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Schrittfehler

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15.10.2015
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Schrittfehler

Ein Schritt. Ein einziger Scheißschritt. Ich müsste ihn nur machen, und zwar jetzt.
Aber ich stehe wieder nur da und gucke. Der Forward zieht an mir vorbei zum Korb: eins, zwei, Absprung. Als ich mich endlich bewege, ist es längst zu spät, meine Hand trifft seinen Unterarm, der Ball springt sonstwohin, der Schiri pfeift. Fünftes Foul – und tschüss!
Die gegnerische Bank johlt, während Schmitt an der Seitenlinie mit wedelnden Armen das Rumpelstilzchen gibt: „Verdammter Mist, Timo! Spielerwechsel!“ Als ich an ihm vorbei zur Bank schlurfe, hält er mir nicht mal die Hand zum Abklatschen hin. „Schon wieder Kino!“, bellt er mich stattdessen an.
Kino. Ich hasse dieses Wort, das er geprägt hat. Als ob ich das mit Absicht täte, mich genüsslich zurücklehnte, um dem Spiel der anderen zuzugucken. Als ob ich mich nicht selbst am liebsten in den Arsch beißen würde, wenn ich wieder mal wie festgefroren stehenbleibe, während der Ball vom Ring abprallt und alle anderen längst um die beste Reboundposition rangeln. Und als ob ich mir nicht schon nächtelang das Hirn zermartert hätte, woher das kommt und was ich dagegen tun kann. Timo – Kino. Die Lachnummer im ganzen Verein.
Aber die Höchststrafe kommt erst noch. „Zehn für jeden“, knurrt Schmitt, während der Gefoulte an die Linie tritt. Erster Freiwurf – drin. Zweiter Freiwurf – auch drin. 76:83, und nur noch anderthalb Minuten auf der Uhr. „Zwanzig.“ Schmitt zeigt auf den Boden hinter der Ersatzbank und sieht mich dabei nicht mal an.
Ernsthaft? Jetzt und hier? Aber die Geste ist eindeutig. Zwanzig Liegestütze. Ich schaue verstohlen zur Tribüne hoch. Sanela steht im Kreise ihrer Mannschaft, die Mädchen sind gleich nach uns dran. Sie schauen in meine Richtung, tuscheln, kichern. Mein Kopf fühlt sich so prall an wie der Spielball. Wahrscheinlich hat er auch die gleiche Farbe. Ich mache meine Liegestütze so würdevoll, wie das eben geht, und setze mich erhobenen Hauptes an das entfernte Ende der Bank. Aber ich könnte kotzen. Oder heulen.

81:86 ist der Endstand. Another one bites the dust, johlt mir Freddy Mercury ins Ohr, irgendwer auf der gegnerischen Bank hat seinen Ghettoblaster eingeschaltet. Ich ziehe den Kopf zwischen die Schultern, greife meine Tasche und verdrücke mich in die Kabine.
Der Trainer ist schon dort und wartet auf uns. Moritz und Raffael trudeln als Letzte ein, dann beginnt er seine Gardinenpredigt. Sauhaufen, Gurkentruppe, keine Disziplin, sowas darf nicht passieren, nicht im Heimspiel gegen den Tabellenvorletzten, bla, bla, bla. Straftraining am Dienstag, macht euch auf was gefasst. Meinetwegen, machen wir halt noch mehr Liegestütze; das ist nicht die wirkliche Strafe. Wir hätten es zumindest noch mal spannend machen können, wenn ich den Forward sauber gestoppt hätte, mit diesem einen Schritt. Die anderen denken das sicher auch, das kann ihnen ja nicht entgangen sein, auch wenn keiner was sagt und alle nur auf den Boden starren.
Als Schmitt sich endlich ausgekotzt hat, gehe ich duschen. Kalt. Dad sagt immer, sein Trainer hat ihm damals das warme Wasser abgedreht, wenn er schlecht geboxt hat. Einen Profi hat auch das nicht aus ihm gemacht. Ich trockne mich notdürftig ab, schmeiße meine Sachen in die Tasche, will nur noch nach Hause. Doch der Coach fängt mich am Ausgang der Halle ab.
„Am Dreißigsten muss ich für den Lehrgang melden“, sagt er und sieht mich mit diesem durchdringenden Blick an. Den hat er bestimmt lange vorm Spiegel geübt, und er ist verdammt gut geworden, obwohl er zu mir hochgucken muss. Ich weiß keine Antwort, schaue zur Seite, warte, dass er weiterredet.
Der Sichtungslehrgang zur Landesauswahl. Meine einzige Möglichkeit, als Basketballer jemals was zu werden, denn die Talentscouts der großen Vereine werden sich bestimmt nie zu einem Provinzclub wie dem SV verirren. Und wenn Schmitt mich nicht dieses Jahr hinschickt, solange ich noch in der U16 bin, habe ich auch auf diesem Weg keine Chance mehr. Seine Frage schwebt unausgesprochen zwischen uns: Warum sollte er ausgerechnet mich nominieren?
„Ich sag dir was“, fährt er fort, als von mir nichts kommt. „Davor ist noch ein Spiel, in zwei Wochen gegen den VfL. Da zeigst du mir, dass du den Willen hast. Setz deinen Hintern in Bewegung, hol mir, hmm, fünfzehn Punkte und zehn Rebounds, dann melde ich dich. Wenn nicht, dann nicht. Okay?“
Eben erst habe ich meine Wasserflasche geleert, aber meine Kehle ist staubtrocken. „Okay“, sage ich.
„Schön. Bis Dienstag“, brummt Schmitt und geht zu seinem Auto.
Ich trolle mich zu meinem Fahrrad und steige auf. Das Ding ist mir schon wieder zu klein, aber der Sattel lässt sich nicht mehr höher stellen. Sieben Zentimeter im letzten halben Jahr, kein Wunder, dass meine Beine mir nicht gehorchen. Wie bei einem Dinosaurier, so einem richtig großen. Einem Brontosaurus, fünfundzwanzig Meter lang, bei dem ein Signal vom Gehirn auch ein paar Sekunden brauchte, bis es am anderen Ende ankam.
Timo – Dino – Kino.
Fuck.

„Im Ernst?“, fragt Lukas und wirft mir den Ball zu. „Ein Ultimatum? Das nächste Spiel um alles oder nichts, do or die? Ist ja schräg.“ Ich dribbele ein paar Schritte und werfe von der Zonenecke auf den Korb des Freiplatzes. Treffer.
Egal, wie beschissen ich mich fühle, meine Wurfquote wird davon nicht schlechter. Schmitts Drill hat in mir ein Schweizer Uhrwerk hervorgebracht, das muss man ihm lassen. Wenn man bedenkt, was ich noch vor drei Jahren für ein unsportlicher Nerd war. Dann sprach mich Vitali auf dem Pausenhof an, einfach weil ich damals schon eins neunzig groß war und sie noch einen Center für das frisch gegründete Team brauchten. Nach dem ersten Training hatte ich Blut geleckt: endlich eine Sportart, die etwas mit mir anfangen konnte! Ich begann zu trainieren, als hinge mein Leben davon ab. Technik, Taktik und Ausdauer schliff Schmitt mir ein. Im Kraftraum kamen mir Dads Gene zugute. Die nervige Brille tauschte ich gegen Kontaktlinsen ein. Schmitt kann ein ziemlicher Arsch sein, aber was immer ich als Sportler bin, verdanke ich ihm.
Lukas holt sich den Ball. „Ich bin einfach zu langsam“, sage ich. „So kann ich mich unterm Korb nicht durchsetzen.“
„Na ja, rennen kannst du ja eigentlich“, antwortet er. „So flott muss einer mit über zwei Metern erst mal sein. Und wenn du mal den Rücken breit machst, kommt auch keiner so leicht um dich rum.“ Sein Wurf prallt von der Ringkante ab, ich greife nach dem Rebound. Doch Lukas hat sich blitzschnell vor mich geschoben und schnappt mir den Ball weg.
„Siehst du, was ich meine!“ Ich könnte mich schon wieder so aufregen wie gestern beim Spiel. „So flink müsste ich sein, so wie du. Mann, ich beneide dich.“ Mein kleiner großer Bruder – Aufbauspieler der zweiten Herren, vier Jahre älter als ich, keine eins achtzig groß. Genau wie Dad früher, Supermittelgewicht. Lukas ist so beweglich und reaktionsschnell, wie ich es gerne wäre. Dabei hat er erst nach mir mit dem Basketball angefangen. Sein zweiter Wurf trifft, und diesmal angele ich mir den Ball.
„Du – mich? Komischer Gedanke.“ Lukas schüttelt den Kopf. „Ich bin aber auch nicht so auf die Welt gekommen. Wir haben das bei den Herren bis zum Abwinken trainiert. So'n langes Elend wie dich gibt's bei uns nicht, das müssen wir eben mit Schnelligkeit wettmachen.“ Er spitzelt mir den Ball weg, als ich an ihm vorbeidribbeln will. „Soll ich dich ein bisschen coachen? Noch dreizehn Tage bis zu eurem Spiel. Ich hätte da ein paar Ideen.“

Auf dem Heimweg vom Nachmittagsunterricht komme ich am Freiplatz vorbei und sehe Sanela trainieren, mit ihrem kleinen Bruder und ihrem Vater. Sie spielen eins gegen zwei, der Vater gegen seine Kinder. Eine Familie von Basketballern, in der man kein Freak ist, wenn man mit sechzehn schon über zwei Meter misst und nur noch die rote Pille im Kopf hat. Die Eltern sind in den Neunzigern aus Bosnien gekommen. Irgendwer hat mir mal erzählt, dass der Vater in der jugoslawischen Nationalmannschaft gespielt hat – vor dem Krieg dort, als sie gleichzeitig Welt- und Europameister waren. Keine Ahnung, ob das stimmt, aber in unserer Herrenmannschaft ist er der Topscorer. Ihm kann auch Schmitt nichts mehr beibringen.
Sanela hat den Ball, sie täuscht einen Wurf an, ihr Vater macht einen Satz nach vorn, um abzuwehren. Aber sie passt zum Bruder, läuft Richtung Korb, kriegt den Ball zurück. Der Vater ist schon wieder da, doch sie fintet noch mal, lässt ihn aussteigen, er ist aus der Balance und fällt auf den Hosenboden. Sanela macht den Korb.
Die anderen Jungs nennen sie das Biest. Natürlich nur, wenn sie es nicht hört, und falls sie es trotzdem mitkriegt, scheint es ihr nichts auszumachen. Ich glaube, die haben nur Angst vor ihr, weil sie ihre Gegnerinnen gnadenlos an die Wand spielt und weil sie fast alle Jungs um mindestens einen halben Kopf überragt. Dabei sieht sie bis auf die blöde Zahnspange wirklich gut aus. Auf alle Fälle bewegt sie ihre langen Glieder mindestens hundertmal eleganter als ich. Nein, sie ist kein Biest, und Angst muss man vor ihr nicht haben. Nicht so jedenfalls.
Der Vater lacht dröhnend, während er sich aufrappelt. Er klopft Sanela anerkennend auf die Schulter und wuschelt ihr durchs braune Haar, sie grinst fröhlich. Ob sie noch jemanden zum Zwei-gegen-zwei gebrauchen könnten?
Das Leben ist Kampf, kein Spaß, sagt Dad immer. Du musst dich durchbeißen, meistens alleine.
Ich ziehe meine Kapuze über den Kopf und gehe nach Hause.

Beim Trainer auch Unterricht zu haben, ist ätzend. Dabei habe ich nicht mal Sport bei ihm, sondern Mathe-Leistungskurs, aber das macht es nicht besser.
„Wer von euch kann mir denn sagen, wie die Stammfunktion von g mal h zu bilden ist?“, fragt Schmitt. Das ist leicht. Ich hebe meinen Finger, nach und nach folgen zwei weitere aus der Klasse. „Ja, Timo, dass du die Antwort weißt, ist mir klar. Wenn du mal am Samstag auch so schnell gewesen wärst! Jasmin?“
Und mit einem Schlag fühle ich mich drei Jahre jünger. Auf den Nasenflügeln spüre ich das Gewicht der Brille, wie einen Phantomschmerz. Mein Kopf wird heiß, alle feixen. Nur Sanela bleibt ernst, zwischen ihren Augen bildet sich eine steile Falte. Ich sehe sie dankbar an. Als sie in meine Richtung schaut und meinen Blick bemerkt, zieht sie fragend die Augenbrauen hoch, und ich gucke schnell weg. Mein Gesicht wird noch heißer. Das war blöd.
Besten Dank auch, Herr Schmitt. Warum tue ich mir dieses Arschloch eigentlich an? Klar, den Lehrer kann ich mir nicht aussuchen, aber zum Basketballspielen zwingt mich ja keiner. Doch die Antwort habe ich mir schon hundertmal gegeben: Ich will spielen. Und eine andere U16-Mannschaft gibt es in unserem Kaff nicht, außerdem hat er nun mal echt Ahnung von dem Sport. Also: kein Schmitt, kein Basketball.
Aber wie er jemals die Pädagogikprüfungen in seinem Lehramtsstudium bestanden hat, ist mir schleierhaft.

„Und links!“, ruft Lukas. Ich sprinte zur Seite und berühre den Kreidestrich am Boden. „Rechts!“ Ich renne zur Zonenecke und schirme mit den Armen einen imaginären Gegner ab. Lukas feuert mir einen Pass entgegen, den ich sofort zurückgebe.
Seit einer Woche sind wir jeden Tag auf dem Freiplatz, an den kühlen Sommerabenden haben wir ihn meist für uns allein. Lukas tut alles, um mich auf ständige Aufmerksamkeit und schnelle Reaktion zu trimmen. Mit Übungen aus seiner Mannschaft, aus Büchern, aus dem Internet. Sogar aus Dads Rocky-Filmen haben wir uns Anregungen geholt. Die reine Beweglichkeit ist das eine – ich komme zu leicht aus dem Gleichgewicht, mein Schwerpunkt ist zu hoch, meine Beinarbeit ist schlecht. Daran kann man arbeiten. Der schwierigere Part ist die verdammte Blockade in meinem Kopf.
„Brett!“ Ich renne Richtung Korb und springe, um ans Brett zu tippen. Als ich mich wieder zu Lukas umdrehe, kommt der Ball angesaust, ich habe keine Chance, ihn zu fangen, er trifft meinen Solarplexus. Mir bleibt die Luft weg, ich muss mich kurz hinhocken, während der Ball in die Büsche rollt.
„Mann, Scheiße, Lukas!“ Ich will ihn anbrüllen, aber mehr als ein Keuchen bringe ich nicht heraus.
„Okay, kurze Pause“, sagt er und geht dem Ball hinterher. „Du findest das unfair?“, fragt er über die Schulter. Mein Nicken kann er nicht sehen. „Danach fragt dich im Spiel aber keiner. Schmitt nicht und der Gegner auch nicht. Ob du nun einen Ball oder einen Ellbogen in die Rippen kriegst, Basketball ist eben nicht wirklich das körperlose Spiel.“
„Weiß ich doch“, murre ich. „Du klingst wie Dad.“
„Na, ich werde jetzt bestimmt nicht mit seinen Kampfparolen kommen. Aber ein bisschen gesunde Aggression würde dir schon guttun.“ Lukas kehrt mit dem Ball zurück. „Du hast so eine komische Beißhemmung. Manchmal, wenn du so einen Gegner an dir vorbeilässt, fragt man sich, wovor du wohl Angst hast: dir selber wehzutun oder dem anderen?“ Er hockt sich neben mich und sieht mich eindringlich an. „Klar war der Ball unfair. Aber du verbringst zu viel Zeit damit, dich zu ärgern. Über das Foul, das nicht gepfiffen wird, den Wurf, den du nicht getroffen hast, den Pass, der nicht ankommt. Das gehört zu den Dingen, die dich langsam machen.“
„Hm“, sage ich. Mehr fällt mir auf Anhieb nicht ein. „Muss ich mal drüber nachdenken.“
„Und genau das ist dein Problem. Du denkst zu viel. Manchmal siehst du aus, als müsstest du erst überlegen, welchen Fuß du als ersten nach vorne setzen sollst. Und dann startest du eine Sekunde später, als du könntest. Du musst weniger denken, mehr einfach machen. Aus dem Bauch, nicht aus dem Kopf.“ Lukas steht auf und reicht mir die Hand, um mich hochzuziehen. „Und deswegen machen wir jetzt auch einfach. Weiter geht's!“

In der Halle ist Stimmung, als wir aus der Kabine kommen, die wenigen Zuschauerreihen sind gut belegt. Die Jungs aus der U14, die heute nach uns spielen, sind schon da. Einige Eltern, auch ein paar Unterstützer der Gäste. Lukas wollte eigentlich kommen, muss aber arbeiten. Ich sehe Sanela zwischen ein paar Freundinnen, dabei stehen die Mädchen heute nicht auf dem Spielplan. Wir wärmen uns auf. Meine Stiefel sitzen erst zu locker, dann zu fest, jetzt schnüre ich sie zum dritten Mal.
Aufstellung zum Spielbeginn. Mein Gegenspieler trägt die Nummer 11, wir messen uns gegenseitig mit Blicken ab. Er hat ein breites Kreuz, ist bestimmt fünf bis zehn Kilo schwerer als ich, aber eine Handbreit kleiner. Fleischige Hände, dicke Finger. Eher der bullige als der filigrane Typ.
Ich gewinne den Sprungball mit Leichtigkeit, tippe den Ball zu Vitali und sprinte sofort auf dem eingeübten Laufweg nach vorn. Der lange Pass kommt wie am Lineal gezogen, ich steige zum Slam Dunk hoch – 2:0! Jubel von den Rängen, schnell zurück in die Verteidigung, ich klatsche Vitali beidhändig ab. Schnellangriff aus dem Lehrbuch, so darf es gerne weitergehen.
Tut es aber nicht. Der Elfer ist nur auf den ersten Blick ein grobschlächtiger Klotz. Schon bei seinem ersten Ballbesitz bringt er mich mit einer Finte aufs falsche Bein, schiebt sich dann mit seiner Masse an mir vorbei zum leichten Ausgleich. Ich sehe Schmitt neben der Bank verärgert abwinken. Kacke!
Der Typ hält mich echt in Atem. Wenn ich ihn auch nur kurz aus den Augen verliere, bringt er sich in Wurf- oder Reboundposition. Zum Glück ist seine Trefferquote ziemlich mies. Ich versuche, mich an die Übungen mit Lukas zu erinnern: Knie beugen, auf den Ballen stehen! In die Augen gucken, nicht auf die Füße! Und bloß nicht zu viel nachdenken! Ich brauche ungefähr das erste Viertel der Spielzeit, um mich auf seine Bewegungen einzustellen, aber dann habe ich den Bogen raus. Immer wieder schaffe ich es, ihn abzuschirmen, seine Pässe abzufangen, ihn beim Rebound auszusperren. Bei seinem nächsten Wurf bin ich voll da, schraube mich mit aller Kraft in die Luft und schlage den Ball am höchsten Punkt zur Seite. Raunen in der Halle, ein Block für die Galerie!
Unterm eigenen Korb habe ich von da an alles im Griff, aber am anderen Spielfeldende kriege ich nichts auf die Reihe. Der Elfer konzentriert sich jetzt seinerseits auf die Verteidigung und macht es mir echt schwer. Klebt so dicht an mir, dass ich mich kaum zum Pass anbieten kann. Hält mich mit seinem breiten Rücken von den Offensivrebounds ab. Ich komme praktisch nicht an ihm vorbei, egal, was ich versuche. Immerhin kann ich ihn damit so auf mich ziehen, dass sich Lücken für die anderen ergeben; zur Halbzeit führen wir mit zwölf Punkten. Aber ich selbst habe zur Pause vier lausige Zähler geschafft, da fehlt noch einiges zu den magischen fünfzehn.
Doch mein Gegner spielt mit hohem Körpereinsatz und verteidigt eine Spur zu aggressiv; vielleicht ist er genervt, weil ich ihn im Angriff ziemlich abgemeldet habe. Jedenfalls schaffe ich es, ihn ein paarmal zu Fouls zu verleiten. Wir sind schon weit im letzten Viertel, als ich endlich mal wieder zum Korbwurf komme, ich verzögere etwas, seine Hand landet auf meinem Arm. Ich bekomme zum Treffer noch einen Freiwurf dazu, und der Elfer muss mit dem fünften Foul vom Feld. Yes!
Sieben Punkte jetzt, und noch ebenso viele Minuten zu spielen. Das kann ich schaffen, mir fehlen noch vier Körbe, und meine Nemesis ist aus dem Weg. Meinem neuen Gegenspieler kann ich schon im nächsten Angriff entwischen, in seinem Rücken nehme ich Raffaels Pass an und gehe zum Korbleger. Das Spiel müsste längst entschieden sein, aber ich schaue nicht auf die Anzeigetafel. Mein Punktestand lautet: neun!
Dann wechselt mich der Coach noch einmal aus. Das ist okay, ich hatte noch nicht viele Pausen, kurz verschnaufen tut mir gut, sicher kann ich gleich wieder aufs Feld. Doch die Minuten verrinnen, ohne dass Schmitt noch mal einen Wechsel ansagt. Immer wieder schaue ich zu ihm hinüber, er ist inzwischen die Ruhe selbst, ganz im Gegensatz zu mir. Ohne mein Zutun wippen meine Füße, meine Finger trommeln auf die Bank, wenn sie nicht gerade zum x-ten Mal nach der Wasserflasche greifen. Jetzt sieht Schmitt endlich in meine Richtung, aber nur, um mich mit einem Stirnrunzeln zur Ruhe zu mahnen. Ich erstarre, erst körperlich, dann innerlich. Irgendwann ertönt die Schlusssirene.

92:74 steht auf der Tafel an der Hallenwand. Auf meiner eigenen Anzeige steht: Zwölf Rebounds. Neun Punkte. Ziel verfehlt, Schlappschwanz. Schmitt wird mitgezählt haben, ganz sicher sogar, er hat ja schließlich die Messlatte gelegt. Warum hat er mich nicht wieder aufs Feld gelassen? Was hat der Typ denn gegen mich? Wenn er mich sowieso nicht zum Lehrgang schicken will, warum spielt er dann solche kranken Spielchen mit mir? Soll er doch sagen: Nee, Timo, vergiss es, du taugst nichts, da schicke ich lieber gar keinen hin als ausgerechnet dich. Aber doch nicht so!
„Schön gespielt, T-Man!“, brüllt es mir ins Ohr. Vitali haut mir auf die Schulter, dass mir kurz die Luft wegbleibt. Schön, ja? Das sieht wohl nicht jeder so. Wenigstens brauche ich nicht zu antworten, weil Vitali schon weiterläuft und die anderen abklatscht. Ich stehe von der Bank auf und sehe mich in der Halle um. Auf der Empore wird noch lebhaft über das Spiel diskutiert, meistens lachend, es muss wohl gut gewesen sein. Der Tross des VfL verlässt bereits die Halle. Sanela steht mit dem Rücken zu mir. Die U14-Kids werfen sich auf die Körbe ein.
Wieder mal will ich nur noch nach Hause. Diesmal fängt mich niemand an der Tür ab.

Eine gute Woche später komme ich von der Schule nach Hause. Dad ist noch auf der Arbeit, Mom wahrscheinlich beim Einkaufen, auf dem Küchentisch liegt ein Brief für mich. Vom Landesverband. Einladung zum Sichtungslehrgang. Ich lese das Schreiben dreimal. Das kann nur ein Irrtum sein, bestimmt ist es einer. Hat unser Spartenleiter die falsche Liste eingereicht? Wäre nicht das erste Mal, dass er so eine Schusseligkeit begeht, er hat auch schon mal eine ganze Mannschaft in der falschen Spielklasse angemeldet. Schmitt wird toben, wenn er das merkt, und natürlich alles rückgängig machen. Oder sollte doch ...? Nein, kann nicht sein, er hat sich ja unmissverständlich ausgedrückt.
Am nächsten Tag bin ich in Mathe nicht ganz bei der Sache. Kein Wunder nach so einer Nacht mit wenig Schlaf und viel Grübelei. Nach der Stunde gehe ich zu Schmitt und halte ihm den Brief hin. „Den hab ich gestern gekriegt.“
Schmitt wirft nur einen kurzen Blick auf das Papier. „Soso“, ist sein ganzer Kommentar. Er wendet sich zum Gehen.
„Da ist ein Fehler passiert, oder?“, sage ich. „Ich meine, ich hab ja nicht ...“
Er seufzt theatralisch, bleibt stehen und dreht sich zu mir um. „Meine Güte, Timo. Ist es neuerdings dein Kopf, der so langsam ist? Gerade jetzt, wo deine Füße allmählich in Gang kommen?“
Ich verstehe kein Wort, wahrscheinlich gucke ich wie ein Schaf. Zum Glück ist keiner mehr im Raum, um diese Peinlichkeit mitzuerleben.
„Ich hab bisher noch immer jemanden hingeschickt, mindestens einen Spieler jedes Jahr. Raffael geht demnächst für sein Austauschjahr nach Kanada, und Moritz hat einfach nicht dein Talent.“ Ich raffe immer noch nichts. Talent? Wer jetzt, ich?
Schmitt sieht meinen Gesichtsausdruck und fährt fort. Er redet extra langsam und deutlich, wie mit einem kleinen Kind. „Ja, Timo, du warst gut in dem Spiel gegen den VfL. Ja, ich hab dich für den Lehrgang angemeldet. Scheiß auf die sechs Punkte, du hast verteidigt wie ein Tier. So weit begriffen?“ Ich schaffe es zu nicken. „Ich hab dich mit Lukas trainieren sehen. Hast wirklich dazugelernt. Aber glaub bloß nicht, du wärst jetzt geheilt oder so was. An dieser Kinosache musst du dranbleiben und weiter an dir arbeiten, in jedem Training und jedem Spiel wieder. Dann kann das was werden, aber auch nur dann. Okay?“ Er boxt mir gegen den Oberarm, sein Gesicht verzieht sich. Mir dämmert, dass das ein Lächeln ist. „Fahr zu dem Lehrgang, zieh dein Ding durch, nutz deine Chance. Und blamier mich nicht.“ Damit verlässt er den Klassenraum.
Während ich langsam den Brief in meinen Rucksack schiebe und Richtung Pause gehe, schleicht sich allmählich ein Lächeln auf mein Gesicht. Warst gut. Hast dazugelernt. Kann was werden. Wahrscheinlich müsste ich Schmitt verfluchen, dass er mir das nicht viel eher mal gesagt hat. Vielleicht morgen. Und übermorgen begreife ich womöglich, dass nicht alles auf der Welt davon abhängt, was Schmitt sagt oder nicht sagt. Aber heute freue ich mich erst mal nur. Zieh dein Ding durch. Nutze deine Chance.
Ich trete durch die große Schwingtür auf den Schulhof, die Vormittagssonne blendet mich. Als meine Augen sich an das Licht gewöhnt haben, sehe ich Sanela neben den Fahrradständern stehen. Sie ist allein und tippt irgendwas auf ihrem Handy.
Ich atme tief durch und gehe zu ihr hinüber. Nutze deine Chance. „Hi.“
Sanela schaut auf. „Hi, Timo.“ Sie streicht sich eine braune Strähne aus dem Gesicht und blickt mir direkt in die Augen.
Das bringt mich aus dem Konzept. Habe ich überhaupt eins? „Ich, äh ... wollte dich mal fragen ...“
„Ja?“ Sie legt den Kopf schief. Ich starre nur noch auf ihr entblößtes Ohrläppchen.
„Also ... hättest du vielleicht mal Lust auf Kino?“
Sanela sieht mich zwei Sekunden lang wortlos an. Dann lacht sie los.

 

Hallo zusammen,

ein Ausflug in ungewohnte Gefilde, bin sehr gespannt auf Eure Meinungen.

Ich habe ein paar Vorstellungen, wo mögliche Schwächen sind, aber ich will Euch lieber erst mal unvoreingenommen lesen lassen. Ich bitte um schonungslose Kommentare. :shy:

Grüße vom Holg ...

 
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Lieber Holg,

gerade habe ich deine Geschichte gelesen und vor dem Mittagessen noch ein bisschen Zeit, dir zu schreiben. Erster Eindruck:

Natürlich liest sich deine Geschichte gut, du kannst formulieren. Eine klar erzählte Handlung. Das Problem des Prot. wird schnell deutlich und auch, wer sein Gegenspieler ist.
Insgesamt bleibt dein Text für mich sehr stark auf der Handlungsebene. Was sich da in Timo abspielt, deutest du an, aber irgendwie erreicht es mich nicht emotional. Da hätte ich mir stärker eine zweite Ebene gewünscht, eine Ebene der Empfindungen und Gefühle.
Zum Beispiel, als Timo sich doch ziemlich gedemütigt fühlen muss, weil er die Liegestütze vor den Mädchen machen muss, sagst du nur:

Timos Kopf fühlte sich genauso prall an wie der Spielball, sicher hatte er auch gleiche Farbe.
Aber, was geht ihm durch den Kopf. Wie fühlt er sich?

Ich hätte mir etwas mehr Knistern gewünscht, etwas mehr Unterschwelligkeit, einmal, was die Beziehung Schmitt-Timo angeht, aber natürlich auch, was Sanela und Timo betrifft.

Zu den Personen: Während ich mir Timo als Person recht gut vorstellen kann, kommt mir Schmitt nicht so recht nahe und Sanela bleibt leider ganz blass.

Du beschreibst die sportlichen Aktivitäten sehr ausführlich und genau. Das ging bei mir, als jemand, der diese Sportart nicht kennt, zu Lasten der Konzentration. Ich hätte mir weniger sportliches Vokabular gewünscht, vielleicht nur in ganz brisanten Situationen. Insgesamt hatte ich das Gefühl, mich durch die ausführlich beschriebenen Situationen hindurchkämpfen zu müssen.

Und mMn vergibst du auch beim Kino-Syndrom etwas. Diese Situation, die ja ausschlaggebend für alles Weitere ist, hätte ich mir eindringlicher und erfahrbarer gewünscht. So sagst du:

Manchmal reagierte er einfach nicht schnell genug, sah nur bewegungslos zu, wie ein Gegner zum Korb zog oder der Ball nach einem Wurf vom Ring abprallte.
Und das ist es. Aber das schreit doch irgendwie nach einer Szene.

Holg, mir gefällt deine klare und schnörkellose Sprache und auch der Handlungsaufbau ist klar und gut nachvollziehbar.
Und dass du den Schmitt nicht nur eindimensional zeichnest, sondern zum Schluss ein bisschen Ambivalenz in seinen Charakter bringst, gibt deinem Text am Ende noch eine gewisse Würze.
Aber – wie gesagt – für mich hätte es gerne ein Quäntchen mehr Innenleben sein können.

Mal hören, was die anderen sagen.
Auf jeden Fall, werde ich deine Geschichte am Abend noch einmal lesen.

Liebe Grüße
barnhelm

 
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Hallo Holg,

habe deine Geschichte gerne gelesen, obwohl mich der Titel erstmal abgeschreckt hat ;)

Ein paar Kommentare habe ich für dich:

Ihre Eltern waren in den Neunzigern aus Bosnien gekommen. Es hieß, dass ihr Vater in der jugoslawischen Nationalmannschaft gespielt hatte – vor dem Krieg dort, als sie gleichzeitig Welt- und Europameister waren. Timo wusste nicht genau, ob das stimmte, aber es erfüllte ihn mit Ehrfurcht.
Das hier fand ich unnötig. Er betrachtet Sanela, findet sie gut, aber dann dieser Ausflug am Ende stört irgendwie den Rhythmus, vor allem, da es für den weiteren Verlauf der Geschichte ja nicht wichtig ist.


Dann wechselte der Coach ihn noch einmal aus. Timo hatte im bisherigen Spielverlauf nur kurze Ruhepausen bekommen und ging auch jetzt davon aus, bald wieder aufs Feld zu dürfen. Doch die Minuten verrannen, ohne dass Schmitt Anstalten machte, noch einmal zu wechseln. Immer wieder blickte Timo hinüber. Er spielte nervös mit seiner Wasserflasche, wippte mit den Füßen und trommelte mit den Fingern auf die Bank, bis ein stirnrunzelnder Blick des Trainers ihn innehalten ließ. Während die Spielzeit ihrem Ende zuging, sanken Timos Schultern genauso wie seine Hoffnungen.

92:78 lautete das Endergebnis. „Schön gespielt, T-Man!“, rief Vitali und haute Timo mit aller Kraft von hinten auf die Schulter. Der war froh, dass er nicht antworten musste, weil Vitali schon weiterlief und überschwänglich die anderen Mitspieler abklatschte.

Also hier riecht es ja echt schon nach Happy End. Es hätte mich schwer gewundert, wenn er wirklich nicht zum Lehrgang gedurft hätte.

Ach ja, sollte es nicht "verronnen" heißen?


„Aber Sie haben doch gesagt ... ich hab ja nicht ... da ist was falsch gelaufen, oder?“
Der Trainer seufzte, blieb stehen und sah Timo ins Gesicht. „Ich habe bisher noch in jedem Jahr mindestens einen Spieler hingeschickt. Raffael geht demnächst für sein Austauschjahr nach Kanada, und Moritz hat einfach nicht dein Talent.“ Er boxte Timo an die Schulter und verzog den Mund. Timo dämmerte, dass das ein Lächeln war. „Verbock es nicht, kapiert? Kein Kino diesmal.“ Damit verließ Schmitt den Klassenraum.
Und siehe da, ein Happy End ;) Aber ich finde es schade, dass Timo, mit dem man bisher mitgelitten hat, quasi nur als Notnagel mit darf. Vielleicht wäre es besser, dass Schmitt sagt "Punkte hin oder her, du hast gekämpft und mich überzeugt" oder sowas.


Ich habe mich übrigens teilweise selbst in dieser Geschichte wieder entdeckt, bzw. meine Schulzeit. Ich war nie ein guter Basketballer, aber an unserer Schule war der Sport quasi heilig, die lokale Mannschaft spielte 2. BL und der Trainer war Sport- und Mathelehrer bei uns ;)

 
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Hallo,

trotz unseres schwelenden Disputs sage ich etwas zu deinem Text.

Ich habe das schon in mehreren deiner Texte gelesen und bemerkt: Du hast ein Problem, wie du in eine Szene einsteigst. Man spürt, dass du es richtig machen willst, für den Leser interessant, aber sehr oft verzettelst du dich. Das ist natürlich nur eine, meine subjektive Meinung, aber ich analysiere mal den ersten Absatz.

Perspektive: Schmitt spricht. Du erzählst hier direkt, deswegen würde ich auf die Wertung verzichten. Summarisches, zusammenfassendes, indirektes Erzählen ist bereits gefiltert, kann wertend sein. Bei direktem Erzählen sollte der Leser das selbst erfassen.

Dann wechselst du auf Timo, jedenfalls indizierst du das, erzählst danach aber indirekt weiter. Der Erzähler fasst diese Timo-Kino Geschichte zusammen. Warum? Warum denkt nicht Timo: "Dieser Wichser, ich hab ihm tausendmal schon gesagt, wie ich heiße. Was will der von mir?" Du verschenkst hier einiges an Potential, weil du dem Leser die Gedanken deines Prot vorenthälst, und einfach den Erzähler davorschaltest. Das wirkt auf mich wie eine Einmischung. Eine Szene, egal welche, sollte zu Beginn immer Glaubwürdigkeit vermitteln, fernab der Tatsache, dass sie natürlich immer Fiktion, ein Konstrukt ist. Für mich funktioniert es vor allem dann, wenn ich direkt im Charakter bin. Ich reagiere sehr empfindlich auf den Autor, der sich noch schnell dazwischen schieben möchte.

Schmitt hielt ihm nicht mal die Hand zum Abklatschen hin, das beim Wechsel sonst obligatorisch war.

Hier mischt sich auch der Autor ein. Der zweite Teil ist erklärend, der Leser kann und sollte sich das erschließen, denn er ist mündig und kann kombinieren. Du beraubst dich deiner Stärken und machst den Text schwächer.

„Zehn Liegestütze für jeden, den er trifft“, knurrte er, ohne Timo anzusehen.

Auch hier maggelt der Autor mit. Knurren. Ich sage es so wie es ist: Nie etwas anderes benutzen als sagen. Nichts dranmogeln, wie "sagte leise", oder "sagte laut." Der Verlauf eines gut geschriebenen Dialogs teilt dem Leser die Dynamik mit. Und: alles, was man an Adjektiven hier benutzen kann oder könnte, ist der Autor, der sich davorschiebt. Das entfernt den Leser vom Charakter. Der Leser, und das ist nachgewiesen, überliest ab einer gewissen Anzahl das Wort "sagen" einfach, es wird zu einem Indikator, wer spricht, eine Orientierungshilfe. Alles, was vom Charakter ablenkt, würde ich kicken.

Jetzt stand es 76:83, bei nur noch anderthalb Minuten auf der Uhr.

Wenn du hier die Perspektive wirklich auf personal stellen würdest, dann könnte Timo den internen Konflikt beschreiben: "Scheiße, 76:83, fuck, die verlieren wegen mir!" Wir wissen nicht, ob er so denkt, er könnte auch denken: "Mir ist das alles so scheißegal, ich will Playstation spielen." Du bietest dem Leser diese Möglichkeit, diese Option aber nicht an. Du beraubst dich wieder einer narrativen Stärke.

Keiner sagte das laut, aber bestimmt dachten sie es trotzdem.

Zeigen. "Das Team sah ihn an, kalt, als sei er der Gegner, und nicht einer von ihnen."
Nur ein Beispiel. Du hast oft Situationen, die du entpacken könntest, und die du so verbindlicher emotionalisieren kannst.

In der Kabine sprach Timo nur das Nötigste. Schmitt hielt die Nachbesprechung gnädigerweise kurz, drohte ihnen aber für kommenden Dienstag ein Straftraining an.

Auch hier, entpacken. Der nahende Konflikt zwischen Timo, Trainer, Team, was Timo nicht sagt, das kannst du vorzüglich zeigen. Die anderen sprechen ihn an, Timo antwortet einsilbig. Der Trainer brüllt rum, Timo schweigt. Natürlich macht das einen Text länger, keine Frage. Du solltest dir die Frage stellen, wo direktes, szenisches Erzählen, in dem du etwas zeigst, das klassische charakter revealing, wo sich das lohnt, oder wo du lieber eine Abkürzung durch eine summarisches Zusammenfassung nimmst. Ich sage: Fast immer lohnt sich das Entpacken, denn du zeigst deinem Leser mehr Charakter. Wenn die Charakter glaubwürdig sind, wird die Szene erst tief und wahr. Alles andere könnte dem Autor sogar als Behauptung ausgelegt werden. Weil dieses indirekte Erzählen, das ja meist auch wertend ist, etwas in der Luft hängt, sich selbst nicht beweisen muss. Der Erzähler sagt zwar, Timo spricht nur das Nötigste - aber was ist das Nötigste und stimmt das überhaupt?

„Am Dreißigsten muss ich für den Lehrgang melden. Gib mir einen Grund, warum ich deinen Namen auf die Liste setzen sollte“, sagte Schmitt und sah Timo durchdringend an. Der blickte zur Seite und biss sich auf die Unterlippe. Was sollte er sagen?

Der zweite Teil des Satzes, der klingt wie in einem amerikanischen Sportfilm. Ich würde den streichen. Der Trainer sagt: "Am Dreißigsten muss ich für den Lehrgang melden." Timo biss sich auf die Unterlippe. Da ist alles drin. Die erlebte Rede braucht es auch nicht, dass ist so ein Kniff, genau wie der Handlungspräsens, den man wirklich nur an den passenden Stellen einsetzen sollte. Ein Meister darin ist Elmore Leonard. Er schafft es, dass der Leser glaubt, der Charakter würde sprechen. Hier weiß ich sofort, es ist der Erzähler.

Ich mach gleich weiter, ich bin eben in der Mittagspause.

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Holg,

es gibt Tage, da schnuppere ich in Geschichten rein und wenn sie mich packen, nehme ich mir die Zeit und lese sie zu Ende. An anderen Tagen denke ich: Ich mach' dem Holg mal einen Gefallen und kommentiere seinen Text. Dann beiße ich mich durch. Heute ist erstere Situation, also musst du mir was präsentieren, was mich reizt zum Weiterlesen, da ist es egal, ob das der Holg, der Jimmy, die Fliege oder UserXY ist, der die Geschichte schreibt.

„Kino!“ Schmitt riss entnervt die Arme in die Höhe. „Verdammter Mist! Spielerwechsel!“
Mit hängenden Schultern schlich Timo vom Feld. Wieder war er zu langsam gewesen, hatte sich gegen den Korbleger des gegnerischen Forwards nur mit einem Foul zu helfen gewusst. Seinem fünften, damit war er raus.
Ich denke als erstes, dass sich der Autor verschrieben hat, weil sich Kino und Timo auch noch so ähnlich sind. Dann kommen da gleich Fachbegriffe auf mich reingestürmt, mit denen ich nichts anfangen kann.
Um mich zu fesseln, alles andere als passend. Da habe ich schon eine kleine Abwehrhaltung.

Timo wusste nicht, woran es lag. Manchmal reagierte er einfach nicht schnell genug, sah nur bewegungslos zu, wie ein Gegner zum Korb zog oder der Ball nach einem Wurf vom Ring abprallte. Kino nannte Trainer Schmitt das.
Manchmal nannte er auch Timo so. Timo – Kino. Immer wieder ein Lacher für die anderen.
Also wie ein Trainer auf den Begriff Kino kommt in so einem Zusammenhang? Da wächst in mir die Vermutung, dass das halt so schön auf Timo passt - und es deswegen Kino geworden ist. Ob nun logisch oder nicht.


Schmitt hielt ihm nicht mal die Hand zum Abklatschen hin, das beim Wechsel sonst obligatorisch war. „Zehn Liegestütze für jeden, den er trifft“, knurrte er, ohne Timo anzusehen.
Diesen Satz verstehe ich einfach nicht. Ich weiß nicht, was der Trainer damit sagen will.

Der Gefoulte trat an die Linie, versenkte erst einen, dann den zweiten der ihm zugesprochenen Freiwürfe. Jetzt stand es 76:83, bei nur noch anderthalb Minuten auf der Uhr. „Zwanzig.“ Schmitt wies auf den Boden hinter der Ersatzbank.

Ach, da geht es um die Liegestützen! Puhh, du machst es mir wirklich schwer als Leser, wenn du mich erst im Unklaren läßt und dann erst die Handlung kommt. Da mache ich mir wieder Gedanken, dass ich zuvor etwas nicht richtig gelesen habe und fange nochmal von vorne an zu lesen und verstehe trotzdem nicht mehr und beim Weiterlesen, weil ich es aufgegeben habe, es verstehen zu wollen, kommt die Auflösung :shy:

„Jetzt? Hier?“, wollte Timo fragen, aber die Geste war eindeutig. Vor aller Augen.

Was für ein Depp von Trainer. Den kann ich ja nicht vollnehmen.

Am Ende stand es 81:86. Einer der Gegner schaltete mit dem Schlusspfiff seinen Ghettoblaster ein. Another one bites the dust, tönte es mit Freddy Mercurys Stimme durch die Halle. Vielleicht hätten sie es noch mal spannend machen können, wenn Timo den Forward sauber gestoppt hätte. Keiner sagte das laut, aber bestimmt dachten sie es trotzdem.

Und wieder Fachjargon. So, und hier bin ich ausgestiegen.

Das einfach mal als Info, wie es mir als Leser geht, der nichts mit Basketball am Hut hat und noch x-andere Texte hier vorfindet, die mir vielleicht besser gefallen. Es gibt dann vielleicht auch wieder die Tage, an denen ich Holg einen Gefallen mache, dann lese ich das Teil ganz durch.

Liebe Grüße
bernadette

 
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Hallo Holg,

eine schöne Geschichte; der Ausflug in fremde Gefilde ist dir genauso gut gelungen wie bei anderen Genres.

Habe mir jetzt nicht die anderen Kommentare angeschaut, vielleicht ist da jetzt was doppelt.
Kenne mich mit Basketball jetzt nicht so gut aus, aber du hast es so beschrieben, dass selbst ich mit den Begriffen etc. zurechtkam.

Trainer Schmitt hat mich an (Soldaten-)Ausbilder Schmidt erinnert, der mit „Morgen ihr Luschen!“ (Kennst du den?)

„Jetzt? Hier?“, wollte Timo fragen, aber die Geste war eindeutig.
Also hatte er es nur gedacht? Vielleicht so?
Jetzt? Hier?, dachte Timo, sprach es aber nicht aus. Die Geste war eindeutig.


Einer der Gegner schaltete mit dem Schlusspfiff seinen Ghettoblaster ein. Another one bites the dust, tönte es mit Freddy Mercurys Stimme durch die Halle.
Das ist sicher ein Gegner, der nicht auf dem Spielfeld ist, oder? Also ein bereits ausgewechselter Spieler?


drohte ihnen aber für kommenden Dienstag ein Straftraining an.
Was machen die denn sonst am Dienstag? „Normales Training“ oder ist das trainingsfrei? Hier würde ein kleiner Hinweis gut passen.


Timo hatte bei ihm nicht Sport, sondern Mathe-Leistungskurs, aber das machte es nicht besser.
Hihi. Welcher Sportlehrer ist nicht auch Mathelehrer?

Auf den Nasenflügeln spürte er das Gewicht der Brille, die er vor Jahren gegen Kontaktlinsen eingetauscht hatte.
Verstehe ich nicht so richtig. Spielt er denn Basketball auch mit Brille oder mit Kontaktlinsen?

Sie verzichteten aber darauf, die Szene mit dem Huhn nachzustellen, weil sie Omas alte Legehennen nicht in den Herzinfarkt treiben wollten.
Klasse!

Während Timo sich zum dritten Mal die Stiefel schnürte, schielte er nach oben, ob auch Sanela da wäre, obwohl sie heute kein Spiel hatte.
Mein Gefühl sagt mir „ob auch Sanela da war“.

Der gegnerische Center mit der Nummer elf war etwas kleiner als Timo,
Hier würde ich ausnahmsweise für die Schreibweise „11“ plädieren. Oder hat er „elf“ auf dem Trikot stehen? :D

Der Titel … Dachte da erst an eine alberne Kindergeschichte. Wirkte zunächst abschreckend. Im Nachgang passt es ganz gut, da es erklärt wird.

Sauber, flüssig, fehlerfrei geschrieben. Am Ende kommen sich Männchen und Weibchen näher, so wie es in jeder guten Jugendgeschichte ist. Die Happy Ends waren aber vorhersehbar …

Gerne gelesen. Hat mir Spaß gemacht. :)

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Hi Grüner:D!

Wow - also die Story eignet sich ja voll zu nem coolen Block-Buster! Der "Outsider", "Underdog", "Nerd", der dann zur heldenhaften Sportskanone mutiert und am Ende natürlich auch die scharfe Braut angelt! Dazu eine Prise fieser/hart-aber-herzlicher Trainer und cooler, großer Bruder! Gefehlt hätte nur noch der miese Erzrivale, ein versnobbter, neureicher Schnösel, der eigentlich der Freund der scharfen Braut ist und sie total mies behandelt, und der am Ende als der große Verlierer dasteht!;)

Sehr gern gelesen, das "Rocky-meets-Indianer-von-Cleveland"-Teil!

Grüße vom unsportlichen Eisenmann

 

Hallo Holg,

von der Sportart verstehe ich nur ein bisschen was. Trotzdem konnte ich dem Spielverlauf ganz gut folgen. Auch das Verhältnis der Brüder zueinander ist plausibel mit der Handlung verwoben. Ich dachte allerdings zuerst, es seien Halbbrüder wegen ihrer unterschiedlichen körperlichen Ausstattung. Beim Trainer wusste ich nicht, soll ich ihn jetzt als Miesling oder raffinierten Sportpädagogen verstehen. Da fehlt mir ein Zwischenschritt, den auch Timo erkennen müsste als Basis für das zukünftige Training.
Sanela könnte vielleicht noch eine aktivere Rolle bekommen, z. B. im Dialog am Schluss. Sie muss ja nicht gleich eine Quasselstrippe sein:lol:
Hat mir sehr gut gefallen, ich mag Geschichten, die gradlinig erzählt werden.

Gruß wieselmaus

 

Hallo zusammen,

vielen Dank für die schon reichlich geflossenen Kommentare. Zumindest nicht durchweg negativ, das ist ja schon mal was. Ich beantworte mal so viele, wie ich heute noch schaffe.


Hallo barnhelm,

Natürlich liest sich deine Geschichte gut, du kannst formulieren. Eine klar erzählte Handlung. Das Problem des Prot. wird schnell deutlich und auch, wer sein Gegenspieler ist.
Danke, da passt ja schon mal die Grundstruktur.

Insgesamt bleibt dein Text für mich sehr stark auf der Handlungsebene. Was sich da in Timo abspielt, deutest du an, aber irgendwie erreicht es mich nicht emotional. Da hätte ich mir stärker eine zweite Ebene gewünscht, eine Ebene der Empfindungen und Gefühle.
Hm, meine klassische Schwäche. Ich tue mich tatsächlich sehr schwer damit, Emotionen direkt darzustellen (z.B. durch wörtliche Gedanken), ohne in Kitsch oder Platitüden abzugleiten. Deshalb versuche ich, die Gefühle durch ihre Wirkung nach außen darzustellen, also in gesprochenen Worten oder in Handlungen. Offenbar klappt das nicht ganz nach Wunsch, das von Dir zitierte Beispiel illustriert m.E. sowohl meine Absicht als auch den mangelnden Erfolg dabei.

Ich hätte mir etwas mehr Knistern gewünscht, etwas mehr Unterschwelligkeit, einmal, was die Beziehung Schmitt-Timo angeht, aber natürlich auch, was Sanela und Timo betrifft.
Zu den Personen: Während ich mir Timo als Person recht gut vorstellen kann, kommt mir Schmitt nicht so recht nahe und Sanela bleibt leider ganz blass.
(...)
Und dass du den Schmitt nicht nur eindimensional zeichnest, sondern zum Schluss ein bisschen Ambivalenz in seinen Charakter bringst, gibt deinem Text am Ende noch eine gewisse Würze.
Aber – wie gesagt – für mich hätte es gerne ein Quäntchen mehr Innenleben sein können.
Schmitt ist natürlich der "Antagonist" (den ich in Anführungsstriche setze, weil er Timo ja nicht wirklich etwas Böses will), der ist schon wichtig. Sanela hat mich als Person gar nicht wirklich interessiert, die ist mehr so eine Projektionsfläche für Timos fehlendes (und am Ende ein wenig gewachsenes) Selbstbewusstsein.

Beide werden aber durch Timos Brille gesehen, weil der Erzähler ja immer dicht bei ihm ist. Deshalb kann bzw. will ich von denen definitiv nicht das Innere zeigen. Trotzdem verstehe ich, dass sie vielleicht mehr Farbe brauchen, als sie bisher haben. Auch bei einer Projektion muss man ja verstehen können, was da warum projiziert wird. Aber das würde ich dann eher aus Timo heraus zu entwickeln versuchen.

Du beschreibst die sportlichen Aktivitäten sehr ausführlich und genau. Das ging bei mir, als jemand, der diese Sportart nicht kennt, zu Lasten der Konzentration. Ich hätte mir weniger sportliches Vokabular gewünscht, vielleicht nur in ganz brisanten Situationen. Insgesamt hatte ich das Gefühl, mich durch die ausführlich beschriebenen Situationen hindurchkämpfen zu müssen.
Das war natürlich eines der Probleme, die ich erwartet habe. Der Sport ist ja ein wesentliches Element sowohl von Timos Leben als auch von der Handlung und dem Konflikt. Deshalb kann ich es meinen Lesern prinzipiell nicht ersparen, sie durch ein paar Spielszenen hindurchzuführen. Basketball ist es deshalb, weil ich da weiß, was ich schreibe; außerdem will vermutlich keiner die 2967. Fußballgeschichte lesen.

Ich habe mich bemüht und eine Menge Gedanken investiert, nur so viel zu schreiben, wie ich für Charaktere und Handlung brauche, den Jargon in möglichst engen Grenzen zu halten und alle entscheidenden Szenen auch für Laien verständlich zu machen. Gleichzeitig musste es aber auch für Leser stimmig sein, die Basketball kennen, d.h. ich durfte nicht zu stark vereinfachen und nichts Falsches erzählen, auch keine unpassenden Begriffe benutzen, bloß weil sie für Laien einfacher wären.

Wenn ich da nicht im ersten Wurf (haha) das richtige Maß gefunden habe, überrascht mich das überhaupt nicht (überraschend wäre es im umgekehrten Fall), aber kämpfen oder sich quälen sollte natürlich niemand. U.a. deshalb ist mir das Feedback so wichtig, um das besser einschätzen zu können.

Und mMn vergibst du auch beim Kino-Syndrom etwas. Diese Situation, die ja ausschlaggebend für alles Weitere ist, hätte ich mir eindringlicher und erfahrbarer gewünscht. (...) Aber das schreit doch irgendwie nach einer Szene.
Naja, die Szene (bzw. eine Szene für etwas, was Timo ja häufig passiert) bildet ja den Einstieg in die Geschichte. Kann gut sein, dass die zu knapp gehalten war. Das ist zum einen wieder das o.g. Maß, das ich noch austarieren muss, zum anderen wollte ich natürlich auch gerade in der Anfangsszene nicht zu tranig erzählen.

Das mit "eindringlicher und erfahrbarer" ergibt vielleicht Sinn zusammen mit dem Punkt zu Emotionen. Wenn ich hier nicht mehr Handlung, aber mehr von Timos Erleben darstellen würde - würde das helfen?

Vielen Dank, barnhelm, für die wertvollen Eindrücke. Das gibt mir eine Menge Gedankenfutter.


Hallo Henrik Sturmbluth,

habe deine Geschichte gerne gelesen, obwohl mich der Titel erstmal abgeschreckt hat
Der Arbeitstitel war nur "Kino", also noch abschreckender. :D Bin offen für Alternativvorschläge, eine bessere Idee hatte ich bisher nicht.

[Sanelas Elternhaus] fand ich unnötig. Er betrachtet Sanela, findet sie gut, aber dann dieser Ausflug am Ende stört irgendwie den Rhythmus, vor allem, da es für den weiteren Verlauf der Geschichte ja nicht wichtig ist.
Naja, das hat schon eine Funktion. Timos Selbstwertgefühl steht und fällt offenbar mit dem Basketballspiel, das wirkt sich auch auf seinen Blick in Richtung Sanela aus. Sie spielt selbst Center wie er und ist dabei auch gut. (Letzteres ist nicht explizit dargestellt, sollte sich aber durch die "Angst" der anderen Jungs am Rande mitteilen, weil die nicht allein aus ihrer Körpergröße kommen würde. Wahrscheinlich habe ich da zu sehr um die Ecke gedacht und sollte das einfach klarer machen.) Deshalb neigt Timo dazu, sich unterlegen zu fühlen. Und das wird eben noch getoppt durch ihr Elternhaus, das ihn mit "Ehrfurcht" erfüllt. Deswegen traut er sich nicht an sie ran bzw. traut sich erst, nachdem er mal ein bisschen mehr Anerkennung vom Trainer bekommt.

So jedenfalls meine Intention. Mal sehen, ob das für andere klarer erscheint oder ob ich das ändern muss.

Also hier riecht es ja echt schon nach Happy End. Es hätte mich schwer gewundert, wenn er wirklich nicht zum Lehrgang gedurft hätte.
Das habe ich geahnt. Ich weiß aber noch nicht, ob ich das schlimm finden muss. Es geht mir ja nicht um Spannung, jedenfalls nicht auf dieser Ebene.

Oder nimmt das wirklich die Luft aus der Geschichte? Dann müsste ich da natürlich was machen.

Ach ja, sollte es nicht "verronnen" heißen?
Hm, nein. "Sie sind verronnen" im Perfekt, aber "sie verrannen" im Präteritum. (Und "sie verrönnen" im Konjunktiv II. Ein Glück, dass ich den nicht gebraucht habe. :lol:)

Aber ich finde es schade, dass Timo, mit dem man bisher mitgelitten hat, quasi nur als Notnagel mit darf. Vielleicht wäre es besser, dass Schmitt sagt "Punkte hin oder her, du hast gekämpft und mich überzeugt" oder sowas.
Timo ist kein Notnagel. Aber Schmitt ist nicht der, der das offen sagt. Er ist ja so ein Knurrer und ein ziemlich mäßiger, wenig mitfühlender Pädagoge. Aber immerhin erwähnt er am Ende Timos Talent und ringt sich eine Art Lächeln ab. Das ist wohl das Lob-Ähnlichste, wozu er fähig ist.

Schade, ich hatte gehofft, der Part wäre verständlich. :shy:

Ich habe mich übrigens teilweise selbst in dieser Geschichte wieder entdeckt, bzw. meine Schulzeit. Ich war nie ein guter Basketballer, aber an unserer Schule war der Sport quasi heilig, die lokale Mannschaft spielte 2. BL und der Trainer war Sport- und Mathelehrer bei uns
Es wird Dich nicht überraschen, dass da ein paar Eindrücke aus meiner eigenen Jugend drinstecken. Mein Baba-Trainer hat aber Sport und Englisch unterrichtet. :)

Danke, Henrik, für Deine Einschätzungen. Ganz andere Blickwinkel als barnhelm vor Dir, so unterschiedlich sind die Leser. Ist schon schwierig, da alle mitzunehmen.


Hallo bernadette,

es gibt Tage, da schnuppere ich in Geschichten rein und wenn sie mich packen, nehme ich mir die Zeit und lese sie zu Ende. An anderen Tagen denke ich: Ich mach' dem Holg mal einen Gefallen und kommentiere seinen Text. Dann beiße ich mich durch. Heute ist erstere Situation
... und bis dahin denke ich noch: Oh, ich habe sie gepackt und sie hat zu Ende gelesen, wie schön! Doch weit gefehlt ...

Ich denke als erstes, dass sich der Autor verschrieben hat, weil sich Kino und Timo auch noch so ähnlich sind.
Sollte eigentlich nicht passieren, nachdem man den Titel gelesen hat ...

Dann kommen da gleich Fachbegriffe auf mich reingestürmt, mit denen ich nichts anfangen kann.
Ich hatte oben für barnhelm ausgeführt, wie ich versucht habe, den Jargon auszutarieren. Das können wir hier gut auf die Probe stellen:

"Spielerwechsel" und "Foul" sind hoffentlich unproblematisch. "Korbleger" und "Forward" sind sicher Fachbegriffe. Aber es sollte aus dem Zusammenhang erschließbar sein, dass das ein Spielzug eines gegnerischen Spielers ist; mehr braucht man gar nicht zu verstehen.
(Ein "Forward" hieß übrigens in meiner Jugend noch "Flügel(spieler)", aber das sagt meines Wissens heute keiner mehr. Falls hier junge Basketballer im Forum sind, die das anders sehen, bitte ich um Nachricht, dann kann ich das Wort laienfreundlicher wählen!)

"Sollte" heißt hier nicht "hättest Du gefälligst können müssen", sondern "war meine Absicht". Hat wohl nicht geklappt.

Um mich zu fesseln, alles andere als passend. Da habe ich schon eine kleine Abwehrhaltung.
Das ist natürlich die logische Konsequenz.

Also wie ein Trainer auf den Begriff Kino kommt in so einem Zusammenhang? Da wächst in mir die Vermutung, dass das halt so schön auf Timo passt - und es deswegen Kino geworden ist. Ob nun logisch oder nicht.
Falsch geraten. Wenn Du schon fragst: Den Begriff "Kino" hat mein alter Trainer gerne für genau dieses Phänomen benutzt: ein tatenloses Zusehen, wie im Kino eben. Da schwingt auch noch ein Vorwurf mit, dass das womöglich aus Bequemlichkeit passiert. Hat damals jeder verstanden.

Den Namen Timo habe ich allerdings tatsächlich gewählt, weil er so gut dazu passt.

Diesen Satz verstehe ich einfach nicht. Ich weiß nicht, was der Trainer damit sagen will.
(...)
Ach, da geht es um die Liegestützen! Puhh, du machst es mir wirklich schwer als Leser, wenn du mich erst im Unklaren läßt und dann erst die Handlung kommt. Da mache ich mir wieder Gedanken, dass ich zuvor etwas nicht richtig gelesen habe und fange nochmal von vorne an zu lesen und verstehe trotzdem nicht mehr und beim Weiterlesen, weil ich es aufgegeben habe, es verstehen zu wollen, kommt die Auflösung
Der fragliche Satz und die Auflösung kommen direkt hintereinander, im selben Absatz. Da hast Du aber heute eine sehr kurze Geduldsspanne. Oder eben eine von mir früh erzeugte Abwehrhaltung ...

Was für ein Depp von Trainer. Den kann ich ja nicht vollnehmen.
Stimmt, Schmitt ist kein geborener Pädagoge, der ist ein Schleifer vor dem Herrn. Das wird im Folgenden auch wieder aufgegriffen, aber dafür konnte ich Dich nicht lange genug in meiner Geschichte halten.

Und wieder Fachjargon. So, und hier bin ich ausgestiegen.
Der einzige Jargon an dieser Stelle ist der (aus der Anfangsszene bereits bekannte) "Forward". Oder zählst Du "Ghettoblaster" und "Freddy Mercury" dazu?

Das einfach mal als Info, wie es mir als Leser geht, der nichts mit Basketball am Hut hat
Ja, das klingt stark durch. Sag mir mal ehrlich: Hätte eine Basketballgeschichte bei Dir eine Chance, bloß weil sie ohne Fachwörter auskommt?

Bitte nicht missverstehen: Ich gehe hier nicht in Verteidigungshaltung, und ich will Dir auch nicht die Verantwortung dafür zuschieben, dass Dir mein Text nicht gefällt; die zweifelhafte Ehre gebührt allein mir als Autor. Aber ich glaube (nicht erst jetzt, sondern schon vor dem Posten), dass so eine Sportgeschichte einfach nicht jeden ansprechen kann und die Zielgruppe von vornherein eingeschränkt ist. Das ist ja immer auch eine Geschmacksfrage, und das ist okay so.

Nur wenn ich mir jetzt einen abbreche, die Story für jemanden anzupassen, der sie so oder so nie mögen wird, mache ich u.U. mehr kaputt, als ich verbessere. Deswegen ist meine Frage absolut ernst gemeint. Es hat ja keinen Sinn, einen Geländewagen tieferzulegen, um jemanden zu beeindrucken, der am liebsten Porsche fährt. Damit verliert man nur obendrein die SUV-Fans.

Vielen Dank, bernadette, für Deine ehrliche Meinung. Genau die will ich ja hören.


Nochmals danke an alle, morgen antworte ich auch auf die anderen Kommentare. Jetzt erst mal gute Nacht! :sleep:

Grüße vom Holg ...

 

Hola Holg,

da ich weiß, dass Du keine Mühe scheust, einen guten Text zu produzieren, habe ich trotz meiner Riesendistanz zu jederlei Sport Deine KG gelesen; und nun erlaube ich mir, von meinem Leseeindruck zu berichten.
Die Themenwahl scheint mir gewagt, Rennsport oder Fußball wären auf größeres Interesse gestoßen. Dein Thema hat etwas Elitäres und deshalb nimmt es mich nicht mit.
Weil ich beim Lesen immer wieder abschweife, denke ich, dass ich den handelnden Personen bei Deinem sehr guten Schreibstil in einem anderen Umfeld gern gefolgt wäre. Ich lese aber eine Sportzeitung. Nur etwas für Kenner und Spezialisten.
Auch hier fühle ich mich blöd:

„Wer von euch kann mir sagen, wie die Stammfunktion von f mal g zu bilden ist?“
F x g?
Und nicht einmal hier fällt bei mir der Groschen:
Sie verzichteten aber darauf, die Szene mit dem Huhn nachzustellen, weil sie Omas alte Legehennen nicht in den Herzinfarkt treiben wollten.
Kenn’ ich nicht, berührt mich nicht. Aber sicherlich ein Riesending für Insider:D.

Timo stieg auf sein Fahrrad. Kaum ein Jahr alt, wurde es ihm schon wieder zu klein.
Timo ist doch schon ein Riese? Ich kenne nur die ‚normale’ Fahrradgröße, es liest sich aber, als ob es Räder wie in der Konfektion in verschiedenen Größen gäbe.
Ich werde wohl bis zum Ende der Geschichte weiter nörgeln. Sport ohne Ende.
Und dann die Überraschung!
In der Halle war Stimmung, ...
Gott sei Dank habe ich diese Stelle erreicht! Es geht los! Bin ziemlich verblüfft, dass Du es schaffst, mich Tränentier zum Lesen einer gelungenen Sportreportage zu animieren.
Herzlichen Glückwunsch, mein Lieber – das hat bis jetzt noch keiner geschafft!
Rasant geschrieben, da baut sich Spannung auf (auch wenn man meint, das Ende schon zu kennen).
Nee, Holg – das muss ich anerkennend sagen: Einen Leser mit diesem Thema bei der Stange zu halten, erfordert schon Können beim Schreiben. Nur gut, dass Du das kannst.
Sanela schaute auf. „Hi, Timo.“ Sie strich sich eine dunkle Strähne aus dem Gesicht.
Foto! Gut gemacht.

Alle Achtung, Unglaublicher!
José

 

Moin Holg,

Ja, das klingt stark durch. Sag mir mal ehrlich: Hätte eine Basketballgeschichte bei Dir eine Chance, bloß weil sie ohne Fachwörter auskommt?


Auf die Frage hin musste ich sie ja durchlesen - und nach den positiven Kommentaren, die nach meiner Kritik noch angekommen sind, ist es mir nun auch nicht sooo schwer gefallen :).


Nur wenn ich mir jetzt einen abbreche, die Story für jemanden anzupassen, der sie so oder so nie mögen wird, mache ich u.U. mehr kaputt, als ich verbessere.

Mich hattest du dann auch ab der Stelle, an der die Brüder zusammen trainieren. Danach konnte ich deine Beschreibung des Spielverlaufes auch gut lesen, ohne Abwehr zu haben, zumal du das auch wirklich gut hinbekommen hast, weil ich natürlich wissen wollte, ob dieses zusätzlich sich selbst auferlegte Training was genützt hat.
Deswegen ist meine Frage absolut ernst gemeint. Es hat ja keinen Sinn, einen Geländewagen tieferzulegen, um jemanden zu beeindrucken, der am liebsten Porsche fährt. Damit verliert man nur obendrein die SUV-Fans.

Ich fand schon gleich den Titel albern, ehrlich. Da dachte ich an einen kleinen Jungen namens Timo, der seine Eltern anbettelt, mit ihm in einen Dino-Kino-Film zu gehen. Ich finde den Titel jedenfalls für eine Jugend-Geschichte unpassend.

Mir hätte es sehr viel gebracht, wenn ich am Anfang der Story mehr über den Menschen Timo erfahren hätte, so zwei, drei Absätze, die mich einführen, die vielleicht sein Problem aufzeigen, ohne dass man gleich in so einer Spielsituation ist. Das muss auch nicht das Kino-Problem sein, dass könnte auch eine Szene mit dem Mathelehrer-Trainer Schmitt oder so eine Begebenheit, wo seine Größe thematisiert wird.
Irgendwas, was mit Timo zu tun hat, aber eben keine Spielszene.

Vielleicht kannst du - wenn du magst - innerhalb deiner KG umstellen? Wenn z.B. folgendes am Anfang wäre, wäre es für mich schon anders, wenn das mit dem Fahrrad geändert wird. (Könnte es nicht reichen, wenn er einfach den Sattel wieder mal höher stellen muss?) Ob es grade die Szene sein muss, kann ich nicht abschätzen, es muss in der Struktur dann ja noch passen. Nur mal so als idee.

Timo stieg auf sein Fahrrad. Kaum ein Jahr alt, wurde es ihm schon wieder zu klein. Weitere sieben Zentimeter hatte er allein im letzten halben Jahr zugelegt. Kein Wunder, dass ihm seine Beine nicht gehorchen wollten.
Dabei war er eigentlich gut in Form. Er hatte kaum noch Ähnlichkeit mit dem ungelenken Lulatsch, den sie vor drei Jahren in der Schule angesprochen hatten, weil er mit seiner schieren Länge die vakante Centerposition im Team füllen könnte. Mit Basketball hatte er endlich eine Sportart gefunden, die etwas mit ihm anfangen konnte. Als er das merkte, hatte er begonnen, wie besessen zu trainieren. Ausdauer und Technik hatte ihm Schmitt eingeschliffen, im Kraftraum hatte er die Gene seines Vaters in ganz ordentliche Muskelpakete umgesetzt. Für einen über zwei Meter großen Sechzehnjährigen sprintete er erstaunlich gut, und wenn er mal nicht die Schultern hängen ließ, konnte er sich in der Zone unter dem Korb durchaus Respekt verschaffen.
Aber dieses Kino-Syndrom war ein Problem.

Wenn du dann noch an das Ende von deiner KG eine kleine Liste mit den Fachbegriffen setzt mit Erklärung (das gibt es ab und an schon), wäre mir Unwissende da schon viel geholfen.

Interessanterweise hatte ich genau die gleichen Gedanken wie josefelipe, als es um die Stellen
- Fahrrad zu klein (das liest sich komisch mit dem "Rauswachsen")
- die Filmszene (Insider sind immer blöd)

Ich habe mich gefragt, ob Schmitt in seiner Funktion als Mathelehrer innerhalb des Unterrichts auf seine Spielleistung - und dann noch in so einer Form - aufmerksam machen darf. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man freiwillig das Training bei so einem Arsch mitmacht. Sowas muss man sich doch nicht geben, bei aller Liebe zum Sport.

Was ich auch nicht nachvollziehen konnte ich, wieso Sanela das Biest genannt wurde, nur weil sie so viel größer war.

Den Vergleich mit der Brille, die er wieder spürt, obwohl er Kontaktlinsen trägt ... mhhmm, finde ich nicht so stimmig. Ich weiß, dass du da einfach so ein altes Nerd-Gefühl hochkommen lassen willst, aber eine Brille eignet sich meiner Ansicht nach nicht so dafür. Das Gewicht einer Brille macht doch kein schlechtes Gefühl, da müsste eher eine Mini-Szene hin, die das bebildert.

Vom Inhalt abgesehen war es sehr gut zu lesen, hat Spaß gemacht, schöner Schreibstil, passend zum Thema. Meine Einstellung im gestrigen Kommentar bezog sich nur auf die Sportszenen und wie es mir damit ging, gleich damit konfrontiert zu werden (inklusive komischer Titel :D).

Ob du umstellst, musst du dir in Ruhe überlegen. Wenn alle anderen das gut so finden, wie es ist, gibt es keinen Grund, nur auf eine Stimme zu hören.

Ich hoffe, ich konnte dir damit deine Frage beantworten.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Holg,

zu deiner Frage:

Wenn ich hier nicht mehr Handlung, aber mehr von Timos Erleben darstellen würde - würde das helfen?
Ja, das glaube ich. Ich finde übrigens @bernadett s Vorschlag mit dem Umstellen recht gut.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Weiter geht's:

mich erinnert diese Geschichte sehr stark an einen Film, den ich mal auf einem Flug nach L.A gesehen habe vor ein paar Jahren, mit John Cena. Nur ging es da ums Ringen. Es ist fast exakt die gleiche Geschichte, nur benutzt du hier eben Basketball.

Ich muss sagen, ich liebe Sportfilme, und auch Sportgeschichten. Die Dynamik einzufangen, ist natürlich eine Kunst. Es gibt nur sehr wenige, die das jemals wirklich auf eine genuine Weise geschafft haben. Ein Beispiel ist George Plimpton.

Du hast das für meinen Geschmack etwas zu linear angelegt, da ist kein Bruch. Die Szene zum Beispiel, wo er mit seinem Bruder spielt, diese "Dinosaurier-Szene", auch da könntest du mehr zeigen. Du müsstest wirklich eine Spielsituation erschaffen und dann auch konkret beschreiben, in der dem Leser klar wird, der Bruder ist tatsächlich der bessere Spieler, es wird nicht nur behauptet, sondern die Figuren, die Charaktere belegen das selbst. So wird auch die Hierarchie deutlicher. Ich nehme keinem eine Trainer oder Mentorfunktion ab, wenn ich nicht sehe, dass der klar besser ist.

Das hier ist ein tolles Bild: Auf den Nasenflügeln spürte er das Gewicht der Brille, die er vor Jahren gegen Kontaktlinsen eingetauscht hatte. Da steckt sehr viel drin, aber du relativierst es, weil du die Funktion schon benennst: Er war mal ein Nerd. Du implementierst zu viel in deinen Text, lässt ihn zu wenig selbst sprechen. Du solltest dir, wenn du in der Lage bist, solche guten Bilder zu erschaffen, einfach vertrauen.

Deine Dialoge klingen nicht echt. Die preisen Informationen an, und dann bekommt man als Leser sehr schnell das Gefühl, die Figuren sind Stichwortgeber. Ein Tip: Ich habe ein Diktiergerät, und egal wo ich bin, Kneipe, Stadion, Vernissage, ich lasse das immer mal wieder ein paar Minuten unauffällig mitlaufen. Du musst das nicht original transkribieren, aber du bekommst ein Gefühl, wie Menschen einen Sachverhalt erklären. Vieles läuft auf eine Intersubjektivität heraus. Der eine sagte: "Weißte doch!", und der andere so: "Ja, klar, logen!" Man verfügt über Kenntnisse und Wissen, das in den Figuren vorausgesetzt ist. Dass nur einer oder zwei den Sprung ins Profilager schafft, weiß auch Timo. Sein Bruder müsste sagen: "Ey, und wenn nicht? Scheißegal, schafft eh nur einer aus 'ner Million!" Das ist aktiver, lebendiger, und denkt das Wissen der beiden, die ja involviert sind, bereits mit.

Zur Geschichte selbst. Mir ist das zu süß. Ich fände es gut, wenn Timo einfach beschissen spielt, so beschissen wie nie zuvor, aber dafür das Mädchen kriegt. Oder: Er spielt beschissen, kriegt das Mädchen, trifft sie, und ihr Weltmeisterpapa erzählt ihm, dass auch er nie zu einem solchen Lehrgang eingeladen wurde, aber siehe da! Trotzdem ist was aus ihm geworden. Mir fehlt ein Bruch.

Gruss, Jimmy

 

Hey Holg,

Du armer, ich auch noch :). Ich mag Sportgeschichten sehr, insofern war das schon mal ein Pluspunkt. Basketball dagegen war nicht gerade mein Lieblingskurs im Sportstudium. Das ist jetzt allerdings eine Ewigkeit her, eines jedoch ist mir in Erinnerung geblieben, Basketball ist ein verdammt schneller Sport (keine Ruhephasen wie beim Hand- oder Fußball). Jetzt baust Du die Geschichte viel über Spielfeldszenen auf, und ganz ehrlich, sie wirken unglaublich statisch gegenüber dem tatsächlichen Tempo was auf dem Feld herrscht. Das war mein allererste Eindruck beim Lesen. Jimmy hat das irgendwo auch angemerkt, dass es sau schwer ist, so die Dynamik einzufangen und in Worte zu packen. Ich gebe ihm da recht. Irgendwann habe ich mal eine Geschichte über Pferderennen geschrieben (nicht hier) und da habe ich mir die Live-Kommentare von Sportreportern reingezogen und mitgeschrieben. Und dann habe ich sie auf ein Drittel runtergestrichen und dann hatte ich das Gefühl, jetzt haste Tempo.

„Kino!“ Schmitt riss entnervt die Arme in die Höhe. „Verdammter Mist! Spielerwechsel!“
Mit hängenden Schultern schlich Timo vom Feld. Wieder war er zu langsam gewesen, hatte sich gegen den Korbleger des gegnerischen Forwards nur mit einem Foul zu helfen gewusst. Seinem fünften, damit war er raus.
Timo wusste nicht, woran es lag. Manchmal reagierte er einfach nicht schnell genug, sah nur bewegungslos zu, wie ein Gegner zum Korb zog oder der Ball nach einem Wurf vom Ring abprallte.

Hast Du mal an einen Ich-Erzähler gedacht? Immer wenn es um Emotionen einer Figur als tragendes Element geht, bietet sich der eigentlich an an und schreit: Hier! Ich! Und ja, die Geschichte würde mit mehr Eigenleben, mehr Emotionen sehr gewinnen, sag ich mal aus dem Bauch heraus.

"Spielerwechsel!“ Schmitt riss entnervt die Arme in die Höhe.
Ich schlich vom Feld. Mein fünftes Foul, ich war raus. Hab mich wie ein 85jähriger bewegt. Lahm wie 'ne Butterstulle und mir in letzter Sekunde nicht anders zu helfen gewusst.

Hier wären ebenfalls alle relevanten Informationen drin, aber Du bietest nicht Spielfeld (Sportbericht), sondern Ich-Erleben. Bindest den Leser an deine Figur. Das ist das Ah und Oh auf den ersten Zeilen. Die ersten Zeilen gehören deiner Figur und nichts anderem ;).

Schmitt hielt mir nicht mal die Hand zum Abklatschen hin.
„Zehn Liegestütze für jeden den er trifft“, bellte er.
Der Gefoulte versenkte erst einen, dann auch den zweiten Freiwurf.
„Zwanzig.“ Schmitt wies auf den Boden hinter der Ersatzbank.

Und hier mal alles Erklärende, was der Erzähler so dazwischenmogelt rausgenommen. Nie dem Leser was erklären. Schreib so, dass er es trotzdem versteht. Er braucht die Info nicht, von wo die Freiwürfe ausgeführt werden, dass sie ihm nach einem Foul zugesprochen werden, dass eigentlich obligatorisch abgeklatscht wird, wenn da bereits ein "nicht mal" steht.
Alles Erklärende raus - da bin ich ganz mit jimmy. Du brauchst Tempo und Erklärungen bremsen dich jedes mal aus. Vom ICE zum Bummelzug zum ICE usw. Und auf jeden Fall brauchst Du Tempo, wenn Du über Basketball schreibst ;).

Drittes Ding, und dann höre ich erst mal auf Dich zu erschlagen, die Liebesgeschichte am Ende kommt bisschen wie Kasper aus der Kiste. Die beiden haben bis dahin nicht mal ein Wort gewechselt. Das könntest Du vermeiden, indem nicht sein Bruder mit ihm trainiert, sondern er eines Abends Sanela mit ihrem Vater trainieren sieht und fragt, ob er sich anschließen dürfe. Den Bruder dann zum Quatschen, für den ganzen Seelenmüll, den er mit sich trägt. Das Kinosyndrom, der Frust auf sich selbst, aber auch die Motivation, die doch in ihm steckt. Das leistet der Trainer ja nicht, das kann auch Sanela und ihr Vater erst mal nicht leisten. Die dürfen da eigentlich kaum reden, nur schwitzen und sich mal heimlich angucken.

Soll erst mal reichen. Ich mag die Geschichte schon gern. Ich habe mich beim Lesen auch nicht gelangweilt. Ich finde auch deine Figur spannend. Ich denke, hier lohnt es in jedem Fall dranzubleiben. Aber Du hast jetzt so viel Input, sortiere das mal für Dich, probiere aus, mach Dir nur keinen Stress, und nimm von all dem nur, wo Du auch hinter stehen kannst. Du arme Sau eigentlich ;)

Bin gespannt, wo die Reise hier hingehen wird.
Beste Grüße, Fliege

 

Hallo Holg,

über Basketball weiß ich soviel: Mannschaftssport, Ball in Korb, Dirk Nowitzki. Ich weiß auch, dass es nicht gerade eine Breitensportart ist, daher finde ich es mutig von dir, dass du dir diese zum Thema gemacht hast.
Ganz gut hat mir gefallen, wie du die Sportszenen beschrieben hast - sehr spannend. Auch das Verhältnis der Brüder fand ich gut beschrieben. Hier hat mich aber gestört, dass man nicht weiß, wie alt Lukas ist. Die Aussage:

Lukas spielte in der zweiten Herren …

sagt mir nichts. Ich vermute mal, dass Lukas wesentlich älter sein muss als Timo. Hier hätte ich mir gewünscht, einmal das Alter vom Bruder zu erfahren z.B. Lukas spielte mit seinen ?? Jahren in der zweiten Herren …
Aber die Dialoge zwischen den zwei gefallen mir, da kommt deren Verhältnis zueinander, für mich sehr gut rüber

Aber dieses Kino-Syndrom war ein Problem.

In der Tat, für mich auch, denn ich kapier wirklich nicht, was du damit sagen willst. Tut mir leid. Wo leitest du das her? Oder hast du das gewählt, weil es zu Timo und Dino passst?

In deiner Geschichte haben ja alle etwas mit Basketball zu tun: der Bruder, Sanela, ihr Vater. Das ist mir ein bisschen zu viel, als dass es Zufall sein kann. Gerade, weil diese Sportart wenig populär ist, wäre vielleicht eine hilfreiche Erläuterung gut. Sportinternat?

Schmitt hielt die Nachbesprechung gnädigerweise kurz, drohte ihnen aber für kommenden Dienstag ein Straftraining an.

Wieso droht er an? Mir ist das zu vage. Wir drückt Schmitt sich aus, wenn er ein Straftraining androht?

„Quatsch!“, lachte Timo. „Das ist ein Dinosaurier mit einem Ball.“

Schön!

Auch das Ende, wenn man merkt, dass der Trainer doch kein ganz so übler Kerl ist, dass es auch mit dem Mädel vielleicht noch was wird, finde ich gut.

Man kann eine Geschichte auf vielerlei Arten schreiben und es wäre sicher interessant zu lesen, wie sie klänge, wenn du dem einen oder anderen Vorschlag deiner Kommentatoren folgst.
Egal wie du dich entscheidest, ich habe diese Version mit Freude gelesen. Mir gefällt dein Erzählstil sehr gut und ich finde den Text gut durchstrukturiert. Ich konnte ihn, trotz der einen oder anderen Ungereimtheit, flüssig lesen.

Gruß Tintenfass

P.S. ich bin noch nicht dazugekommen, alle Kommentare zu lesen, auch nicht deine Antworten dazu - möglich, dass ich jetzt etwas gefragt habe, dass du woanders bereits erläutert hast. Sorry.

 
Zuletzt bearbeitet:

Ist ein bisschen schwierig, über die vielen Kommentare hinaus noch was Sinnvolles zu sagen.
Ich will‘s trotzdem versuchen, Holg:
Mein erster Eindruck nach dem Lesen gestern war: Das ist mir zu „brav“ erzählt, weil zu vorhersehbar, zu konfliktlos. Ja, selbst dafür, dass du’s mit Jugend getaggt hast.
Was passiert denn schon groß? Der Traum eines Jugendlichen geht in Erfüllung und als quasi Bonustrack gibt’s obendrein noch die Aussicht auf eine Romanze, Happyend auf allen Linien sozusagen.
Nix gegen ein Happyend, aber die ganze Geschichte verläuft mir einfach zu geradlinig, zu problemlos, ihr Schwerpunkt scheint mir weniger auf der Beschreibung einer schwierigen Phase im Leben eines Teenagers zu liegen, als vielmehr auf der (für mich zu) harmoniefreudigen Beendigung dieser Phase. Im Grunde hat dieser Timo doch von Anfang bis Ende keine wirklichen Probleme, alles lost sich zu schnell in Wohlgefallen auf.
Deshalb gefällt mir Flieges Vorschlag, die Geschichte aus der Ich-Perspektive zu erzählen. Die bietet sich hier ja tatsächlich an. Das weitaus Interessanteste des Plots sind doch Timos Selbstzweifel, seine Unsicherheit, sein Drang, sich zu beweisen, sich selbst zu definieren über den Sport. Und ich glaube, dass du uns mit der Ich-Perspektive viel mehr nachvollziehbarere Innensicht auf Timos Gefühlswelt, auf seine Wünsche, seine Träume, seine Selbstzweifel bieten könntest. Und dadurch obendrein die Erzählsprache etwas „jugendlicher“ machen könntest. Was dem Thema für mein Gefühl nicht schlecht zu Gesicht stünde.
Solche Formulierungen z.B. passen mir einfach nicht ins Sujet, die klingen mir zu betulich, zu erklärend (und sind in beiden Fällen auch vollkommen entbehrlich):

Schmitt hielt ihm nicht mal die Hand zum Abklatschen hin, das beim Wechsel sonst obligatorisch war.

Der Gefoulte trat an die Linie, versenkte erst einen, dann den zweiten der ihm zugesprochenen Freiwürfe.

Und noch ein paar sprachliche Kleinigkeiten sind mir aufgefallen:

Timos Kopf fühlte sich genauso prall an wie der Spielball, sicher hatte er auch [die?] gleiche Farbe.

Another one bites the dust, tönte es mit Freddy Mercurys Stimme durch die Halle.
Das Fette würde ich streichen.

Keiner sagte das laut, aber bestimmt dachten sie es trotzdem.
Und hier ist mir das „trotzdem“ zu viel.

Lukas spielte in der zweiten Herren
Vermutlich sagt man das so, geschrieben sieht es allerdings seltsam aus. Vielleicht fällt dir da (als Basketballer) was Besseres ein.

Lukas hatte einige Übungsformen der Herrenmannschaft vorbereitet.
Übungen“ allein reicht vollkommen.

bis sich Timos Schnaufen zu einem ruhigen Atem verlangsamt hatte.
Besser fände ich: Atmen]

„Dir ist schon klar, dass eine Sportlerkarriere auch Glückssache ist? Dass von hundert echt Begabten auch nur einer oder zwei am Ende groß rauskommen?“
Auch wenn es mündliche Rede ist: das „auch“ wirkt hier beinahe sinnverwirrend. Stünde es nicht hier, wäre die Satzaussage für mich eindeutiger.

Der Elfer investierte seine Energie nun zunehmend in die Verteidigung und machte Timo dort das Leben schwer. Nur selten schaffte es dieser, den Bullen zu umrunden,
Auch wenn’s grammatikalisch vollkommen korrekt ist, in aller Regel klingen mir solche Reflexivpronomen einfach zu geziert, bzw. zu schulaufsatzmäßig. Also ich würde da lieber ein zweites Mal Timo lesen.

Ja, und was die Verwendung der sportartspezifischen Ausdrücke betrifft: Ich glaube nicht, dass die selbst einem vollkommenen Laien Probleme bereiten dürften, weil sich ihre Bedeutung ja aus der Handlung erschließt. Außerdem würde ein Verzicht auf diese Begriffe auf Kosten der Realitätsnähe gehen. (Wenn man z.B. übers Fliegenfischen schreibt, wird man schwerlich ohne den Begriff „Angel“ auskommen.)

offshore

 

Hallo zusammen,

vielen Dank für die zahlreichen weiteren Kommentare. Da ist wieder viel Hilfreiches und Ermunterndes dabei. Leider war ich jetzt zwei Tage offline, obwohl ich die Geschichte extra zu einem Zeitpunkt gepostet habe, wo ich anschließend Zeit für Komms und Überarbeitungen zu haben glaubte. Aber Real Life hat mal wieder andere Pläne mit mir. Deshalb wird es auch ein bisschen dauern, bis ich alles beantwortet habe, von der Überarbeitung des Textes ganz zu schweigen. Ich bitte um Geduld.

Trotzdem hat es zwischenzeitlich in mir gearbeitet, und ich hatte die eine oder andere Erkenntnis: Eine betrifft das Beschreiben von Gefühlen meines Prots. Dass da bisher zu wenig ist, ist wohl unstrittig, und ich hatte neulich gesagt, dass ich mich mit einer direkten Beschreibung schwertue und deshalb über Bande spiele (Ausdruck durch Handlungen oder gesprochenes Wort, auch mal erlebte Rede). Das wirkt nicht so gut wie beabsichtigt. Inzwischen ist mir klar geworden, dass ich das im RL genauso mache: Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, sage ich ihm nicht, wie ich mich fühle, sondern was sich ereignet hat. Aber da ich ja beim Schreiben auch Dinge erkunden will, die ich im RL nicht habe, werde ich im Lichte dieser Erkenntnis gezielt daran arbeiten, Gefühle direkter auszudrücken. Vielleicht bringt es mir ja auch fürs RL etwas. Schreiben als Psychotherapie, oh Mann!

Dazu passt die Beobachtung in dem einen oder anderen Komm, dass in dieser Story von der Handlung her wenig passiert. Auch der Bruch oder die Entwicklung wurde als schwach ausgeprägt kritisiert. Das liegt daran, dass ich dieses Element tatsächlich nicht in der äußeren Handlung, sondern im Inneren von Timo stattfinden lassen wollte. Denn er hat ja tatsächlich objektiv gar kein so problematisches Leben, es sind eher seine Hemmungen und Komplexe, die ihm im Weg stehen. Wenn ich aber nun gerade dieses Innenleben nicht deutlich genug darstelle (siehe oben), schieße ich mir natürlich selber in den Fuß. Also: ein Argument mehr, Timos Gefühlsleben besser darzustellen.

Es wurde auch vorgeschlagen, zu genau diesem Zweck einen Ich-Erzähler zu wählen. Ich glaube, das werde ich vorerst nicht tun. Ich verstehe zwar, dass man damit von der Perspektive her leichter an die Gefühle herankommt, aber schreibtechnisch wird es dann für mich umso anspruchsvoller, und momentan glaube ich nicht, dass ich das gut kann. Denn wenn ich so nah am Innern des Prots bin, muss ich ja gewissermaßen auch liefern. Hinzu kommt, dass ich für die sportliche Handlung um gewisse beschreibene Passagen nicht herumkomme. Und die stelle ich mir aus der Ich-Perspektive wahrsinnig schwer vor, wenn ich auch die Nicht-Basketballer mitnehmen will. Denn Timo wird sich ja - platt gesagt - nicht selbst die Spielregeln vorbeten. Deshalb werde ich mir die Ich-Perspektive wahrscheinlich als Anregung für eine künftige Geschichte aufheben.

Und dann habe ich in den letzten Komms auch noch gesehen, wie unterschiedlich der Erklärungsgehalt bzgl. des Sportgeschehens wahrgenommen wird. Das hat mich nicht überrascht, sondern eher meine Erwartung bestätigt. Einige Leser wünschen sich mehr Erklärungen, um besser folgen zu können; andere hätten es gerne knapper, um das Tempo aufrechtzuerhalten. Jetzt könnte ich mir auf die Schulter klopfen in der Annahme, die goldene Mitte gefunden zu haben, oder mir in den Hintern treten, weil ich einen wachsweichen Kompromiss gewählt habe. Ich denke noch darüber nach.

So, und jetzt zu den einzelnen Kommentaren (okay, zumindest zu einem):


Hallo jimmysalaryman,

Du kritisierst meine indirekte Erzählweise, und wenn ich Dich richtig verstehe, tust Du das aus zwei Hauptgründen. Der eine ist das verschenkte Potential, weil ich nicht näher am Prot bin. Das gehe ich voll mit, siehe meine bisherigen Erklärungsversuche. Da werde ich auf jeden Fall nachbessern. Die Szenen, die Du dafür zitierst, leuchten mir auch alle ein, ohne dass ich jetzt auf jede einzelne eingehe (Ausnahmen s.u.).

Das andere ist etwas, was Du als Einmischung oder Dazwischenschieben umschreibst und woraus Du einen Verlust an Glaubwürdigkeit ableitest. In Komms zu anderen Geschichten hattest Du an ähnlichen Stellen auch mal ein manipulatives Element konstatiert, auch wenn Du das Wort hier nicht benutzt. Da habe ich ehrlich gesagt gewisse Zweifel. Wenn ich selbst Texte lese, die in diesem Stil geschrieben sind (wie auch immer man den nennt, er scheint mir relativ gängig zu sein), empfinde ich das eher so, dass sich der Erzähler zum Anwalt des Prots macht. Mag sein, dass das etwas distanzierter wirkt, aber ich empfinde das beim Lesen deshalb nicht als unglaubwürdig. Jedenfalls habe ich nicht das Gefühl, dass mir der Autor eine gefärbte Weltsicht als objektiv andrehen will (Objektivität gibt es ja sowieso nicht), sondern bin mir voll bewusst, dass hier jemand mit der Brille des Prots sieht und mir genau diese Sicht vermitteln will. Das ist meine Leserempfindung, und Entsprechendes versuche ich auch als Autor zu bewirken. Jetzt frage ich mich: Ist das tatsächlich nur eine Geschmacksfrage, oder steckt da mehr dahinter, was ich bloß noch nicht verstanden habe? Ich lasse mich da ja gerne belehren, aber ich muss es eben auch wirklich verstanden haben, um es umsetzen zu können.

Und falls mein Stil jetzt tatsächlich nicht völlig untauglich ist, stellt sich mir die Anschlussfrage, ob er sich mit der direkten Darstellung kombinieren lässt oder ob das eher ein Entweder-Oder ist. Hm, vielleicht muss ich das einfach ausprobieren.

Auch das "Entpacken" verstehe ich. Ich denke aber, ich werde das dosieren müssen, weil das ja auch ein Weg ist, Gewichtungen zu vergeben. Also bevorzugt das entpacken, was ich dem Leser wirklich näherbringen will, und Nebensächliches auch einfach mal oberflächlich lassen. Deine Antwort dazu sehe ich ja:

Du solltest dir die Frage stellen, wo direktes, szenisches Erzählen, in dem du etwas zeigst, das klassische charakter revealing, wo sich das lohnt, oder wo du lieber eine Abkürzung durch eine summarisches Zusammenfassung nimmst. Ich sage: Fast immer lohnt sich das Entpacken, denn du zeigst deinem Leser mehr Charakter.

Keiner sagte das laut, aber bestimmt dachten sie es trotzdem.
Zeigen. "Das Team sah ihn an, kalt, als sei er der Gegner, und nicht einer von ihnen."
Hier erkenne ich z.B. sehr schön den Wert des Entpackens. Denn meine Vorstellung war nicht, dass sie tatsächlich böse auf ihn sind (vom Trainer mal abgesehen), sondern dass Timo das falsch bewertet. Kann der Leser offensichtlich nicht gut unterscheiden, wenn ich so indirekt schreibe. (Andererseits bin ich nicht sicher, ob er es im anderen Fall könnte, denn ich stelle ja so oder so Timos Sichtweise dar. Hm ...)

Ich muss sagen, ich liebe Sportfilme, und auch Sportgeschichten. Die Dynamik einzufangen, ist natürlich eine Kunst. (...) Du hast das für meinen Geschmack etwas zu linear angelegt, da ist kein Bruch. (...) Mir ist das zu süß. Ich fände es gut, wenn Timo einfach beschissen spielt, so beschissen wie nie zuvor, aber dafür das Mädchen kriegt. Oder: Er spielt beschissen, kriegt das Mädchen, trifft sie, und ihr Weltmeisterpapa erzählt ihm, dass auch er nie zu einem solchen Lehrgang eingeladen wurde, aber siehe da! Trotzdem ist was aus ihm geworden. Mir fehlt ein Bruch.
Dazu hatte ich oben schon etwas gesagt. Der Bruch sollte in Timo stattfinden. Er ist ja nicht so schlecht, eigentlich richtig begabt, hat aber die eine Schwäche, die ihm größer erscheint, als sie ist, woran der Trainer natürlich nicht unschuldig ist. Und das überwindet er am Ende, so jedenfalls meine Idee. Aber ich verstehe, dass ich davon zu wenig gezeigt habe.

Die Szene zum Beispiel, wo er mit seinem Bruder spielt, diese "Dinosaurier-Szene", auch da könntest du mehr zeigen. Du müsstest wirklich eine Spielsituation erschaffen und dann auch konkret beschreiben, in der dem Leser klar wird, der Bruder ist tatsächlich der bessere Spieler, es wird nicht nur behauptet, sondern die Figuren, die Charaktere belegen das selbst. So wird auch die Hierarchie deutlicher. Ich nehme keinem eine Trainer oder Mentorfunktion ab, wenn ich nicht sehe, dass der klar besser ist.
Auch das habe ich offenbar nicht gut genug gezeigt. Der Bruder ist nicht besser, nur schneller. D.h. in diesem einen Punkt kann er Timo noch was beibringen, da hätte ich (an Timos Stelle) auch kein Glaubwürdigkeitsproblem. Ich hatte überlegt, den Bruder hier noch mehr sagen zu lassen, dass er eigentlich Timo um dessen Talent beneidet und der sich nicht wegen dieser einen Schwäche so einen Kopf machen soll. Habe dann darauf verzichtet, weil es mir zu offensichtlich schien. Ich denke neu darüber nach.

Das hier ist ein tolles Bild: Auf den Nasenflügeln spürte er das Gewicht der Brille, die er vor Jahren gegen Kontaktlinsen eingetauscht hatte. Da steckt sehr viel drin, aber du relativierst es, weil du die Funktion schon benennst: Er war mal ein Nerd. Du implementierst zu viel in deinen Text, lässt ihn zu wenig selbst sprechen. Du solltest dir, wenn du in der Lage bist, solche guten Bilder zu erschaffen, einfach vertrauen.
Das Vertrauen fehlt mir tatsächlich. Ein Stück weit aber auch aus "leidvoller" Erfahrung, weil nur ein Bruchteil der Bilder, die ich mir ausdenke, so gut ankommt.

Deine Dialoge klingen nicht echt. Die preisen Informationen an, und dann bekommt man als Leser sehr schnell das Gefühl, die Figuren sind Stichwortgeber.
Ja, das liegt mit daran, dass ich hier ein Thema habe, das vielen Lesern nicht vertraut ist, so dass ich ein Erklärungsbedürfnis verspüre. Ich möchte wetten, wenn ich das minimiere, werden die Stimmen lauter, die einfach nicht folgen können. Aber immer nur über Themen schreiben, die jeder kennt, ist auch blöd.

Jimmy, ich danke Dir für die Einsichten. Mal sehen, wie viel ich davon umgesetzt kriege ...


So viel für den Moment. Vielleicht schaffe ich heute Abend noch mehr, sonst morgen.

Grüße vom Holg ...

 

Hallo zusammen,

weiter geht's:


Hallo GoMusic,

eine schöne Geschichte; der Ausflug in fremde Gefilde ist dir genauso gut gelungen wie bei anderen Genres.
Vielen Dank, das freut mich sehr! Ist ja bisher nicht unbedingt Konsens ... :D

Kenne mich mit Basketball jetzt nicht so gut aus, aber du hast es so beschrieben, dass selbst ich mit den Begriffen etc. zurechtkam.
Prima, das war ja mein Ziel. Aber auch da gehen die Meinungen ja auseinander.

Trainer Schmitt hat mich an (Soldaten-)Ausbilder Schmidt erinnert, der mit „Morgen ihr Luschen!“ (Kennst du den?)
Den kenne ich, aber an den habe ich tatsächlich keine Sekunde gedacht, bis Du ihn erwähnt hast. Ich hatte wen anderes im Sinn, keinen Promi.

Also hatte er es nur gedacht? Vielleicht so? [kursiv]
Gute Idee. Ich hatte Anführungsstriche genommen, weil er es "fast gesagt" hat, aber das verwirrt wohl nur.

[Ghettoblaster] Das ist sicher ein Gegner, der nicht auf dem Spielfeld ist, oder? Also ein bereits ausgewechselter Spieler?
Jo, irgendwer von der Ersatzbank. War der Schere zum Opfer gefallen, kann ich auch wieder reinkleben.

Was machen die denn sonst am Dienstag? „Normales Training“ oder ist das trainingsfrei? Hier würde ein kleiner Hinweis gut passen.
Ich dachte an normales Training, aber Du hast Recht, das steht nicht drin.

Hihi. Welcher Sportlehrer ist nicht auch Mathelehrer?
Oh, in meiner Schulzeit hatte ich auch welche, die Englisch bzw. Gemeinschaftskunde als zweites Fach hatten. Letzterer wurde später ein halbwegs bekannter Fußballtrainer in der Bundesliga und international. Das klappt also auch ohne Mathe. :D

Verstehe ich nicht so richtig. Spielt er denn Basketball auch mit Brille oder mit Kontaktlinsen?
Die Brille trägt er schon seit Jahren nicht mehr. Das ist Teil seines Flashbacks in seine Nerd-Zeiten.

[Szene mit Huhn] Klasse!
Sieht nicht jeder so, glaube ich, dafür muss man halt Rocky gesehen haben. Kann sein, dass ich das rauskicke, obwohl ich's selber schade finde.

Mein Gefühl sagt mir „ob auch Sanela da war“.
Wo ist ein Grammatiklehrer, wenn man einen braucht?

Hier würde ich ausnahmsweise für die Schreibweise „11“ plädieren.
Da habe ich geschwankt. Okay, dann falle ich jetzt um. :D

Der Titel … Dachte da erst an eine alberne Kindergeschichte. Wirkte zunächst abschreckend. Im Nachgang passt es ganz gut, da es erklärt wird.
Ja, den fanden schon mehrere unattraktiv. Da fehlt mir wirklich noch 'ne coole Idee.

Sauber, flüssig, fehlerfrei geschrieben. Am Ende kommen sich Männchen und Weibchen näher, so wie es in jeder guten Jugendgeschichte ist. Die Happy Ends waren aber vorhersehbar …
Komisch, anscheinend springt echt niemand auf die Mehrdeutigkeit des Endes an. Vielleicht lacht sie ihn ja auch aus, wegen Kino und so? Ihr habt echt alle so rosarote Brillen auf! :lol:

Gerne gelesen. Hat mir Spaß gemacht.
Das ist die Hauptsache. Ich danke Dir für Deinen Besuch und den Blick auf die Details!


Hallo Eisenmann,

Wow - also die Story eignet sich ja voll zu nem coolen Block-Buster!
Vielen Dank für das Kompliment ... glaube ich ...

Eigentlich hatte ich ja versucht, mal ein bisschen mehr Tiefe in meinen Prot zu bringen und etwas weniger Hollywood-mäßig zu schreiben. Aber hey, wenn mich ein Producer anruft und 'ne Million für die Rechte am Skript bietet, werde ich mich nicht lange zieren.

Gefehlt hätte nur noch der miese Erzrivale, ein versnobbter, neureicher Schnösel, der eigentlich der Freund der scharfen Braut ist und sie total mies behandelt, und der am Ende als der große Verlierer dasteht!
Ich denke mal darüber nach, aber die Chancen sind ... eher begrenzt. ;)

Sehr gern gelesen, das "Rocky-meets-Indianer-von-Cleveland"-Teil!
Das wärmt mein Herz, vielen Dank für Dein Lob!


Hallo wieselmaus,

von der Sportart verstehe ich nur ein bisschen was. Trotzdem konnte ich dem Spielverlauf ganz gut folgen.
Ah, eine weitere positive Stimme hierzu, das freut mich!

Auch das Verhältnis der Brüder zueinander ist plausibel mit der Handlung verwoben. Ich dachte allerdings zuerst, es seien Halbbrüder wegen ihrer unterschiedlichen körperlichen Ausstattung.
Naja, da kommt vielleicht einer mehr nach der Mutter und der andere nach dem Vater. Mein Bruder und ich sehen uns auch nicht besonders ähnlich. Aber meinetwegen könnten es auch Halbbrüder sein, das halte ich für unerheblich. Groß diskutieren wollte ich es allerdings nicht.

Beim Trainer wusste ich nicht, soll ich ihn jetzt als Miesling oder raffinierten Sportpädagogen verstehen. Da fehlt mir ein Zwischenschritt, den auch Timo erkennen müsste als Basis für das zukünftige Training.
Schmitt selbst gefiel mir eigentlich als etwas unklarer Charakter ganz gut, auch wenn man natürlich noch daran feilen kann. (In meiner persönlichen Vorstellung ist er zwar kein böser Mensch, aber auch kein solcher Pädagogenfuchs, dass er Timo bewusst auf diesen Weg geführt hätte. Eher so ein Rauhe-Schale-weicher-Kern-Typ. Das ist aber nur Backstory, das wollte ich ruhig offenlassen.) Aber in Timo müsste tatsächlich gerade im Verhältnis zum Trainer etwas mehr passieren. Ich denke da an eine Erkenntnis, dass Schmitt eben kein Gott ist, vor dem man solchen Schiss haben müsste, und dass Timo letztlich sein eigenes Ding machen muss. Vielleicht kann ihm der Bruder zu dieser Einsicht verhelfen. Mal sehen, das braucht noch ein bisschen Überlegen.

Sanela könnte vielleicht noch eine aktivere Rolle bekommen, z. B. im Dialog am Schluss. Sie muss ja nicht gleich eine Quasselstrippe sein
Hm, mal sehen. Ich hatte ja neulich gesagt, sie interessiert mich per se gar nicht so, sondern mehr das, was Timo in ihr sieht. Aber auch dafür könnte ein Stück Dialog zwischen den beiden vielleicht nützlich sein.

Hat mir sehr gut gefallen, ich mag Geschichten, die gradlinig erzählt werden.
Vielen Dank für dieses Lob und für die Anregungen, ich nehme da einiges zum Nachdenken mit.


Nochmals danke an alle, morgen (hoffentlich) beantworte ich die nächsten Kommentare.

Grüße vom Holg ...

 

Das andere ist etwas, was Du als Einmischung oder Dazwischenschieben umschreibst und woraus Du einen Verlust an Glaubwürdigkeit ableitest.

Ich muss da etwas ausführen. Im Prinzip ist das eine Stilfrage. Wenn du personal erzählst, dann kannst du dich natürlich entscheiden, den Erzähler näher einzubringen. Dann hast du natürlich das Problem, dass der Erzähler alles wissen muss oder sollte, er wäre fast auktorial. Was ich aber meinte, ist etwas anderes. Es liegt dann einfach weniger in den Figuren, der Autor macht sich sichtbar. Ich persönlich empfinde das - unglaubwürdig ist natürlich hart - aber du baust eine Distanz zu den Figuren auf, besser wäre es, sie zu stärken.

Hier mal, was Elmore Leonard dazu sagt, von dem ich das geklaut habe. Ich versuche zur Zeit, fast erzählerlos zu erzählen, das ist natürlich echt speziell.


3. Never use a verb other than ''said'' to carry dialogue.

The line of dialogue belongs to the character; the verb is the writer sticking his nose in. But said is far less intrusive than grumbled, gasped, cautioned, lied. I once noticed Mary McCarthy ending a line of dialogue with ''she asseverated,'' and had to stop reading to get the dictionary.

4. Never use an adverb to modify the verb ''said'' . . .

. . . he admonished gravely. To use an adverb this way (or almost any way) is a mortal sin. The writer is now exposing himself in earnest, using a word that distracts and can interrupt the rhythm of the exchange. I have a character in one of my books tell how she used to write historical romances ''full of rape and adverbs.''

Ich hoffe, mich da jetzt verständlicher ausgedrückt zu haben.

Gruss, Jimmy

 

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