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Rückzug

Wortkrieger-Team
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31.01.2016
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Rückzug

Frau Unmuth sitzt im Wartezimmer der Zahnarztpraxis.
Eigentlich, denkt sie, ist das doch vertane Zeit. Sie wird die teure Prophylaxe sowieso nicht nutzen.
Grüßte sie jemand der anderen Wartenden zurück, als sie den Raum betrat?
Hat sie selbst überhaupt gegrüßt? Sie hält ihre kleine, schwarze Handtasche auf ihren Knien fest und denkt darüber nach. Immer öfter kommt es ihr vor, als würde sie nichts um sich herum mitbekommen. Als säße sie hinter Glas.
Erst letzte Woche sollte sie nach der Routinekontrolle der Gynäkologin eine Zusatzuntersuchung selbst bezahlen. Sie ist verunsichert und ungeübt in Geldfragen. Zum anderen hat sie wirklich genug von ärztlichen Untersuchungen. Früher war sie unbekümmert. Seit ihr Mann Max verstorben war, fällt ihr Vieles schwer im Alltag.

Die Aufgaben in ihrer Ehe waren traditionell verteilt. Sie hatten das bewährte Muster übernommen, denn Frau Unmuth hat keinen Beruf. Sie bewerkstelligte den Haushalt, er verdiente das Geld. Seine Bezüge als Beamter reichten für sie beide. Sogar jährlich eine Urlaubsreise gönnten sie sich. Mal fuhren sie ans Meer, ein anderes Jahr in die Berge. Einmal unternahmen sie eine Flugreise nach Spanien. Nachdem sie kinderlos geblieben waren, hatte sie alleinstehenden alten Menschen in der Nachbarschaft beim Einkaufen und Sauberhalten der Wohnungen geholfen.
Beinahe fünfundzwanzig Jahre waren sie verheiratet gewesen. Im nächsten Jahr hätten sie dieses Jubiläum sicherlich gefeiert.

Morgen jährt sich Max' Todestag.
Drei Monate nach der Diagnose stand sie mit seinen Kollegen auf dem Friedhof, um Max zu beerdigen. Sie selbst kann sich gar nicht mehr gut an diese Stunden erinnern. Sicher, alle sahen betroffen aus, kondolierten und sagten etwas Nettes oder Aufbauendes. Das weiß sie wohl noch.
Bei der anschließenden Trauerfeier wurde die Stimmung lebhafter. Daran erinnert sie sich. Zwei Frauen der Kollegen saßen neben ihr. Eine von Ihnen hielt ihre Hand fest - ja, Britta hieß sie - und ließ sie auch dann nicht los, als sie mit der anderen zur Kaffeetasse griff. Das war eine nette Geste.
Frau Unmuth zupft Nagelhaut vom Daumen.
Sie konnte den Gesprächen damals nicht recht folgen. Ihre Stimmen klangen gedämpft, wie isoliert. Nur Wortfetzen nahm sie auf. An einige erinnert sie sich vage. Die Männer redeten von einem verwundbaren Alter und zählten andere Kollegen auf, die mit den verschiedensten Krankheiten zu kämpfen hatten.

Ja, denkt Frau Unmuth, während neben ihr eine junge Frau aufsteht und mit der Zahnarztassistentin den Raum verlässt, das war ein Kampf, den Max und sie zu dieser Zeit auszustehen hatten. Sie waren so unvorbereitet und wussten nicht, welche Waffen sie dafür zur Verfügung hatten. Es war von Anfang an ein ungleicher Kampf gewesen. Dieser Gegner hatte leichtes Spiel mit ihnen. Er nutzte den Überraschungsmoment aus und streckte sie nieder. Alle beide. Max verlor sein Leben und sie den Lebensmut.

Frau Unmuth erhebt sich von ihrem Stuhl, nimmt ihren Mantel vom Haken und verlässt grußlos das Wartezimmer. Der Dame an der Anmeldung erzählt sie etwas von Unwohlsein und dass sie besser nach Hause gehen würde.
Der Weg von der Praxis zur Wohnung, in der sie mit Max die letzten zwanzig Jahre verbracht hat, führt an einem Fluss vorbei. Sie geht sehr langsam. Sie hat es nicht eilig. Auf der Brücke bleibt sie stehen und beobachtet das Wasser. Es ist ein ruhig fließender Fluss mit starken Strömungen. Das weiß sie von ihrem Mann. Sonntags saß Max manchmal hier mit Kollegen zum Angeln. Er brachte aber die Fische nie mit nach Hause. Zum Mittagessen gab es dann Braten.
Warum hatten sie eigentlich so selten Gäste zum Essen?
Sie und Max waren kein geselliges Paar, durchfährt es sie. Sie runzelt die Stirn.
In den ersten Wochen nach der Beisetzung riefen regelmäßig die Frauen der Kollegen an und fragten, wie sie zurechtkäme.
Was sollte sie antworten? Sie war allein. Nein, sie war einsam und sie empfand das Leben als Last. Das sagte sie selbstverständlich nicht. Und so blieben bald die Telefonate aus.

„Haben Sie etwas verloren? Ist Ihnen etwas ins Wasser gefallen?" Eine junge Frau steht neben ihr und berührt sie am Arm. Frau Unmuth dreht den Kopf in ihre Richtung und blickt ihr verwundert ins Gesicht. Es ist gerötet und leicht verschwitzt. Sie trägt Sportkleidung und ein Kabel von Musikhörern hängt ihr aus dem linken Ohr heraus. Frau Unmuth kann ihre Energie spüren.
Sie möchte lächeln, schüttelt aber bloß den Kopf.
„Nein, danke", antwortet sie schließlich, „nichts, was ich im Fluss wiederfinden könnte".

Sie zieht ihre Schultern zurück, berührt die junge Frau am Ellenbogen und setzt ihren Weg nach Hause fort. Dabei beschleunigt sich ihr Schritt. Erst bemerkt sie es nicht, aber dann wird sie etwas kurzatmig und der Puls pocht an ihrem Hals. Jetzt lächelt sie und beschließt zu Hause Britta, die Frau eines Kollegen von Max, anzurufen. Vielleicht können sie gemeinsam eine Tasse Kaffee trinken gehen. Vielleicht schon nächste Woche an ihrem 50. Geburtstag.

 
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Hallo Kanji!

Kurze, knackige Geschichte ohne viel Schnörkel - das passt schonmal gut. Du kommst direkt auf den Punkt und man kann sich schnell in deine Figur reindenken. Ein bisschen hat mein Verständnis gehakt, als es um Max bzw. seine Krankheit ging. Zunächst hatte ich aufgrund des Anfangs vermutet, dass es um das Ignorieren von Krankheiten und Untersuchungen bei der Frau ging, und nicht um ihren Mann. Aber das hat sich ja relativ schnell geklärt.

In sprachlicher Hinsicht gib's zumindest bei mir und von meiner Warte aus nichts zu beanstanden. Wie gesagt, kurz, knapp und auf den Punkt.
Was ich hingegen kritisiere, ist die Grundprämisse und Kernaussage deiner Geschichte. Dort werden ja Ärzte in kein allzu gutes Licht gerückt, sie sind vorrangig am Geldmachen interessiert, und wenn's um echte (lebensbedrohende) Krankheiten geht, dann sind sie auch mehr oder weniger ratlos.
Sorry, aber das ist in meinen Augen ein ziemlich plattes, abgedroschenes Klischee. Na klar drehen Ärzte einem oftmals eine Behandlung an, die unnötig ist. Und natürlich kommt es selbst beim heutigen Stand der Medizin auch vor, dass ein Arzt mit den Schultern zuckt, wenn's um Diagnose, Therapie oder Prognose geht. Alles schön und nett. Aber genauso gibt es (Gott sei Dank!) auch unzählige Menschen, die eine Therapie erhalten, die hilft. Und Vorsorgeuntersuchungen, die Leben retten. Und auch Ärzte, die nicht nur wissen, was sie tun, sondern sogar auch im Sinne des Patienten denken!;)

Wenn man die Geschichte rein und ausschließlich vom Standpunkt von Max' Ehefrau betrachtet, kann man eine Verbitterung und Depression durchaus verstehen. (Den passenden Namen "Unmuth" hat sie ja schon:D) Und psychiatrische Behandlung nach einem schweren Verlust ist ja auch keine Seltenheit. Wenn du jedoch eine eher allgemeine Erzählperspektive angestrebt hast, würde ich dieses "Stammtisch-Denken" in Bezug auf Ärzte, Kassen und Medizin zumindest relativieren.

Viele Grüße,
Eisenmann

 

Hallo!

Da mir jetzt keine Verbesserungsvorschläge auf- und einfallen, fange ich mit meinem Fazit an.

Die Story und der Handlungsstrang sind dir halbwegs gut gelungen. Am Ende könntest du aber noch etwas verändern. Erst schreibst du, die Prot hat ihr Leben nicht mehr unter Kontrolle (Stichworte: Haushalt, Hygiene, Motivation) und einen Absatz später sitzt sie in der "Klapse". Das kommt irgendwie zu schnell. Nur weil einer sich selbst und seine Umwelt vernachlässigt, landet er noch nicht in der Psychiatrie. Da muss viel mehr passieren. Mehrere Suizidversuche oder eine vom Arzt festgestellte Psychose müssen da schon her. Und da du sie weder das erste tun lässt und sie ja gar nicht mehr zum Arzt geht, kann der der auch nicht feststellen.
In dem Teil musst du noch etwas nachbessern und die Story verlängern/strecken.
Einen richtigen Spannungsbogen kann ich auch nicht richtig finden. Die Geschichte lässt sich schön und flüssig lesen und man kann sich ggf. damit identifizieren - das wars dann aber auch.

Wenn mir noch was einfällt, schieß ich das hinterher.

Betze

 
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Hej Eisenmann, danke für's Lesen. :)

Ich stimme dir völlig zu und denke auch nicht wie Frau Unmuth, aber ich dachte, mir bleibt keine Wahl, wenn es auf die Psychiatrie hinauslaufen soll. :D
So liess ich es schon mal darauf zukommen , übertreiben, sie eindimensional auf das blicken lassen, was sie nicht begreifen konnte. Sie brauchte doch irgendetwas. Dann ist Wut immer der schlechteste Begleiter.
Wenn du aber meinst, sie solle milder und gnädiger sein, versuche ich es umzuschreiben, in der Hoffnung, dass es mir gelingt, sie wütend zu lassen, etwas zu finden, worauf sie Schuld laden kann.

Danke für den Anstoß und einen freundlichen Gruß, Kanji

 
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Danke betzebub, dass du es gelesen hast und für deine Beurteilung.

Das könnte tatsächlich nutzen, die Passage ihrer Vereinsamung zu strecken (für einen Suizid ist sie zu fertig :D). Nach Monaten hat sie vielleicht der Postbote entdeckt.

Ich werde bei Gelegenheit daran rumwerkeln.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Kanji,

ich finde, der Spannungsbogen der Geschichte fällt gegen Ende zu schnell ab.

Nach einiger Zeit klingelt das Telefon nicht mehr.

Es spielt keine Rolle. Sie bleibt zurück. Muss zurecht kommen. Bald zieht sie sich morgens nicht mehr um. Kann das Haus nicht verlassen. Der Kühlschrank bleibt leer, ebenso der Vorratsschrank. Sie bemerkt es spät. Da fehlt ihr schon die Kraft, jeglicher Antrieb, die Motivation. Da lebt sie schon in ihrer eigenen Welt.

"So, Frau Unmuth, hier kommen das Mittagessen und ihre Medikamente."
Der Krankenpfleger stellt das Tablett auf den Tisch im spärlich einrichteten Raum der Psychiatrie.
"Ach und alles Gute zum Geburtstag". Er verzieht den Mund zu einem Lächeln und verlässt das Zimmer geräuschlos.
Heute wird sie fünfzig Jahre alt.

Ich finde, das geht zu schnell, bzw. es ist nicht klar wie lange es dauert, bis sie psychisch krank wird und dann auch noch in die Psychiatrie muss. Es steht nur da "nach einiger Zeit" und im Text sind es nur drei kurze Absätze. Das wirkt auf alle Fälle sehr schnell, wie ein paar Tage oder Wochen, aber wahrscheinlich meinst du Jahre.


Und hier noch zwei Kleinigkeiten:

Drei Monate kämpfen sie zu zweit, einen Kampf, beim dem die Wahl der Waffen unklar bleibt. Sie kennen nur den Gegner, einen Feigling, der aus dem Hinterhalt kommt und Max sucht zusätzlich noch nach eigenem Versagen.
"bei", nicht "beim"

Kollegen bekamen Herzinfarkte. ( "Der war so fit. Kam immer mit dem Rad zur Arbeit." ). Prostatakrebs.
Keine Leerzeichen vor/nach den klammern. Der Punkt nach der schließenden Klammer muss weg.

 
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Hej, Henrik Sturmbluth, ich freue mich, dass du sie so aufmerksam gelesen hast. Danke für den Hinweis auf Schreibfehler. machen.

Das Abfallen des Spannungsbogens soll schon zeigen, wie schnell es mit ihr "bergab" geht. Genauso schnell, wie es ihren Gatten dahin gerafft hat. :D

Doof, dass ich das nicht aufzeigen konnte. Ich werde wohl doch längere Kurzgeschichten schreiben müssen.

Freundlichen Gruß von Kanji

 

Hallo Kanji,

den Staccato-Stil hast du ja schon drauf. Aber bitte nicht übertreiben.:D. Vielleicht lässt du ja mal die Frauenärztin einen schönen längeren Satz sagen. Es soll auch Ärzte geben, die aus ehrlicher Fürsorge längere Gespräche führen.
Mir war bis zum Schluss nicht klar,
- ob du das hiesige Gesundheitssystem anprangern willst oder
- ob du den Realitätsverlust einer traumatisierten Witwe thematisierst oder
- ob du das in unserer Gesellschaft schwierige Thema Tod aufgreifen willst
Vielleicht kannst du für dich eine Rangfolge bilden.

Noch was Sprachliches: Die Abschnitte mit Max sollten besser als Vergangenes erzählt werden, also im Präteritum bzw.im Plusquamperfekt. Danach passt Präsenz bis zum Schluss wieder sehr gut.

Noch was: "Ihre Medikamente " - höfliche Anrede

Ich lese deine Texte sofort und gern!

Gruß wieselmaus

 
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Hej wieselmaus, vielen Dank für dein Lesen und den frischen Kommentar.

Stimmt, ich neige wohl zu Übertreibungen, meist dann, wenn ich befürchte, ich fang' zu schwadronieren an und verhunze die deprimierte Stimmung. :D

Was mir jetzt ein bisschen Kopfzerbrechen bereitet, ist die Sache mit dem Unverständnis für das Thema.
Im Grunde geht es nur um den Verlauf der Protagonistin inmitten ihrer persönlichen Katastrophe, was mit ihr passiert, was sie vorschiebt, schlecht redet - die Kollegen kommen ja auch nicht so gut weg, selbst die harmlosen Zahnarztpatienten nicht - um sich zu isolieren, sich in ihrem Schmerz zu verstecken.

Ich bin ziemlich ratlos, ob mir diesbezüglich eine andere Vorgehensweise einfällt. :hmm:

Eine neue Herausforderung.

Lieben Gruß, Kanji

 

Hallo Kanji,

durch die Betonung des Geldaspektes wurde ich auf eine falsche Fährte gesetzt. Es geht deiner Prota gar nicht ums Geld. Ich vermute, sie würde genau so reagieren, wenn ihre Krankenkasse alles bezahlen würde. Also könntest du diesen Aspekt ganz rausnehmen oder reduzieren ( nur bei den berüchtigten kostenpflichtigen Zusatzleistungen) oder ersetzen, z.B. durch das unverständliche Fachchinesisch. Dann hättest du schon eine Konzentration der Thematik plus Hinweis auf den sich anbahnenden Kommunikationsverlust.
Ein längerer Satz der Frauenärztin, den die Prota gar nicht verstehen kann. Wär das was?

Gruß wieselmaus

 

Hallo Kanji,

ich kann mich mit der Geschichte nicht so recht anfreunden, aber das ist Geschmackssache. Diese kurzen Sätze häufen sich für mich zu sehr. Teilweise kam es mir vor, als erzähle mir jemand etwas so nebenbei auf der Straße, wie z.B. hier, der nicht genug Luft zum Reden hat:

Was nutzten Max die zahlreichen Untersuchungen vorher, all die Jahre? Viel Zeit hatte er in Praxen und Kliniken verbracht. Er bekam Tabletten. Gegen hohen Blutdruck. Gegen hohe Blutfettwerte. Gegen Sodbrennen. Er war ein vorbildlicher Arztgänger. Unkompliziert, willig alles mitzumachen. Ein Sonnenschein für die Damen an der Rezeption. Regelmäßige Checks in der Firma. Super Kondition. Alle freuten sich.
Da ist zwar viel Information, aber für mich nicht interessant verpackt. Das ist es wohl: Diese Stakkato-Sätze erzeugen für mich keine Stimmung, wenn du auch eine bestimmte anvisiert hast.

So bleibt für mich alles blutleer und der Inhalt berührt mich leider überhaupt nicht.

Ich kann mich auch nicht des Eindrucks erwehren, als hättest du die Geschichte recht flott runtergeschrieben und nicht sehr viel Zeit in Details gesteckt, denn auch der Wechsel dann in die Psychiatrie geht so holterdipolter, dass man denken könnte, du hättest keine Lust mehr zum Schreiben gehabt und schnell ein Ende gesucht.

Hier noch:

Alles in Ordnung, aber man könnte, den einen oder anderen Zahn erneuern, eine prophylaktische Zahnreinigung vornehmen....ihr das Geld aus dem Ärmel leiern

vornehmen ... ihr das Geld (und Punkt am Ende fehlt).

Liebe Grüße
bernadette

 

Hej bernadette,

herzlichen Dank für's Lesen und Beurteilen. Es ist sehr anregend, zu sehen, was dieser Stil ausrichtet.
Es wäre vielleicht interessant zu prüfen, was passiert, wenn ich die Szenen weiter ausschreibe.

So hat nicht funktioniert, die Geschwindigkeit der Ereignisse zu beschreiben, wie schnell sich etwas verändert. (Es ging tatsächlich nicht um die Zeit, die es brauchte, die Geschichte zu schreiben. Zeit hab' ich :lol:) Gut zu wissen.

Einen schönen Nachmittag und freundliche Grüße, Kanji

 

Hallo Kanji,

einerseits gefallen mir die Gedanken, die Frau Unmuth sich macht, während sie über die vergangenen Monate nachdenkt. Andererseits stört mich dieser "innere Monolog", der den größten Teil deiner Geschichte auszumachen scheint.

Und das Ende kommt dann doch etwas zu rasant. Vielleicht könnte man die Tatsache, dass die Hauptfigur in der Psychiatrie sitzt, am Anfang andeuten, ohne es direkt zu sagen. Das ergäbe dann so etwas wie eine Rahmenhandlung.

Grüße
Robert

 
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Hallo liebe Kanji,

Es wäre vielleicht interessant zu prüfen, was passiert, wenn ich die Szenen weiter ausschreibe.

Besser fände ich die Frage, was passieren würde, wenn du den Text kürzen würdest.

Deine Geschichte dreht sich um den Tod eines Mannes im besten Alter und um seine Witwe. Wenn ich es richtig interpretiere, so ist die Botschaft die: es nutzt nichts zur Vorsorge zu gehen, Ärzte sind Räuber, Pfuscher und den Tod kann man nicht aufhalten. Also verzichte auf Vorsorge, akzeptiere deine Krankheit und sterbe in Ruhe und Frieden. Und die Witwen können den Verlust des Lebensgefährten nicht verkraften, die landen dann in der Klapse. Warum nicht, ein Thema ist das allemal.

Liebe Kanji, Im Augenblick fehlt deiner Geschichte ein Gerüst, damit sie funktionieren kann.

Als Einleitung würde sich der Friedhof anbieten. Hier trifft man sich am Grab des Verstorbenen. Du hast die dritte Person, als Perspektive gewählt, die Witwe. Um sie sichtbar zu machen, solltest du ihren Namen gleich am Anfang nennen. Vielleicht trägt sie auch ein besonderes Kleid, zu diesem Anlass. Einen Hut vielleicht, mit einer breiten Krempe, der ihre verheulten Augen schützt.

Kollegen sind gekommen. Es könnte wenigsten einer dabei sein, der ihr wichtig ist. Ein Freund ihres verstorbenen Mannes.

Dieser Freund könnte mit der Witwe den Friedhof verlassen. Jetzt wäre eine gute Gelegenheit für ein Gespräch. Und schon befinden wir uns im Hauptteil der Geschichte.
Jetzt erfahren wir von dem vergeblichen Kampf mit der Krankheit. Von Ärzten, die nur das Geld sehen wollen, die gesunde Zähne sanieren und von Vorsorgeuntersuchungen, die nicht nur unnötig, sondern gefährlich sind. (Mammografie)
Aber bitte die guten Ärzte nicht vergessen, es sind wenige, doch es gibt sie.
Wir brauchen hier also ein Gespräch und einen Rückblick.

Zum Schluss kehrt die Witwe in ihr einsam gewordenes Haus zurück. Sie darf traurig sein, sie darf weinen, doch den Verstand verlieren sollte sie nicht. Sie darf sich Gedanken machen, wie es jetzt weiter geht, vielleicht hat sie ihrem Mann ein Versprechen gegeben, dass sie auf sich aufpassen will, nach seinem Tod. das wäre doch ein guter und versöhnlicher Schluss.

Liebe Kanji, bedenke bitte, es ist deine Geschichte und alles was ich dir vorgeschlagen habe, ist nur ein
Vorschlag, den du absolut nicht umsetzen musst.

So, wie die Geschichte jetzt bei mir ankommt, ist sie etwas wirr. Mal hier, mal da, es fehlt eine Linie.
Und Sätze sollten schon ausgeschrieben werden, für den Normalfall. Ausnahmen bestätigen die Regel. Sparsam eingesetzt, verstärkt sich die Wirkung.

Beim nochmaligen Lesen fiel mir auf, dass du heute, von Max Todestag, vor einem Jahr sprichst.
Anschließend schwenkst du zum eigentlichen Todestag.
Dieser Rückblick muss in der Vergangenheit getextet werden!

Frohes Schaffen und liebe Grüße!
Amelie

 
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Hallo Robert Penway,

sehr nett, dass du sie gelesen hast und mir sagst, was du darüber denkst.
Diesen "innere Monolog" brauchte ich, weil ich dadurch darauf deuten wollte, dass diese Geschichte ausschließlich subjektiv aus ihr wächst, ihr Unmut :D, ihre Hilflosigkeit, ihre Wut. Es gibt nichts, was sie reguliert. Sie "schmort im eigenen Saft" .

Aber gut. Klappt wohl nicht auf diesem Weg.

Mal sehen, was passiert, wenn ich sie am Schluss länger leiden lasse. ;)


Guten Abend, Amelie,

der Vorschlag deiner Geschichte ist hübsch, aber darum ging es nicht.

Ich möchte nur ihre Zerrissenheit aufzeigen, das Drama, das sich in ihr spiegelt, die Schuldigen, die sie sucht. Sie verdrängt dieie Vorteile einer Prophylaxe, einer Vorsorge, sie ist verbittert und sucht und findet in allem Schlechtes.

Das ist meine Frau Unmuth. :lol:Schade, dass es nicht rüberkommt.

Einen Versuch gönne ich mir noch, indem ich die Geschichte bearbeite und ausschmücke, sofern mir möglich.

Danke für deine Zeit und einen schönen Abend, Kanji.

 

Hallo Kanji,

Aber gut. Klappt wohl nicht auf diesem Weg.

Ich sagte nicht, dass du es ändern solltest. :-)

Ich sagte nur, dass es mir persönlich ein Ticken zu viel innerer Monolog ist. Vielleicht wäre es "intensiver", wenn sie ihre Gedanken jemandem erzählen würde. Zum Beispiel dem Pfleger, den du am Ende erwähnst. Der kann ja immer noch desinteressiert sein.

Grüße
Robert

 
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Hallo Kanji,

der Vorschlag deiner Geschichte ist hübsch, aber darum ging es nicht.

Also einen "hübschen" Vorschlag wollte ich dir nicht machen, eher einen Vorschlag, wie aus deiner Idee eine Geschichte werden könnte. Da gibt es wohl ein Missverständnis, du willst gar keine Geschichte schreiben, sondern einen Zustand.

Dann allerdings, bist du mit deinem Text gar nicht weit entfernt davon. Die Frau ist verwirrt. Passt!
Mein Vorschlag geht in eine völlig andere Richtung. Also schnell vergessen.

Den Vorschlag von Robert, das Krankenzimmer an den Anfang zu stellen, finde ich super! Da solltest du einmal drüber nachdenken.

Frohes Schaffen!
Amelie

 

Hallo Kanji,

erst mal Hut ab vor Deinem Mut, ein schriftstellerisch so schweres Thema anzugehen: Depression, Verzweiflung, Niedergeschlagenheit glaubhaft zu zeigen ist äußerst kompliziert.
Björk ist das voriges Jahr mit ihrem Album „Vulnicura“ großartig, großartig, großartig gelungen.

Dir leider weniger. Ich schließe mich in den meisten Punkten Bernadette an.
Die Anreihung kurzer Sätze erinnert an Geschichten, in denen man Kindern komplexe Zusammenhänge zu erklären versucht - funktioniert hier nicht.
Da kommen Behauptungen, die mich sofort und immer wieder aus dem Text reißen, weil ich über sie nachdenken muss. Sie als falsch empfinde:
„Die Ignoranz.“ – Wer behauptet das? Die Leute sind möglicherweise schweigsam, weil müde von der Arbeit oder in sich gekehrt aus Angst vorm Zahnarztbohrer oder der Sorge um schlechte Diagnosen.
„An manchen Tagen wird nicht einmal gegrüßt, wenn man das Zimmer betritt“ – hab ich im Leben noch nicht erlebt …
„eine prophylaktische Zahnreinigung vornehmen....ihr das Geld aus dem Ärmel leiern“ – PZR mache ich seit Jahrzehnten und fühle mich danach angenehm sauber und frisch und alles andere als ausgenutzt, zumal jede vernünftige Versicherung das Geld erstattet …
Ich will das jetzt nicht zerpflücken sondern nur klarmachen: So was reißt mich aus dem Text.

„Da sind sie alle wieder und beruhigen ihr schlechtes Gewissen, indem sie betroffen am offenen Grab kondolieren.“ – Ist ungerecht, so zu denken, denn ein Großteil der Kollegen wird tatsächlich traurig sein. Und ein ungerechter Protagonist ist (auch wenn er depressiv ist) ein schlechter Protagonist.

„Doch Fünfzig ist ein vulnerables Alter.“ – mmh, Vorsicht mit so komplizierten Worten in einfachen Geschichten. Ich muss so was googeln und bi schon wieder raus …

Gegen Ende wird Deine Geschichte besser.

Nochmal überarbeitet wird sie vielleicht eine kleine „Vulnicura“ oder wenigstens ein „Black Star“ ;).

Liebe Grüße, nastro.

 

Hallo und guten Morgen,

@ Robert Penway
Der Kritikpunkt ist berechtigt. Warum nicht ändern? Ist doch eine Schreibwerkstatt. ;)

@ Amelie
Ich möchte schon lernen, Geschichten zu schreiben, deshalb setze ich mich ja auch öffentlicher Kritik aus. Einen Bericht zu schreiben lag mir fern. Es gibt viel zu tun.

Freundlicher Gruß und einen schönen Tag, Kanji

 

Guten Morgen nastro

und vielen Dank, dass du meinen Text gelesen und dir die Mühe der Kritik gemacht hast. Darüber freue ich mich tatsächlich, auch wenn ich persönlich dabei nicht so gut weg komme. Man kann hier wirklich viel lernen, auch über sich selbst. :D

Eine Schreibanfängerin mit einer Künstlerin wie Björk zu vergleichen, kann ja mich ja nur weghauen.
Ich hab mir daraufhin auch die Mühe gemacht, zu googlen (bei dem Titel 'Vulnicura' hätte man leicht auf die Übersetzung von 'vulnerable' schließen können ;)) und habe dabei festgestellt, dass ich mit ihrem persönlichen Schmerz und ihren eigenen Depressionen nach einer Beziehungstrennung natürlich nicht mithalten kann. (Obwohl es gerade bei Björk auch so 'ne und solche Meinungen gibt)

Dass ich gescheitert bin mit dem Versuch, durch kurze Sätze und Aneinanderreihungen aufzeigen zu wollen, was innerhalb einer kurzen Zeit das Leben mit einem anstellen und wie man darauf reagieren kann, akzeptiere ich selbstverständlich.

Was ich aber so gar nicht verstehen kann und hoffentlich noch werde, ist, dass der Leser denkt:" Wie? Vorsorge ist doch was Gutes. Natürlich grüßen die Patienten im Wartezimmer. Selbstverständlich trauern die Kollegen."

NATÜRLICH tun sie das. Nur hat die arme Frau Unmuth eine völlig verquere Wahrnehmung bekommen.
Es juckt mich in den Fingern, heraus zu finden, ob ich das mit einer anderen Version so zu transportieren vermag, damit man die Protagonistin so akzeptiert wie sie ist, krank und sich nicht als gesunder Mensch mit ihr zu identifizieren versucht.

Ich hab' zu tun. :lol:

Viele Grüße, Kanji

 

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