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Vivo

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28.11.2014
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Vivo

Über ihr sprang das Bild der Überwachungskamera um, und Eva sah sich selber und die hinter ihr Stehenden. Sie stutzte und merkte, wie ihr Herz begann, schneller zu schlagen. Das Bild wechselte, zeigte einen anderen Ausschnitt des Ladens. Langsam wandte sie sich ein wenig zur Seite und schaute scheinbar gleichgültig über die hinter ihr Wartenden. Ja. Er war es. Nur die beiden Frauen standen zwischen ihnen.
Die Kundin vor ihr hatte nicht genug Platz für alles. Eva nickte und schob ihre schon liegenden Teile zurück. Ob auch er sie erkannt hatte? Wahrscheinlich. Sie glaubte, seinen Blick auf ihrem Nacken zu spüren.
Vierzig musste er jetzt sein. Andre war älter als sie: vier Jahre und drei Tage. Der erste und der vierte April. Immer um Ostern. Wie Kinder hatten sie in den guten Zeiten ihre Geschenke versteckt. Albernes Hin und Her, am Ende die Umarmung. Nur einmal hatte es länger gedauert. Das winzige weiß-goldene Kästchen hatte er hinter einer Vase versteckt und sie entdeckte es erst spät. Er war ganz unruhig, als sie den kleinen Deckel öffnete. Eine Kette mit einer Rosette aus roten Steinen. Altmodische Granatsteine. Sie war gerührt gewesen, mehr über seine Nervosität als über den Schmuck.

Komisch, dass sie immer nur an die letzten Jahre gedacht hatte, so, als hätte es diese erste Zeit nicht gegeben.

Die kleine Zweizimmerwohnung, ganz unten in einem Hochhaus. Silvester, zwanzig Leute, überall, auf dem Boden im Wohnzimmer, in der Küche, rauchend, trinkend, lachend und diskutierend. Und dann in der Nacht war Andre plötzlich weg gewesen. Einfach weg. Nicht im Badezimmer, nicht im Schlafzimmer, nicht vor der Tür. Martin, sein bester Freund, hatte ihn gefunden. Andre war über die Brüstung gefallen und lag vor dem Haus auf der nachtfeuchten Wiese. Er hatte sich auf die Seite gelegt und so wie immer, wenn sie nebeneinander lagen, die Beine angezogen und die Hand unter den Kopf gelegt. Aufstehen wollte er nicht, nur einfach weiterträumen.

Während das Band nach vorne rückte, schaute Eva auf den Zigarettenkasten. Reval hatten sie geraucht, mit Tabakkrümeln, die an der Zunge klebten, sich nur schwer ausspucken ließen. Und dann dieses unangenehme Krampfen im Magen, am nächsten Morgen, wenn sie die erste Zigarette wieder auf die Beine bringen sollte. Unbeschwerte Zeiten.
Sie rauchte schon lange nicht mehr. Irgendwann hatte sie es geschafft.

„Bar oder mit Karte?“
Das Band hatte ihre Sachen weitertransportiert und Eva spürte, dass alle auf sie warteten.
„Mit Karte.“
Während sie alles in den Wagen legte, dachte sie darüber nach, was sie machen würde. So tun, als hätte sie ihn nicht gesehen? ‚Hallo’ sagen, wie zu jemand, den man zufällig trifft?

Sie bezahlte, ging zur Ablage am Fenster, starrte auf den Prospekt der nächsten Woche und begann, alles in die Tragetasche zu packen. Ein Shampoo rutschte ihr aus der Hand. Sie bückte sich.
„Wie geht’s dir, Eva?“
Sie richtete sich auf, legte die Tube in die Tasche, strich das Haar aus ihrem Gesicht und drehte sich langsam um.
„Gut, und dir?“
Die beiden Falten zwischen Wangen und Mund waren neu – oder nur tiefer? Sein Haar war sehr kurz und an den Schläfen schon etwas grau. Zwölf Jahre hatten sie sich nicht gesehen.
„Auch gut“, antwortete er.
„Ja …“ Sie suchte nach einer Frage. „Wohnst du wieder hier?“
„Ja.“ Er machte eine kleine Pause, schien zu überlegen. „Ich glaube, irgendwann möchte man dann doch wieder zurück.“
„In der Nähe?“ Sie hörte sich selber, das ‚ä’ klang rau, ihre Stimme brach ab und das ‚e’ war kaum hörbar.
„Nein, der reine Zufall. Ich war drüben im Job-Center und dachte, ich könnte hier etwas für den Abend mitnehmen.“
Unwillkürlich schaute sie in seinen Wagen. Cola und Orangensaft, ein paar andere Sachen.
„Ja, und? Konnten sie dir helfen?“
„Ja, sieht gut aus.“ Er reichte ihr das Gewürztütchen, das sie im Wagen vergessen hatte.
„Aber vierzig ist eben schon ziemlich alt.“

Der hellblaue Hemdkragen über seinem Pullover ließ sein Gesicht frisch erscheinen, passte zu seinen Augen. Sie waren klar.
Ob er jemand hat, überlegte sie.
„Was machst du so?“
Er zögerte, schaute sie einen Moment an und lächelte. Es war etwas Vertrautes in seinem Lächeln und sie wusste, noch bevor er es sagte, was kommen würde.
„Vivo“, antwortete er.
Sie konnte nicht anders, auch sie musste lächeln.

Der alte Mann oben in den Hügeln von La Palma. Sie waren mit dem Auto den Serpentinen gefolgt, immer höher gestiegen und zuletzt auf einem kleinen Plateau in den tief hängenden Wolken gelandet. Hier war es grau und diesig. Ein Spanier, der ihnen seine Höhle zeigen und mit ihnen seinen Wein probieren wollte, hatte sie begleitet. Vor dem Eingang trafen sie den alten, gebrechlichen Schäfer. Ihr Freund hatte ihn umarmt und gefragt, wie es ihm gehe. Die Augen des Alten gaben das Lächeln des Spaniers nicht zurück. Sein Blick war weder traurig noch froh, irgendwie nicht mehr anwesend.
„Vivo.“
Sie sprach kein Spanisch, doch das hatte sie verstanden. Später war es ihre immer wiederkehrende Antwort, stets dann, wenn nur noch Ironie übrig blieb.

„Das war im Februar“, sagte sie, um etwas zu sagen.
Zurück hatte sie fahren müssen. Beide, Andre und der Spanier waren betrunken. Drei Stunden blieben sie in der Höhle. Am Anfang lauschte sie den beiden, verfolgte ihre Mimik, verstand nicht, was sie sagten. Andres Spanisch war gut und er kokettierte damit. Doch er war auch ein aufmerksamer Zuhörer. In der ersten Zeit hatte sie sich gewundert, wie bereitwillig Menschen ihm ihre intimsten Geschichten anvertrauten. Sie spürten sein Interesse. Und auch dieser Spanier hatte sich ihm geöffnet.
Der alte Mann saß die ganze Zeit ruhig und ein wenig nach vorne gebeugt am Kopf des Holztisches, leerte nur langsam sein Glas. Sie gaben es irgendwann auf, ihn ins Gespräch zu ziehen.
Eva hatte nicht gedacht, dass sie so lange bleiben würden und die Kälte kroch in ihr hoch. Auch sie trank nicht viel und sie begann, sich unbehaglich zu fühlen und sich zu langweilen, aber sie drängte nicht, sie wollte kein Spielverderber sein.

„Ja, kalt war es. Aber nur oben in den Bergen. Unten am Meer war die Nacht mild.“
Sie nickte.
Andre sah sie an, sah ihr in die Augen, als suche er etwas in ihnen: „War unsre beste Zeit, damals.“
Wieder nickte sie.
Eva schulterte ihre Handtasche und nahm die Einkäufe.
Auch Andre hatte inzwischen alles in seinen Stoffbeutel gepackt. Er schaute zum Parkplatz. „Hast du ein Auto?“
„Ja, aber ich bin mit dem Rad. Das geht schneller.“
Sie schoben ihre Wagen nach draußen und reihten sie ein.
Eva stellte die Tasche in den Korb am Lenker, öffnete das Schloss und zog ihr Fahrrad aus dem Ständer.
Sie zögerte aufzusteigen; nebeneinander gingen sie ein paar Meter. Andre sah sie an und sie blieben stehen.
„Können wir uns mal treffen? Ein bisschen reden?“ Es sollte leicht und normal klingen, doch sie spürte seine Anspannung.
„Ich weiß nicht … Wo wohnst du?“
„In der Nähe vom Hauptbahnhof.“ Er langte in die hintere Tasche seiner Hose und holte ein kleines Etui heraus. „Ich hab mir Kärtchen gemacht. Hier. Da steht auch meine Nummer. Wenn du möchtest, ruf mich an. Ich würde mich freuen … Wir könnten irgendwo etwas essen.“ Er sah ihr in die Augen, las ihre Frage. Seine Stimme veränderte sich, wurde tiefer und spröder: „Keine Angst: Alles ist gut … Ich bin in Ordnung.“ Er holte Luft: „Es ist vorbei.“
Sie wusste nicht, was sie antworten sollte, wusste überhaupt nichts, wollte nur los.
„Ich überleg’s“, sagte sie, wie um ein Ende zu finden. „Mach’s gut.“

Die Katze stand im Flur und schaute mit großen, runden Pupillen zu ihr hoch. Sie strich um ihre Füße und ein paar fiepende Laute zeigten ihren Unmut.
„Du bekommst gleich was.“ Eva bückte sich und streichelte sie. Aus ihrer kleinen Streunerin war mit der Zeit eine hübsche Katze mit glänzendem, weichem Fell geworden.

Sie trug die Einkäufe in die Küche, ging zurück in den Flur, zog ihre Kapuzenjacke aus und legte die kleine Karte auf das Regal unter dem Spiegel.
Wirklich blöd, dass sie diese Jacke angehabt hatte. Das Grau war vom Waschen heller geworden. Sie sah den dunklen Ansatz ihrer Haare. Wurde Zeit, dass sie mal wieder zum Friseur ging. Ihre Haut war matt. Die Bräune des Sommers war jetzt im November völlig verschwunden.
Sie trennte sich von ihrem Spiegelbild, ging in die Küche und schob das Gericht in die Mikrowelle. Mit dem appetitlichen Bild auf der Packung hatte es keine Ähnlichkeit, dachte sie. Sie nahm sich vor, mal wieder etwas Richtiges zu kochen.

Die kleine Katze sprang auf ihren Schoß. Sie hatte ihren Napf leer gefressen, schnurrte und putzte sich gleichzeitig. Eva dachte daran, wie die Katze mit ihrem schwarz-braunen Fell an einem Sommerabend auf der Fensterbank gesessen hatte. Ganz vorsichtig hatte sie ihr ein bisschen Wurst hingeschoben, langsam und darauf bedacht, ihre Hand schnell wieder in Sicherheit zu bringen. Aber die Katze war zutraulich und Evas Angst unbegründet. Seit diesem Tag kam sie jeden Abend und irgendwann blieb sie. In den Nächten lag sie auf der Bettdecke. Immer, wenn Eva wach wurde, streckte sie die Hand aus, streichelte das Kätzchen, hörte ihr Schnurren und schlief wieder ein.

Eva schüttete das heiße Wasser über den Teebeutel und ging mit der Tasse zum Wohnzimmer.
Im Flur blieb sie stehen und nahm die kleine Karte. Am besten werfe ich sie gleich weg, dachte sie. Das alles ergab keinen Sinn. Zu viel Zeit war vergangen. Warum sollte sie ihr ruhiges Dasein aufs Spiel setzen? Riskieren, dass ihr Leben aus seinem sicheren Kreislauf geriet. Die Arbeit im Institut gefiel ihr. Hin und wieder traf sie sich mit Kollegen, feierte mit ihnen die Feste des Jahres. Kleine Höhepunkte in einem geordneten Kosmos.
Es gab niemand, der ihr wehtun konnte, der ihre Ruhe störte. Eva hob den Kopf und blickte in den Spiegel, sah ihr Gesicht vor der weißen Wand des Flurs - sah ihre Augen. Der alte Schäfer fiel ihr ein.
Sie legte die Karte zurück und ging ins Wohnzimmer.

Vor dem Fenster stand sein Schreibtisch. Er hatte ihn ihr gelassen. Sie hatten sich um nichts gestritten, ihm war alles egal gewesen.
In der ersten Zeit ohne ihn hatte sie noch versucht, herauszufinden, was Ursache, was Folge war. Es gab keine Antwort, aber sie wusste, dass jene Nacht der Beginn des Endes gewesen war.

Eine dieser langen Nächte. Um sie nicht zu stören, hatte er sich auf der Couch in seinem Zimmer eine Schlafstelle eingerichtet. Aber wie so oft, hatte sie nicht schlafen können und den Geräuschen aus dem Nebenzimmer gelauscht. Die Musik war kaum vernehmbar. Es war, als begleite sie die Stille der Wohnung. Immer, bevor er die Tür öffnete und leise in die Küche ging, stellte er die Lautstärke zurück. Aber sie erahnte jede seiner Bewegungen.
Die Zeiten, als sie versucht hatte, auf ihn einzureden, zu verhindern, dass er zu viel trank, waren längst vorbei. Sie wusste, dass es keinen Zweck hatte, dass sich etwas verselbständigt hatte, etwas, das sie nicht stoppen konnte.
Ihr fehlten Zigaretten. Sie war aufgestanden, hatte sich angekleidet und war aus dem Haus gegangen. Wieso sie gerade in dieser Nacht Martin angerufen hatte, wusste sie im Nachhinein nicht mehr. Wahrscheinlich nur, um mit jemandem zu reden. Andre würde sie nicht vermissen. Er war in seinem Universum, hörte seine Musik, schrieb seine Geschichten und trank. Bis zum Morgen blieb sie bei Martin.
Sie hatte sich geirrt. Als sie zurückkam, saß Andre am Küchentisch, starrte vor sich hin, betrunken und verzweifelt, nicht in der Lage, zu begreifen, warum sie weggegangen war. Doch auch sie war aufgewühlt und nicht sie selbst gewesen. Sie hätte schweigen sollen – oder warten. Irgendwann befanden sich Andres Gedanken in einer Spirale, die sich nur um eine Achse bewegte: seine Frau – sein bester Freund.
Langsam war es Tag geworden. Sie erinnerte sich an den dunkelroten Streifen über den Dächern der Stadt. Sie beide am Küchentisch, rauchend und gefangen in einem Gespräch, das danach suchte, alles ungeschehen zu machen.

Eva wunderte sich, wie gegenwärtig ihr das alles war. Es war lange Zeit verschüttet gewesen unter dem, was danach kam. Er trank mehr, trank immer öfter, verpasste seine mündliche Prüfung, kam tagelang nicht nach Hause. Vorhaltungen, Auseinandersetzungen und endlose Diskussionen. Zwischendurch Zeiten, in denen sie dachte, dass ihre alte Vertrautheit zurück wäre, doch schon einen Tag später wusste sie, dass nichts gut war, nichts so war wie früher.

Es war dunkel geworden, nur die Straßenbeleuchtung warf einen bläulichen Schimmer in den Raum. Sie stand auf, knipste die kleinen Lampen an. Sie konnte sich nicht entschließen, den Fernseher anzuschalten, und setzte sich wieder an den Tisch. Die Stille der Wohnung umhüllte sie. Sie lehnte sich in das Polster und schloss die Augen. Die Bilder kamen zurück.

La Palma. Unten an der Küste waren sie über den schmalen Felsenweg zur kleinen Sandbucht gelaufen. Dort hatten sie sich hingesetzt und an eins der Fischerboote gelehnt.
Der Geruch von Tang hing in der Luft und der Mond spiegelte sich auf dem ruhigen Meer als breites silbriges Band. Sein Licht färbte die Finsternis dunkelblau und ließ die kleinen Mulden, die das Wasser im Sand hinterlassen hatte, lila schimmern. Kleine Wellen mit weißem Saum schoben sich in die Nähe ihrer Füße, hielten ein, zogen sich träge zurück, um kurz darauf aufs Neue mit dem ewigen Spiel zu beginnen.
Seine Stimme war leise und verhalten gewesen. Müde war sie ihm in seine Phantasiewelt gefolgt und aus ihr irgendwann in den Schlaf geglitten. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, was er ihr an diesem Abend am Meer erzählt hatte. Nur, was sie gefühlt hatte, war auf einmal wieder da: Seine Phantasie war es gewesen, die ihre nüchterne, kleine Welt bereichert hatte, sie farbig und lebendig werden ließ.

Ein kleiner Ruck des Kopfes ließ Eva aus ihrem Halbschlaf erwachen. Sie öffnete die Augen und schaute auf den leeren, dunklen Bildschirm vor sich.

Die kleine Katze hatte wohl schon länger vor der Tür miaut. Eva stand auf, ließ sie ins Zimmer und ging in den Flur. Sie nahm Andres Karte. ‚Übersetzer Deutsch-Spanisch’ stand unter seinem Namen. Ob er die Prüfung nachgeholt hatte? Sie hob den Kopf und sah ihr Spiegelbild. Im Licht der kleinen Wandlampe wirkte ihr Gesicht weicher und jünger.

Und wieder dachte sie an den alten Schäfer. Und an das Leben.

 

Hallo barnhelm

Trennung, die Suche nach den Gründen hinter dem Anlass dafür, Wiederbegegnung nach Jahren. Ja, das ist die Thematik, die auch mich immer wieder fesselt. Deine ausgereifte Erzählweise bringt mich ganz nah an die Protagonistin heran. Sehr schön symbolisch das Transportband im Supermarkt, das nicht nur die Waren, sondern auch die Erinnerungen vorbeilaufen lässt. Und die Katze - eine Streunerin, die häuslich wird - signalisiert: Hier ist ein Mensch, der noch Kapazitäten hat, also besteht ein Fünkchen Hoffnung für den Ex. Jedenfalls wünsche ich das den Protagonisten. (Das ist das ist der Anteil, den ich als Leserin zur Geschichte beitrage :read:).

Noch eine Anmerkung: " Drei Stunden blieben sie in der Höhle". Müsste da nicht nochmals Plusquamperfekt stehen und erst danach Präteritum wegen der besseren Lesbarkeit?

Noch eine Anmerkung: Er ..."verpasste seine mündliche Prüfung " klingt für mich nach Schule, Abitur o.ä.
Ist das gemeint?

Ein bisschen Kritik muss auch sein: Der allerletzte Satz "Und an das Leben" klingt für mich wie 'und an das Leben als solches'. ( im allgemeinen und besonderen) Was denn sonst ?:D

Ein schönes Lesevergnügen

Gruß wieselmaus

 

Liebe wieselmaus,

danke für deine schnelle Rückmeldung. Weil ich gleich weg muss (nicht zum Karneval!), antworte ich dir auch direkt.
Ich fange von hinten an: Mit dem Schlusssatz bin ich selber auch nicht sicher. Da werde ich wahrscheinlich noch weiter überlegen.
Und dann natürlich der Wechsel vom PQP zum Präteritum. Das war für mich die größte Schwierigkeit in diesem Text. Die ewigen ‚hatte’, und ‚war’ zu umgehen und immer zu überlegen, wann wechsle ich. In dem von dir angemahnten Fall lasse ich es erst einmal so. Vielleicht äußert sich ja noch einer unserer Spezialisten dazu.

Mit der ‚schriftlichenPrüfung’ dachte ich, dass sich das aus dem letzten Absatz erklärt. Aber auch das kann ich natürlich noch etwas eindeutiger formulieren. Du weiß ja, dass die meisten Prüfungen (akademische und berufliche) erst mit der mündlichen abgeschlossen werden. Erscheine ich dazu nicht, ist (soweit ich weiß) die gesamte Prüfung hinfällig.

Liebe wieselmaus, ich danke dir für deinen freundlichen Kommentar und wünsche dir einen angenehmen Wochenbeginn im stürmischen Deutschland.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hej barnhelm,

deine Geschichte und die Gedanken der Eva haben mich vom ersten Augenblick zum Verbleib angeregt.

Der Moment im Supermarkt, die Begegnung, die so realistisch wirkt, ihre spürbare Unruhe, ihre Unsicherheit, die wiederkehrende Sicherheit in ihrem Reich zu Hause, mit dem Ritual, die Katze zu füttern, die kurzen Rück-und Einblicke in Momente ihrer Vergangenheit, werfen ein präzises Bild auf Eva.

Die Bild, das du von ihr entwirfst ist präzise und die Darstellung des Andre, früher und heute, ausreichend (für meinen Geschmack).

Ich mag den Verlauf und den Schluss, als,sie bemerkt, ihr Leben ist ok wie es ist und Andre nicht idealisiert der "guten, alten Zeiten wegen". Kurz und gut: Ich mag die Geschichte. :)

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Barnhelm,

ich will dir zu Beginn erst mal ein Kompliment zurückgeben: du hast einen wirklich guten Schreibstil. Die Geschichte liest man und kann nicht aufhören.
Mir kam so vieles vertraut vor. Das heißt, deine Bilder sind so deutlich. Ich würde sagen, sie waren bei Aldi :D.
Dann die Begegnung mit dem Ex. Neugier, was macht er? Aber Vorsicht. Und Erinnerungen an gemeinsame Zeiten auf Mallorca. Sie haben schöne Zeiten miteinander verbracht, aber sein Alkoholproblem hat ihre Existenz auf den Prüfstand gestellt: Und sie haben die Prüfung nicht bestanden, oder eben nur er.
Dein Schluss ist perfekt. Mir ist eine kleine Träne ins linke Auge gestiegen, weil ich die geringe Chance auf einen neuen Versuch gespürt habe, und sie sich noch nicht ganz sicher war, ob sie sich diesen Ruck wirklich geben sollte.
So in der Kürze meine Empfindungen, und ich sage: Tolle Geschichte.

Trotzdem habe ich Kleinigkeiten gefunden, und die will ich dir nicht vorenthalten:

Über ihr sprang das Bild der Überwachungskamera um[,] und Eva sah sich selber und die hinter ihr Stehenden.

Da fehlt ein kleines Komma

Das Band hatte ihre Sachen weitertransportiert und Eva spürte, dass alle auf sie gewartet hatten.

Das Band hatte ihre Sachen weitertransportiert, hier ist der PQP in Ordnung.
Dass alle auf sie gewartet hatten, hier ist er nicht korrekt, weil das Band ihre Sachen wirklich transportiert hatte, aber die anderen warteten immer noch. Deshalb hier Präteritum: dass alle auf sie warteten.

Sein Haar war sehr kurz und an den Schläfen schon etwas grau.

Es ist bestimmt nur Ansichts- und Gefühlssache. Ich hätte hier geschrieben: Er trug sein Haar sehr kurz und an den Seiten war es schon etwas grau.

Ich würde mich freuen. … Wir könnten irgendwo etwas essen.

Musste ich auch lernen: Ich würde mich freuen ... Wir könnten irgendwo etwas essen. Dieser Punkt hinter freuen gehört nicht hin, der ist in den Dreien mit dabei.

Er trank mehr, trank immer öfter, verpasste seine mündliche Prüfung, kam tagelang nicht nach Hause.

Hat Wieselmaus schon gefragt. Es kommt vorher nicht raus, was er lernt oder studiert. Er schreibt Geschichten. Und dann dachte ich hä? Prüfung?

Sie konnte sich nicht entschließen, den Fernseher anzuschalten[,] und setzte sich wieder an den Tisch.

Komma

Sehr gerne gelesen!

Schönen Gruß
khnebel

 

Liebe barnhelm,

wusstest du, dass es in Süddeutschland mal einen Supermarkt namens "Vivo" gab? Ich dachte zuerst, du meinst den allen Ernstes :lol:

Ich hoffe, du hattest einen schönen Tag.

Gruß wieselmaus

 

Liebe barnhelm

Der Anfang deiner Geschichte wirkt auf mich kräftig und konkret, das hat mir sehr gut gefallen. Doch im weiteren Verlauf wird der Text blasser, wie ich finde.

Und dann in der Nacht war Andre plötzlich weg gewesen. Einfach weg. Nicht im Badezimmer, nicht im Schlafzimmer, nicht vor der Tür. Martin, sein bester Freund, hatte ihn gefunden. Andre war über die Brüstung gefallen und lag vor dem Haus auf der nachtfeuchten Wiese. Er hatte sich auf die Seite gelegt und so wie immer, wenn sie nebeneinander lagen, die Beine angezogen und die Hand unter den Kopf gelegt. Aufstehen wollte er nicht, nur einfach weiterträumen.

Das ist szenisch, plastisch. Hier erscheint Andre als unverwechselbarer Typ. Nicht jeder fällt über die Brüstung und bleibt einfach liegen. Das hat mich neugierig gemacht.

Ebenfalls gut gefallen hat mir der Dialog zwischen beiden. Sehr zurückhaltend, man spürt die Spannung.

Der alte Mann oben in den Hügeln von La Palma. [ ... ] Sein Blick war weder traurig noch froh, irgendwie nicht mehr anwesend.

Diese Rückblende fand ich ebenfalls gelungen, weil sie etwas über die Erzählerin, über Andre und über ihre Beziehung aussagt. Das Vivo kommt hier sehr gut zum Tragen. Und die Rückblende funktioniert, weil sie an die Aussage von Andre und damit zur eigentlichen Szene der Wiederbegegnung zurückgebunden ist.

Zurück hatte sie fahren müssen. [ ...] Sie spürten sein Interesse. Und auch dieser Spanier hatte sich ihm geöffnet.

Diese zweite Rückblende hingegen konnte ich nicht mehr verorten und hier habe ich beim Lesen etwas den Fokus verloren. Worum geht es genau? Denn hier hast du die Rückbindung an die Gegenwart nicht. Auf alle Fälle war ich einen Moment lang orientierungslos.

Die kleine Katze sprang auf ihren Schoß. Sie hatte ihren Napf leer gefressen, schnurrte und putzte sich gleichzeitig. Eva dachte daran, wie die Katze mit ihrem schwarz-braunen Fell an einem Sommerabend auf der Fensterbank gesessen hatte. Ganz vorsichtig hatte sie ihr ein bisschen Wurst hingeschoben, langsam und darauf bedacht, ihre Hand schnell wieder in Sicherheit zu bringen. Aber die Katze war zutraulich und Evas Angst unbegründet. Seit diesem Tag kam sie jeden Abend und irgendwann blieb sie. In den Nächten lag sie auf der Bettdecke. Immer, wenn Eva wach wurde, streckte sie die Hand aus, streichelte das Kätzchen, hörte ihr Schnurren und schlief wieder ein.

Mir ist klar, dass die Katze eine wichtige Funktion in der Geschichte hat. Aber das war mir hier zu ausführlich und auch zu austauschbar, auch wenn es in deiner typischen sensiblen Art geschrieben ist. Hier wurde die Protagonistin für mich plötzlich zu einem Typus (Frau mit Katze) und damit auch ihre Ambivalenz zu Andre. Das lag auch daran, dass dieser Andre selbst zum Typus mutiert:

Die Zeiten, als sie versucht hatte, auf ihn einzureden, zu verhindern, dass er zu viel trank, waren längst vorbei. Sie wusste, dass es keinen Zweck hatte, dass sich etwas verselbständigt hatte, etwas, das sie nicht stoppen konnte.

Auch andere Beschreibungen am Ende der Geschichte lassen für mich das Besondere dieser Beziehung und damit auch das Besondere dieser Geschichte nicht so ganz spüren.
Der alkoholkranke Typ sitzt im Wohnzimmer und hört Musik, ist nicht wirklich ansprechbar. Am nächsten Morgen "betrunken und verzweifelt" am Küchentisch. Das ist mir zu allgemein. Und irgendwie auch zu glatt. Der wird sich ja wohl noch aufgelehnt, sich an sie geklammert, geschworen haben, mit dem Alkohol aufzuhören. (Gut, das ist jetzt auch alles nicht besonders originell) Aber hier könntest du konkreter werden. Was haben die beiden miteinander gesprochen? Was hat er als Letztes zu ihr gesagt? "Schlampe"? So was in der Art zu lesen, würde weh tun, und das wäre gut, denn dann bekommt die Frage, vor der Eva steht, meines Erachtens eine viel grössere Dramatik. So, wie das jetzt hier steht, musst du dich darauf verlassen, dass der Leser bereits eine Ahnung davon hat, was es bedeutet, mit einem suchtkranken Menschen liiert zu sein.
Auch Martin. Der bleibt bloss ein Name. Nicht dass man den unbedingt ausarbeiten müsste, aber im Kontext fiel mir das eben auch noch auf.

Ich bin zudem nicht ganz sicher, ob der Hinweis darauf, was Eva überhaupt an Andre findet ("seine Phantasie war es gewesen" - eine übrigens sehr schöne Passage, die Szene am Meer) nicht schon früher erfolgen müsste, damit man den Konlikt besser nachvollziehen kann. Bis zu diesem Zeitpunkt war mir nicht wirklich klar geworden, was überhaupt dafür sprechen könnte, sich wieder mit ihm zu treffen.

So zumindest war mein Leseerlebnis. Vermutlich bin ich durch meine aktuelle Lektüre auch sensibilisiert, man kann von Setz' Stunde zwischen Frau und Gitarre halten, was man will, aber bei ihm ist jede Figur einfach absolut einzigartig. Und er geht mit seinem Text dorthin, wo es weh tut, das beeindruckt mich gerade sehr.


Noch ein paar konkrete Dinge:


Über ihr sprang das Bild der Überwachungskamera um, und Eva sah sich selber und die hinter ihr Stehenden. Sie stutzte und merkte, wie ihr Herz begann, schneller zu schlagen. Das Bild wechselte, zeigte einen anderen Ausschnitt des Ladens. Langsam wandte sie sich ein wenig zur Seite und schaute scheinbar gleichgültig über die hinter ihr Wartenden.

Unschöne Wiederholung einer eh schon etwas sperrigen Formulierung.

Wie Kinder hatten sie in den guten Zeiten ihre Geschenke versteckt. Albernes Hin und Her, am Ende die Umarmung.

„eine Umarmung“ schiene mir eleganter.

Komisch, dass sie immer nur an die letzten Jahre dachte, so, als hätte es diese erste Zeit nicht gegeben.

Damit hatte ich Mühe. Das impliziert, dass sie noch häufig an Andre denkt, aber an die letzten Jahre mit ihm, jetzt aber, da sie ihn sieht, erinnert sie sich an die frühen Jahre. Wenn du das bewusst so haben wolltest, dann müsstest du, denke ich, etwas ausführlicher werden. Ich musste eine Weile nachdenken, um zu verstehen, was die frühen und was die letzten Jahre sein könnten (denn ich habe ja bisher nur diese eine Erinnerung gelesen) und worauf sich die jetzige Erinnerung bezieht.

Und dann dieses unangenehme Krampfen im Magen, am nächsten Morgen, wenn sie die erste Zigarette wieder auf die Beine bringen sollte. Unbeschwerte Zeiten.

Sehr schön! Da musste ich lachen.

Das Band hatte ihre Sachen weitertransportiert und Eva spürte, dass alle auf sie warteten.

Weshalb? Haben die anderen sie angesehen? Laut ausgeatmet? Die Augen verdreht?

ging in die Küche und schob das Gericht in den Mikro.

Ich würde „die Mikrowelle“ schreiben. Ich dachte zuerst, du habest den falschen Artikel, aber du hattest wohl den Mikrowellenofen im Kopf.

Es gab niemand, der ihr weh tun konnte, der ihre Ruhe störte.

„wehtun“ vom Duden empfohlen.


Liebe banrhelm, ich habe deinen Text gern gelesen, sprachlich und stilisitisch war das wie immer überzeugend. Für mein Empfinden liesse sich aber noch mehr aus diesem Szenario herausholen.

Liebe Grüsse
Peeperkorn

 

Liebe Kanji,

ich danke dir für deinen freundlichen Kommentar.

Für mich ist sehr interessant, wie die einzelnen Leser den Schluss interpretieren. Ich habe ihn bewusst sehr offen gehalten. Für mich ist diese Geschichte ein weiterer Versuch, mich an die Innenwelt meiner Protagonistin heranzuwagen. Schön, dass es für dich funktioniert hat.

Lieber khnebel,

danke auch dir für dein Lesen, deinen Kommentar und die kleinen Korrekturen. Ich habe sie (hoffentlich) alle verbessert.
Du denkst an La Palma auf Mallorca, ich habe an die Kanareninsel La Palma gedacht. Vor vielen Jahren bin ich einmal im Februar dort gewesen. Interessant war damals für mich dieser starke Unterschied zwischen den Temperaturen in den Bergen und unten am Strand. Diese Fahrt ist mir sehr plastisch im Gedächtnis geblieben.

Euch beiden wünsche ich einen schönen Tag.

Liebe Grüße
barnhelm

 
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Hallo barnhelm,

ich bin ein Fan von so sentimentalen Geschichten, gerade auch von vergangenen Beziehungen und Chancen, die man vielleicht verpasst und den Fehlern, die man gemacht hat und auf die man nach Jahren mit klarem Verstand blicken kann oder muss.

Gerade deshalb pfriemle ich jetzt hier auch sehr an Details rum, liebe barnhelm, denn im Grunde finde ich die Idee der Geschichte sehr ansprechend, aber damit sie für mich richtig stimmig wäre, gäbe es noch ein paar Punkte, die verändert werden müssten. Ich schreibe mal auf, was mir so durch den Kopf ging beim Lesen:


Über ihr sprang das Bild der Überwachungskamera um, und Eva sah sich selber und die hinter ihr Stehenden. Sie stutzte und merkte, wie ihr Herz begann, schneller zu schlagen. Das Bild wechselte, zeigte einen anderen Ausschnitt des Ladens. Langsam wandte sie sich ein wenig zur Seite und schaute scheinbar gleichgültig über die hinter ihr Wartenden. Ja. Er war es. Nur die beiden Frauen standen zwischen ihnen.
Die Kundin vor ihr hatte nicht genug Platz für alles. Eva nickte und schob ihre schon liegenden Teile zurück. Ob auch er sie erkannt hatte? Wahrscheinlich. Sie glaubte, seinen Blick auf ihrem Nacken zu spüren.

Mir ist dieser Einstieg viel zu kompliziert. Ich versuche dir mal aufzuzeigen, was da alles in dem ersten Abschnitt in meinem Kopf rumschwirrte:

Über ihr sprang das Bild der Überwachungskamera um, und Eva sah sich selber und die hinter ihr Stehenden.
Da es bei uns in keinem Discounter Überwachungsmonitore im Kassenbereich gibt, hätte ich diese Szene da nie verortet.
Und nun mal konkret: Eine Kamera nimmt die Bilder auf, ein Monitor oder Bildschirm zeigt die Bilder.
Für wen hängt denn nun dieser Monitor über der Kasse, so dass sie als Kundin das Bild sehen kann? Die Kassiererin hat garantiert keine Zeit, da draufzusehen, wenn ich bedenke, in welcher Geschwindigkeit die immer die Waren über den Scanner fegen. Wenn, dann sind die Monitore im Büro des Fillialleiters ;) Also hast du für mich ein Konstrukt aufgebaut, um einen unverfänglichen Anfang zu haben. Einkaufen ist immer gut :D, denn Essen braucht jeder.
Ich fände das einfacher zum Verstehen, wenn du die Kamera resp. den Monitor weglässt und sie einfach beim Warten in der Schlange am Förderband mal rumgucken lässt. Macht man doch immer wieder mal.
Wie alt war er jetzt? Vierzig? Andre war älter als sie: vier Jahre und drei Tage.
Die rhetorische Frage beißt sich doch mit dem darauffolgenden Satz, da sie doch ganz genau weiß, wie alt er ist. Ich würde die zwei Fragen streichen.


Der erste und der vierte April. Immer um Ostern. Wie Kinder hatten sie in den guten Zeiten ihre Geschenke versteckt. Albernes Hin und Her, am Ende die Umarmung. Nur einmal hatte es länger gedauert. Das winzige weiß-goldene Kästchen hatte er hinter einer Vase versteckt und sie entdeckte es erst spät. Er war ganz unruhig, als sie den kleinen Deckel öffnete. Eine Kette mit einer Rosette aus roten Steinen. Altmodische Granatsteine. Sie war gerührt gewesen, mehr über seine Nervosität als über den Schmuck.

Komisch, dass sie immer nur an die letzten Jahre dachte, so, als hätte es diese erste Zeit nicht gegeben.

Das beißt sich auch. Im letzten Satz wird beschrieben, dass sie nur an die letzten (wohl schlechten) Jahre denkt, dabei ist die ersten Erinnerung, die wir zu lesen bekommen, durchweg positiv. Ja, was nun? Das musst du umformulieren.

Während das Band nach vorne rückte, schaute Eva auf den Zigarettenkasten.
Zigarettenkasten? Komischer Audruck. Regal? Aufsteller?

Reval hatten sie geraucht, mit Tabakkrümeln, die an der Zunge klebten, sich nur schwer ausspucken ließen.
Ich kenne das mit dem Krümeln nur, dass sie an den Lippen kleben. Aber vielleicht gibt es da auch andere Erfahrungen :silly:

Und dann dieses unangenehme Krampfen im Magen, am nächsten Morgen, wenn sie die erste Zigarette wieder auf die Beine bringen sollte. Unbeschwerte Zeiten.
Hmm ... passt inhaltlich nicht so ganz zusammen. Unangenehmes Krampfen und unbeschwerte Zeiten ...
ich weiß zwar, wie du das meinst, aber herauslesen kann man das jetzt hier bei diesen zwei Sätzen nicht.

Sie richtete sich auf, legte die Tube in die Tasche, strich das Haar aus ihrem Gesicht und drehte sich langsam um.
Shampoo in Tuben? Flasche, wenn auch Kunststoff.

„Gut, und dir?“
Ich finde das sehr belanglos als Antwort. Da schwingt keinerlei (gespielte) Überraschung mit rein, so redet man, wenn man den Nachbar am Tage zuvor gesehen hat. Aber es waren doch mehr als 10 Jahre.
Da müsste doch sowas wie: Andre, du? Sag mal, wo kommst du denn her?
oder sowas in ähnlicher Form kommen.


„Nein, der reine Zufall. Ich war drüben im Job-Center und dachte, ich könnte hier ein paar Sachen für den Abend mitnehmen.“
Unwillkürlich schaute sie in seinen Wagen. Cola und Orangensaft, ein paar andere Sachen.
Wortwiederholung


„Das war im Februar“, sagte sie, um etwas zu sagen.
Zurück hatte sie fahren müssen. Beide, Andre und der Spanier waren betrunken gewesen. Drei Stunden blieben sie in der Höhle. Am Anfang lauschte sie den beiden, verfolgte ihre Mimik, verstand nicht, was sie sagten. Andres Spanisch war gut und er kokettierte damit. Doch er war auch ein aufmerksamer Zuhörer. In der ersten Zeit hatte sie sich gewundert, wie bereitwillig Menschen ihm ihre intimsten Geschichten anvertrauten. Sie spürten sein Interesse. Und auch dieser Spanier hatte sich ihm geöffnet.
Der alte Mann saß die ganze Zeit ruhig und ein wenig nach vorne gebeugt am Kopf des Holztisches, leerte nur langsam sein Glas. Sie gaben es irgendwann auf, ihn ins Gespräch zu ziehen.
Eva hatte nicht gedacht, dass sie so lange bleiben würden und die Kälte kroch in ihr hoch. Auch sie trank nicht viel und sie begann, sich unbehaglich zu fühlen und sich zu langweilen, aber sie drängte nicht, sie wollte kein Spielverderber sein.
Das finde ich zu ausufernd.


Sie trennte sich von ihrem Spiegelbild, ging in die Küche und schob das Gericht in den Mikro.
die Mikrowelle?
Riskieren, dass ihr Leben aus seinem sicheren Kreislauf geriet. Die Arbeit im Institut gefiel ihr. Hin und wieder traf sie sich mit Kollegen, feierte mit ihnen die Feste des Jahres. Kleine Höhepunkte in einem geordneten Kosmos.
Es gab niemand, der ihr wehtun konnte, der ihre Ruhe störte. Eva hob den Kopf und blickte in den Spiegel, sah ihr Gesicht vor der weißen Wand des Flurs - sah ihre Augen.
Das ist mir etwas zu wenig Information, was ihr Leben nach Andre betrifft. Es wirkt grade so auf mich, als hätte es nach ihm nur Arbeit und ab und an schöne Stunden mit Kollegen gegegen. Soll so suggeriert werden, dass sie ewig gebraucht hat, sich von ihm zu lösen? Dann muss das frühere Elend noch besser rauskommen. Wenn es nicht so gedacht war, würde ich mir wünschen, wenn noch ein paar Details eingesprenkelt werden würden, wie z.B. eine andere Beziehung zwischendurch, die auch in die Brüche ging oder eine Zeit, in der sie sich sehr um andere Menschen kümmern musste (Eltern z.B.), so dass sie keine Zeit für eine neue Beziehung hatte. Zwölf Jahre nur so vor sich hindümpeln finde ich ansonsten zu lange und somit zeigst du mir Eva zu sehr isoliert von ihrem Alltag und den Leuten, mit denen sie sich umgibt.
Wahrscheinlich nur, um mit jemandem zu reden.
Mir wird aber aus folgenden Sätzen nicht wirklich klar, ob Eva Andre betrogen hat oder ob Andre das nur vermutet.
Sie hätte schweigen sollen – oder warten. Irgendwann befanden sich Andres Gedanken in einer Spirale, die sich nur um eine Achse bewegte: seine Frau – sein bester Freund.
Das ist mir nicht eindeutig genug. Andre kann sich ja auch durch seinen Suff in etwas hineingesteigert haben.
Langsam war es Tag geworden. Sie erinnerte sich an den dunkelroten Streifen über den Dächern der Stadt. Sie beide am Küchentisch, rauchend und gefangen in einem Gespräch, das danach suchte, alles ungeschehen zu machen.
Dieses ungeschehen machen kann sich auf einen Seitensprung oder auf das Saufen beziehen.
Also ich fände es gut, wenn da noch ein eindeutigerer Hinweis käme.

Er trank mehr, trank immer öfter, verpasste seine mündliche Prüfung, kam tagelang nicht nach Hause. Vorhaltungen, Auseinandersetzungen und endlose Diskussionen.
Na, dann ist doch klar, dass nichts mehr zu retten ist. Nur sieht es der Partner leider nicht.


Der Geruch von Tang hing in der Luft und der Mond spiegelte sich auf dem ruhigen Meer als breites silbriges Band. Sein Licht färbte die Finsternis dunkelblau und ließ die kleinen Mulden, die das Wasser im Sand hinterlassen hatte, lila schimmern. Kleine Wellen mit weißem Saum schoben sich in die Nähe ihrer Füße, hielten ein, zogen sich träge zurück, um kurz darauf aufs Neue mit dem ewigen Spiel zu beginnen.
Diese drei Sätze sind für meinen Geschmack wiederum zu ausufernd. Ich finde Rückblenden wichtig, um aktuelle Befindlichkeiten besser aufzeigen zu können. Dabei ist aber das Mondlicht recht unwichtig. ;)

Nur, was sie gefühlt hatte, war auf einmal wieder da: Seine Phantasie war es gewesen, die ihre nüchterne, kleine Welt bereichert hatte, sie farbig und lebendig werden ließ.
Richtig wichtig ist eigentlich nur dieser Satz.

Liebe Grüße
bernadette

 

Lieber Peeperkorn,

danke fürs Lesen, für die Korrekturen und die nützlichen Anregungen.

Ich geh mal durch:

Diese zweite Rückblende hingegen konnte ich nicht mehr verorten und hier habe ich beim Lesen etwas den Fokus verloren. Worum geht es genau?
Es ist keine erneute Rückblende, sie schließt sich als Ergänzung an die vorherige an.

Mir ist klar, dass die Katze eine wichtige Funktion in der Geschichte hat. Aber das war mir hier zu ausführlich und auch zu austauschbar, auch wenn es in deiner typischen sensiblen Art geschrieben ist. Hier wurde die Protagonistin für mich plötzlich zu einem Typus (Frau mit Katze) und damit auch ihre Ambivalenz zu Andre.
In der Tat hat dieses Bild ‚Frau mit Katze’ für mich etwas Typisches: Sie soll Einsamkeit symbolisieren. Das, obwohl ich selber eine Katze habe, und keineswegs einsam bin. Aber, so wie ich hier die Beziehung zur Katze beschreibe, sollte es eigentlich ihr Alleinsein verdeutlichen. Aber ich verstehe, was du mit dem Hinweis auf den ‚Typus’ meinst.

Auch andere Beschreibungen am Ende der Geschichte lassen für mich das Besondere dieser Beziehung und damit auch das Besondere dieser Geschichte nicht so ganz spüren.
Der alkoholkranke Typ sitzt im Wohnzimmer und hört Musik, ist nicht wirklich ansprechbar. Am nächsten Morgen "betrunken und verzweifelt" am Küchentisch. Das ist mir zu allgemein. Und irgendwie auch zu glatt. Der wird sich ja wohl noch aufgelehnt, sich an sie geklammert, geschworen haben, mit dem Alkohol aufzuhören. (Gut, das ist jetzt auch alles nicht besonders originell) Aber hier könntest du konkreter werden. Was haben die beiden miteinander gesprochen?
Du legst den Finger auf die richtige Stelle, Peeperkorn. Ich spüre auch, dass ich es mir hier zu leicht gemacht habe. Da werde ich wohl noch mal ran müssen. Im Moment hakt es bei mir. Nicht, dass ich mir eine solche Situation nicht konkret vorstellen könnte, nein, sie umzusetzen, fällt mir schwer. Der Andre, so wie ich ihn sehe, ist ein sehr sanfter Mensch. Der ist einfach nur fertig, nicht aggressiv, eher depressiv. Wie ich das als Gespräch darstellen kann, weiß ich noch nicht. Da erkenne ich meine Grenzen.

Ich bin zudem nicht ganz sicher, ob der Hinweis darauf, was Eva überhaupt an Andre findet ("seine Phantasie war es gewesen" - eine übrigens sehr schöne Passage, die Szene am Meer) nicht schon früher erfolgen müsste, damit man den Konlikt besser nachvollziehen kann. Bis zu diesem Zeitpunkt war mir nicht wirklich klar geworden, was überhaupt dafür sprechen könnte, sich wieder mit ihm zu treffen.

Aber genau das sollte sich ja eigentlich langsam in ihr entwickeln. So war meine Idee.

Lieber Peeperkorn, ich danke dir, dass du dich in meine Geschichte hineinversetzt und mir einige wichtige Denkanstöße gegeben hast. Nun muss ich nur meine Faulheit überwinden und mich noch mal ranmachen.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Liebe barnhelm

besonders gut hat mir der Wechsel der Zeitebenen gefallen. So ist das ja auch: die Gedanken wechseln wild durcheinander und achten nicht auf Gegenwart, Vergangenheit oder was auch immer.
Auch die sprachliche Gestaltung ist gut. So ein Wechsel aus beschreibenden Elementen, Kurz- und Halbsätzen, die einen guten Rhythmus anschlagen. Das lässt sich gut mit einem Gedankenflug machen.
Der Plot gefällt mir weniger. Kein stringentes Ende (an das Leben denken ist zu wenig) und alles ein wenig langatmig. Klar braucht es Zeit, um die Gefühlwelt zu enthüllen, klar sitzt die Verletzung tief (und das stellst du wirklich gut und sensibel dar), aber es verliert sich eben auch. Du gibst das gut wieder, ohne Frage, nur ich als Leser werde kaum bei der Stange gehalten. Sicher: ich will wissen, ob sie ihn wieder trifft oder nicht, ahne aber schnell, dass man die Vergangenheit eben nicht zurückholen kann und dass sie es lassen wird.
Super ist übrigens dieser Einschub mit dem "Vivo" und dem Aufenthalt in den Bergen. Solltest du vielleicht deutlicher trennen und in einem Zug erzählen.

bisschen was zum Text:

Wie Kinder hatten sie in den guten Zeiten ihre Geschenke versteckt. Albernes Hin und Her, am Ende die Umarmung. Nur einmal hatte es länger gedauert. Das winzige weiß-goldene Kästchen hatte er hinter einer Vase versteckt und sie entdeckte es erst spät. Er war ganz unruhig, als sie den kleinen Deckel öffnete. Eine Kette mit einer Rosette aus roten Steinen. Altmodische Granatsteine. Sie war gerührt gewesen, mehr über seine Nervosität als über den Schmuck.
beste Passage; hier baust du Spannung auf

Die kleine Zweizimmerwohnung, ganz unten in einem Hochhaus. Silvester, zwanzig Leute, überall, auf dem Boden im Wohnzimmer, in der Küche, rauchend, trinkend, lachend und diskutierend. Und dann in der Nacht war Andre plötzlich weg gewesen. Einfach weg. Nicht im Badezimmer, nicht im Schlafzimmer, nicht vor der Tür. Martin,
das ist so ein wenig unelegant, zu viele aufzählungen, rauchend, trinkend... nicht... nicht...

Während das Band nach vorne rückte, schaute Eva auf den Zigarettenkasten. Reval hatten sie geraucht, mit Tabakkrümeln, die an der Zunge klebten, sich nur schwer ausspucken ließen.
sehr gut: sie blickt auf die Kippen, erinnert sich an Reval, spürt sie...

„Nein, der reine Zufall. Ich war drüben im Job-Center und dachte, ich könnte hier etwas für den Abend mitnehmen.“
Unwillkürlich schaute sie in seinen Wagen. Cola und Orangensaft, ein paar andere Sachen.
„Ja, und? Konnten sie dir helfen?“
„Ja, sieht gut aus.“ Er reichte ihr das Gewürztütchen, das sie im Wagen vergessen hatte.
„Aber vierzig ist eben schon ziemlich alt.“
weiß nicht, ob das Vertrauen so schnell zurück kommt...

Der hellblaue Hemdkragen über seinem Pullover ließ sein Gesicht frisch erscheinen, passte zu seinen Augen. Sie waren klar.
ich habe keine vorstellung wie klare augen aussehen, ich weiß du willst einen gegensatz aufbauen zu trunkenen augen oder?

Dann kommt das mit der Katze und wie sie in ihrer Wohnung weiterdenkt und das finde ich zu viel... ein bisschen, ja, aber einiges ließe sich streichen, dann wär's prägnanter...

Nur, was sie gefühlt hatte, war auf einmal wieder da: Seine Phantasie war es gewesen, die ihre nüchterne, kleine Welt bereichert hatte, sie farbig und lebendig werden ließ.

Ein kleiner Ruck ihres Kopfes ließ Eva aus ihrem Halbschlaf erwachen. Sie öffnete die Augen und schaute auf den leeren, dunklen Bildschirm vor sich.

das ist wieder sehr gut :Pfeif:

sag mal barnhelm, warum lässt du sie nicht ein enttäuschendes zweites treffen erleben?
liebe Grüße
Isegrims

 

Hallo barnhelm,

eine schöne Geschichte, in der Melancholie, Traurigkeit und Hoffnung mitschwingen.

Ich hatte mir schon die erste Version angeschaut, bei der ich direkt bei der ersten Szene mit den Monitoren ins Stocken geraten war. Das hast du jetzt besser gelöst.

Nur ein paar Kleinigkeiten:

Wie alt war er jetzt? Vierzig? Andre war älter als sie: vier Jahre und drei Tage
Wieso fragt sie sich, wie alt er ist? Sie weiß es doch.

Dann noch ein paar Pünktchen zu viel (auf jeden Fall wirkt es merkwürdig):

„Ja. …“ Sie suchte nach einer Frage. „Wohnst du wieder hier?“
„Ja …“
Ich würde mich freuen. … Wir könnten
Ich würde mich freuen … Wie könnten
Alles ist gut. … Ich
Alles ist gut … Ich

Hat mir gut gefallen.

Liebe Grüße,
GoMusic

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe bernadette,

danke fürs Lesen und für die Anregungen. Nach Peeperkorns Kommentar hab ich mir eh schon überlegt, dass ich einige Änderungen vornehmen werde und dabei werde ich auch einiges berücksichtigen, was du mir beschrieben hast. Der Reihe nach:

Bild der Überwachungskamera.

Da habe ich andere Erfahrungen. Konkret: In einem Supermarkt, in dem ich gerne einkaufe, ist das immer genauso: Ich schaue auf diesen Monitor und sehe mich und die Kunden. So kam diese Szene zustande. Ist das eine Ausnahme? Oder nur hier in Ungarn? Ich hab da nie drüber nachgedacht.

Wie alt war er jetzt? Vierzig? Andre war älter als sie: vier Jahre und drei Tage.
Die rhetorische Frage beißt sich doch mit dem darauffolgenden Satz, da sie doch ganz genau weiß, wie alt er ist. Ich würde die zwei Fragen streichen.
Hast recht. Werde ich ändern.

Komisch, dass sie immer nur an die letzten Jahre dachte, so, als hätte es diese erste Zeit nicht gegeben.
Das beißt sich auch. Im letzten Satz wird beschrieben, dass sie nur an die letzten (wohl schlechten) Jahre denkt, dabei ist die ersten Erinnerung, die wir zu lesen bekommen, durchweg positiv. Ja, was nun? Das musst du umformulieren.
Hab ich gemacht.

Ich kenne das mit dem Krümeln nur, dass sie an den Lippen kleben.
Kann sein, dass mich meine Erinnerung täuscht. Ich habe viel Reval geraucht und spuckte ständig, weil die locker gestopft waren und man ständig Krümel im Mund hatte. (Ist allerdings schon hundert Jahre her.)

Hmm ... passt inhaltlich nicht so ganz zusammen. Unangenehmes Krampfen und unbeschwerte Zeiten ...
Lass ich mal, weil ich den Gegensatz haben wollte.
[]„Gut, und dir?“
I]Ich finde das sehr belanglos als Antwort. Da schwingt keinerlei (gespielte) Überraschung mit rein, so redet man, wenn man den Nachbar am Tage zuvor gesehen hat. Aber es waren doch mehr als 10 Jahre.
Da müsste doch sowas wie: Andre, du? Sag mal, wo kommst du denn her?
oder sowas in ähnlicher Form kommen.
Da soll ja auch keine Überraschung mitschwingen. Die Situation ist beiden doch klar.

Nein, der reine Zufall. Ich war drüben im Job-Center und dachte, ich könnte hier ein paar Sachen für den Abend mitnehmen.“
Unwillkürlich schaute sie in seinen Wagen. Cola und Orangensaft, ein paar andere Sachen.
Wortwiederholung
Hab ich geändert.

Sie trennte sich von ihrem Spiegelbild, ging in die Küche und schob das Gericht in den Mikro.
die Mikrowelle?
Hab ich geändert.

Bernadette, die beiden Stellen, die du als zu ausufernd anmahnst, möchte ich erst einmal so lassen. Sie sind mir ziemlich wichtig und ich möchte hier meine Lieblinge noch nicht so gerne killen. Aber, alles ist im Fluss :D.

Die andere Sache mit der Zeit nach Andre, die dir ein bisschen zu knapp erscheint, werde ich überdenken. Da magst du recht haben.

Mir wird aber aus folgenden Sätzen nicht wirklich klar, ob Eva Andre betrogen hat oder ob Andre das nur vermutet.
Wirklich? Ich dachte, dass wäre doch sehr eindeutig. Mal sehen, ob es anderen auch so geht. Dann werde ich das ändern.

bernadette, ich danke dir für deine ausführliche Betrachtung meiner Geschichte. Ich seh' schon, da gibt es noch einiges zu überlegen.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo barnhelm,

so wie ich es sehe, haben die bisherigen Kommentare so vieles gesagt, dass ich nur wiederholen könnte. Eigentlich hat Deine Geschichte das Potential, über das "und was geschieht dann" nachzusinnen. Ich finde es also ganz richtig, dass die Geschichte hier aufhört.
Für mich liegt die Schwierigkeit dieser Entscheidung in der Ungewissheit, wie der Andre sich denn jetzt entwickelt hat. Ich sehe hier einen gewissen Typus: Phantasievoll, den Menschen zugewandt und (deshalb?) labil, sprich leicht abhängig werdend. Hier ist es die oft ebenso typische Alkoholabhängigkeit. Wenn ein so betroffener Mensch clean wird, ändert sich meistens sein ganzes Wesen. Es ist also zu vermuten, dass er jetzt ganz anders mit Menschen kommuniziert als früher. Ich habe es oft erlebt, dass Ehen auseinandergingen, weil ein Ehepartner seie Alkoholabhängigkeit überwand und sein Verhalten dabei so änderte, dass der andere damit nicht mehr zurechtkam. Das ist oft recht tragisch und diese Tragik könnte auch in der Zukunft Deiner Geschichte auftreten. Also ich finde, Du hast die Entwicklung dieser Beziehung gut und nachvollziehbar dargestellt. Und alles weitere bleibt der Phantasie überlassen.

Liebe Grüße

Jobär

 

Liebe Isegrims,

ich danke auch dir für deinen Kommentar, freue mich über die Stellen, die dir gefallen haben und denke über die nach, an denen du dich ein wenig reibst. Besonders nach Peeperkorns und bernadettes Kommentaren habe ich mir vorgenommen, noch einmal an meine Geschichte heranzugehen.
Ja, und auch deine Idee finde ich sehr interessant:

sag mal barnhelm, warum lässt du sie nicht ein enttäuschendes zweites treffen erleben?
Im Moment komme ich noch nicht so recht weiter, weil das ja keine kleinen Veränderungen wären, sondern zum Teil grundlegende. Aber, das kennen wir ja alle: Wenn wir ein bisschen Distanz zum Text haben, fällt uns die Annäherung wieder leichter. Und so geht es mir auch: Ich warte mal ab, gehe viel spazieren und lasse mir alles noch mal durch den Kopf gehen. Schön, dass du da mitgedacht hast.

Liebe Grüße
barnhelm

Lieber @GoMusik,
danke für deinen Kommentar. Schön, dass dir die Geschichte gefallen hat.
Ja, mit dem Alter, das werde ich ändern. bernadette hat ja auch schon ungefähr das gesagt, was du da bemerkst.
Und dann die Pünktchen: Ich glaube, khnebel hat mich auch schon darauf hingewiesen, aber ich habe das nur an einer Stelle berichtigt. Wird nachgeholt.
GOMUsik, dir und Isegrims wünsche ich einen schönen Tag.

Liebe Grüße von Niederrheiner zu Niederrheiner *)
barnhelm

*) In den ‚Ananasrenetten’ fühle ich mich zwischen den ‚Straetmans’ mit dem Dehnungs-e und den Jansens richtig zu Hause.

 

Lieber jobär,
auch dir danke ich für deinen Kommentar.

Für mich liegt die Schwierigkeit dieser Entscheidung in der Ungewissheit, wie der Andre sich denn jetzt entwickelt hat. Ich sehe hier einen gewissen Typus: Phantasievoll, den Menschen zugewandt und (deshalb?) labil, sprich leicht abhängig werdend. Hier ist es die oft ebenso typische Alkoholabhängigkeit. Wenn ein so betroffener Mensch clean wird, ändert sich meistens sein ganzes Wesen.
Das Problem, das du ansprichst, halte ich für ein sehr wichtiges. Auch ich habe schon in diese Richtung gedacht. Diese Veränderung, die das Beherrschen der Sucht mit sich bringt. Inwieweit das auch eine Wesensveränderung bewirkt, lässt sich wahrscheinlich nicht verallgemeinern. (Ich muss hier an den trockenen Alkoholiker Bush denken, der Religiosität als Ausweg gefunden hatte, was mir ziemlich suspekt war.)
Was mir eingefallen ist, ist Folgendes: In meiner Geschichte gehört zum Schreiben der Alkohol. Und da ist Andre ja nicht allein: Edgar Allan Poe, F.Scott Fitzgerald, Ernest Hemingway, John Steinbeck, Georges Simenon, William Faulkner, Eugene O'Neill, Malcom Lowry und natürlich Bukowski ging es nicht anders. Inwieweit der Alkohol wirklich nötigt ist, um eine inspirierte Geschichte oder einen Roman zu schreiben, ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann, die immer mal wieder diskutiert wird. Ich glaub schon, dass da was dran ist. Und wenn das dann wegfällt, könnte möglicherweise auch die Inspiration wegfallen. Aber das ist ein weites Feld, auf dem ich mich nur als Zaungast auskenne.
In meiner Geschichte ist es nicht die Frage. Aber man gerät gedanklich dahin, wenn man sie weiterdenkt.

Jobär, ich danke dir für deine Überlegungen.

Liebe Grüße
barnhelm

 

„Nicht an sich denken, das macht ja der andere schon.“
Anke Engelke*

„Man merkt genau, wenn sie da ist. Wenn man nicht sicher ist, ist sie nicht da.“
Jörg Kachelmann*​


„Vivo.“
Sie sprach kein Spanisch, doch das hatte sie verstanden. Später war es ihre immer wiederkehrende Antwort, stets dann, wenn nur noch Ironie übrig blieb.

Hallo barnhelm,

gestern, mit gemächlich triefender Nase zurückblätternd nach offshores „Jimmy“ (mein J, is' dat hier 'ne flüchtige und rasante Plattform geworden, dat man nach 'ner verschnupften Woche sich kaum noch zurecht findet) fand ich neben meinem bei archäologischen Grabungen hervorgeholten älteren Text Deinen neuen Text, eine grundsolide erzählte Liebesgeschichte, sofern es nach den Antworten und Definitionen der Zeit-Umfrage denn eine sein sollte. (Keine bange, es ist eine. In der Zeitumfrage sind noch 42 Versuche über das, was Liebe sei veröffentlicht, manche knappe – wie die zitierten - andere weit ausholend).

Schon der erste Satz aber

Über ihr sprang das Bild der Überwachungskamera um, und Eva sah sich selber und die hinter ihr Stehenden.
verrät durch die Wortwahl, die ja umgangssprachlich nicht falsch ist, wie es um Eva bestellt ist,

„Eva sah sich selber ...“ -

hat ihr Selbst quasi aufgegeben, um als Teil der Schlange an der Kasse oder noch besser: von der Schlange verschlungen (klingt fast so, als gäb's da einen etymologischen Zusammenhang …) zu werden, anonym zu bleiben.

Ab dieser Stelle aber

„Ja …“ Sie suchte nach einer Frage. „Wohnst du wieder hier?“
„Ja.“ Er machte eine kleine Pause, schien zu überlegen. „Ich glaube, irgendwann möchte man dann doch wieder zurück.“
ist mir Deine Geschichte der Gegenentwurf zur „...ela“(was alles andere als ein Vorwurf ist), und Du kennst die Geschichte ja.

„Vivo“ ist nicht nur sprachlich das genaue Gegenteil der „… ela“, da hier nahezu verbissen der Schulgrammatik gefolgt wird. Durch die Herrschaft der Hilfsverben und Partizipien, die quasi bürgerlich Prinzipien- durch Partizipienreiterei ersetzt bzw. ergänzt. Kurz: die wohlgeordnete kleinbürgerliche Welt dargestellt in einer strikten Befolgung grammatischer Regelwerke, insbesondere der Zeitenfolge, die ich gerne aus Liebe zu der Friesen Lande Gezeitenwechsel nenne. Ein erstes Beispiel eines an sich entbehrlichen Gezeitenwechsels

Zurück hatte sie fahren müssen. Beide, Andre und der Spanier waren betrunken gewesen.

Was ginge verloren, wenn aufs gedoppelte „sein“ verzichtet würde, etwa „Beide, …, waren betrunken.“ Zumindest Andre ist wieder nüchtern. Mein ich zumindest zu erkennen. Und da werd ich nicht allein sein.
Einmal – mindestens – bricht die bürgerl. Eigentumgsordnung durch
Ein kleiner Ruck ihres Kopfes ließ Eva aus ihrem Halbschlaf erwachen.
Wessen Kopf ließ Eva sonst aus wessen Halbschlaf hochschrecken?

Dass mit den beiden Modellen gravierende Unterschiede der Lebensweisen beschrieben werden, zeigt sich an

und legte die kleine Karte auf das Regal unter dem Spiegel.
Andre und Eva sind um die Vierzig und verhalten sich wie alte Leute, deren Regelverhalten durch die Erinnerung an Tanzschulen bestimmt wird. Het windje hat der ...ela (er wird sich hüten, sie „seine“ ...ela zu nennen) drei Wochen später zum Geburtstag per Post einen kurzen Peanutscomic geschenkt, in dem Charly Brown mal wieder vom kleinen rothaarigen Mädchen träumt und prompt in sein Unglück läuft. Unter Glückwunsch und Gruß stand, dass die alte Telefonnummer immer noch gelte, weil er, Het, eben ein vergesslicher Mensch sei und die sechs Ziffern merke er sich halt. Die Telefonnummer wurde im Brief nicht aufgeführt. Weder steht sie im Telefonbuch noch im Internet (wer sie da findet erhält von mir den modernen Wäschetrockner ...)

Zwo Tage nach dem Geburtstag kam der Anruf ... den Geburtstag nachzufeiern ...

Aber dennoch gern gelesen vom

Friedel

*"Mit allen Stürmen" von Matthias Kalle „Wir wollten wissen: "Was ist Ihre Wahrheit über die Liebe?" Wir bekamen 44 Antworten – und eine halbe. Alle so unterschiedlich und spannend wie die Liebe selbst, zunächst im Zeitmagazin, dann auch unter Zeitonline 19. Dezember 2013 - 07:00 Uhr

 

Liebe barnhelm,

sie gefällt mir sehr gut, deine Geschichte!
Das ist schon immer mal wieder auch mein Thema, Liebe im Wandel der Zeiten, Trennung, Aufbruch, verschüttete Erinnerungen, die wieder hoch kommen und im Licht neuer Erfahrungen auch wieder neu werden. Und ich bin ja der Überzeugung, dass in den (wenigen) Fällen wirklicher Liebe immer etwas bleibt - egal, wie sehr das Leben oder man selbst anschließend 'drüber bügelt': Die Prägungen, Verwerfungen, Glücksmomente bleiben bedeutsam.
Schon der Einstieg, das sich und dann ihn Erkennen in der Überwachungskamera, ist gelungen. Ebenso das zögernde Annähern, Neugier und Angst - ich war da gleich drin (nicht nur, weil sie Eva heißt;)). Für mein Gefühl hast du den Bogen bis zum Ende gut gespannt, auch die Unbestimmtheit darüber, wie es wohl weitergehen wird, finde ich gut.

Viele Grüße,

Eva

 

Lieber Friedrichard,

ich hoffe, deine Nase hat sich wieder beruhigt und tropft weniger.

Wie immer legst du deinen Finger auf die wunde Stelle: Noch nie ist mir das mit der Zeitenfolge (PQP, Präteritum usw.) in einem Text so kompliziert erschienen wie in diesem. Es ist die ewige Flucht aus den vielen ‚hatte’ und ‚war gewesen’ usw. Da wird mir unsere Sprache manchmal zum Monstrum – oder aber man wechselt einfach und begibt sich zurück ins Präteritum.

Zurück hatte sie fahren müssen. Beide, Andre und der Spanier waren betrunken gewesen.
Was ginge verloren, wenn aufs gedoppelte „sein“ verzichtet würde, etwa „Beide, …, waren betrunken.“ Zumindest Andre ist wieder nüchtern. Mein ich zumindest zu erkennen. Und da werd ich nicht allein sein.

Hast hier völlig recht und ich habe das geändert.

Ein kleiner Ruck ihres Kopfes ließ Eva aus ihrem Halbschlaf erwachen.
Wessen Kopf ließ Eva sonst aus wessen Halbschlaf hochschrecken?

Natürlich, die alte Sache. Hab ich auch geändert.

Friedel, ich danke dir für’s Rauskramen und wünsche dir gute Besserung, sollte sie noch nicht eingetroffen sein.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Liebe Eva Luise Groh,
danke für deinen wohltuenden Kommentar. Da gibt es nicht mehr viel zu sagen. Du hast ein gutes Gespür gehabt, für das, was ich mitteilen wollte.

Eva, ich wünsche dir einen angenehmen Tag.

Liebe Grüße
barnhelm

 

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