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Der Job

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08.01.2016
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Der Job

Petra Schmidt war die Verwaltung des neuen Turms schlechthin. Sie hatte einen nahezu grandiosen Job, nicht zu weit von ihrem Haus entfernt, gut bezahlt und zusätzlich konnte man sich als immer präsentes Gesicht des Gebäudes gut sehen lassen. Es war nicht einfach, die Räumlichkeiten zu verwalten und es hätte ihr wirklich Spaß gemacht, ihren Beruf tagtäglich auszuführen (sie konnte es sich nicht leisten zu fehlen), wenn sie doch nur ihre Ruhe gehabt hätte. Sie nahm die volle Arbeit der sechs Frauen auf sich. Das tat sie auch gerne, aber wieso zum Teufel, konnte sie ihren Beruf nicht alleine, in Ruhe ausführen, wenn sie doch sowieso alles in ihrem Tätigkeitsbereich und noch viel mehr selbst machte?
Dass die anderen Tratschtanten genauso entlohnt wurden wie sie, hatte Petra Schmidt mit einem warmen Kaffee, den sie in ihrer Thermoskanne mitbrachte, verdaut. Was hätte sie auch sonst machen sollen? Sich beschweren? Nein, da trank sie lieber noch einen Schluck aus ihrer Thermoskanne und wartete auf die Beförderung, die dann einige Monate später tatsächlich Wahrheit wurde. Das Zeug, das da aus dem Kaffeeautomaten floss, war nämlich echt widerlich.
-Noch schlimmer als das Gesöff in den Supermärkten.
Nach einem Jahr konnte sie sogar von sich behaupten, drei Beförderungen bekommen zu haben.

Petra Schmidt hatte ihren Mund zu einem schmalen Strich zusammengepresst, so wie immer wenn sie nachdachte. Ach, was bildete sie sich ein, sie hatte ihren Mund immer zu einem Strich verformt. Petra Schmidt versuchte sich seit einer geraumen Zeit auf die Neuvermietung der Räume im neuen Turm, zu konzentrieren. Der Turm hatte 26 Stockwerke, von denen 17 fest belegt und weitere vier seit einem Jahr von verschiedenen Kursen oder Kleinfirmen gemietet worden waren.
Die unfähigen Kollegen von der Vermittlung hatten ihr, nicht der Verwaltung, nur ihr, zwei große Rhythmikseminare und vier Vorlesungen zugeschoben, die möglichst passend und preisgünstig untergebracht werden mussten. Petra Schmidt suchte im Generalcomputer nach der Stuhlverteilung des 23. Stocks, als das Telefon klingelte. Sie war kurz davor den Anruf abzulehnen, bis sie sich wieder vor Augen führte, was für eine wichtige Person sie in diesem Business war. Ganz im Gegensatz zu diesen, wie sollte sie es ausdrücken? -unqualifizierten Damen am Kaffeeautomaten.
,,Ja bitte, Petra Schmidt von der Verwaltung im neuen Turm. Was kann ich für Sie tun?"
Der Satz ging ihr leicht von den Lippen. Sie lächelte ihr Lächeln, das sie immer aufsetzte, wenn sie ihre perfekten, strahlend weißen Zähne zur Geltung bringen wollte. Die Tratschtanten sollten sehen; was sie hatte. Sie konnte es sich dank prall gefülltem Portemonaie leisten, gut auszusehen.
Petra tat nämlich etwas Wichtiges. Sie war die wichtigste Person in diesem Business und gute Arbeit brachte nun einmal gutes Geld ins Haus.
,,Mama?"
Oh nein. Das war doch wohl nicht wahr. Wie oft hatte sie ihren Kindern schon gesagt, dass sie arbeiten musste? Ihre Nike Airs, I Phones und was es da alles gab, war nicht umsonst.
,,Ich arbeite" -knirschte sie.
Petra Schmidt konnte es sich auf der Arbeit nicht leisten auszuflippen. Warum hatten die Gören es noch immer nicht gelernt? Waren die Gürtelhiebe nicht ausreichend gewesen? Petra verwarf den Gedanken. Die Schläge hatte es nie gegeben. Es war ein Ausrutscher gewesen und außerdem hatte sie die Kinder doch entschädigt.
,,Könnt ihr euch nicht ein Mal selbst beschäftigen? Ihr habt vorgestern eine neue Konsole bekommen, und jetzt habt ihr wieder nichts zu tun?"
Sie wusste, dass es momentan wichtiger war, zu gucken, wie sie die Rhythmikseminare unterbrachte. Das erste brauchte 32 Stühle und dieselbe Anzahl an Gymastikbällen.
,,Es ist etwas ganz, ganz Schlimmes passiert."
Die dünne Stimme ihres Sohnes Paul fing an zu schluchzen.
,,Ich sage es nicht noch ein Mal, ich muss arbeiten."
Der zweite Kurs war kleiner. Es wäre möglich, beide den 19ten Stock, Raum 182 bis 185 mieten zu lassen, wenn man 182, 83 und 84 zu einem umimprovisierte.
,,Mama. Susi ist..."
Pauls Stimme zitterte und brach dann unter lautem Schluchzen ab.
,,Ich kann nicht."
Um 16.30 Uhr legte Petra Schmidt den Hörer auf.

Paul stand über dem leblosen Körper. Die dickflüssige Pampe (wahrscheinlich eine Mischung aus Blut, Nasensekret, Urin und Speichel), die aus Susis Körperöffnungen troff, sammelte sich in den Rillen der teuren Parkettdielen. Die Bilder schlugen auf ihn ein. Die schrecklichen Schnappschüsse zweier Szenen der letzten Woche. Die blitzende Gürtelschnalle abwechselnd mit dem abstoßenden Bild, des kopfüber die Treppe herunterfallenden Mädchens. Jetzt lag sie da. Die Arme und Beine unmenschlich vom Körper abstehend. Zum Glück so, dass Paul ihr nicht ins Gesicht schauen konnte. Stattdessen blickten seine glasigen Augen auf die immer größer werdende Blutlache.
Vielleicht war es auch nur Ketchup.
Er war sechs Jahre alt. So etwas durfte ihm nicht passieren.
Solche Zustände gehörten in die Gegend der Armen, Äusländer, wie seine Mama immer zu sagen pflegte.
Oder in irgendein anderes Haus, vielleicht in das der Nachbarn... aber in diesesr?

Im Moment empfand Paul nichts als Angst. Angst, was seine Mutter sagen, und vor allem tun würde. Er musste Susi wecken und das rote Zeug wegschaffen, doch irgendetwas sagte ihm, dass Susi nicht mehr aufwachen würde. Das Gefühl, sie sei schon im Himmel.
Aber das konnte Paul nicht glauben. Er war sich ziemlich sicher, dass Susi morgen im Krankenhaus mit einem Lächeln im Gesicht aufwachen würde. Hoffentlich würde sie nicht allzu sauer sein.
Schließlich hatte er sie eigentlich gar nicht gestoßen. Viel mehr war sie rückwärts gegangen und dann... Wieder wurde ihm die Tatsache bewusst, dass seine Schwester bisher noch nicht von einem Arzt untersucht worden war. Seine Mama hatte er ja schon angerufen aber wie immer hat sie gearbeitet. Sie arbeitete in letzter Zeit nur noch. Dann würde der Arzt halt später kommen. War ja nicht so schlimm. Im Himmel war sie auf keinen Fall. So etwas gehörte nicht in ein Haus wie ihres. Es gehörte in die Gegend der Armen. Schließlich war der liebe Gott ja gerecht.
Paul hielt sich krampfhaft mit seinen kleinen Händen an dem edlen Treppengeländer fest.
Er richtete sich ein wenig auf, um sicherzugehen, dass Susi nicht gleich aufspringen und ihm vor die Nase halten würde, wie er doch reingefallen wäre.
Oder zumindest irgendein Geräusch, das ihn aus seiner Trance riss, ihn endlich mal wach rüttelte zu helfen, wenn das noch möglich war. Doch es blieb still. Paul ging langsam um seine Schwester herum. Er schämte sich ein wenig, dass er so ruhig blieb, aber es gab ja nichts zu befürchten. Trotzdem musste er sich überwinden, so weit zu gehen, bis er erkennen würde, was denn jetzt mit Susi los war. Vielleicht blutete sie ja nur aus der Nase. Das hatte er selbst schon einmal erlebt. Beim Fußball. Es tat zwar ein wenig weh, aber damals war Paul ein tapferer Junge gewesen. Als er so den Boden um seine Schwester herum betrachtete, fragte er sich, ob in einer Nase überhaupt so viel Blut sein konnte. Susis Haare waren komplett durchnässt und auch in den Rillen staute es sich schon bis zur Haustür. Wenn Mama Heim kam, würde sie es sofort sehen. Paul wollte nicht, dass sie wieder den Gürtel holte, also würde er sich schnell daran machen, zusammen mit Susi den Dreck wegzuwischen. Wenn sie ihm versprechen würde, Mama nichts zu sagen, würde er es sogar ganz alleine machen. Paul ging weiter um den kleinen Körper herum. Erst vor einem Jahr war aus dem Baby allmählich ein Kind geworden. Paul selbst war da viel schneller gewesen. Und jetzt, als Susi auf dem Parkett lag, erkannte auch er, dass seine Schwester körperlich weit hinter ihm war.
Als Paul ihr Gesicht erblickte, war es ein Schock. Er stolperte nach hinten und starrte in dieses grässliche Etwas, was einmal Susis Gesicht gewesen war. In der Pubertät würde er es in Gedanken als seinen Picasso bezeichnen und dafür würde er sich in Grund und Boden schämen. Jetzt war es einfach nur schlimm. Sie würde nicht mehr aufwachen. (Warum hat sie nicht einfach aus der Nase geblutet? Warum?) Jetzt überkam in die Gewissheit, dass Mama mehr tun würde als nur den Gürtel zu holen. Vielleicht gab sie ihn auch an die Männer, die den Kindern kleine Häschen zeigten, ab. Die Männer, vor denen er so oft gewarnt wurde. Sie könnten überall sein. Der nette Onkel, der ihm Süßigkeiten schenken wollte oder der Eisverkäufer, der zu Hause noch mehr Eis hatte ...
Paul übergab sich. Aus verweinten Augen sah er wie das Erbrochene mitsamt den noch unverdauten Essensresten zwischen die Parkettdielen floss und sich mit dem Blut vermischte. Eine braune Masse. Paul erbrach ein zweites Mal.
Warum ich? Lieber Gott, wieso wir? Mama hat doch gesagt ...
Als ob das nicht schon genug war, meldete sich jetzt auch noch sein Gewissen. Aber er hatte sie nicht gestoßen, das war einfach nicht wahr. Er hatte nichts damit zu tun. Bittere Tränen rannen über Pauls Wangen. Die Abendsonne, die durch das große Fenster schien, hüllte das Szenario in ein groteskes Licht. Es glänzte in der roten Pfütze über der, der Junge leise weinte. Ab und zu tropfte eine Träne in die Lache, und es bildeten sich kleine Wellen. Paul wusste nicht, wann Mama nach Hause kam und er traute sich nicht noch ein Mal anzurufen. Langsam, wie in Trance schlich er zur Toilette, um Papier zu holen. Er hatte Angst das Klimpern der Schlüssel zu hören, wenn sie nach Hause kam. Er beeilte sich ein wenig. Bepackt mit drei Rollen Klopapier, kniete er sich neben seine Schwester. (So, dass er ihr Gesicht, soweit es noch als solches zu bezeichnen war, nicht sehen konnte.) Paul riss einen langen Teil der Klorolle ab und hielt ihn in die Pfütze. Das Papier wellte sich und triefte augenblicklich nur so vor Blut. Er griff wieder zur Rolle. Paul hatte keine Ahnung, was er tun sollte, wenn er fertig war. Wegrennen? Nein, dann würden ihn die Häschenmänner kriegen und wer wusste, was die mit kleinen Jungs, wie Paul machten? Da kam ihm die Gürtelschnalle wie ein Geburtstag vor. Den flüssigen Teil seiner Kotze wischte er mit auf, doch die Stückchen waren einfach zu groß. Er brach eine neue Rolle Toilettenpapier an. Der Haufen, roter, nasser Papierfetzen neben ihm wuchs immer weiter. Als Paul das meiste Blut aufgewischt hatte, entsorgte er alles in der Toilette. Er musste zwei Mal abspülen. Von dem ganzen Blut waren Pauls Hände faltig geworden und auch die salzigen Tränen die auf seinem Gesicht trockneten gaben ihm das unangenehme Gefühl, sich dringend waschen zu müssen. Das hatte er noch nie empfunden.
Die Zeit war schnell vergangen, zumindest war die Sonne jetzt schon hinter den Häusern untergegangen und auch Paul wurde ganz müde. Es würde ihm guttun etwas in seinem kuscheligen Bett zu schlafen und den Körper im Flur zu vergessen. Später würde das nicht mehr möglich sein.
Es tat immer gut zu schlafen, wenn man geweint hatte. So konnte er seinem schlechten Gewissen wenigstens für kurze Zeit entfliehen.

Paul wurde vom lauten Motor eines Autos geweckt. Er kannte dieses Geräusch. Schon seit Wochen redete Mama darüber, dass sie den Wagen zur Reparatur bringen müsste. Sie hatte beim Abendessen lustige Geschichten darüber erzählt, wie sie mit der ,,Schrottkarre", hatte sie gesagt, mitten auf der Straße stehen bleiben könnte. Paul hatte wieder ein Bild vor Augen. Diesmal von der so herzlich lachenden Susi am Abendbrottisch, die sich den Schmierkäse, den sie so gerne aß bis auf die Nase geschmiert hatte. Paul lächelte traurig, aber nicht weil er wirklich traurig war, er meinte einfach, es tun zu müssen. Paul konnte ja nicht traurig sein, wenn er gar nicht daran glaubte, dass seine Schwester im Himmel war.
Warum ist Mamas Auto nicht auf der Straße stehen geblieben?
Jetzt hörte er auch das Klimpern des Schlüsselbundes. Mama hatte immer so viele Schlüssel dabei...
Paul sprang auf, rannte zur Tür und öffnete sie. Er hatte seiner Schwester nicht mehr ins Gesicht geschaut. Jetzt auch nicht.

Petra Schmidt kramte in ihrer Tasche von Gucci nach dem Haustürschlüssel. Immer noch frustriert über die kaputte Auspuffanlage des Autos steckte sie den Schlüssel in die Tür. Wenigstens waren diese Rhythmikseminare jetzt eingeteilt. Im Endeffekt doch im 19ten Stock, wie sie es von Anfang an gedacht hatte. Sie sagte es doch immer. Wenn die Tratschtanten etwas machten, dann nur Mist. Sie war die Beste, warum konnten sie sie nicht einfach machen lassen? Sie hatte zwei Stunden einfach verschenkt. Um die Vorlesungen müsste sich Petra Schmidt dann morgen kümmern. Das würde mindestens so kompliziert werden, wie das heute. Sie sog die frische Abendluft ein und überlegte, wie so oft, nicht doch ein Mal die Woche joggen zu gehen oder zumindest einen Spaziergang zu machen. Aber das waren doch nur leere Versprechen an sich selbst. Sie musste sich keinen Stress machen. Davon hatte sie genug. Petra drehte den Schlüssel um. Noch bevor sie die Tür selbst aufmachen konnte, rannte Paul heraus, der die Tür direkt wieder hinter sich zuzog. Sie war sich sicher, etwas gesehen zu haben. Etwas , das nicht in das perfekte Leben der Schmidts passte. Was es war, konnte sie nicht ausmachen. Wahrscheinlich sowieso nur eine Einbildung. Ihr Kopf verarbeitete einfach den Arbeitstag.
,,Mama ich wars nicht."
Pauls Gesicht war gerötet. Sein so junges Gesicht schien um Jahre gealtert zu sein. So würde er also als Jugendlicher aussehen. Tiefere Augenhöhlen und auch Falten würden sich in der nächsten Stufe seiner Entwicklung bilden.
,,Was ist denn Paul? Was ist wieder kaputt gegangen?"
Petra hatte die Vision vor Augen, dass sie ihren neuen Fernseher, den sie erst vor einer Woche im Kinderzimmer angebracht hatten, von der Wand gerissen haben könnten. Aber wahrscheinlich ging sie nur vom Schlimmsten aus. Zu so etwas waren nicht ein Mal ihre Kinder fähig. Sie lächelte.
Einmal, Paul war erst vier, als Petra wieder arbeiten war und sie ihre Kinder zu Hause lassen musste, hatte er am Abend genauso aufgelöst vor ihr gestanden. Im Endeffekt war ihm nur das Marmeladenglas hingefallen.
,,Holst du den Gürtel?"
Er weinte nun nicht mehr. Er schrie. Brüllte, sodass er ihr fast ins Gesicht spuckte.
,,Doch nicht hier auf der Straße. Sollen wir nicht erst reingehen?"
Paul schüttelte seinen Kopf: ,,Nein. Nicht reingehen!"
Petra schaute auf die Rolex. Es war schon neunzehn Uhr. Sie musste noch etwas regeln. In einer Stunde würde sie keine Telefonate mehr führen. Petra würde das mit Paul schnell lösen und dann die Arbeit für heute abschließen.
,,Das mit dem Gürtel war ein Versehen. Das habe ich dir doch schon gesagt."
Sie meinte es ernst. Für diese Aktion schämte sie sich. -Die Mutter in ihr schämte sich.
,,Man macht Fehler; um aus ihnen zu lernen. Es wird nie wieder vorkommen."
Petra lächelte ihren Sohn an. Sie zeigte ihre Zähne.
,,So. Jetzt lass mich bitte rein. Ich habe noch etwas zu tun."
Sie ging an ihrem Sohn vorbei auf die Tür zu.
,,Nein Mama! Nicht reingehn! Bitte, bitte nicht reingehn."
Paul brüllte und ließ sich auf den Boden fallen. Rotze lief ihm aus der Nase, über die Lippen.
Mit dem dreckigen Gesicht sah er aus wie ein junger Soldat. Ihr Vater war im Krieg gestorben. ,,Du darfst nicht reingehn! Bitte, bitte, bitte!"
Er schlug mit den Fäusten auf den asphaltierten Boden. Seine rechte fing an zu bluten. Petras Mund war jetzt noch schmaler als sonst. Auf ihrem perfekt geschminkten Gesicht bildeten sich Falten.
,,So Paul, komm rein. Für so etwas habe ich keine Zeit."
Sie griff ihn bestimmend am Arm. Noch konnte sie ihn tragen.
,,Die Nachbarn wollen auch ihre Ruhe."
Er beruhigte sich ein wenig.
,,Wenn du reingehst, passiert etwas ganz Schlimmes."
Petra blieb stehen. Manchmal bereute sie, die Kinder zu haben. Und mit manchmal meinte sie meistens. Seit Frank, ihr Mann abgehauen war, waren Paul und Susi nur noch eine Last gewesen. Ansonsten gab es aber nichts Schlechtes daran, dass er fort war. Das Geld hatte der Dummkopf schließlich da gelassen. Hätte er Paul mitgenommen, wäre es perfekt gewesen, aber man durfte ja keinen Sechser im Lotto erwarten?
Petra schnaufte.
,,Dann erzähl. Aber beeil dich."
Sie blickte erneut demonstrativ auf die Uhr, auch wenn sie davon ausging, dass das verheulte Gesicht vor ihr diese Geste nicht verstehen würde.
Paul sah zu seiner Mutter auf.
Leise nuschelte er etwas und sah ängstlich auf den Boden. Petra bat ihn, es zu wiederholen.
Sie musste ihn falsch verstanden haben. In ihrer so perfekten, einwandfreien Familie, in der nie etwas falsches passierte konnte so etwas nicht...
,,Susi ist tot." sagte Paul wieder. Ihr Gesicht war zu einer erschrockenen Fratze erstarrt.
Für einen Moment war es unerträglich still. Irgendwo hupte ein Auto.
Er redete schnell weiter. Sein Gesicht verzweifelt, als wollte es ausdrücken:
Du bist doch nicht sauer, oder? Mir musst du nicht böse sein. Wirklich nicht. Bitte sei nicht böse. Es war ein Versehen.
,,Ich war es nicht. Ich habe Susi nicht gestoßen und wenn, nur ganz leicht, aber sie ist selbst zur Treppe..."
Petras Schockstarre löste sich auf.
Ihr Lieblingskind... tot?
,,DU HAST SIE GETÖTET?" Selbst unter ihrem Make Up konnte man den anschwellenden Rotton sehen. Ihre Augenlieder zuckten nach oben. Die Pupillen klein und wässrig. Petra sah mit Tränen in den Augen auf das kleine Häufchen Elend vor sich herab. Dieses Blag behauptete von sich, ihre Tochter getötet zu haben.
Sie stürmte auf die massive Haustür zu und riss sie auf.

Paul lutschte an seiner blutigen Hand. Jetzt war alles aus. Seine Schläfe pulsierte. Komischerweise empfand er wieder nichts. Es war zwar nichts Schönes und er schämte sich auch dafür, aber wer sagte denn, dass der Himmel kein besserer Ort war? Sogar Mama hatte das gesagt, als sie auf Opas Beerdigung gewesen waren. Aber etwas traurig machte es ihn schon, Susi erst wieder zu sehen, wenn er auch im Himmel war.
Am meisten Angst hatte er vor Mama. Sie war gerade in der Tür verschwunden. Paul konnte sich ausmalen, was sie nun sah. Er war froh draußen zu sitzen. Hier schien es sicher zu sein.
,,Paul, kommst du mal bitte?"
Widerwillig stand Paul auf. Als er sich mit der rechten Hand abstützte, zuckte der Schmerz durch seinen ganzen Körper. Seine Miene veränderte sich kein Stückchen. Er hatte es verdient.
Paul drückte auf die Hand. Sie könnte gebrochen sein. Mit kleinen Schritten schlurfte er zur Tür.
Er atmete tief ein und öffnete sie. Mama kniete über dem leblosen Körper. Ihre zittrige Hand strich über Susis demolierten Schädel. Paul würgte. Als sie ihn sah, hob sie Susis Kopf an, sodass die leeren Augen seiner Schwester ihn direkt ansahen.
,,SIEH WAS DU ANGERICHTET HAST!" Mamas Schminke war zerlaufen. Schwarze Rinnsale flossen in Form ihrer Wangenknochen hinunter. Den Lippenstift hatte sie verschmiert.
,,SIEH ES DIR AN, DU ROTZBENGEL!"
Paul zeigte keine Emotion. Er versuchte seinen Mund zu einem Strich zu formen, wie Mama es immer tat, aber irgendwoher wusste er, dass es ihm misslang. Er sah auf den Boden.

Für einen Moment empfand Petra den Drang, aufzustehen und ihn umzubringen. Wie er es verdient hatte. Dieses Nebenprodukt hatte ihren Schatz auf dem Gewissen. So gerne hätte sie dieses Gefühl erlebt, wie sie seine Kehle zudrückte und mit der anderen Hand auf ihn eindrosch. Sollte ihm doch das wiederfahren, was er ihrem Kind angetan hatte. Aber Petra zwang sich, sitzen zu bleiben. Es war doch eine perfekte Familie, in der kein Gürtel gezückt wurde. Sie rief etwas. Was das war, wusste sie nicht. Noch ein Mal brüllte sie ihn an. Hielt ihm noch ein Mal sein Tun vor Augen. Spuckte. Schrie.
Dann drehte sich Paul um und lief weg.
Ob ihn die Häschenmänner oder die Polizei zuerst finden würden, wusste er nicht.
Hauptsache weg von Mama.

 

Hallo Kopf B Deckung!

Auch deine Geschichte soll endlich einen Kommentar bekommen.

Also, alles nur meine Meinung, mein Eindruck:
Ich kam von Anfang an nicht richtig in den Text rein, weil ich das Gefühl hatte, dass der Autor dieses Textes gar nicht kennt, worüber er zu schreiben versucht. Mein Blick in dein Profil erklärt es: Du bist erst 14 Jahre alt. Du hattest also vermutlich noch keinen verantwortungsvollen Job und du bist ganz gewiss keine Mutter.
Es gibt viele Stellen, wo ich mit Kritik ansetzen könnte, aber ich denke, das wäre ziemlich frustrierend, für dich ebenso wie mich.

Daher möchte ich dir stattdessen einen allgemeinen Rat geben: Schreibe über das, was du kennst. Du bist 14 Jahre alt. Ich bin mir sicher, dass es in deinem Lebensumfeld viele interessante Dinge gibt, über die es sich zu schreiben lohnte. Warum versuchst du dich nicht daran? Wenn du das machst, findest du hier im Forum garantiert interessierte Leser und bekommst mehr konstruktive Kommentare.

Grüße,
Chris

 

Petra Schmidt versuchte sich seit einer geraumen Zeit auf die Neuvermietung der Räume im neuen Turm, zu konzentrieren. Der Turm hatte 26 Stockwerke, von denen 17 fest belegt und weitere vier seit einem Jahr von verschiedenen Kursen oder Kleinfirmen gemietet worden waren.

Hallo und herzlich willkommen hierorts,

liebe Kopf B Deckung -
- die „Deckung“, allein schon deshalb wähl ich die weibl. Anrede, was Dich nicht weiter stören muss, denn –
das behaupte ich jetzt mal einfach – Du identifizierst Dich mit einer gewissen „Petra S.“ oder sie ist das Rote Tuch (um es anders zu sagen, da würdestu Dich dann mit dem vermeintlichen Aggressor identifizieren). Offensichtlich eine Verwaltungsangestellte in welchem Turm auch immer (Mainhattan?, vielleicht.), eine Bauweise, deren Protzigkeit beweist, dass dort eine Gesellschaft im Abstieg begriffen ist, was hinter Großmäuligkeit und Prunk sich zu verbergen versucht, wie die Dritte Dynastie sich hinter bzw. genauer in Pyramiden versteckte, die dann doch das Ende des Alten Reiches bedeuteten. Aber Dein Problem geht weiter und da muss ich Chris recht geben, Literatur der Arbeitswelt ist das nicht, bestenfalls die Vorstellungswelt eines Hernwachsenden, der etwa um den Mythos der gleichen Lohns für gleiche Arbeit weiß und dass "Mama" immer weg ist und im Dienst.

Als Rimbaud seinerzeit die literarische Welt betrat, war er 17. Ihn interessierte die Arbeitswelt einen Dreck, denn er rebellierte zwofach, aber immer gegen bürgerliche Konventionen (wobei er die Hölle in sich selbst entdeckte, was am Ende Deiner Geschichte für das bürgerliche Individuum insgesamt gelten könnte, aber Du bist kein Rimbaud, das mal vorweg) und als Mitglied der Kommune von Paris gegen Gott und die frühkapitalistische Welt.

Bekanntermaßen wurde die Kommune auch durch preußische Kanonen niedergemacht. Preußische Tradition halt sei 48!

Mit 20 schiss Rimbaud auf Literatur und wurde – Waffenhändler. Ich wünsche keinem, ein Rimbaud zu sein/werden (nicht nur wegen der eher bescheidenen Lebenserwartung, die daraus resultieren könnte), aber es kann nicht schaden, sich von der Schulgrammatik loszusagen, wie sie das Eingangszitat repräsentiert.

Regieren da zunächst Substantivierungen (die im bürokratischen Alltag durchaus vorherrschen als Vorgriff auf die Arbeitswelt), so hernach die Hilfsverben „… haben … Partizip … werden sein“, wobei der schöne Fall noch eintritt, dass das „werden“ tatsächlich auch als Partizip daherkommt (geworden) aber wegen des halbierten beethov'schen Klanggewitters auf G zur Einleitung seiner fünften (Beethoven schreibt sich da die Enttäuschung über Napoleon von der Seele, immerhin brachte der den Code civil mit in die Lande östlich des Rheins, eine Grundlage der bürgerlichen und somit der kapitalistischen Gesellschaft, deren Ende wir gerade in Mainhattan aber auch im Fernen Dhubai und Katar bewundern dürfen).

Nun gut, gehen wir das Drama an

Petra Schmidt war die Verwaltung des neuen Turms schlechthin.
Früher war der Turm entweder Bergfried (Verteidigungsanlage) oder Gefängnis (sehn wir mal vom Wasserturm ab), aber auch Kirchturm oder Erker. Heute ziert sich jeder potentielle Wolkenkratzer als Turm, aber wo nur Türme sind, gibt's nicht einen einzigen Turm. Darum türmt es sich zu immer neuen Höhenrekorden ohne Sinn und Verstand, nur aus Großprotzigkeit.

Wenn wir weiter horchen in Deiner Geschichte, stellt der Turm sich als ein leerstehender senkrecht aufgebauter Gewerbepark dar, der noch seine Pächter sucht.

Sie hatte einen nahezu grandiosen Job, nicht zu weit von ihrem Haus entfernt, gut bezahlt und zusätzlich konnte man sich als immer präsentes Gesicht des Gebäudes gut sehen lassen.
„Ihr“ Haus spricht dafür, dass sie nicht zur Miete wohnt (sonst wäre es bestenfalls ihre Miets-/Wohnung. Frau S. Hat also Eigentum. Wähnt sich wahrscheinlich als was Besseres (als wer, wäre zu fragen. Wir werden die Antwort erhalten!)

Bis hierhin hältstu's erstaunlich gut mit der Rechtschreibung (Schulgrammatik hin oder her) aus. Aber nun kommt die Binsenwahrheit, dass Sätze, seien sie nun Haupt- oder Nebensatz, wie alles Leben Anfang und Ende haben. Und hier hastu im Relativsatz, der zudem noch von einer Infinitvgruppe regiert wird, das Ende verpasst (mit dem „und“ beginnt halt ein neuer Hauptsatz)

Es war nicht einfach, die Räumlichkeiten zu verwalten[.] und es hätte ihr wirklich Spaß gemacht, ihren Beruf tagtäglich auszuführen ...
Hier erfahren wir wie nebenbei, dass Frau S. sich nicht leisten kann, auszufallen im Turm. Der Turm steht also wie bei der Zwingburg für Abhängigkeit. Also heißt es dann übertrieben, wie ich finde
Sie nahm die volle Arbeit der sechs Frauen auf sich.
Es arbeiten also sieben Frauen in dem Turm./in der Verwaltung Was ich bezweifel. Eine (!) Dumpfbacke kann einer selbst in Büros durchziehen, sofern er der Dumpfbacke wohl gesonnen und - kann's anders sein? - die Dumpfbacke um diese Abhängigkeit weiß, sechs keineswegs, es sei denn, es wären auch Botenhol- und Bringedienst und Bodenmasseuse dabei … Aber selbst die Kombination würde zum 24-Stunden-Job, unter der Bedingung, der Hol- und Bringedienst wie die Masseuse wären Teilzeitjobs.

Petra S. verkörpert also die Frau, die alles, aber auch wirklich alles beruflich hinkriegt, vom Büroputz und Kopieren, Hol- und Bringedienst, über Akquise (die natürlich nur wegen der außergewöhnlichen Schreibweise hier hineingerät) und Marketing, die über die Buchhaltung bis zum ästhetisch reizvollen Kunststück der Dopik, Fördergelder korrekt zu verbuchen, alles beherrscht. Superweib halt - aber auch Supermutter?

Halt, so weit sind wir noch gar nicht!

Das tat sie auch gerne, aber wieso zum Teufel, konnte sie ihren Beruf nicht alleine, in Ruhe ausführen, wenn sie doch sowieso alles in ihrem Tätigkeitsbereich und noch viel mehr selbst machte?

Dass die anderen Tratschtanten genauso entlohnt wurden wie sie, hatte Petra Schmidt mit einem warmen Kaffee, …
Schon allein, dass es erwähnt wird, zeigt an, dass es der Petra S. unverdaut bleibt. So kommt auch noch ein bisschen Neid in die Geschichte auf Tranfunzeln u. dergleichen Pack ...

Nein, da trank sie lieber noch einen Schluck aus ihrer Thermoskanne und wartete auf die Beförderung, die dann einige Monate später tatsächlich Wahrheit wurde
. Beförderung eine Etage höher? Und reicht es nicht, dass die Beförderung „wahr“ oder „wirklich“ oder auch nue „vorgenommen“ wurde? Welch eine Wahrheit verbirgt sich hinter oder in Beförderungen? Oder doch wenigstens einer?

Die unfähigen Kollegen …
Klar, Petra ist alleinseligmachend ...
von der Vermittlung hatten ihr, nicht der Verwaltung, …
War Petra nicht bis eben „die Verwaltung“, gar das Gesicht? Was ist da geschehen? Den Anruf müssen wir noch mit der korrekten Zeichensetzung beglücken
Sie war kurz davor[,] den Anruf abzulehnen, ---
(Infinitivgruppe ist abhängig von einem Substantiv, darum muss ein Komma gesetzt werden)

Der Satz ging ihr leicht von den Lippen.
Besser „über die Lippen“, denn nicht die Lippen bilden allein den individuellen Sprachraum, sondern die gesamte Mundregion …

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, kennstu bestimmt

Sie konnte es sich dank prall gefülltem Portemonaie leisten, gut auszusehen.
Und möchtestu doch nicht dran teilhaben an dem Mord? „Dank“ verlangt nach dem – Genitiv, also Genitiv-s an den Geldbeutel und Endung-n fürs Attribut!

Petra tat nämlich etwas Wichtiges. Sie war die wichtigste Person in diesem Business und gute Arbeit brachte nun einmal gutes Geld ins Haus.
Utopie, siehe oben!
,,Ich arbeite" -knirschte sie.
Mal eine unkonventionelle Methode, zum übergeorneten Satz nach wörtl. Rede zu kommen. Konventionell „Ich arbeite“, knirschte sie.

Und plötzlich der Bruch, Erweiterung der Thematik, alle Probleme der Welt auf einmal!

… abwechselnd mit dem abstoßenden Bild, des kopfüber die Treppe herunterfallenden Mädchens. Jetzt lag sie da.
Das Mädchen – jetzt liegt es da, umso mehr, dass mit dem Tode der Mensch vom Personen- zum Sachenrecht (siehe code civil, s. o.) befördert wird. Da hilft dann die Metapher „unmenschlich“ im nächsten Satz kein Stück weiter. Und dann der Standpunkt, den ich hierorts kenne, aber aus aktuellem Anlass nach Bautzen und Clausnitz wünsche
Solche Zustände gehörten in die Gegend der Armen, Äusländer, wie seine Mama immer zu sagen pflegte.
Hier hör ich langsam auf und lass Mama ihr Häusken (dessen Wert gerade vom Turm herunter gesehen, schlagartig fällt. Sie wollte es doch gerade eben, als ich oder Chris störten, verkaufen … Oder doch nicht?), denn nun wird die Arbeitssaga mit dem Todesfall in der Familie verquickt, weil Mama an die Karriere denkt … und – zumindest klingt es unterschwellig so – ab und zu den Lederriemen sprechen lässt. Und alles nur - Miss Understood inbegriffen - weil der Levante- und Meghrab-Mensch uns bedrohen ...

Ich denk mal, da überforderstu Deine Fähigkeiten ...

Ein Thema allein wäre schon reichlich (warum dann nicht doch Rimbaud und die Hölle in Deinem Kopf?, die ist doch auf jeden Fall da) Und sollte eine der vermeintlich fiktiven Ereignisse (und sei's der Lederriemen mit der geißelnden Schnalle) dann wehr Dich! Mit 14 ist man heute kein Kind mehr, sondern auf dem Weg, dass das Mündel Vormund werden will.

Jetzt muss ich aber den letzten Lohner-Film schauen. Allein deshalb lohnt sich der Film.

Nicht allzu gern gelesen und dennoch Gruß vom

Friedel

 

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