Was ist neu

Copywrite Die Botschaft

Seniors
Beitritt
21.12.2015
Beiträge
1.270
Zuletzt bearbeitet:

Die Botschaft

Matthias schwankte und wäre beinahe auf der Treppe ausgerutscht, in deren ausgetretenen Stufen sich Wasser gesammelt hatte. Das Gasthaus „Zum roten Ochsen“ lag direkt neben der Kirche. Matthias kannte die Zahl 1656, sie war auf dem Stirnbalken über dem Eingang eingebrannt, daneben hing das Wirtshausschild mit dem Ochsen. Es hatte sich etwas aus der Verankerung gelöst. Beim geringsten Wind fing es an zu klappern, aber das schien niemanden zu stören. Nach der Sonntagsmesse trafen sich in dem dunklen Schankraum nur noch wenige Männer zum Frühschoppen. Unter der Woche lebte das Wirtshaus vor allem von den einheimischen Rentnern am Stammtisch.
Lange her, dass hier Familienfeiern und Cegoturniere stattgefunden haben, dachte Matthias, als er sich gegen Mitternacht auf den Heimweg machte, die Jungen gehen lieber ins „Outback“ oder zum „Playpoint“. Auch Stefan war lieber ins Vereinslokal des FC Oberweiler gegangen.
So ist es halt. Jugend sucht Jugend.
Wie jeden Samstagabend diskutierten die vier Alten am Stammtisch heftig über die Zukunft ihrer Gemeinde. Wortführer war Hubert, mit seinen fünfundsechzig der Jüngste in der Runde.
„Der Egon will den 'Ochsen' verkaufen." Matthias nickte. Davon hatte er schon gehört.
"Er schafft es nicht mehr, jetzt, wo die Lina Diabetes hat."
„Und woher willst du das wissen?“ Ernesto stellte immer alles in Frage, was von Hubert kam.
„Ich weiß es halt. Es ist nicht nur Geschwätz. Im Gemeinderat wird auch gerade über den 'Ochsen' diskutiert. Ihr wisst ja, Erneuerung der Ortsmitte. Seit die Grünen die Mehrheit haben, ist wenigstens Leben in der Bude.“
Hubert hatte zu allem eine feste Meinung, besonders zu Fragen der Ernährung und Fitness. Noch immer lief er den Halbmarathon in Lörrach und Schaffhausen mit.
„In Niederweiler erzählen sie, sie hätten UFOs gesehen. Blitze am Himmel und vier oder fünf blinkende Scheiben. Am helllichten Tag, dabei keine Gewitterwolke weit und breit.“
„Die Niederweiler sind schon immer Spinner gewesen. Die 'UFOs' kommen wahrscheinlich von den Immelmännern in Bremgarten.“
„Ach was, die gibt’s doch gar nicht mehr! Die sind doch jetzt in ...“
Matthias ärgerte sich.
„Und wenn schon. Was ist mit den Kornkreisen, die sie in Bayern entdeckt haben? Wie heißt das Kloster gleich wieder?“
„Langenthal oder so ähnlich.“
„Matti, redest du ernsthaft von Außerirdischen? Ich fass' es nicht.“
„Wieso nicht? In Amerika glauben viele, dass die Aliens längst unter uns sind. Roswell, Area 51, ihr wisst schon. Und immer wieder verschwinden Leute, einfach so. Ich sage euch, da hat's schon mehr als einmal Entführungen gegeben. Grüne Männchen sind auch gesehen worden. He, Hubert, das müsste dich doch freuen.“ Matthias grinste.
„Nee, Matthias, mit mir nicht. Bisschen dünn, der Witz. Egon, noch eine Runde!“ Matthias und Ernesto hatten nichts dagegen.

Josef hatte den ganzen Abend so gut wie gar nichts gesagt und nur, seinen Gutedel vor sich, in den Herrgottswinkel gestarrt. Die Hände mit den eingerissenen Nägeln pressten sich um sein Glas, wenn er es losließ, bemerkte Matthias, dass sie zitterten. Mehr als einen halben Liter trank Josef normalerweise nicht. Er hatte den weitesten Heimweg, mehr als zwei Kilometer von Oberweiler entfernt. Den legte er mit dem Fahrrad zurück. Sein Zuhause war ein Aussiedlerhof, wie sie nach der Flurbereinigung zu Dutzenden in der Rheinebene entstanden waren. Schmucklose Wohngebäude mit extra Scheunen und Stallungen, Mensch und Vieh lebten nicht mehr unter einem Dach. Um den Hof herum lagen die Felder, bequem zu bewirtschaften, weil man kaum mehr kleine und kleinste Gewanne pflegen musste. Eine Chance für Bauern, die ihren gesamten Lebensunterhalt ohne Nebenerwerb verdienen wollten. Josef, als einziger in der Stammtischrunde, war früher so ein Bauer.
Bei dem Wort „Entführung“ räusperte er sich und hob sein Glas. Er wartete, bis alle zuhörten, auch die Fremden an den anderen Tischen.
„Heute wär ich fünfundzwanzig Jahre verheiratet. Silberhochzeit. Und die Hertha hätte übermorgen ihren Zweiundsechzigsten. Ich möcht, dass ihr mit mir auf die Hertha trinkt.“
Pause. Dann stießen ein Weinglas und drei Biergläser zusammen. Es klang nicht besonders harmonisch und niemand sagte Prost oder was Ähnliches. Egon, der Wirt, legte an der Theke das Poliertuch zur Seite, stellte vier Henkelgläser und eine Flasche Wein auf ein Tablett und baute sich hinter Josef auf.
„Geht aufs Haus, Sepp“, sagte er und ließ seine Linke schwer auf Josefs Schulter fallen, als wolle er ihn auf dem Stuhl festnageln.
Es war fast unmöglich, wieder in ein Gespräch zu finden. Schließlich landeten sie bei den Fußballergebnissen und den Wetteraussichten. Ein Unfall auf der Bundesstraße mit zwei Toten beschäftigte sie eine Weile. Einer der beiden Verunglückten stammte aus Niederweiler, ein ganz junger Spund, gerade mal mit der Lehre fertig. Was konnte da schon Großartiges im Nachruf stehen. Der Nachruf, die Wertschätzung durch die Gemeinde, immer wieder kamen sie auf dieses Thema zurück. Auch, was auf dem Grabstein stehen sollte.

Josef war wieder in brütendes Schweigen verfallen. Matthias kannte wie alle die tragische Geschichte von Josef und Hertha. So ein Aussiedlerhof war vielleicht komfortabler als die meisten alten Bauernhöfe im Dorf. Aber welche junge Frau wollte schon in die Einsiedelei, ohne Nachbarn für ein kurzes Gespräch über den Zaun, ohne Kirchenchor oder wenigstens ein Kaffeekränzchen, um Rezepte auszutauschen? Es war ein veritables Wunder, dass schließlich doch noch eine junge Frau auf dem Hof einzog. Sie war deutlich jünger als Josef, der durch die schwere Hofarbeit ein wenig gebückt ging und auch sonst kein Ausbund an Schönheit war.
Matthias erinnerte sich an seinen Versuch, Genaueres über das Wunder zu erfahren.
„Sie sieht aus wie eine aus der Großstadt. Woher kennst du sie?“
„Partnersuche in der Zeitung vom Bauernverband.“
„Und das hat sofort geklappt?“
„Nee, hatte da ein Abo.“
„Wie bist du denn darauf gekommen?“
„Ehrlich?“
„Ehrlich.“
„Der Pfarrer hat mir den Tipp gegeben. Der hatte wohl Mitleid mit mir. Vielleicht war er auch wütend. Ewig dieselben Sünden.“
„Und jetzt? Meinst du, das geht gut?“
„An mir soll's nicht liegen. Wir sind schon verheiratet, auf dem Standesamt in Müllheim. Hertha weiß noch nicht, ob sie in der Kirche getraut werden will. Aber sie war froh, aus Berlin fortzukommen. Dort hatte sie kein schönes Leben.“
„Was meinst du damit?“
„Was ich sage. Kein schönes Leben. Sie will nicht darüber reden. Vielleicht später mal.“
Sechs anscheinend glückliche Jahre folgten. Matthias und Marie, seine Frau, wunderten sich, wie schnell Hertha alles lernte: Brot backen, Gemüse und Obst anbauen, Ferkel aufziehen. Dann legte sie sich Hühner zu, schließlich eröffnete sie einen Hofladen. Ihr liebstes Projekt, erfuhr Matthias von Marie, sei der Ausbau einer kleinen Ferienwohnung.
Josef blühte sichtlich auf. Beim Kirchgang am Sonntag führte er seine Hertha stolz ins vordere Drittel der Bankreihen, dahin, wo es Polster für die Knie gab. Zuhause oder auf dem Feld trug sie enge Jeans und Oberteile mit tiefem Ausschnitt, bei Dorffesten und zum Erntedankfest erschien sie in Tracht. Niemand fand sie lächerlich.
„Bella figura, sie macht wirklich bella figura“, sagte Ernesto, der, wie die meisten Männer um die fünfzig herum, für die flotte „Zug'reiste“ schwärmte.
Im sechsten Jahr, am dritten Juni, verschwand Hertha spurlos. Weder die zahlreichen Hundestaffeln noch Fahndungen im Elsass und in der Schweiz brachten Ergebnisse. Josef wurde kurzzeitig in Haft genommen, aber es gab nicht den geringsten Beweis, dass er etwas mit dem Verschwinden zu tun hatte. Die Gerüchte blieben.

Die spendierte Flasche war fast leer. Von der Kirche her schlug es Viertel vor zwölf. Josef goss den Rest Wein in sein Glas. Nach dem zehnten oder elften letzten Tropfen stellte er die Flasche auf den Tisch zurück. Er zitterte so sehr, dass sie beinahe umfiel.
„Ich muss euch noch was sagen.“
„Hast du was Neues über Hertha gehört?“
„Nein. Was ich sagen will, es gibt Aliens. Und es gibt Beweise dafür, ganz in der Nähe. In meinem Kornfeld hinter der Scheune. Zwei Ringe. Ich hab sie gestern entdeckt.“
„Du machst Witze. He, Sepp, was ist los mit dir? Hat dich der Wein jetzt umgehauen?“ Matthias dachte an Josefs klappriges Fahrrad.
„Kein Witz. Ihr könnt es euch selber ansehen. Montagabend, ja, übermorgen wäre gut.“
„Na hör' mal, Sepp, selbst wenn es UFOs gäbe, warum sollten sie gerade in deinem Kornfeld landen?“
„Ich hab's doch schon gesagt, übermorgen hätte Hertha Geburtstag.“
„Ja, und?“
„Es ist eine Botschaft von Hertha. Ich glaube, sie ist von Aliens entführt worden.“

Hubert hätte nicht so lauthals lachen und ihm den Vogel zeigen dürfen, dachte Matthias, als er die nasse Dorfstraße entlangging, So behandelt man Freunde nicht. Mein Gott, wie blass er war. Hoffentlich kommt er gut heim. Verrückte Geschichte mit den Aliens. Trotzdem, ich frag mal Ernesto, ob wir rausfahren sollen. Hubert wird wohl nicht mitgehen. Wir waren ja ewig nicht mehr da draußen. Eine Botschaft von Hertha zur Silberhochzeit. Eigentlich ein schöner Gedanke.
Matthias ging gerne durch den Juniregen, die feuchte Luft tat seinen Bronchien gut. Nur mit den Knien hatte er bei solchem Wetter einige Probleme. Und das Kreuz spürte er auch von Jahr zu Jahr stärker. Waldarbeit war eben Schwerarbeit, trotz der guten Luft. Es wäre besser, wenn er mit dem Rauchen ganz aufhören würde. Überhaupt hatte Josefs Silberhochzeit ihn daran erinnert, dass er seiner Frau nach vierzig Jahren immer noch die Hochzeitsreise an den Luganer See schuldig war. Wir sollten mehr zusammen unternehmen, wer weiß, wie lange ich noch kann.
Vor seinem Haus blieb er stehen. Im oberen Stockwerk brannte Licht. Marie hatte wohl den Laptop mit ins Schlafzimmer genommen.
„Marie, ich bin wieder da, es ist doch etwas später geworden“, rief er nach oben, „ich schau noch mal, ob das Katzenfenster offen ist. Brauchst du noch etwas?“
„Nee, alles gut.“ Als Matthias, nur noch in Unterwäsche, ins Schlafzimmer kam, schaute sie kurz hoch.
„Du lieber Himmel, dass es so spät ist, habe ich gar nicht gemerkt.“
Für Landfrauen gab es neuerdings viel Unterstützung in PC-Initiativen. Stefan hatte seine Mutter von Anfang an unterstützt und ihr seinen alten Laptop geschenkt.
Matthias ließ sich ins Bett fallen und drehte sich ein paar Mal hin und her, bis er eine bequeme Lage gefunden hatte.
„Mach jetzt Schluss, du verdirbst dir bloß die Augen.“ Ich würde lieber noch über Sepp reden. Wieso kommt er mit dieser Alien-Geschichte? Ob er wirklich daran glaubt?
„Wenn du meinst.“ Mit einem Seufzer schaltete Marie ihren Laptop aus, schob ihn unters Bett und griff nach dem Lichtschalter. „Demnächst lernen wir im Kurs noch ein anderes System, skype, da kann man die Person, mit der man am Computer spricht, sehen, wie sie in ihrer Wohnung herumläuft. So ähnlich jedenfalls. Ich hab noch nicht alles verstanden. Hörst du mir überhaupt zu, Matti? Wir können dann jeden Tag unsere Enkel sehen. Sag doch mal was dazu.“
Aber was sollte er dazu sagen? Er verstand ja nichts von dieser neuen Technik, in der Marie fast schon heimisch war.
"Du bist halt ein alter Grübler und Sinnierer, deswegen gehst du ja auch zu deinem Stammtisch, die passen zu dir", sagte sie halb lachend, halb ärgerlich, "aber lass du mir meine Landfrauen. Ich brauch das."

Mit auf der Brust gefalteten Händen lag er lang ausgestreckt wie auf einem Schragen und starrte die weiße Zimmerdecke an. Die Straßenlaterne vor dem Haus warf diffuse Muster an die Wände, vielleicht Schatten von Laub, das sich im Wind bewegte. Marie wollte die Rollläden im Sommer immer oben haben, wegen der Luft, wie sie sagte. Sie konnte auch gut schlafen, wenn es nicht ganz dunkel war.
Ist wohl sinnlos, jetzt noch mit Sepp anzufangen. Sie ist ja ganz besessen von ihrem Internet. Aliens. Vielleicht ist doch was dran. Sonst wäre er niemals dermaßen wütend abgehauen. Ich kenne ihn gar nicht so. Schade für den Abend … Mit Hubert stimmt auch was nicht. Er hat heute auf alles gereizt reagiert. Heute Morgen geh ich mal ganz früh in die Reben und zur Wiese ... Und wenn sie aus der Kirche kommt, hört sie mir vielleicht eher zu. 'Sinnierer' hat sie gesagt ..."

Der Aufstieg durch die Reben zur Streuobstwiese war steil und verlangte Matthias' Knien einiges ab. Es war kein großes Rebstück. Die Trauben konnten auch mit wenig Helfern in einer halben Woche gelesen werden. Zum Keltern wurden die Bottiche bei der Winzergenossenschaft abgeliefert und dort vermarktet. Es sprang nur ein kleiner Nebenverdienst dabei heraus. Oben lag die Wiese in vollem Sonnenlicht. Seit Matthias in Rente war, verging kaum ein Tag, an dem er hier nicht nach dem Rechten sah. Matthias ließ sich ächzend auf der leicht verrotteten Bank nieder. Wieder einmal nahm er sich vor, sie zu ersetzen. Die Rheinebene lag noch im Morgennebel. Wenn er sich ganz verzogen hatte, würde man sehen, wie sich der Strom als glitzerndes Band durch den Rheingraben wälzte, flankiert von Vogesen und Schwarzwald, deren Gipfel sich in bläulichem Dunst verloren.
Trotz der starken Besiedelung und Kanalisierung ein Anblick von elementarer Kraft. Matthias konnte diesen Satz auswendig. Er hatte ihn im Kalender aus der Apotheke gefunden, den sie jedes Jahr geschenkt bekamen.
Unter den Apfelbäumen, die bereits Frucht angesetzt hatten, stand das Gras fast einen halben Meter hoch. Wildkräuter und Wiesenblumen lockten jede Menge Insekten und Vögel an, die Hummeln brummten so laut, dass sie sogar den Motorenlärm der Autobahn übertönten. Höchste Zeit, mit der Sense unter den Bäumen Platz zu schaffen für die Fruchtausdünnung. Auch kein leichtes Unterfangen für seine alten Knochen. Für eine Weile vergaß er Josef und die Aliens. Er musste sich allmählich Gedanken darüber machen, wie es mit den Reben und der Obstwiese weitergehen sollte. Auf Stefan konnte er nicht zählen. Der hatte sich im Tessin ein Haus gebaut, seine Töchter waren halbe Italienerinnen mit rabenschwarzen Augen und Haaren. Liebe, hübsche Dinger, mit einem ganz anderen Temperament als die deutsche Oma. Badeurlaub an der Riviera fanden sie allemal attraktiver als Ferien in dem biederen Oberweiler. Matthias seufzte. Er würde wohl verkaufen müssen.

Schon von weitem sah er Marie, wie sie sich den Hang heraufquälte.
„Der Hubert ist in der Klinik. Herzinfarkt. Er liegt auf der Intensivstation. Ernesto ist bei ihm."
„Hubert? Der ist doch kerngesund. Wann ist das passiert? Gestern Abend war er wie immer, schwer am Politisieren.“
„Ernesto meint, Hubert habe sich mächtig aufgeregt über Josef und den Blödsinn mit den Kornkreisen. Du hast mir gar nichts davon erzählt.“
„Ich hätt schon, aber du warst ja mit deinem Laptop beschäftigt.“
„Ich versteh das nicht. Sepp ist doch kein Spinner. Vielleicht ein wenig schrullig in den letzten Jahren. Ist ja auch kein Wunder, so allein da draußen. Meinst du, wir sollten mal nach ihm schauen? Oder ihn lieber zum Kaffee einladen?“
„Lass nur, Marie. Morgen Abend fahr ich zu ihm raus. Ich will mir die Kreise vor Ort ansehen. Besser, ich geh allein, vielleicht kann ich dann rauskriegen, was dahinter steckt. Er redet ja nicht mehr mit jedem.“
„Die Landfrauen wollten ihm eine Dorfhelferin schicken. Aber er hat alles abgelehnt, nicht nur einmal. Manche lassen sich eben nicht helfen. Armer Mann.“
„Ich werd' es rausfinden. Morgen Abend.“

Die Sonne verabschiedete sich gerade hinter den Vogesen, als Matthias seinen VW vor Josefs Hofeinfahrt abstellte. Der blutrote Abendhimmel kündigte Regen an. Matthias stellte den Korb mit dem Apfelmus und den frisch gebackenen Waffeln auf einen rostigen Gartentisch neben dem Eingang. Die Haustür stand offen und auch die Tür im Flur zur Wohnküche. Josef war nirgends zu sehen oder hören. Auf dem Elektroherd stand ein Topf mit Kartoffelsuppe, die vor sich hin köchelte. Die Kücheneinrichtung sah genau so aus wie zu Herthas Zeiten. Immer noch die rot-weiß karierten Kissen auf der Sitzbank, jetzt aber durchgesessen und fleckig. An der Wand ein Lebkuchenherz mit der Zuckerschrift 'zum Fressen gern'. Die Küchenuhr war stehengeblieben. Im Haus rührte sich nichts.
Bestimmt steht er bei seinen Kornkreisen. Hinter der Scheune, hat er gesagt. Sieht nicht so aus, als hätte er mit Besuch gerechnet. Na, dann will ich mal dort nachschauen.
In diesem Augenblick trat Josef aus der Scheune. Er trug seine blauen Latzhosen und wischte mit einem Lappen die Hände ab. Die aufgekrempelten Ärmel waren bis obenhin mit Schmieröl bespritzt, auch das Gesicht hatte etwas abgekriegt. Als er Matthias erkannte, blieb er stehen.
„Hätte nicht geglaubt, dass jemand aufkreuzt“, sagte er und bearbeitete Arme und Hände weiter. „Bist du allein?“
Matthias war ebenfalls stehen geblieben. Die Abendsonne blendete ihn, so dass er den Gesichtsausdruck des alten Freundes nicht richtig deuten konnte.
„Ja. Ernesto kümmert sich um Hubert im Krankenhaus“.
„Krankenhaus?“
Matthias nickte. Er wusste nicht genau, wie er es Josef beibringen sollte.
„Ein Sturz?“
„Nein. Schwerer Herzinfarkt. Hat sich wohl daheim tierisch aufgeregt und hat im Wohnzimmer herumgetobt. 'Der alte Krauterer bringt noch das ganze Dorf in Verruf!' Das hat er, sagen sie, immer wieder geschrien, bis er umgefallen ist.“ Matthias machte eine Pause. „Sepp, ich bin wegen der Kreise da.“
Josef ließ den Lappen fallen und deutete auf die Stühle neben dem Gartentisch.
„Setz dich, bitte. Es … es gibt keine Kreise und auch keine Botschaft. Ich muss jetzt erst mal ins Haus. Was anderes anziehen. Der verdammte Unimog.“

Als Josef zurückkam, trug er in der linken Hand zwei Schnapsgläser und eine weiße Flasche ohne Etikett, in der rechten zwei Suppenteller und Löffel.
„Hefe, hab mal mit Brennen angefangen, brauchst es ja nicht weitererzählen. Ich hab auch Kartoffelsuppe. Wir können hier draußen essen.“
„Im Korb sind frische Waffeln, von Marie, ich soll dich grüßen. Was ist jetzt mit den Kreisen?“
„Das mit dem Hubert tut mir leid. Aber so ist es halt. Es kann jeden erwischen, du weißt nicht, wann es passiert. Wenn man dann nur nicht allein ist.“
„Ja, da hat Hubert Glück gehabt.“
„Manchmal stell ich mir vor, ich liege ganz allein auf dem Acker oder in der Küche, und niemand merkt es. Vielleicht ist es Hertha ja auch so gegangen. Ich habe Angst, Matti, ich habe eine Scheißangst davor, allein zu sterben. Abends, wenn es dämmert, ist es am schlimmsten, wenn das Zwielicht kommt und ich weiß, dass ich wieder eine schlaflose Nacht vor mir habe.“
Josef sprach selten so zusammenhängend. Matthias ließ die lange Rede erst einmal auf sich wirken.
„Warum hast du denn nie etwas gesagt?“
„Was hätte ich denn sagen sollen? Hallo, ich sterbe vor Einsamkeit, bitte, bitte, kommt doch vorbei? Du weißt genau, was für Gerüchte über mich im Umlauf sind.“
Das konnte Matthias nicht abstreiten. Also schwieg er wieder. Einsamkeit. Das kannte Matthias auch. Er musste nur an an Stefan denken. Sogar Marie war da keine Hilfe. Die hatte ja jetzt die Landfrauen und das Internet.
Zwischen den aufziehenden Wolken funkelten die ersten Sterne. Matthias erinnerte sich. Hertha hätte die Sternbilder benennen können, sie wusste mehr darüber als mancher Dörfler. Venus am Abendhimmel, blinkend wie ein Leuchtfeuer oder ein Morsezeichen. Matthias glaubte nun zu verstehen, wie Josef auf die Idee mit der Botschaft aus dem All gekommen war.
„Manchmal ist man auch in der besten Ehe einsam. Es sieht nur so aus, als ob es uns besser ginge. Ich glaub sogar, am meisten Angst hat Hubert vor dem Sterben. Gerade, weil er so um seine Gesundheit besorgt ist. Wir hören alle vier die Uhr ticken.“
„Aber verstehst du denn nicht, Matti? Ich will nicht über Zipperleins und Nachrufe reden. Ich will, dass Leute zu mir herausfahren, Neugierige, Fremde, Grillfeste auf dem Hof, Leben.“
Die Kartoffelsuppe hatten sie vergessen. Aber Josef packte die Waffeln aus. Eine nach der anderen verschlang er, so als könne er damit eine wichtige Erinnerung zurückholen.


Leben. Matthias horchte dem Klang dieses Wortes nach. In das Zirpen der Grillen mischte sich der klagende Ruf eines Käuzchens, eine Igelfamilie raschelte durch den vernachlässigten Gemüsegarten. Dahinter monotone Maisfelder. Eine düstere Pflanze. Und raumgreifend. Wenn man in so ein Maisfeld hineinging, konnte man sich gut verstecken oder verlorengehen. Nicht so lebendig und heiter wie Getreidefelder, besonders Hafer oder der Weizen, bevor die Halme immer kürzer wurden.
Maisfelder? Unversehens schoss ihm eine Idee durch den Kopf.
„Bei Opfingen gibt es auch ziemlich viele Maisfelder, so wie hier.“
„Ja und?“
„Die haben dort ein Maislabyrinth angelegt. Hat ganz groß eingeschlagen. Am Wochenende stehen die Leute Schlange. Macht natürlich Arbeit, das Labyrinth anzulegen und zu pflegen. Die bieten Kindergeburtstage an und Rentnerausflüge, alles Mögliche. Mensch Sepp, ich glaube, für die Idee könnten wir auch bei uns Helfer finden. Wir sollten das mal genauer überlegen. Marie kann uns da mit dem Internet helfen.“
Josef goss beiden noch einmal einen Hefe ein.
„Und du meinst, das ist keine Schnapsidee?“ Sogar Josef musste grinsen, bevor sie die Gläser kippten.
„Du willst Leben um dich herum, Sepp, richtig viel Leben. Dann tausch verdammt noch mal deine Kornkreise gegen das Labyrinth. Ja, ich glaube, das hat was. Statt immer im Kreis, gehst du durch ein Labyrinth. Hauptsache, am Ende kommst du wieder heraus. Genau das ist es doch. Du musst nur wollen. Und … und außerdem glaube ich, das hätte Hertha gefallen.“
Josef sagte nichts. Aber Matthias sah, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Er erwartete nicht, dass Josef sofort auf die Idee eingehen konnte. Aber er würde darüber nachdenken. Vielleicht war ja dies Herthas Botschaft gewesen.

 

Hi wieselmaus,

du hast sicherlich Talent und kann schreiben, aber hier hat mir so ein bisschen der Zug und der rote Faden gefehlt. Du hattest mich gleich am Anfang, als es darum geht, dass es dort angeblich Kornkreise gibt - aber irgendwie kam es mir von dort an etwas so vor, als ob der Handlungsstrung zerbröseln würde. Also dann ging es absatzweise um die Ehefrau, die jetzt Internet hat, dann um Rückenprobleme, dann liegt der andere wegen einem Herzinfarkt im Krankenhaus ... und zum Schluss sagt der Kornkreisentdecker, alles nur erfunden, und er ist in Wirklichkeit bloß einsam. Mhm. Also für meinen Geschmack kam mir das phasenweise etwas zu langatmig vor, ich hätte das toller gefunden, wenn du dich wirklich bloß auf das Thema Einsamkeit beschränkt hättest, oder eben auf das Thema Kornkreise mit Einsamkeit, und das dann als roten Faden durch den Text gezogen hättest. Ich kann mir vorstellen, dass du das auch vorhattest, aber bei mir persönlich als Leser ist das während dem Lesen nicht zu 100% angekommen. V.a. im folgenden Abschnitt dachte ich mir, man könnte den getrost eindampfen:

Hubert hätte nicht so lauthals lachen und Josef den Vogel zeigen dürfen, dachte Matthias, als er die nasse Dorfstraße entlang ging
also von diesem Teil aus bis er erfährt, dass Hubert einen Herzinfarkt hat kam mir das schon sehr langatmig vor.

Also verstehe mich nicht falsch, ich finde auf jeden Fall, dass du Talent hast, dass du Landschaften etc. schön beschreiben kannst, aber für meinen persönlichen Geschmack hätte es mir gut gefallen, wenn du das Ganze gekürzt, eingedampft und auf den Punkt gebracht hättest. So habe ich die Einsamkeit leider nicht gespürt - vielleicht auch deswegen, weil du nie wirklich von Empfindungen deiner Figuren redest - also hättest du mir das Gesicht beschrieben, dass der Huber hatte, nachdem seine Frau verschwunden ist, wenn du mir bildlich gezeigt hättest, wie sehr er verfällt, hätte ich solche Bilder vor Augen geführt bekommen, dann hätte ich mir schon gedacht: Mist, den Figuren geht es aber schlecht!, und ich hätte mitgefühlt und sie hätten mir leidgetan. Vielleicht kannst du an der Stelle noch ausbauen. Nur, wenn du willst, natürlich.


Eine Kleinigkeit noch:

Josef wurde kurzzeitig in Haft genommen, aber es gab nicht den geringsten Beweis, dass er etwas mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun hatte.
Ich weiß nicht, ob man jemanden ohne jeden Beweis bzw. begründeten Verdacht in U-Haft nehmen kann.


Ich habe es gerne gelesen, wie gesagt, leider streckenweise allerdings etwas zu zäh, und diese Einsamkeit habe ich zu wenig gespürt, sie hat mich zu wenig gepackt. Wenn du hier noch mal drübergehen würdest, könntest du meiner Meinung nach noch einiges rausholen. Ist aber nur meine Meinung. Ich wünsche dir alles Beste.

Viele Grüße,
zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo dotslash,

vielen Dank für deine ausführliche Beschäftigung mit dem Text. Was du an sprachlicher Veränderung vorgeschlagen hast, habe ich eingearbeitet.

Hier ein Missverständnis:
Wir sollten mehr zusammen unternehmen ... Der Satz bezieht sich auf Marie, nicht auf den Stammtisch.

Marie hält die Stammtischler für gleichgestrickt wie ihren Mann.

... Frucht angesetzt ... Fruchtansatz ist ein biologischer Fachausdruck. Davon habe ich das Verb abgeleitet.

Einsamkeit. Das kannte Matthias auch ...

Hier hatte ich in der ersten Fassung eine längere Passage, wo es um Einsamkeit, wie sie in einer langen Ehe entstehen kann, ging. Wurde in anderen Komms als zu ausführlich bewertet. Gerade mit dem Maß an Ausführlichkeit kämpfe ich immer wieder. Und in diesem Bereich gehen die Meinungen oft sehr auseinander.
Hier kommt es wohl darauf an, wie wichtig Marie für die Geschichte eingeschätzt wird.

Es kann gut sein, dass ich später nochmals gründlich über den ganzen Text gehen werde.

Nochmals Danke und herzliche Grüße
wieselmaus

Hallo zigga,

danke fürs Hereinschauen, ich glaube, wir kennen uns noch nicht.

Es freut mich, dass du meine Landschaftsbeschreibungen gut gefunden hast. Andere Komms finden wiederum das Problem der Einsamkeit von meinen Prots gut erfasst. Da wo du Ausführlichkeit hilfreich fändest, raten mir andere zu Kürzungen. Im Augenblick kann ich noch nicht entscheiden, wohin ich tendiere. Ich glaube, die Geschichte muss jetzt in meiner Kochkiste etwas garen. Bestimmt sehe ich sie dann schon wieder mit anderen Augen.

Einen Vorschlag habe ich schon umgesetzt. Josel muss in U-Haft, weil er bei seiner Vernehmung ziemlich wirres Zeug geredet hat. Aber der Verdacht richtet sich halt schon in der Regel auf den Ehemann, besonders bei einer solchen Wohnsituation. Und auf dem Land leben Verdächtigungen sehr lange.

Herzlichen Dank und hoffentlich neue Gelegenheiten zum gegenseitigen Kennenlernen wünscht sich
wieselmaus

 

Liebe wieselmaus,

also mir machst du mit der Geschichte eine Freude.
Wie du mir das Land am Rhein beschreibst, die Leutchen dort mit ihren Kümmernissen, ihrem Alltag, über Freundschaften, Einsamkeit.
Meinetwegen hättest du noch viel mehr und bunter beschreiben können. Das kannst du gut. Ich bekomme direkt Lust, mir "das" mal persönlich anzusehen.
Ich mag deinen "Plauderton" . Eher habe ich oft Schwierigkeiten mit Dialogen. Sie stören natürlich nicht wirklich , aber derartige Unterhaltungen hört man ja so hier und da. Ich habe immer so den Eindruck, zu sehen, statt zu lesen. Ich mag Geschichten wohl vor allem, weil mir etwas erzählt wird. "Geredet" wird eh' zu viel :sealed:

„Unser Pfarrer hat mir den Tipp gegeben. Der hatte wohl Mitleid mit mir. Vielleicht war er auch wütend. Ewig dieselben Sünden.“

Das ist lustig!

Einen schönen Restmai und liebe Grüße, Kanji

 

Liebe Kanji,

wie schön, dass du meine Version magst. Ein bisschen von der hiesigen Gegend hast du ja schon kennengelernt, so fleißig, wie du meine Texte liest.

Soll ich dir was verraten? Ich finde ja meine erzählerischen Passagen oft ganz gelungen, so richtige Darlings , aber die werden mit schöner Regelmäßigkeit als überflüssig angesehen und es kommt todsicher der Ratschlag, ich solle die Informationen in Dialoge packen. Na klar, manchmal muss man so verfahren, aber dann bleibt schon mal Lokalkolorit auf der Strecke, was wiederum andere beklagen. Ich komme eben von einer älteren Erzählweise her, die ich nicht ganz missen möchte. Ich glaube, du kannst das verstehen. Wenn ich mich nicht täusche, hast du ganz ähnliche Erfahrungen.

Ich lese übrigens sehr gerne auch deine Kommentare unter anderen Texten. Die sind so frisch und offen und kein bisschen besserwisserisch.

Ich wünsche dir ebenfalls noch schöne Maitage und freudiges Schreiben.
wieselmaus

 

Hallo Copywriter,

ich habe noch einmal eure Anregungen und Kritikpunkte aufgegriffen und eingearbeitet, bevor mein erstes Copywrite vorbei ist und alle schönen Vorlagen und Texte im Orkus versinken.

Für alle, die (noch) nicht mitgemacht haben:
Copywrite macht Spaß!

Gruß wieselmaus

 

Liebe Copywriter,

ich habe meine Geschichte nochmal überarbeitet und eure Vorschläge weitgehend beherzigt. Nochmals vielen Dank für Kritik und Aufmunterung, besonders gibberish bin ich verpflichtet, dem ich ja die Idee "gestohlen" habe. Vielleicht mag ja der eine oder andere hineinschauen. Ich gehe davon aus, dass diese Copywrite-Runde beendet ist.

Freundliche Grüße
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

„Wieso nicht? In Amerika glauben viele, dass die Aliens längst unter uns sind. ...

Man kann, so find ich, Deine Texte,

liebe wieselmaus,

auch zig-mal lesen, weil sie i. d. R. aktuell bleiben - schon allein hier, weil in „Amerika“ derzeit ein Trumple von Alien, pardon, Kandidat grassiert, mit dem im Falle des Obsiegens das State Department zum Office of Aliens umfirmiert wird. Und ich geb zu, mit meinen Texten werd ich nie fertig – der zur Loveparade wird demnächst um eine satirische Seite erweitert bzgl. der Rechts(nach)folge, die trotz aller Betroffenheitspoesie in eine amerikanisierte Gelddruckmaschine umgewandelt wird und deren Gutachterei schon mal als Vorsilbe ein Antonym verdient hat.

Aber zu Deinem Text, zu dem ich mit dem April-Kommentar nach wie vor steh und der schon im ersten Abschnitt gefällt dadurch, dass er die Dialektik von Widrigkeiten des Alters und dem Widerstand dagegen (Matthias rutscht halt nur „beinahe“ aus z. B.) darstellt mit dem Höhepunkt an Symbolik im Jahrhunderte alten Gasthof, sozusagen ein Nachkriegskind der lumpigen, vermeintlichen Religionskriege mit dem klappernden Signal „hier bin ich, hier bleib ich“:

Beim geringsten Wind fing es an zu klappern, aber das schien niemanden zu stören.

Die Negation kann auch kürzer ausgedrückt werden, indem aber und das zusammengfasst werden - etwa „Beim geringsten Wind fing es an zu klappern, [was niemand(en) zu stören scheint.]“
(“Jemand“ und „niemand“ geht auch ohne Endung.)
Ähnlich geht's hier, aber doch ganz anders, wenn es heißt
Wie jeden Samstagabend diskutierten die vier Alten am Stammtisch wieder heftig über die Zukunft ihrer Gemeinde.
Hier ist das „wieder“ an sich entbehrlich, wenn etwas „wie jeden Samstagabend“ geschieht. Womit die Vorschläge,die man annehmen kann, aber nicht muss, schon mal aufgebraucht. Aber - wie bei jeder Übertragung, die mehr als drei Seiten umfasst (zumindest bei mir),

Flüchtigeit(en),

wie hier das fehlende abschließende s

..., besonders zu Fragen der Ernährung und Fitnes

das hier bezogen werden kann
Was[…] ist mit den Kornkreisen, ...

Hier
Aber welche junge Frau wollte schon in die Einsiedelei leben, ohne Nachbarn …
schlägt die Fälle-Falle zu („in der Einsiedelei“, alternativ nur „wollte schon in die Einsiedelei […], ohne ...“

Hier wäre der Einschub mit dem bschließenden Komma einzufangen

„Bella figura, sie macht wirklich bella figura“, sagte Ernesto, der, wie die meisten Männer um die fünfzig herum[,] für die flotte „Zug'reiste“ schwärmte.
Noch zwo Kommas (bzw. alternativ eine Konjunktion)
Als Josef zurückkam, trug er in der linken Hand zwei Schnapsgläser und eine weiße Flasche ohne Etikett[, alternativ „und“] in der rechten zwei Suppenteller und Löffel.
Statt immer im Kreis[,] gehst du durch ein Labyrinth.
und hier wäre die Höflichkeitsform die pure Übertreibung
Hubert hätte nicht so lauthals lachen und hm den Vogel zeigen dürfen, …

Marie hatte wohl den[...]Laptop mit ins Schlafzimmer genommen.
„Nee, alles gut.“ Als Matthias, [n]ur noch in Unterwäsche, …

Hier fehlt was, wenn ich richtig sehe ein „Sepp“ oder sein passendes Personlronomen
Wieso kommt mit dieser Alien-Geschichte?
dto. allhier
Sonst wäre niemals dermaßen wütend abgehauen.

Atypisch, wegen des „zu“, ist hier trotz der Bewegung der Dativ gefordert
"Du bist halt ein alter Grübler und Sinnierer, deswegen gehst du ja auch zu deine[m] Stammtisch, ...

Wie immer gern gelesen vom

Friedel

 

Liebe wieselmaus,

gerne habe ich erneut deine Geschichte gelesen. Sie hat mir damals gefallen und jetzt wieder. Sehr atmosphärisch, und dein Schreibstil gefällt mir. Schön unaufgeregt und einige tolle Formulierungen. Die Szene, in der Matti oben auf dem Rebstück sitzt und sinniert, ist wirklich toll. Ich habe nichts an der Geschichte auszusetzen, wie damals schon. ;)

Welche Details du nun geändert hast, weiß ich nicht genau, aber das Ganze liest sich wunderbar und ja, hat einfach Spaß gemacht. Und natürlich musste ich an "Kreise" denken, und an all die Gedanken, die ich mir damals gemacht hatte. Es freut mich riesig, dass du dir meinen Text so zu Herzen genommen hast und so viel in dein Copywrite investierst, sogar heute noch. Ich bin froh, dass du mein Los gezogen hast, liebe wieselmaus. ;)

Der Friedel hat schon die meisten Fehlerchen angesprochen, ich habe aber noch kleine Ergänzungen:

Josef war wieder in sein brütendes Schweigen gefallen.

Sagt man hier gefallen? Wenn ja, dann hör nicht auf mich. :D Ich hätte geschrieben: Josef war wieder in brütendes Schweigen verfallen.

Montag Abend, ja, übermorgen wäre gut.“

Montagabend

Hubert hätte nicht so lauthals lachen und Ihm den Vogel zeigen dürfen, dachte Matthias, als er die nasse Dorfstraße entlang ging, So behandelt man Freunde nicht.

entlangging

Mit einem Seufzer schaltete Maria ihren Laptop aus, schob ihn unters Bett und griff nach dem Lichtschalter.

Du nennst sie nur hier Maria. Absicht? ;)

Das mit dem Hubert tut mir Leid.

leid

Abends, wenn es dämmert, ist es am Schlimmsten, wenn das Zwielicht kommt und ich weiß, dass ich wieder eine schlaflose Nacht vor mir habe.

schlimmsten

Wenn man in so ein Maisfeld hineinging, konnte man sich gut verstecken oder verloren gehen.Nicht so lebendig und heiter wie Getreidefelder, besonders Hafer oder der Weizen, bevor die Halme immer kürzer wurden.

Da ist dir ein Leerzeichen entflohen.

Aber er würde darüber nachdenken.Vielleicht war ja dies Herthas Botschaft gewesen.

s.o.

Das war auch schon alles. Schöner Text, toll geschrieben.

Bis zur nächsten Geschichte und liebe Grüße
gibberish

 

Guten Abend, lieber Friedrichard,

es ist wirklich schön, nochmals Resonanz zu finden, wenn man seine Geschichte bearbeitet ins Forum stellt. Denn nur dann hat doch die Arbeit der Kommentatoren wirklich Sinn. Es gibt hier auch User, die lesen und kommentieren eine Geschichte grundsätzlich nur einmal. Ich denke da oft, sie müssten doch daran interessiert sein zu erfahren, was aus ihren Vorschlägen geworden ist. Es ist natürlich schon ein gewaltiger Aufwand, weil es so viel zu lesen gibt.

Ich werde mal ein Glas Champagner trinken, wenn ich es schaffe, einen Text ganz fehlerfrei einzustellen. Es sind die leidigen Fehler, die bei der Korrektur passieren. Ich ärgere mich dann richtig.

Zum Glück gibt es Leser wie dich, lieber Friedel, du bist ein großartiger Flusenjäger. Und immer wieder verblüffst du mich, wie sich durch einfachste Veränderungen stilistische Eleganz erzielen lässt. Dafür vielen Dank, ich habe alles übernommen.

Aber jetzt wird es höchste Zeit für einen neuen Text von dir. Love-Parade? Satire? Da bin ich dabei!
Und im Winter stöbere ich wieder in deinem Archiv.

Herzlichst wieelmaus


Lieber gibberish,

auch dir herzlichen Dank. Unglaublich, was Sorgfalt noch zu Tage bringt. Ich vermute, deine Arbeit am Roman hat den Blick für Feinheiten nochmals geschärft. Davon habe ich jetzt profitiert. Dass du die Story magst, liegt natürlich auch an der Vorlage, das steht außer Frage. Ich bin gespannt, wann deine schöpferische Pause dir neue Texte hier im Forum beschert.

Aber jetzt muss man nach Olympia Fussball gucken, z. B. BVB ohne Hummels (ein Jammer) und mit Götze (ein Segen?)

Wir bleiben am Ball.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hej, liebe wieselmaus,

Diese Geschichte scheint dir gut zu liegen. Sie klingt sicher und passend.

Die Hände mit den eingerissenen Nägeln pressten sich um sein Glas, wenn er es losließ, bemerkte Matthias, dass sie zitterten.

Das mag ich richtig gern.

Sein Zuhause war ein Aussiedlerhof, wie sie nach der Flurbereinigung zu Dutzenden in der Rheinebene entstanden waren. Schmucklose Wohngebäude mit extra Scheunen und Stallungen, Mensch und Vieh lebten nicht mehr unter einem Dach. Um den Hof herum lagen die Felder, bequem zu bewirtschaften, weil man kaum mehr kleine und kleinste Gewanne pflegen musste. Eine Chance für Bauern, die ihren gesamten Lebensunterhalt ohne Nebenerwerb verdienen wollten. Josef, als einziger in der Stammtischrunde, war früher so ein Bauer.

Das hört sich souverän und unaufgeregt an, ich glaube jedes Wort. Und ich habe ein neues Wort gelernt : Gewanne. ;)

Dann stießen ein Weinglas und drei Biergläser zusammen. Es klang nicht besonders harmonisch

Das ist cool. Schön doppeldeutig.

Du bist halt ein alter Grübler und Sinnierer, deswegen gehst du ja auch zu deinem Stammtisch, die passen zu dir", sagte sie halb lachend, halb ärgerlich, "aber lass du mir meine Landfrauen. Ich brauch das."

Ich glaube, ich brauche dringend ein Update von Landfrauen. :lol:

Die Straßenlaterne vor dem Haus warf diffuse Muster an die Wände, vielleicht Schatten von Laub, das sich im Wind bewegte.

Ich mag die vage Aussage.

Ist wohl sinnlos, jetzt noch mit Sepp anzufangen. Sie ist ja ganz besessen von ihrem Internet. Aliens. Vielleicht ist doch was dran. Sonst wäre er niemals dermaßen wütend abgehauen. Ich kenne ihn gar nicht so. Schade für den Abend … Mit Hubert stimmt auch was nicht. Er hat heute auf alles gereizt reagiert. Heute Morgen geh ich mal ganz früh in die Reben und zur Wiese ... Und wenn sie aus der Kirche kommt, hört sie mir vielleicht eher zu. 'Sinnierer' hat sie gesagt ..."

Schade, dass er das nicht Marie anvertrauen kann, aber gut, dass er es für mich denkt.

Die Rheinebene lag noch im Morgennebel. Wenn er sich ganz verzogen hatte, würde man sehen, wie sich der Strom als glitzerndes Band durch den Rheingraben wälzte, flankiert von Vogesen und Schwarzwald, deren Gipfel sich in bläulichem Dunst verloren.

Wie Wunderschön.

Die Küchenuhr war stehengeblieben. Im Haus rührte sich nichts.

Sehr traurig. Nicht mal Katzen.

Das hat er, sagt sie, immer wieder geschrien, bis er umgefallen ist.“ Matthias machte eine Pause. „Sepp, ich bin wegen der Kreise da.“

Sagen sie?

Josef goss beiden noch einmal einen Hefe ein.
„Und du meinst, das ist keine Schnapsidee?“ Sogar Josef musste grinsen, bevor sie die Gläser kippten.

Süß. :)

Ich mag es sehr, mit welcher Ruhe und Sicherheit du erzählst, über die Landschaft, über die Umstände der Landbevölkerung, über Paare und deren Probleme, über Kost und Schnaps. Ich mag es richtig gerne, nach wie vor, wie du über Land und Leute erzählst, könnte ewig zuhören.

Aber wo, liebe wieselmaus, ist Hertha?

Lieber Gruß und eine schöne restsommerwoche, Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Kanji,

so ausführlich gelobt zu werden, ist für mich schon was Besonderes. Es lohnt sich anscheinend, eine Ruhezeit einzuhalten und dann mit neuem Blick für die Details dranzugehen.
Und dann noch einen genialen Hinweis zu bekommen, wie ein Fehler, der durch die Bearbeitung entstanden war, zu beheben ist. Extra danke dafür.

Ich erzähle (tell) sehr gerne. Und ich lese sehr gerne Erzähltes. Episches und Dramatisches abwechselnd im Text wäre für mich das Ideal. Die Kunst besteht für mich darin, eine für den Leser überzeugende Mischung zu finden. Aber das ist echt schwierig.

Mehrfach ist jetzt - bezogen auf meinen Stil - der Begriff "unaufgeregt" gefallen. Wenn ich ihn als "gelassen" interpretieren darf, dann freue ich mich darüber. Das ist ja schon ein Ziel von mir. Wenn damit "langweilig" gemeint ist, komme ich ins Grübeln und spüre mein Alter:hmm:. Soviel zu meiner momentanen Gefühlslage;)

Liebe Kanji, wir sollten mal maskiert auftreten, extra für maria.meerhaba:lol:.

Herzlichst wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe wieselmaus,

Ich erzähle (tell) sehr gerne. Und ich lese sehr gerne Erzähltes. Episches und Dramatisches abwechselnd im Text wäre für mich das Ideal. Die Kunst besteht für mich darin, eine für den Leser überzeugende Mischung zu finden. Aber das ist echt schwierig.

Das merkt man und es machte gerade hier einen fundierten Eindruck. Der Autor weiß, wovon er spricht. Wenn das dein Stil sein sollte - so what! Dann weißt du, wohin der Weg geht.

Mehrfach ist jetzt - bezogen auf meinen Stil - der Begriff "unaufgeregt" gefallen. Wenn ich ihn als "gelassen" interpretieren darf, dann freue ich mich darüber.

Für meinen Teil bedeutet "unaufgeregt" bei dir in etwa mit viel Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten verbunden zu sein. In keinster Weise langweilig, das verhindert schon dein Wortschatz und die kleinen humorvollen Sequenzen.

Und einer Frau wie dir, die schon so viel gelesen und geschrieben haben wird, muss sich nicht fürchten. Ich finde jedenfalls die Art, wie du mit Kritik umgehst - gerade in in deinem Alter, wenn wir es schon ansprechen, ist vorbildlich.

Ja, das hat mich überrascht, dass Maria uns in diesem Zusammenhang erwähnte.

Lieber Gruß, Kanji

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom