erlaubt hat.“
„Vielleicht ist es eine Panne. Ich meine, die wissen bestimmt viel über uns, nur haben sie es bisher nicht gesagt. Vielleicht hat jetzt jemand auf den falschen Knopf gedrückt.“
„Ja oder vielleicht wollten sie auch einfach, dass mal wieder mehr los ist auf ihrer Seite. Ich meine ganz ehrlich, in letzter Zeit ist es schon ein bisschen langweilig geworden. Da muss man halt mal was losmachen.“
„Was meint ihr, bleibt das jetzt so?“, fragte Robert.
„Bestimmt nicht, das können die gar nicht lange machen. Guckt euch an was an unserer Schule los ist. Wenn das überall so ist, müssen die das bald wieder abstellen“, meinte Martin.
„Mann ihr habt heute auch kein anderes Thema mehr, oder? Ich hau´ jetzt ab! Ich kann das alles nicht mehr hören, mir reicht´s“, sagte Christian und sprang von der Bank auf.
„Kommt ihr mit oder wollt ihr noch ein bisschen dummes Zeug labern?“, fragte er. Aber an diesem Nachmittag verließ er alleine den Spielplatz.

Zu Hause ließ sich Christian auf sein Sofa fallen. Dann schleppte er sich zu seinem Rechner und loggte sich bei Facebook ein. Noch immer gab es ständig neue Kommentare. Wieder landete er auf Frederikes Profilseite.
„Nicht alles glauben, was Facebook sagt“, fielen ihm seine Worte wieder ein. Er strich sich mit der Hand über sein Gesicht. So ein dummes Gerede! Es wäre die Gelegenheit gewesen, ehrlich zu ihr zu sein. Im Moment spielte die Welt ohnehin verrückt, da würde sich schon keiner aufregen, wenn er ihr seine Liebe gestand. Aber nein, er hatte sich nicht getraut. Er war noch immer der gleiche Vollidiot wie gestern.
Er klickte sich zu seinem Profil, um zu sehen, ob noch immer alle Angaben angezeigt wurden. Noch immer sagte Facebook, dass er rauchte, dass er bei FindMyDate.com war und dass er in Frederike verliebt war. Fast alle hatten heute behauptet, dass die meisten Angaben nicht stimmten. Aber in seinem Fall passte alles. Wer weiß, vielleicht war an diesen Angaben doch mehr dran als man dachte. Am Abend gab es eine offizielle Stellungnahme von Facebook.

„Facebook möchte mit seiner Plattform den Menschen eine Möglichkeit geben, miteinander in Kontakt zu kommen. Dazu braucht man Informationen über Freunde, Bekannte, Nachbarn oder Arbeitskollegen. Wenn Sie Ihren Nachbarn nicht gut kennen, liegt es vielleicht daran, dass sie nicht genug über ihn wissen. Wenn Sie aber erfahren, dass sie ein gemeinsames Hobby haben, kommen Sie viel schneller miteinander in Kontakt.
Leider mussten wir feststellen, dass die Menschen meistens sehr wenig über sich selbst posten. Dabei haben wir doch alle sehr ähnliche Bedürfnisse und Wünsche. Also, lasst uns offen und ehrlich sein und darüber reden! Deshalb hat sich Facebook dazu entschlossen, den Menschen zu helfen und ihnen diesen Schritt abgenommen. Aber keine Sorge, veröffentlicht wurden nur die Informationen, die durch unsere Analysen mit einer ausreichend hohen Wahrscheinlichkeit zutreffend sind.
Wir haben die Reaktionen sehr genau verfolgt und waren sehr überrascht. Sehr viele Menschen waren nicht dankbar, sondern verärgert. Auch nutzten die Menschen die Informationen oftmals, um andere bloß zu stellen, obwohl sie doch selbst sehr ähnliche Eigenschaften haben. Es scheint, als wollten einige nicht verstehen, dass sie Menschen sind.
Obwohl wir weiterhin von diesem Schritt überzeugt sind, haben wir uns entschlossen, die Informationen wieder zurückzunehmen. Ab heute Nacht werden nur noch Informationen angezeigt, die die Nutzer aktiv eingestellt haben. Wir bedauern diese Entwicklung sehr, hoffen aber, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden kann.“

Christian starrte auf den Bildschirm. War das etwa ernst gemeint? Hatten die wirklich die peinlichsten und intimsten Informationen veröffentlicht und erwartet, dass die Menschen ihnen dankbar sein würden? Und sollte das etwa heißen, dass die Angaben wirklich alle stimmten?
Müde von diesem Tag legte er sich in sein Bett. Da fielen ihm wieder Frederike und seine dumme Aussage ein. Er verkroch sich unter der Bettdecke. Nie wieder wollte er so ein Idiot sein. Morgen würde er es wieder gutmachen.

Als erstes loggte sich Christian am nächsten Morgen bei Facebook ein. Er klickte sich durch sein Profil und sah, dass die zusätzlichen Angaben tatsächlich verschwunden waren. Jetzt war er wieder der Christian, den er bei Facebook eingestellt hatte. Und den es so gar nicht gab. Er schaute auch bei anderen Profilen nach und auch dort waren die vielen kleinen peinlichen Zusatzinformationen wieder gelöscht worden. Facebook trug all die Geheimnisse wieder still mit sich herum.
Er stand noch einmal auf von seinem Stuhl und schaute aus dem Fenster. Was für ein Spuk war das gestern gewesen und was für eine Verwirrung hatte es gegeben. Warum eigentlich? Nur weil die Menschen ein bisschen ehrlicher waren und sich nicht mehr verstecken brauchten. Auch er musste dieses Versteckspiel nicht mehr mitspielen, wenn alle wussten, wer dieser Christian wirklich war. Er überdachte seine Entscheidung, dann setzte er sie um und ging in die Schule.

Auf dem Schulhof standen ein paar Leute, unterhielten sich nicht, aber tippten auf ihren Smartphones herum. Auch im Gebäude war es auffällig ruhig. Die Leute schienen sich von dem Schock noch erholen zu müssen. „Ihr Kinder“, dachte Christian, „steht doch einfach alle zu euch selbst.“
Im Klassenraum saßen die Leute in Gruppen zusammen und redeten, aber es war nicht so laut wie sonst. Auch Natalie war heute wieder da, saß aber nicht neben Patrick. Der wiederum saß abseits der anderen und hackte auf seinem Smartphone herum.
„Hast du schon reingeguckt, ist echt wieder alles weg!“, sagte Robert gerade als Christian dazukam.

„Hey Christian, bei dir haben die vergessen, die Daten zu löschen!“, lachte Patrick.
„Die waren gelöscht. Aber ich habe sie wieder reingestellt!“ Jetzt hatte er die Aufmerksamkeit der Klasse.
„Was denn, bei mir stand nichts Falsches. Ich bin eben wie ich bin. Seht zu, wie ihr damit klarkommt. Ja ich rauche und ja ich bin – sorry – ich war bei diesem Portal angemeldet! Ist das ein Problem? Nein, verdammt noch mal! Dass Menschen eine Beziehung haben wollen, ist überhaupt nicht peinlich. Peinlich war eigentlich nur die Art, wie wir uns gestern alle aufgeführt haben. Werdet mal erwachsen.“
Dann drehte er sich zu Frederike und holte tief Luft: „Nicht alles glauben, was Facebook sagt. Es sei denn, die Leute haben es selbst reingestellt. Ich wollte eigentlich die ganze Zeit nur mit dir zusammen sein!“ Frederike lächelte, sprang auf und umarmte ihn.

„Guten Morgen, alles auf seinen Platz!“ Herr Schulz kam herein und fing mit dem Unterricht an. Christian ließ die Augen nicht von seinem Smartphone. Plötzlich sah er eine Freundschaftsanfrage von Frederike. Sie hatte auch eine Nachricht geschickt. „Treffen nach der Schule?“ Er sah einmal kurz hinter sich, lächelte sie an und antwortete: „Klar, gerne!“
Schon am Ende der Stunde sah Christian, dass auch bei anderen wieder mehr Informationen standen. Anscheinend hatten viele ihre Geheimnisse wieder öffentlich gemacht.

Gerade als er nachmittags mit Frederike durch den Stadtpark lief, sah er, dass Martin ebenfalls seine Informationen wieder hinzugefügt hatte. „Ich sage es mit Christians Worten: Seht zu, wie ihr damit klarkommt!“
„Und jetzt?“, fragte Frederike.
„Nichts. Wir sind doch noch immer Freunde“!

 

Ich fange erstmal mit den ganzen Verbesserungsvorschlägen und komme dann zum Fazit.


Danach glich er einer Schere, die ein Spinnennetz durchschneiden soll, selbst aber so stumpf und das Netz so dicht ist, dass sie sich schon beim ersten Schnitt verheddert und feststeckt.

Mach da besser zwei Sätze draus. Der ist zu verschachtelt.

Er traute sich nicht zu ihr zu gucken und fühlte sich von oben bis unten komplett durchgeschwitzt.

Warum fühlt er sich so? Und von oben bis unten ist schlecht formuliert. Schweiß auf der Stirn - am Besten kalter - und ein knallroter Kopf sind doch natürlicher.
Es schien, dass der Scherenschleifer in den vergangenen Wochen keine gute Arbeit gemacht hatte und so zog sich die Stunde in die Länge bis endlich der befreiende Pausengong kam.

Ist die Schulstunde wirklich so kurz, dass sie nach einer einzigen Aufgabe zuende ist?

Das Problem: sie hatte Recht.

Das "sie" wird groß geschrieben.

Abends saß Christian wieder einmal vor seinem Bildschirm.

Dauert es wirklich so lange, eine Zigarette zu rauchen? Was macht Christian den Rest des Nachmittags?

Mein Fazit: Die Geschichte ist super und auch gut geschrieben. Besonders gefällt mir die Tatsache, dass Facebook & Co. früher oder später alles über jeden herausfindet und ggf. veröffentlich.
Eine schöne und mMn realistische Möglichkeit.
Ich muss gestehen, dass ich einen Teil davon ausgelassen habe, aber das Ende gefällt mir gut und die Story hat sogar eine Moral: Sei wie du bist und hab den Arsch, dazu zu stehen.

drei Daumen hoch.

 

Hej Sebastian,

deine Geschichte über Pubertierende und Facebook, über Erwachsenwerden und Ehrlichkeit, Freundschaft und Rivalitäten las sich zügig weg. Ich persönlich mag viel wörtliche Rede nicht so gerne, bevorzuge Bilder, aber egal. Thematisch ist sie sehr überschaubar und vorhersehbar. Aber nett, vielleicht zu nett.

Einen schönen Sonntag, Kanji

 

Hallo Sebastian H.,

aus deinem Text lese ich drei verschiedene Themen heraus:

- Facebook und Datenschutz
- Freundschaften und der Umgang mit Geheimnissen
- Jugend und Liebe
Alles zusammen in einer einzigen Kurzgeschichte unterzubringen, ist sehr, sehr ambitioniert. Keine Frage, alle Aspekte sind lohnenswert zu verfolgen. Mir war es allerdings zwischendurch zu ermüdend, deine Protagonisten auf ihr Smartphone und ihre Zigaretten reduziert zu sehen. Das müssen schon besondere Zigaretten gewesensein:D

Noch zwei Anmerkungen: So ein Sozialexperiment von Facebook kann ich mir nicht vorstellen. Hast du da Hinweise?
Deine Lehrer sind echt merkwürdige Typen, wenn sie gar nicht raffen, was so abgeht.:confused:

Also: gute, aktuelle Themen, vielleicht zwei kombinieren und einen Schwerpunkt setzen. Dann hast du deine Leser

Gruß wieselmaus

 

Hallo zusammen,

zunächst einmal vielen Dank für eure ehrlichen Kommentare, die mir sehr helfen!

Ein paar davon konnte ich leicht übernehmen, zu ein paar anderen habe ich noch Fragen:
betzebub: Es stimmt, dass die Zeit in meiner Geschichte teilweise sehr schnell voranschreitet. Aber in diesen Phasen passiert eben nichts, daher habe ich versucht, diese Stellen möglichst kurz zu halten. Als Leser fragt man sich natürlich, wie die Zeit so schnell vergeht. Wie kann man das besser machen?
Kanji: Für Christian endet die Sache wirklich sehr zufriedenstellend, was vielleicht unwahrscheinlich ist. Meinst du das mit "zu nett"?
wieselmaus: In der Geschichte werden wirklich viele Themen angesprochen, ich hatte aber gehofft, dass es die Geschichte nicht überfrachtet. Zu so einem Sozialexperiment habe ich keine Quellen, in der Geschichte war es eigentlich nur als Gerede einer Person gedacht. Ich denke schon, dass Facebook solche Daten haben könnte, aber sie nicht einfach veröffentlichen würde. Die Geschichte soll nur mit dem Gedanken spielen, ob soziale Netzwerke das menschliche Zusammenleben eher vereinfachen oder erschweren.

Würde mich wie immer über jegliche Kommentare freuen!

Frohes Weiterschreiben,
Sebastian

 

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