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Taktlos

Seniors
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09.05.2004
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Taktlos

Ich kann ihnen die Angst ansehen. Sie, es müssen an die acht Leute sein, versammeln sich um meinen Wagen und wollen hilfreich und nett - ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft - sein, doch die Furcht hindert sie daran.
„Früher warst du genauso“, sagt Kittie neben mir. „Nur ein Beobachter. Schön weit hinten, von wo aus du nur noch alles schemenhaft hast erkennen können.“ Sie haucht mir fast ins Ohr, so nah ist sie mir noch immer. „Das war doch auch kein Leben.“
Ich schweige und werfe dann einen kurzen Blick auf sie. Ihr Haar, ihr Make-Up, alles an ihr wirkt nur umso perfekter in dem vollkommen verunfallten Wagen. Ihr Sicherheitsgurt baumelt aus dem zersplitterten Fenster, mit einem Fuß, der nach wie vor in einem High-Heel mit 8-Zentimeter-Absätzen steckt stemmt sie sich fast grazil gegen die Mittelkonsole, um nicht den Halt zu verlieren und von dem Beifahrersitz zu rutschen. Immer wieder lässt sie Glassplitter zwischen ihre Finger der einen in die andere Hand rieseln.
Der Menschenmenge, die sich um uns versammelt, würdigt sie kaum eines Blickes.
"So hätte es nicht enden dürfen", sagt sie dann, schüttelt die Glassplitter in den Fußraum, legt ihre Finger auf meine Schulter und streichelt meine kalte Haut mit ihrem Daumen. Sie neigt sich zu mir und sieht mir in die Augen. Noch immer duftet ihre Haut nach Sonnenbräune, was ich mir natürlich nur einbilde.
Ich drehe mich von ihr weg und sehe aus dem Fenster. Ein junger Mann, gutaussehend mit seinen großen, dunklen Augen und den tiefen Grübchen im Mundwinkel, starrt mich an und fragt etwas. Vermutlich ist es eine Frage, denn seine Brauen wandern so weit nach oben, dass sie fast seinen Scheitel berühren. Ich versuche, ihm in die Augen zu sehen, doch mein Sichtfeld ist teilweise getrübt, ich kann den Blick nicht lange auf ihn richten.
"Nick einfach", sagt Kittie und bewegt mit ihren Fingern meinen Kopf überraschend sanft nach unten. "Du musst ihnen ja nicht unbedingt noch mehr Angst machen."
Die Stimmen der Menschenmenge, die sich um den Wagen drängt, werden lauter. Der Regen, der wenige Augenblicke zuvor noch in Sturzbächen über die Straße geflossen ist und dem Auto dabei geholfen hat, die Haftung zu verlieren, hat nachgelassen und es überrascht mich, dass so viele Menschen hier sind. Woher kommen sie überhaupt, wo doch die Straßen zuvor fast leer gewesen sind? Es muss weit nach Mitternacht sein.
Der junge Mann – er kann nicht einmal fünfundzwanzig Jahre alt sein - schiebt jetzt eine seiner Hände durch das zerbrochene Fahrerfenster und öffnet von innen die Tür. Kurz glaube ich, seine Worte - etwas von "helfen" und "Ihnen" - vielleicht zu verstehen, doch da fällt die Tür auf und der letzte Halt, den ich bisher noch verspürt habe, verschwindet und der Sicherheitsgurt ist alles, was mich von der Schwerkraft trennt. Er schneidet sich in meine Brust, ich kann kaum noch atmen. Mein eigenes ersticktes Keuchen und die Schmerzen in meiner Brust übertönen alles um mich herum.
"Du solltest ein bisschen die Augen schließen, damit du dich beruhigst", sagt Kittie und ich will sagen: Wie könnte ich jemals wieder ruhig sein?
Doch dann gehorche ich, wie es so meine Art ist.

***

Seine Stimme war tief und fest, seine Lügen konnten fast als Wahrheit durchgehen, als er sagte: "An dir liegt es nicht." Sein Kopfschütteln und der traurige Blick sollten die Worte unterstreichen. Es sollte mir zeigen, dass es auch ihm wehtat. Dass er sich nicht gern von mir trennte, aber einfach keine andere Wahl hatte, damit wir beide glücklich werden konnten.
Nur seine Lippen und Lider - sie verrieten ihn und zuckten, als hätte er, tief versteckt, doch ein Gewissen. So klein es auch sein mochte.
"Du hast es doch auch gemerkt", sagte er und wich ein paar Zentimeter zurück, "ich meine, dass es zwischen uns nicht mehr so ist, wie früher." Sein Blick fiel kurz auf den Küchenboden, die Hände klammerten sich an die Theke, so fest, als benötigte er tatsächlich Halt. Die Knöchel traten weiß hervor und die dunklen, drahtigen Haare auf seinen Handrücken wirkten auf der bleichen Haut fremd. Mit der Zunge leckte er sich immer wieder die Lippen. Als hätte er Angst, dass ich eine Szene machen würde. Dass ich ausflippen könnte. Dass ich labil wäre. "Oder?"
Nach einem kurzen Augenblick, in dem ich daran dachte, dass ihm wohl hier nicht bewusst war, dass jetzt keiner mehr – nicht seine Mutter, nicht ich – die dreckige Wäsche waschen, bügeln und sortiert in den Schrank legen würde, nickte ich.
"Es ist ja nicht so, dass ich dich nicht mehr liebe. Es ist vielmehr, als ...", er rang theatralisch die Hände und hob die Stimme, "... als hätten wir uns einfach festgefahren."
Er blinzelte mehrmals schnell hintereinander und ich versuchte mich daran zu erinnern, ob er das schon einmal getan hatte. Ob er mich schon einmal so offensichtlich angelogen hatte. Ich konnte mich an nichts dergleichen erinnern, aber vielleicht spielte mir das Gedächtnis auch Streiche.
"Wir stecken in unserem Leben fest und bewegen uns nicht mehr vorwärts. Wir entwickeln uns nicht weiter, keinen Schritt. Ich langweile dich, das kann ich jeden Tag in deinem Gesicht sehen, wenn ich nach Hause komme. Und du langweilst mich. Das kannst du jeden Tag sehen, wenn du nachhause kommst."
Ich versuchte mich daran zu erinnern, welches meiner Lächeln ihm suggeriert hatte, dass er mich anödete. Vielleicht hielt er das, was für mich Beständigkeit war, für Langeweile.
Vielleicht waren wir einfach zu jung, wollte ich sagen, weil ich dachte, womöglich könnten diese Worte hier passen. Doch wieder nickte ich nur.
"Also sind wir uns in dieser Sache einig", sagte er. Und als hätte ich ihm auch nur mit einem Wort zugestimmt, überhaupt nur ein Wort gesagt, nahm er mich, überraschend sanft, an den Schultern, zog mich an seine Brust, die nach dem Duschgel roch, das ich gekauft hatte, und hauchte einen Kuss auf meine Stirn, so zart, dass ich mir nur einen Augenblick später nicht mehr sicher war, ob er mich denn tatsächlich berührt hatte. "Wir versuchen es auf diese Art." Sein Kinn ruhte auf meinem Scheitel. "Und vielleicht haben wir dann noch eine Chance."
Er schob mich genauso sanft wie er mich an sich gezogen hatte von sich und griff nach dem großen Koffer, der zu seinen Füßen stand. Wann er wohl den Koffer gepackt hatte, ohne dass ich es bemerkte hatte?
Hinter ihm flackerte das Küchenlicht, kurz darauf fiel eine der Glühbirnen aus - eine solche Empathie hätte ich nicht erwartet - und ich dachte: Glühbirnen auswechseln werde ich gerade noch schaffen, aber wie sieht es mit dem Aufbauen von Schränken aus? Mit Ikea-Regalen und den kleinen, unnützen Möbelstücken, die im Flur und der Garderobe stehen?
Und was ist mit ihm? Mit seiner Zahnpaste, seinem Haargel, den Rasierklingen – genau den richtigen mit genau der richtigen Anzahl an Klingen?
Es musste eine andere Frau geben. Andernfalls würde er diesen Annehmlichkeiten nicht den Rücken kehren.
Noch während ich darüber nachdachte und sämtliche Frauen, mit denen ich ihn je in einem Raum gesehen hatte, im Kopf durchging, verschwand er so leise aus der Küche, aus meinem Leben, dass ich sein Fehlen erst bemerkte, als er die Tür hinter sich mit einem leisten Klicken ins Schloss zog. Ich stand noch einige Zeit in der Küche, ging dann in den Dachboden, holte eine Glühbirne und tauschte sie, auf Zehenspitzen balancierend, gegen die defekte aus.
Anschließend ging ich in unser Badezimmer, das blitzte und glänzte und mit keinem Fleckchen verriet, wie lange wir es uns geteilt hatten. Ich nahm meine Medikamente zur Hand, drückte die Pillen alle einzeln aus der Verpackung und spülte sie die Toilette hinunter. Nach dem sechsten Spülen war auch die letzte Tablette verschwunden.

***

Als ich aufwache, hat sich meine Position verändert. Mein Rücken ist kalt und nass und über mit kniet der junge Mann mit diesen Augenbrauen.
"Sie ist wach!", schreit er über seine Schulter hinweg und zu mir sagt er, kaum leiser: "Der Arzt ist unterwegs!" Dieses Mal verstehe ich ihn. Mein Kopf ist viel klarer und die Welt nähert sich mit jedem Wimpernschlag.
Beim ersten Blinzeln sehe ich den Wagen - vollkommen hinüber.
Beim zweiten Blinzeln eine kleine Menschenmenge, die, geschäftig wirkend, um mich herum wuselt.
Beim dritten Blinzeln sehe ich Kittie.
"Das war so schrecklich dumm, selbst für dich." Ihre Stimme ist herablassend, besserwissend und amüsiert, alles in einem. Als würde sie einem Kind erklären, dass man nicht auf eine heiße Herdplatte fassen dürfte, nachdem es sich verbrannt hat.
„Ich wollte doch nur, dass du endlich verschwindest“, sage ich. Meine Stimme ist nur ein Krächzen und jede Silbe schneidet sich in meine trockene Kehle.
Der junge Mann über mir versucht wohl aus meinen Worten schlau zu werden, denn obwohl ich es nicht für möglich gehalten habe, wandern seine buschigen Brauen noch weiter nach oben und sind kurz davor, seinen Scheitel zu berühren.
"Der Arzt ist schon unterwegs", sagt er wieder, obwohl er sich sichtlich bemühen muss, ruhig zu klingen. "Lange kann es nicht dauern." Sein Lächeln wäre ein passendes Bild zu herzerwärmend, und seine Brauen vollführen wie Akrobaten die perfekte Bewegung zu jeder Silbe, obwohl mein linkes Auge es meinem rechten schwer macht, dem Schauspiel pausenlos zu folgen.
"Jetzt hast du den armen Jungen aufgeregt", sagt Kittie und tritt hinter ihn, um einen Blick auf seine Kehrseite zu werfen. "Zu schade, wirklich zu schade", murmelt sie dann kopfschüttelnd.

***

Mit dem Verschwinden der medikamentösen Ruhe und Gelassenheit, kam die Depression zurück. Wenn man unter Antidepressiva steht, ist es, als rolle man in einer großen, transparenten Blase durchs Leben. Alles ist noch genauso wie vorher, nur einfach ein wenig leiser. Setzt man die Medikamente ab, platzt die Blase nicht sofort. Aber irgendwann schaffen es viele Dinge durch sie zu dringen. Wie spitzige Kiesel, die einen an der Stirn treffen.

An dem Tag, an dem ich Kittie kennenlernte, saß ich weinend und vor mich hin flüsternd auf einer Parkbank in einer Ecke der Stadtallee, an der nur selten Passanten vorbei schlenderten und in der die Stadt daher das Gebüsch ein wenig zu üppig und den Boden ein wenig zu laubbedeckt ließ. Ich hatte gehofft, dort allein zu sein, als ich das mir so bekannte Brennen in der Brust bemerkt und mein Sichtfeld sich bereits verschleiert hatte - die Tränen überkommen einen einfach, in diesem Fall war der Grund eine Kollegin, die mit ihrem spitzen Kommentar „Neue Frisur?“ nur auf mein heute so schlecht sitzendes Haar hatte hinweisen wollen -, doch diese Frau setzte sich neben mich, schlug die Beine übereinander und seufzte laut auf. Meinen Blick hielt ich gesenkt, in der Hoffnung, die Tränen verbergen zu können, und sah, dass sie Peeptoes mit Zehn-Zentimeter-Absätzen trug und ich fragte mich, wie sie darin bruchfrei durch das Laub hatte gehen können.
"Morgen ist alles wieder besser."
Sie saß viel zu nah, unsere Schenkel berührten sich. Ich rutschte ein wenig von ihr weg. "Es ist alles in Ordnung", antwortete ich.
"Klar", sagte sie, "du hast nur was ins Auge bekommen."
"Genau."
"Hartnäckig, sowas."
"Kann einem das ganze Make-Up ruinieren."
"Von Augenringen ganz zu schweigen."
"Gott segne den Concealer."
Ein Taschentuch - keines aus Papier, sondern aus seidigem Stoff mit den Initialen KK in kindlichem Rosa eingestickt und vollkommen faltenfrei - wurde mir ins Gesicht gehalten. Als ich es nicht sofort ergriff, wedelte sie damit ein paar Mal wie ein Mädchen in den 20ern, dessen Liebster mit einem Schiff am Horizont verschwand, und sagte: "Nimm schon. Ich habe es ausschließlich für solche Situationen dabei." Mit kurzem Zögern griff ich danach und tupfte mir die Augen ab, äußerst vorsichtig, um zumindest den Rest der Mascara zu verschonen, der nicht bereits verlaufen war.
"Danke." Ich wollte es ihr zurückgeben und sah sie dabei zum ersten Mal an.
Sie war sehr groß, sogar im Sitzen, und trug das Haar zu einem perfekten Bob geglättet kurz im Nacken. Sie lächelte - ein Lächeln ohne Zähne, indem sie nur einen Mundwinkel nach oben zog. Es war ein leicht gehässiges Lächeln - als schmunzelte sie über einen Witz, den nur sie verstand.
"Ein Mann?", fragte sie, als sie das Taschentuch - beschmutzt mit einem Durcheinander aus Braun, Schwarz und Bordeaux - zurück in ihre Handtasche steckte. "Was frage ich, es ist doch immer ein Mann."
Ich zuckte nur mit den Schultern. Ich wollte mich nicht unterhalten, schon gar nicht mit einer Frau, in deren Gegenwart ich mir meiner Unzulänglichkeiten so schmerzhaft bewusst war. Sie hatte zu große Augen und zu schmale Schultern, als dass ich mich ihr hätte öffnen können. In ihrem Haar glänzte die Sonne, ließ es wie Lava wabern und mir war sofort klar, dass sie genau der Typ Frau war, der letztendlich und ursprünglich für meinen Schmerz überhaupt erst verantwortlich war.
Aber ich sagte nichts und so ließ sie mich eine Zeit lang weiter weinen, während sie neben mir saß, immer wieder das andere Bein übereinander schlug und mit ihren lackierten Fingernägeln imaginäre Fussel von ihren Jeans zupfte.
Irgendwann hörte ich auf zu weinen und dann sagte sie: "Ich würde ja gern sagen, dass die Zeit alle Wunden heilt. Aber um ehrlich zu sein: das einzige, was wirklich hilft, ist ein klein wenig Rache."

***

"Oh mein Gott!", schreit jemand.
"Sie haben uns gefunden", sagt Kittie und lässt sich lässig im Schneidersitz neben mir nieder. "Das bedeutet wohl, dass die Zeit knapp wird."
Ich atme schwer aus, was ein Lachen sein soll. "Knapp ist wohl sehr großzügig bemessen."
Außerhalb meines Blickfelds fängt eine Frau an zu kreischen. So laut, dass meine Ohren klingeln.
Selbst jetzt macht sie mir noch Ärger.

***

Er hielt mit seinem neuen Wagen - ein BMW Cabriolet, sehr protzig und sehr in der Sonne glänzend - vor unserem Haus und nahm, während er ausstieg, die Sonnenbrille ab. Wie ein Filmstar steckte er sie sich in den Hemdausschnitt und strich sich das Haar aus dem Gesicht. Er blickte in die Sonne - es war alles äußerst theatralisch - und ging dann, das traurige, mitleidige Lächeln austestend, auf unsere Haustür zu.
Ich beobachte seine Darbietung durch das Küchenfenster.
Die oberen drei Knöpfe seines Slimfit-Hemdes standen offen, seine Brust war rasiert und die umgekrempelten Ärmel zeigten Solariumbräune. Sie war nahtlos, da war ich mir sicher.
In seinen Schuhen und der Brille spiegelte sich das Sonnenlicht und blendete mich, als er den kleinen Weg zum Haus herauf schlenderte, seinen Schlüssel aus der Tasche zog und damit einen Augenblick lang vor der Tür verharrte. Dann überlegte er es sich anders, steckte den Schlüssel wieder ein und drückte zögerlich auf die Klingel. Wie ein Fremder.
Dieser Scheißkerl.
Ich ließ mir einen Moment lang Zeit, saß einfach auf einem Küchenstuhl, zählte mehrere Sekunden ab und ging dann langsam und bedacht leise zur Haustür, doch als ich sie öffnete, saß das traurige Lächeln, in Perfektion ausgeführt, bereits auf seinen Lippen.
"Schatz", sagte er und in seiner Stimme lag triefendes Mitgefühl. Mir wurde übel. "Wie - geht - es - dir?" Er zog jedes seiner Worte in die Länge. Wahrscheinlich, um mir zu zeigen, wie traurig er über all das war.
Ich nickte nur: "Es geht mir gut. Deine Sachen stehen in der Diele." Ich drehte mich um und ging vor, als müsste ich ihm die Diele zeigen, in der er in den letzten neun Jahren seine Schuhe abgestellt hat. "Naja, alles, außer der Kreissäge."
Mit den Händen in den Hüften blieb ich vor den Kisten - die ich, fein säuberlich, mit seinem Namen beschriftet und durchnummeriert hatte - stehen.
"Die kann ich sowieso im Moment nirgends abstellen." Er sah sich um und ich glaubte, er war einen Augenblick lang traurig. "Und einen Holzofen habe ich auch keinen mehr." Erneut machte er eine Pause und ließ dabei seinen Blick über seine Habseligkeiten streifen. "Das ist alles."
Es klang nicht nach einer Frage, aber ich nickte wieder. "Wenn du die Kisten in deinem neuen Auto mitnehmen willst, hast du wohl ein paar Fahrten vor dir."
"Ein Freund von mir hat einen Transporter, mit dem er die Kisten zu uns bringt. Er müsste eigentlich längst da sein, aber ..."
In der Küche fiel Besteck zu Boden und er fragte: "Hast du Besuch?", während er sich zur Küche umdrehte.
Ich schüttelte leicht den Kopf. "Nur eine Freundin."
Uns. Ich hatte es gewusst. Und bereits nach so kurzer Zeit - nach uns - waren sie ein wir.
"Wie lange wirst du brauchen?"
Er sah mich wieder an, dann die Kisten. "Hast du alles allein gepackt? Ich hätte das doch ..."
"Kein Problem. Ruf einfach, wenn du fertig bist, dann kannst du mir den Schlüssel geben." Ich drehte ihm den Rücken zu, schritt erhobenen Hauptes, jedoch nicht ganz so filmreif wie er, in die Küche und schloss die Tür hinter mir.
"Hast du ihm sein Zeug hingeworfen?", fragte mich Kittie, die hinter der Tür stand, mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Ihre Stimme war leise und sanft, als wollte sie nicht, dass er uns hörte.
Ich schüttelte den Kopf. "Nicht direkt geworfen ..." Sie winkte ab. Ihre Nägel glitzerten in der Sonne, die durch das Küchenfenster fiel. Der kleine Transporter parkte in diesem Augenblick hinter dem BMW, so nahe, dass ich hoffte, der eine würde das Heck des anderen eindrücken. "Metaphorisches Werfen reicht völlig aus."
Während die beiden Männer schnauften und stöhnten, saßen Kittie und ich in der Küche, tranken einen Café Latte nach dem anderen, flüsternd und immer mit einem Ohr durch die angelehnte Küchentür lauschend. Als sie gerade die letzten beiden Schachteln in den Transporten drückten - ich hatte die Kartons mitgezählt - ging Kittie zur Toilette.
"Du solltest dir die Nägel lackieren", sagte Kittie, während sie zur Tür ging.
"Wieso?"
Sie zuckte mit den Schultern. "Das kommt so gelangweilt."

***

Der junge Mann hat sich von mir zurückgezogen. Vermutlich hat er Angst. Vielleicht nicht direkt vor mir, aber auf jeden Fall vor der Situation, in die ich diese netten, normalen Menschen gebracht habe.
Eine Reaktion auf so etwas lernt man in keinem Kurs auf der Volksschule.
"Das wäre alles nicht nötig gewesen", sagt Kittie. Sie sitzt wieder im Schmetterlingssitz neben mir, die Knie in den Boden gedrückt, die Hände wie zum Gebet gefaltet, die Augen halb geschlossen, als wäre sie dabei, ihre Yoga-Übungen zu machen.
"Du hast es herausgefordert", sage ich leise, um die Gruppe um mich herum nicht noch mehr zu verängstigen. "Das war alles ganz allein deine Schuld. Hättest du nicht ..."
"Ich wollte dir wirklich nur helfen."
Ich lache.
"Das meine ich ernst", sie beugt sich nahe zu mir. "Vielleicht nicht am Anfang, da wollte ich nur wissen, wer sie war. Aber später ...", ihre Lippen sind so nah an meinem Ohr, dass ich ihren Atem spüre, obwohl das nicht sein kann, "... da habe ich dich wirklich lieb gewonnen."

***

"Hier wohnt sie", sagte Kittie und schob sich mit der Sonnenbrille das Haar aus der Stirn. Wir befanden uns in einer kleinen Siedlung mit mehreren spiegelverkehrten Doppelhaushälften ohne Garten, die sich innen wahrscheinlich nur durch die Menschen auf den Fotos unterschieden. Sie deutete auf eines an der Ecke, aus dessen Briefkasten mehrere Prospekte ragten.
"Die Schlampe", stellte ich fest.
"Genau die."
"Sein BMW steht da drüben", ich nickte in die Richtung des Wagens. "Welches, denkst du, ist ihr Auto?"
Kittie zuckte mit den Schultern. "Vermutlich irgendein Kleinwagen. Sie hat sicher keiner Kinder."
Natürlich nicht, denn dafür würde mein Mann mich nicht verlassen. "Sowas wie ein Smart?"
"Oh ja", sie lachte laut auf, "das würde zu ihr passen, ein Smart."
Ich sah mich um. Da stand tatsächlich ein Smart. Ein zitronengelbes, winziges Ding, nur ein paar Meter hinter dem BMW geparkt.
"Woher weißt du, dass sie hier wohnt?"
Kittie lächelte und senkte verschwörerisch ihre Stimme. "Ich bin ihm gefolgt."
Ich war überrascht. "Wann?"
"Ich habe ihn gestern am Stadtplatz parken sehen und da war sein Parkzettel schon fast abgelaufen ...", sie zuckte wieder mit den Schultern, "Sein Auto ist so verdammt protzig und echt nicht zu übersehen."
Einen Augenblick lang dachte ich nach, dann fragte ich: "Hast du sie auch gesehen?"
Sie sah mich nicht an, nickte aber langsam.
"Hm." Ich wollte fragen: Wie sieht sie aus? Ist die hübscher, schlanker, jünger als ich? Ist sie es, verdammt noch Mal, wert, dass er mich ihretwegen verlassen hat? Aber eine Antwort darauf wollte ich eigentlich nicht. "Wollen wir ihr Auto zerkratzen?", fragte ich stattdessen.
"Ich weiß nicht sicher, dass der Smart ihrer ist. Wir wollen doch nicht in ein Auto Hure kratzen - schön mit ein paar Blitzen versehen, damit es auch wirklich nicht zu unauffällig ist - mit dem Oma ihre Enkel vom Kindergarten abholt."
Ich kicherte. "Ihren Enkel, Singular. Das Auto hat nur zwei Sitze."
"Gut: Ihren Enkel vom Kindergarten abholt. Wenig befriedigend, oder?"
Ich seufzte theatralisch.
"Stattdessen", begann sie und nahm dann einen großen Schluck von ihrem Latte, "sollten wir uns um sein Auto kümmern."
Man glaubt kaum, wie gut es sich anfühlt, ein paar Nägel aus dem nächsten Baumarkt so unter den Hinterreifen eines Autos zu drapieren, dass der Fahrer keine zwanzig Meter weit mehr damit kommt, wenn man es nicht zumindest einmal selbst versucht hat.

***

Heutzutage könnte man fast glauben, dass Verbrechen nichts Persönliches mehr sind.
Datendiebstahl, gegen Berge gelenkte Flugzeuge und U-Bahn-Bomben? Falsche Zeit, falscher Ort; tut mir Leid, dass es ausgerechnet dich getroffen hat. Als gäbe es keine giftspuckenden Ehefrauen mehr, keine gehörnten Ehemänner, die die Schlampe und den Hurensohn mit einem Küchenmesser abstechen.
Wahrscheinlicher ist nur, dass diese Dinge niemanden mehr interessieren. Zu häufig, zu alt, zu gewöhnlich.
Ganz nett, aber dafür haben wir keinen Platz mehr auf Seite eins.

Zerstückeln wollte ich eigentlich niemanden. Aber der Kofferraum eines Cabrios ist wirklich winzig.

***

Ich verbrachte nicht jeden Augenblick mit Kittie. Aber ich war es nicht gewohnt, abends allein zu sein - allein fernzusehen, allein zu schlafen, ja, sogar allein ein Buch zu lesen; die Stille kann einen in den Wahnsinn treiben - und so saß ich manchmal vor dem Haus der anderen Frau und beobachtete die beleuchteten Fenster und die Schatten, die sich ab und an hinter den Vorhängen abzeichneten. Ich saß in meinem Auto - die Scheiben herunter gefahren, die kühle Sommernachtluft blies mir um die Nase und zerzauste mein Haar, es roch sehr frisch, was mich ärgerte, denn es passte nicht zu dem, wie ich mich fühlte - und wartete. Ich wollte sie nicht direkt sehen, vor allem nicht zusammen, aber ich wollte mir einfach sicher sein, während ich so dasaß, den Sitz nach hinten gefahren, mit den Händen an einem großen Kaffee festhaltend, dass es wirklich wahr war.
Dass ich meinen Mann mit eigenen Augen in die linke Haushälfte gehen sah, war letztendlich nur eine Frage der Zeit.

An dem Tag, an dem ich in ihre Wohnung einstieg, war ich allein. Ich wollte sehen, wie sie lebte, welche Kleider sie im Schrank hatte. Ich wollte, verdammt noch Mal, wissen, wer sie war.
Kittie erzählte ich davon nichts. Ich vermutete, dass selbst für sie damit ein gewisser Punkt überschritten gewesen wäre.
Ich schlug eines der Fenster auf der Gartenseite mit dem Nothammer aus meinem Auto ein. Es waren fünf kräftige Schläge notwendig - meine Schulter schmerzte fast zwei Tage lang danach noch immer -, um tatsächlich durchzubrechen. Der Krach war unglaublich - weniger das Zerbrechen des Glases, als die harten, glockenhellen Schläge an sich - so laut hatte ich es mir nicht vorgestellt. Sie haben dich gehört, es kann gar nicht anders sein, dass jeder, der sich auch nur in der Nähe aufhielt, es gehört haben muss - und so zog ich mich schnell in mein Auto zurück, setzte mich auf den Fahrersitz und studierte, im Schein einer Straßenlaterne, die Einkaufsliste auf meinem Handy, als würde das, was dort stand, meine ganze Aufmerksamkeit besitzen.
Nachdem ich gut dreißig Minuten vor dem Haus gewartet und weder Nachbarn, noch die Polizei gesehen hatte, ging ich zurück zum zerbrochenen Fenster und stieg ein. Ich trug meine steifen Wildlederhandschuhe - ein Weihnachtsgeschenk meines Mannes, was mir besonders passend erschien - und schaffte es, ohne mich zu verletzen, einzusteigen. Drinnen schaltete ich das Licht an, was mir weit weniger verdächtig vorkam, als mit einer Taschenlampe zu leuchten.
Die Einrichtung war karg bis minimalistisch - kalte Farben und scharfe Kanten überall; das Sofa, riesig und aus grauem Kunstleder, lag dort wie ein gestrandeter Wal. Der Fernseher wirkte klein, obwohl er es nicht war, wie er dort wie ein Gemälde an der kahlen Wand hing, und die Schränke, die alle offen waren, beherbergten weder Fotos, noch die Kleinigkeiten, die man nur zu gerne darin abstellte.
Ich sah mir die Regale genauer an, schob DVDs und Bücher - Ratgeber zum Selbstcoaching und Gewichthalten - beiseite und suchte nach etwas Persönlichem. Doch außer einem nicht eingelösten Rezept über die Anti-Baby-Pille – wahrscheinlich wollte sie ihm ein Kind anhängen - und einem Paar rosafarbener Hausschuhe wurde ich nicht fündig.
Ich ging ins gegenüber liegende Badezimmer. Auch hier fand ich nichts Kompromittierendes, die beigen Handtücher hingen, fein säuberlich nach Hotelmanier zu Spitzen gefaltet, am Halter und der Toilettendeckel war geschlossen. Im Schränkchen standen keine auffälligen Medikamente - keine Aufputsch- und Schlafmittel und keine Antidepressiva. Vermutlich war das Miststück einfach immer fröhlich und konnte schlafen, wie ein Baby - und das, obwohl sie meine Ehe zerstört hatte.
Ich ging in das Schlafzimmer, kramte ein wenig in ihrer Unterwäsche und bestätigte damit meine Vermutungen - winzig und aus Spitze - bevor ich mich, enttäuscht und müde, ich hatte bereits über eine halbe Stunde lang nach auch nur einen winzigen Hinweis gesucht, auf das frisch gemachte Bett fallen ließ.
Dann zuckte ich zusammen.
Ich konnte ihn riechen. Den sanften Duft seines Rasierwassers, der sich immer wie ein Umhang um seine Schulter gelegt hatte, wenn er morgens aus dem Bad gekommen war und mir einen Kuss auf die Stirn gedrückt hatte. Sein Duschgel, das fast nur nach Seife und Sauberkeit roch.
Und seinen Eigengeruch. Man kann nicht neun Jahre mit einem Mann zusammen leben und diesen Geruch nicht sofort erkennen.
Ich sprang auf, packte die Bettdecke, warf sie durch das Schlafzimmer und zog keuchend und ächzend die Matratzen vom Rost, bevor ich gegen die Latten trat und sie mit einem lauten Kreischen zersplitterten. Die Nachttischlampe schleuderte ich gegen das Fenster. Sie schlug laut und dumpf auf und zerbrach erst auf dem Boden in unzählige, nadelfeine Splitter. Das dicke Taschenbuch warf ich gegen den Kosmetiktisch, wobei der Spiegel überraschend standhielt. Als ich gerade ausholte, um einen Parfumflakon auf dem Boden zu zerschmettern, hörte ich nebenan Schritte und Klopfgeräusche und bekam plötzlich Angst, dass mich jemand gehört hatte. Die Nachbarn konnten die Polizei rufen und noch wollte ich nicht so tief sinken, festgenommen zu werden.
Ich: die vollkommen durchgeknallte Ehefrau. Kein Wunder, dass er die verlassen hatte.
Ich wischte mir die Tränen von den Wangen, sammelte die Handschuhe ein, die ich in meiner Raserei ausgezogen hatte und wollte gerade aus dem Schlafzimmer stürmen, - nicht, ohne mit einem Tritt noch die Stehlampe mit romantischem Dimmer umzuwerfen - als ich auf dem kleinen Schminktisch ihr Portmonee sah. Ich verharrte, griff danach, öffnete es und schüttete den Inhalt auf den Tisch. Ein paar Geldscheine, verschiedene Karten - Konto-, Kredit- und Sammel-Karten - sowie ein klein zusammengefaltetes Foto verteilten sich auf dem Tisch. Einen Augenblick lang zögerte ich, doch dann nahm ich das Foto und faltete es auseinander.
Es war ein Foto von ihr. Und sie war hübscher, schlanker und jünger als ich. Doch neben ihr, den Arm um die schmalen, fast jungenhaften Hüften gelegt, stand nicht mein Mann.
Sondern ich.
Dieses Mal hatte das Leben beschlossen, einen verdammt großen Stein nach mir zu werfen.

***

"Du bist mir ans Herz gewachsen. Unter deinen Selbstzweifeln und den Hass auf die Frau, für die dein Mann dich verlassen hatte, bist du ein fast liebenswertes Ding. Ich bin mir sicher, du hättest einen anderen gefunden."
Ich lache wieder. "Die Frau?"
Mir ist schrecklich kalt. Obwohl jemand eine Decke über mir ausgebreitet hat, zittere ich am ganzen Körper. Ich glaube, der Schock setzt ein oder lässt nach - mein Ersthelferkurs liegt lange zurück -, denn mir wird plötzlich übel und ich wünsche nur noch, mich - allein und vor aller Augen geschützt - übergeben zu können. Zu Hause. In meinem Haus, das still ist und warm und nach Zimt duftet und in dem mein Badezimmer blitzt und glänzt.
Aber wenigstens schreit jetzt niemand mehr.

***

Ich sprach sie nicht darauf an, denn was hätte ich zu ihr sagen sollen?
Wir gingen nach wie vor Kaffee trinken, schrieben unsere täglichen Nachrichten - wobei ich jedoch eisern auf jegliche Smileys verzichtete, was Kittie, sehr zu meinem Bedauern, nicht zu bemerken schien - und hielten unsere Yoga-Termine zwei Mal pro Woche ein, bei denen wir nebeneinander unsere Sonnengrüße absolvierten.
Mit einem Schlag hatte sie mir nicht nur den Mann, sondern auch die beste Freundin genommen.
Als wäre alles, worauf sie aus gewesen war, mich komplett zu vernichten.

Den Einbruch bei ihr zu Hause erwähnte sie mit keinem Wort. Ich erfuhr nie, ob sie erschüttert gewesen war, als sie nach Hause gekommen war und das zersplitterte Fenster und das Durcheinander in ihrem Schlafzimmer vorgefunden hatte. Ob sie wütend gewesen war, ob sie Angst gehabt hatte.
Oder ob sie wusste, dass ich es gewesen war.
Ich fing an sie noch mehr zu verabscheuen, als die Frau, die mir meinen Mann gestohlen hatte.

"Das sieht großartig aus", sagte Kittie, als sie hinter mir stand und über meine Schulter in den Topf lugte. "Ich würde auch gern kochen können." Sie drehte sich um, schlenderte, während sie an ihrem Kaffee nippte, Richtung Theke und ließ sich auf einen der Stühle sinken. "Mittlerweile wäre das ja sogar wieder en vogue."
Zaghaft wurde es draußen dunkel. Der Himmel zog sich zu, bald würde es regnen. "Das kann man lernen", sagte ich dann kurz angebunden. Mit keiner Reaktion hatte sie bisher verraten, ob ihr auffiel, dass ich mich ihr gegenüber kühler verhielt. Ich bemühte mich, dass sie es nicht bemerkte, aber eine gute Schauspielerin war ich - mit meinen Weinkrämpfen in der Toilettenkabine auf der Arbeit und den Nächten voller Schlaflosigkeit und eingebildeter Atemnot, seit ich meine Medikamente abgesetzt hatte - noch nie gewesen.
Wir hatten bereits oft zusammen zu Abend gegessen, wobei immer ich gekocht hatte, und so hatte sie sofort zugestimmt, als ich sie eingeladen hatte. "Klar, gern", hatte sie gesagt und dann hinzugefügt: "Aber fettarm", und gelacht.
Es klingelte und ich legte den Kochlöffel auf den Rand des Topfes, um mir die Hände zu waschen. "Ich gehe schon", sagte ich, als ich sie an einem Spültuch trocknete, den Dunstabzug hochdrehte und zur Tür ging. "Lass es nicht überkochen", rief ich Kittie noch über meine Schulter zu und ging zur Haustür.
Mein Ehemann hatte ebenfalls ohne merklichen Argwohn zugestimmt, als ich ihn darum gebeten hatte, meine bestens funktionierende Spülmaschine zu reparieren, wobei ich an seine technischen Fertigkeiten appelliert und meine weibliche Ungeschicklichkeit - er respektierte die Geschlechterrollen - vorgeschoben hatte. „Natürlich helfe ich dir aus“, hatte er gesagt und ich hatte durchs Telefon spüren können, dass ihm beinah ein Stein vom Herzen gefallen war, dass ich ihm die Hand dazu reichte, sein Gewissen zu erleichtern.
Jetzt begrüßte er mich mit einem Lächeln und kurz fühlte ich die alte Zuneigung in der Magengegend, die sich wie eine Faust um mein Innerstes schloss - aber nur kurz.
Er sah gut aus. Hat er immer getan, in jedem Augenblick. Was vielleicht einer der Gründe war, aus denen ich nicht überrascht hätte sein sollen, dass er es nicht allzu lange bei nur einer Frau aushielt.
Der Himmel war sehr düster geworden, in seinem Hemdkragen steckte heute keine Sonnenbrille. Auch das Lächeln wirkte nicht mehr allzu aufgesetzt und ich fragte mich, ob ich ihn wirklich nicht mehr zurückbekommen könnte.
Fast hätte ich ihn wieder fortgeschickt.
"Danke", sagte ich dann, "ich bin ohne Spülmaschine aufgeschmissen."
Er schlüpfte aus seinen Schuhen, indem er sie mit den Zehen abstreifte und sich dabei leicht auf meine Schulter stützte,- ganz so, als hätte sich zwischen uns nicht alles verändert - und ging dann den Flur entlang. "Das riecht gut. Hast du gekocht?" Seine Füße erzeugten auf den Fliesen den mir aus vielen Jahren bekannten Laut: ein leichtes Stampfen, gefolgt vom Rascheln seiner Jeans. Bmpf – schtscht. "Da bekomme ich richtig Hunger."
Und ich Anflüge von nostalgischen Gefühlen.

Ich hatte nicht wirklich etwas geplant. Zu Beginn wollte ich nur wissen, wie sie reagieren würden. Würden sie sich bei mir entschuldigen? Dafür, dass sie mich beide auf ihre eigene Art so hintergangen hatten, ganz so, als hätten sie versucht, mich systematisch zu zerstören? Oder hatte er etwa gar nichts von Kitties und meiner Freundschaft gewusst?
„Wir sollten uns um seine Arbeit kümmern!“, rief plötzlich Kittie aus der Küche und ich befürchtete schon, die Bombe würde platzen, ohne dass die Schrapnelle beide richtig erwischen würden. Aber er sah mich nur an, fragte: „Hast du Besuch? Störe ich?“, während ich lächelnd – zu viele Zähne, du zeigst zu viele Zähne - und Kittie lachend und außer Sicht fortfuhr: „Ihn vielleicht auf Facebook auf kompromittierenden Fotos markieren, alá: Abteilungsleiter eines angesehenen Maklerbüros bei Lapdance in Stripclub!“
Aber er ging ohne zu stocken weiter, als hätte er keine Ahnung, worum es hier ging. Als gäbe es in dieser kleinen Stadt so viele Maklerbüros und so viele Möglichkeiten für Lapdances. Und als gäbe es in seiner Vorstellung keine Möglichkeit, dass er, die alte und die neue Frau sich tatsächlich in ein und derselben Realität befinden könnten.
Aber vielleicht war auch der Dunstabzug wirklich laut genug.
Erst als er die Tür öffnete – ich befand mich nur wenige Zentimeter hinter ihm – konnte ich sehen, wie der Groschen fiel und er erstarrte. Sein Rücken versteifte, seine Schultern hoben sich und in seinem Nacken breitete sich eine dunkle Röte aus, wanderte wie Nebel in den Kragen seines Hemdes.
Kittie dagegen ... ihr Lächeln wurde wie von einer Ohrfeige aus ihrem Gesicht gewischt und sie sprang förmlich von dem Küchenstuhl auf, auf dem sie mit angezogenen Knien gesessen hatte. Er fiel um und erzeugte dabei ein so lächerlich lautes Geräusch, dass mein Mann zusammenschrak und ich anfing zu kichern.
Ich schob ihn mit meinem Körper sanft in die Küche und schloss dir Tür hinter mir. Ich erinnere mich daran, dass ich den Schlüssel umdrehte und ihn in meine Tasche steckte, aber dass ich mich dazu entschied, abzuschließen – daran erinnere ich mich nicht.
Obwohl draußen die Straße rauschte und drinnen der Dunstabzug, wirkte es vollkommen still, als ich zur Theke zurück ging, das Küchenmesser nahm und damit anfing, Tomaten zu vierteln.

Eine lange Zeit lang passierte nichts.
Der Dunstabzug saugte vor sich hin – ich fühlte mich, als würde ich neben dem Triebwerk eines Flugzeuges stehen - und die Soße spritzte über den Rand, hinterließ überall rote Flecken. Ich stellte die Herdplatte zurück. Draußen begann es zu regnen.
Als ich mich zu den beiden umdrehte, sah ich, dass sie sich nicht bewegt hatten. Mein Mann stand an der Tür und starrte Kittie an. Kittie stand breitbeinig über dem umgefallenen Barhocker und starrte mich an.
Ich ließ meinen Blick zwischen den beiden hin und her wandern.
"Vorstellen muss euch einander wohl nicht", sagte ich dann zu Kittie und lächelte.

Ich glaube, es waren die Ausreden, die mich wirklich wütend machten. Hätten sie alles zugegeben – die Affäre, die Frechheit, die sie besessen hatten – wäre nichts weiter passiert. Wahrscheinlich.
Ich wusste von ihnen und von ihrem Spiel. Sie wussten, dass ich es wusste – und trotzdem weigerten sie sich, es zuzugeben.
Stattdessen wollten sie den Spieß umdrehen.
„Was macht der denn hier?“, fragte Kittie und versuchte die Farce aufrecht zu erhalten, in dem sie ihn, ganz die Verbündete, anfunkelte, als würde sie ihm jeden Augenblick die Augen auskratzen.
„Was soll das?“, fragte mein Mann, wütend. Als wäre es eine Unverschämtheit, was auch immer ich vorhatte. „Warum lädst du uns hier ein? Woher kennst du Kathrin überhaupt?“ Er kniff die Augen zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust, als würde er mit einem ungezogenen Kind sprechen.
„Was, zum Teufel, macht er hier!“, schrie Kittie wieder und flüchtete zur anderen Seite der Küche.
„Was hattest du dir davon nur erhofft“, sagte mein Mann, wisperte es fast, seufzte dann laut auf und drehte sich zur Tür. „Wenn du es wissen willst: Das ist der Grund. Du musst aus allem ein Drama machen. Das ist der Grund für alles.“
Ich dachte an all die Abende voller angeblicher Überstunden. An fleckige Unterhosen und parfümierte Hemden, die ich kommentarlos gewaschen hatte und dann dachte ich an die Glühbirne.
Bisher hatte ich aus nichts ein Drama gemacht.
Ich griff nach dem Küchenmesser. Meine Hand schloss sich fest um den Griff, so weit vorne, dass ich mir den Handballen damit aufschnitt und aufstöhnte.
„Was hattest du nur vor“, sagte mein Mann kopfschüttelnd, griff hinter sich und drückte die Klinke hinunter, ohne die Tür zu öffnen. Er sah mich an und in seinen Augen sah ich das, was ich nicht mehr ertragen konnte: Mitleid.
Ja, was hatte ich vor?
Im nächsten Augenblick steckte das Messer in seiner Halsbeuge und er stürzte keuchend zu Boden. Er landete auf meinem Fuß und ich schreckte, fast angewidert, zurück und schüttelte seine Finger ab, die sich – allerdings schwach, sehr schwach – um meinen Schuh zu klammern versuchten.
Es vergingen einige stille Augenblicke, in denen niemand etwas sagte: Ich nicht, Kittie nicht und er ... nun ja, er auch nicht mehr.
„Oh Gott“, stöhnte Kittie und als ich mich zu ihr umdrehte, sah ich, wie sie ihre Hand mit den perfekt lackierten Fingernägeln vor den Mund hielt – die Augen riesig und kurz vorm Überquellen. Es könnte auch nur Einbildung gewesen sein, doch es kam mir vor, als hätte ich in ihren Augen tatsächlich Leid gesehen, nicht nur Schock.
Für Letzteres hätte ich ja Verständnis gehabt. Schließlich war ich selbst von meiner Reaktion auch äußerst überrascht. Aber Schmerz? Leid?
„Großer Gott …“ Ihre ganze Reaktion kam mir äußerst theatralisch vor. Es war schließlich nicht ihr Mann. Sie, ausgerechnet sie, hatte kein Recht zu leiden.
Als Kittie ihre Lethargie abschüttelte und auf ihn zustürmte – er, von dem nur noch, das sah man sofort, der Körper übrig war, der Rest war schon komplett verschwunden -, packte ich sie am Oberarm und zog sie von ihm weg. Sie schrie auf – ihre Fingernägel gruben sich in meine Schulter, als sie sich loszureißen versuchte – und ich stieß sie so heftig zurück, einfach nur weg von ihm, dass sie, einige Schritte rückwärts stolpernd, über den Küchenstuhl fiel, sich den Kopf an der Theke aus Granit anschlug – als würde eine Grapefruit auf den Boden fallen, ohne zu zerplatzen – und ebenfalls zu Boden stürzte.
Und immer noch dröhnte der Dunstabzug, vollkommen unbeeindruckt.

***
Es fängt wieder an zu regnen. Mein Haar wird immer schwerer und mir ist so kalt, dass ich meine Füße nicht mehr spüren kann.
Ich drehe mich auf den Bauch und versuche mich aufzusetzen. Mehrmals verlieren meine Hände den Halt im feuchten Gras und die Decke, die man über mich gelegt hat, umschlingt mich, hält mich fest an Ort und Stelle, als wolle sie mich am Flüchten hindern. Doch beim vierten oder fünften Versuch schaffe ich es schließlich.
Der Überschlag hat meinen Gleichgewichtssinn gestört. Obwohl ich mich so leicht wie ein Grashalm fühle, sind meine Beine noch leichter und schaffen es nicht, mein Gewicht zu tragen. Immer wieder stürze ich zu Boden.
Fünf oder sechs Leute stehen um mich herum – alle jedoch halten mehrere Armeslängen Abstand, als würden sie befürchten, ich könnte sie, kämen sie nur ein wenig näher an den unsichtbaren Käfig, wie ein Löwe durch die Gitterstäbe hindurch angreifen. Keiner von ihnen sagt etwas. Sie sehen mich nur an, voller Angst, Entsetzen und Ekel. Einem Mädchen hängt Spucke im Mundwinkel und ich kann den sauren Geruch von frisch Erbrochenem wahrnehmen.
Wenn sie doch nur die ganze Geschichte kennen würden. Jeder von ihnen würde mich verstehen.

***

Ich geriet in Panik.
Ich will nicht behaupten, dass ich einen Blackout hatte - ich wünschte wirklich, es wäre so -, aber ich wüsste nicht, dass ich mich tatsächlich dazu entschlossen habe, die beiden zu zerstückeln.
Dass sie tot waren war vollkommen eindeutig. Das japanische Küchenmesser steckte noch immer bis zum Heft in seinem Hals - es hatte mich tatsächlich kaum mehr Anstrengung gekostet, als eine alte Tomate zu vierteln - und dann war da das Loch in ihrem Kopf und das viele Blut auf dem Boden …
Nein, lebendig sahen sie beileibe nicht mehr aus.
Und ich denke, hätte er seine verdammte Kreissäge, diesen Beweis seiner Männlichkeit, während unserer Beziehung nicht so oft erwähnt, wäre ich vermutlich auch nie auf die Idee gekommen. Wahrscheinlich hätte ich eine Tasche gepackt und wäre in meinem eigenen Auto verschwunden. Nur wenig später hätte sich der Eingangskorb auf meinem Schreibtisch gefüllt, bis nichts mehr darin Platz gefunden hätte und allmählich hätte man mein Fehlen auf der Arbeit bemerkt. Jemand hätte bei mir angerufen, aber ich wäre nicht ans Telefon gegangen. Wenig später wäre jemand zu mir nach Hause gekommen und hätte an die Tür geklopft. Vielleicht hätte dieser Jemand bemerkt, dass Reklamezettel meinen Briefkasten verstopften und wäre dann, bereits einen leisen, unbestimmten Verdacht hegend, um mein Haus gegangen und hätte durch die Fenster gelugt. Und dabei hätte er sicher die beiden Leichen in meiner Küche bemerkt, die wahrscheinlich schon jetzt dabei waren sich zu zersetzen.
Mein Mann und eine fremde Frau tot in meiner Küche und ich verschwunden?
Die Lage hätte für mich kaum schlechter sein können.
Was ich stattdessen vorhatte war, beide in sein Cabrio zu verladen und alles zusammen in einem Teil des Flusses am Ende der Stadt zu versenken, der, wie ich hoffte, erstens tief genug war und zweitens nicht von Badegästen frequentiert werden würde. Anschließend würde ich mit dem Zehn-Uhr-Bus zurückfahren, die Küche mehrmals von oben bis unten reinigen und desinfizieren, einen Termin bei meinem Hausarzt vereinbaren, meine Antidepressiva – dieses Mal eine höhere Dosis – wieder einnehmen und die Erinnerung an den Vorfall in mein Unterbewusstsein schieben, schön in eine Schachtel verpackt und in das letzte Eckchen gestellt, wo sie dann Staub ansetzen konnte.
Ich parkte also sein Cabrio in der Garage, drückte auf den Handsender, um das Tor zu schließen und öffnete dann, im trüben Licht der alten Neonlampe, die Heckklappe des Wagens.
Nie und nimmer passten sie so in den Kofferraum.

Ich fing an zu schwitzen, als ich mehrmals durch das Haus lief, in der Hoffnung, dass die Bewegung auch mein Gehirn in Schwung bringen würde. Erst nach mehr als einer Stunde – vielleicht war es auch länger – fand ich mich damit ab, dass das Problem die fehlende Beweglichkeit der beiden war.
Zumindest so lange sie sich in einem Stück befanden.
Die Kreissäge war keine besonders gute Idee. Nicht nur, dass sie eine ungeheure Schweinerei produzierte - irgendwie hatte ich wohl geglaubt, dass totes Blut nicht so spritzen konnte – die Körper waren auch zu dick, als dass es mit einem Schnitt getan wäre. Letztendlich musste ich mit der Axt nachhelfen. Als ich nach getaner Arbeit vor seinem Wagen stand, schmerzten meine Arme und ich war überrascht, dass ich es tatsächlich geschafft hatte.
Doch selbst so passten sie nicht komplett in den Kofferraum.
Ich sah mir die prall gefüllten Plastiksäcke im Kofferraum und die etwas kleineren zu meinen Füßen an, während der Regen plötzlich auf das Garagendach niederprasselte, und nickte nur. Dann warf ich das Beil in den Kofferraum und den Deckel zu, packte die letzten Tüten, warf sie in den Beifahrerfußraum und setzte mich dann selbst hinters Steuer.

***

Es war eine unangenehme Fahrt. Nicht nur, dass ich den Wagen nicht kannte – immer wieder, wenn ich zu schnell eine Kurve nahm, hatte ich das Gefühl, dass er zu schlingern anfing -, zu allem Überfluss hatte er ein Automatikgetriebe. Ich war noch keinen Wagen mit Automatik gefahren und mein linker Fuß pumpte unablässig ins Leere, um die fehlende Kupplung zu betätigen.
Der Regen wurde stärker und die Scheibenwischer hatten Probleme, ihm Herr zu werden. Und es befanden sich zudem zwei Leichen mit mir im Auto.
Ich fuhr nicht besonders schnell, aber auch nicht so langsam, dass ich Aufmerksamkeit erregt hätte. Die Lichter der entgegenkommenden Autos spiegelten auf der nassen Fahrbahn und blendeten mich und als ich mehrmals vergaß, das Fernlicht abzuschalten, als Gegenverkehr kam, ließ ich es schließlich ganz aus.
Da begann es zum ersten Mal und Kittie sagte: „Denk nicht, dass es so endet.“
Ich erschrak und verriss das Lenkrad. Mit den rechten Reifen fuhr ich gefährlich weit übers das Bankett und der Fahrer hinter mir fuhr nahe auf, als ich den Wagen zurück auf die Straße lenkte.
„Was …?“, flüsterte ich und sah auf den Beifahrersitz hinüber. Auf dem Kittie saß. Ganz und gar nicht so, als würde es sie in ihrer Lebendigkeit behindern, verteilt auf Koffer- und Fahrgastraum, in mehrere Plastiktüten gesteckt zu sein.
„Ich bin nicht echt“, sagte sie, „naja“, sie zuckte mit den Schultern, „zumindest nicht komplett.“
Ich versuchte, meine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu widmen, aber es fiel mir äußerst schwer, nicht alle paar Sekunden einen Blick auf sie zu werfen, wie sie da auf dem Beifahrersitz saß, vorbildlich angeschnallt, ein Bein angezogen und das Kinn darauf abstützend.
Wieder fing der Wagen an zu holpern, als ich zu weit ins Bankett fuhr und ich verriss das Lenkrad, als ich ihn wieder auf die Straße zurück steuerte. Mit dem linken Fuß trat ich fest auf die Bremse, als ich die Kupplung betätigen wollte. Das Cabrio schlingerte, mehrere Warnlampen blinkten auf, schrien mir entgegen und ich konnte neben mir Kittie hören, wie sie vor sich hin seufzte. Der Wagen tat sein Bestes, aber ich machte es ihm nicht gerade leicht.
„Du solltest wirklich ein wenig langsamer fahren“, sagte sie zu mir und fuhr dann nach einem Augenblick fort: „Oder gleich stehen bleiben.“
Es war kalt im Wagen und ich streckte meine Hand aus, um die Heizung hoch zu drehen. Meine Finger zitterten stark.
„Wieso kannst du mich nicht in Ruhe lassen“, murmelte ich vor mich hin. So leise, dass ich mich selbst – unter dem Rauschen des Regens und den lauten Abrollgeräuschen der Reifen – kaum verstehen konnte. „Ich wollte doch nur, dass es vorbei ist.“
Obwohl ich mich nicht zu ihr umdrehte, konnte ich ihr Augenrollen regelrecht hören. „Es könnte schon auch noch schlimmer sein.“
Und wenige Augenblicke später, als ich bereits anfing, den Wagen vor einer scharfen Kurve abzubremsen, kam es schlimmer.

***

"Wieso hast du mir geholfen, ihn zu bestrafen? Warum haben wir beide seine Reifen zerstochen und wieso hast du mich überhaupt angesprochen?", frage ich Kittie, denn alles, was ich noch von ihr wissen will, ist: "Was hattest du davon?"
Ich höre das leise Singen von Sirenen, das gemächlich lauter wird und bemerke, wie mein Publikum gleichzeitig immer leiser und leiser wird und so langsam, dass es kaum zu bemerken ist, weiter vor mir zurückweicht.
Der junge Mann mit den Augenbrauen ist der tapferste unter ihnen. Er steht fast auf Armeslänge neben mir, kaut auf dem Nagel seines rechten Daumens und ist sichtlich zerrissen zwischen der Entscheidung, sich vor mir zu fürchten – der Verrückten, die mit sich selbst spricht und die offenbar eine oder zwei zerstückelte Leichen mit sich herum fährt - oder Erste Hilfe zu leisten, wie es ihm beigebracht wurde. Im Sekundentakt wechselt sein Blick zwischen mir und dem Kopf meines Mannes, der aus der Öffnung einer Mülltüte aus dem Kofferraum, der beim Aufprall aufgesprungen ist, hervor lugt.
„Sag mir nur eins: Wieso?“, frage ich Kittie und schaffe es endlich, mich auf die Beine zu stemmen. Meine Knie zittern und mein rechter Knöchel pulsiert schmerzhaft. Als ich wieder fast stürze, hält mich der junge Mann am Oberarm fest und stützt mich.
Ich glaube, er fragt mich erneut, ob „alles in Ordnung“ sei. Ich nicke nur.
„Wieso hast du mir das angetan?“
Kittie steht neben mir, wie eine Erinnerung völlig unversehrt, und lächelt mich an. Es ist das Lächeln, das sie mir damals auf der Parkbank geschenkt hat. „Das verstehst du völlig falsch. Ich habe dir nie etwas antun wollen. Ganz im Gegenteil.“
Mein Retter hilft mir zu seinem Wagen – ein Caravan und ich denke „das ist mal ein souveränes und praktisches Auto“ –, öffnet den Kofferraum und hält mich, als ich mich auf die Ladekante setze.
"Weil ich denke, dass eine Frau, deren Mann sie betrügt, ein wenig Rache verdient hat."
Im nächsten Augenblick hält ein Krankenwagen am Straßenrand, das Martinshorn abgestellt, nur das Blinklicht zuckt noch über unsere Köpfe hinweg.

***
„So viel Leidenschaft hätte ich dir gar nicht zugetraut.“ Seine Stimme war klar und deutlich, als er mit mir sprach. „Hättest du die schon gezeigt, als wir noch zusammen waren …“, die Warnschilder der scharfen Kurve kamen immer näher, Kittie kicherte leise neben mir und ich konnte nur noch daran denken, dass alles, was ich wollte, war, dass sie endlich aufhörten. „… wer weiß, wie die Sache dann ausgegangen wäre.“
„Vielleicht wäre er nicht zu mir gekommen“, sagte Kittie und drehte sich um, als fände sie es unhöflich, meinem Mann während des Gesprächs den Rücken zuzukehren. „Hätte sie ein wenig mehr Gefühl gezeigt, vielleicht hättest du nicht zu mir kommen müssen.“
Ich dachte nur: Hört auf. Seid still still still …
„Zu einer jüngeren Frau“, sagte er.
„Einer voller Leidenschaft“, sagte sie.
Ich trat auf das Gaspedal und das Cabrio heulte auf.
„Wie schön du gewesen bist“, flüsterte er.
Ich fasste nach rechts, öffnete Kitties Sicherheitsgurt.
„Ich habe dich fast geliebt“, flüstert sie ihm zu, mir zu.
Das Gaspedal bis zum Anschlag durchgetreten lenkte ich sanft nach rechts und spürte kaum noch, wie die lange Schnauze des Autos die Warnschilder um mähte und das Cabrio anfing, sich zu überschlagen.
Ich dachte nur: Lieber Gott, lass es endlich vorbei sein. Auf die eine oder andere Weise.

 
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Guten Morgen Tamira,

BOAH! Das ist ein ganz schöner Brocken, den du uns da zum Start des Wonnemonats um die Ohren haust. Gepostet kurz nach Mitternacht. Gib's zu, du wolltest, dass da 01.05 steht :)

Das kriege ich alles nicht auf einmal in meinen Kopf ... so früh am Morgen ... macht ja nichts. Ich drucke mir das aus und lasse mir Zeit. Deine Intro habe ich jedoch schon gelesen.

Intros sind für mich vielleicht der wichtigste Part einer Erzählung. Wenn ich da schon gelangweilt bin, wird das meist auch nichts mehr ... zumindest nicht bei Geschichten, die in einem Genre angesiedelt sind, bei dem ich ja Gänsehaut erwarte ... möglichst viele, pickelige Gänsehäute.

DEINE Intro finde ich sehr gelungen. Mein innerer Zuschauer findet sich sofort in der Menge der Schaulustigen ein. Er sieht die beiden Verletzten, ist dabei. Gleichzeitig bin ich dann ja auch noch im Kopf eines 1st-person-narrator, mit dem offensichtlich/wahrscheinlich/vielleicht etwas gar nicht stimmt ... UND es ist nicht nur die Tatsache, dass er gerade einen Autounfall hatte. Ist er/sie tot/gar kein Mensch? Warum sollten die Herumstehenden Angst haben? Warum kommen sie nicht angesprungen und helfen, sondern stehen nur so da ... mit Angst in den Augen?

... auf meine Schulter und streichelt meine kalte Haut mit ihrem Daumen ... und bewegt mit ihren langen Fingern meinen Kopf überraschend sanft ...

ein bisschen foreshadowing??? Ich weiß es noch nicht, und freue mich drauf, es rauszufinden.

Ein paar Dinge würde ich dir zu deinem ersten Abschnitt gerne noch mit auf den Weg geben ... but that's just my 50 c's:

... sagt Kittie durch ein lautes Pfeifen hindurch ...

Mit dem Pfeifen komme ich hier gar nicht klar. Es lenkt mich ab. Ich musste noch zwei Zeilen weiter über dieses Pfeifen nachdenken. Ich dachte erst, die fahren noch und der Wind pfeift durch ... musste dann tatsächlich noch mal neu anfangen. Hat das neben Tinnitus einen tieferen Sinn? Nein, dann würde ich darauf verzichten.

... und nur ihr Haar folgt der Schwerkraft. ...

Das ist vielleicht ein schönes Bild und soll Atmosphäre erzeugen, aber es lenkt mich schon wieder ab. Wie kann nur ihr Haar der Schwerkraft folgen. Das ist physikalisch gar nicht möglich ... oder hast du dich im Genre geirrt und das ist science fiction?

... Wie der Sand einer Sanduhr rinnen die kleinen Scherben auf ihre Schenkel ...

Nun, dass die Scherben rieseln, das hast du ja im Satz vorher schon gesagt ... also ist das für mich eine (unnötige) Wiederholung. Der Vergleich mit der Sanduhr lenkt mich wieder ab. Ich muss kurz nachdenken, ob es mit dem Bild etwas auf sich hat ... ein tieferer Sinn vielleicht? und dann

... außerhalb des Wagens, vergeht die Zeit, während sie hier drin still steht ...

Wo ist hier die Logik? Wie kann drin die Zeit stillstehen und doch rieselt da die Sanduhr.

... Ihre Augen blitzen scherzhaft Punkt Die kleinen Menschenmenge, die sich um das Wrack versammelt, würdigt sie kaum eines Blickes. ...

- diese zarten, schlanken Finger -

Die kommen jetzt schon zum 2. Mal vor ... innerhalb von zehn Zeilen, und weiter unten schiebt der junge Mann dann auch seine "unglaublich großen" Hände ins Auto. Das sind mir einfach ein paar Hände zu viel ... oder wird das noch eine Rolle spielen?

... Das Pfeifen in meinen Ohren wird etwas leiser, doch dadurch nur von einem kaum weniger nervendem Stimmengewirr abgelöst, das sich, eine Gruppe Menschen im Schlepptau, um meinen Wagen drängt ...

Ich verstehe den Satz gar nicht. Wahrscheinlich ist es für mich zu früh am Morgen. Ignorier mich einfach, aber muss es "dass sich" sein? Was macht das "dadurch" hier? Schau's dir noch mal an.

Das Bild mit dem Regen, der dem Wagen dazu verhilft, die Haftung zu verlieren, mag ich. Die eine oder andere Personifikation, an der richtigen Stelle eingestreut, da bin ich auch ein fan von.

... wo doch die Straßen zuvor fast leer gewesen sind? ...

Nun vorher hat es offensichtlich in Strömen geregnet.

Dir hat es Spaß gemacht, dieses Geschichte zu schreiben, das merke ich gleich. Ich will gar nicht meckern, auch, wenn das hier vielleicht so aussieht. Insgesamt finde ich, deine Einleitung könnte etwas "glatter" gestaltet sein ... da sind zumindest mir noch zu viele kleine Ecken und Kanten. Ein wenig kürzer dürfte sie auch werden. Vielleicht verzichtest du auf das eine oder das andere Bild. Atmosphäre und Mystik würde das keinen Abbruch tun, da muss du dir keine Gedanken machen.

Das ist gut. Ich freue mich später aufs Weiterlesen.

Dir einen wonnigen Sonntag,

Thomas


Noch mal ich ... die family schläft immer noch,

liebe Tamira, da hast du mir in deiner Intro ja einen ganz schönen Bären aufgebunden ... sagt man das so? Natürlich bin ich auch selbst schuld, habe ich doch etwas anderes erwartet. Du hast Taktlos ... warum eigentlich dieser Titel? ... exklusiv unter Horror eingepflegt, uns doch liest es sich über eine weite ... ich meine damit unglaublich weite ... Strecke NICHT wie eine Horrorgeschichte. Als es dann endlich zur Sache geht, ist es auch schon vorbei. Ich finde, so wie die Geschichte jetzt ist, musst du auch andere tags bemühen.
Sogar bei der Szene im Park dachte ich immer noch ... Jetzt kommt's. YES! Kittie ist der Teufel, Luzifer, Beelzebub ... so vielleicht wie Liz Hurley in ... na du weißt schon, der Film mit Brendan Franzer. War sie dann natürlich nicht.

Ich fasse das jetzt mal zusammen. Es sind mir einige Ungereimtheiten aufgefallen, die ich noch mal zusammensuchen muss. Dazu kommen einige Dinge wie seltsame Assonanzen ... du hast es mit den "i"s ... Kitte kicherte irre ...
Wo ich aber wirklich Mühe habe: Wenn ich deinen Gedanken- und Zeitsprüngen folgen muss. Das geht dann irgendwann schon, klar, aber so bei Zeichen 15,000 dachte ich doch tatsächlich, ich schaffe es nicht.

Und doch: Das Ding hat eine Menge Potential ... JA! ... Das kann noch werden ... und zwar RICHTIG gut. Ich finde, du musst verdichten / falsches Bild / besser "hobeln"! Komm, On ne peut pas faire d'omelette sans casser des oeufs. Das will kein Autor gerne hören, ich weiß schon, aber es würde deinem Plot gut tun. Straffe Dialoge und fahre die etwas ausladenden Personenbeschreibungen zurück. Sag uns nicht, WIE deine Charaktere sind, Drücke das durch Aktion aus; das verstehen wir dann schon.
Auch solltest du dein Ende schließen. Ich finde die Szene super, in der du die Beiden noch mal auf dem Rücksitz auftauchen lässt, aber im Endeffekt hat sich nach dem Unfall doch gar nicht so viel für sie geändert, oder? Die Geister ist sie ja nicht los.
Ein wenig Hilfe bei der globalen Struktur könnte nicht schaden. Lass deine Intro, und schicke dem nächsten Abschnitt vielleicht einen kleinen, hilfreichen Titel vorneweg. Oder setze alles, was im Auto passiert, kursiv, auch eine Möglichkeit.

Ich bin mal gespannt,

Grüße aus Född,

Thomas

 

Hi ihr beiden.
Zuerst einmal: vielen Dank fürs schnelle lesen und kommentieren.

Aufgrund der späten Stunde wird meine Antwort recht kurz ausfallen. Sorry dafür. :)

Sunny:
Nach Mitternacht wurde es nur, weil ich seit neun Uhr Abends die Story mehrmals nach Fehlern durchlas (es passiert mir dauernd, dass ich beim wechseln der Zeiten Fehler einbaue). Ich bin leider ein wenig paranoid, was das betrifft.

Durch das häufige durchlesen weiß ich auch irgendwann nicht mehr, was ich selbst überhaupt von der Geschichte halten soll.

Und dass der Anfang vielleicht ein wenig holprig ist, liegt wahrscheinlich ebenfalls daran: Lesen, überarbeiten, einfügen, wieder rauslöschen, neu einfügen, anderes rauslöschen ... tja.

Ich werde aber auf jeden Fall nochmal drüber gehen und auch meine Augen offen halten, was die Logikfehler betrifft (obwohl ich dachte, auf alles geachtet zu haben, will ich nicht bestreiten, dass ich evtl. was übersehen habe?).

Und sorry, die Zeitsprünge mussten einfach sein. Würde ich die Geschichte linear erzählen, würde sie, zumindest mMn, nicht mehr wirken.
Obwohl ich zugeben muss, dass der Wechsel zwischen den Erzähl-Zeiten - also, das Vorangegangene und die Gegenwart - schon ein wenig mein Ding ist. Irgendwie stolpere ich da immer wieder rein ...

Die von dir markierten Punkte gehe ich spätestens bis Donnerstag nochmal durch. Vielen Dank nochmal für deine Mühen.


Maria:
Es freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat. Vor allem, da ich eigentlich super eingerostet bin. (Ich sollte lieber nicht erwähnen, in welchem Zeitraum die Geschichte entstanden ist ...)

Aber was zum ...?

Es gibt wenige Geschichten, die ich wirklich so zerfetzen möchte, wie diese hier. Von Anfang bis zum Schluss habe ich eine Möglichkeit gesucht, diese 15 Seiten in Einzelteile zu zerlegen und es dir ins Gesicht zu reiben, mit einem fetten Ha-Ha!-Gemayert,
Wieso das denn???


Und, da ihr es beide erwähnt: Welche Kategorie sollte ich denn wählen?
Außer Horror (und in meiner Weltanschauung zählt die Geschichte schon dazu *g) oder vielleicht Sonstiges - was würde denn passen?

LG
Tamira

 

Tamira,

ja, das mit der Rubrik ist schwer. Eigentlich ist das so ein Pest-oder-Cholera Ding. Tag'st du mit Horror, fragen dich die fans Wo bleibt denn das Blut? Wir wollen Blut sehen?. Tag'st du was anderes, kriegst du am Ende ein entsetztes IIIK! und sie hauen dir auf die Finger. "Seltsam" klingt für mich auch noch brauchbar.

lg

Thomas

 

Hallo Tamira

Für mich ist das definitiv eine Geschichte der Kategorie Horror. Vom Aufbau her hat sie mich ein wenig an die alten Tales from the Crypt Folgen erinnert, da gab es auch manche, bei denen der "echte Horror" erst am Ende durchgebrochen ist.

Sprachlich fand ich den Text ausgezeichnet. Das ist ein Niveau, wo ich praktisch nichts kritisieren kann. Klar, in einem Text über fünfzehn Seiten findet sich hier und da mal eine vielleicht unglückliche Formulierung oder eine Wortwiederholung, aber ich hab mir nicht ein Beispiel angestrichen, weil ich das überaus flüssig geschrieben fand und ich nirgends hängengeblieben bin. Also da ist der Text echt topp.

Inhaltlich - tja. Also ich mag den langsamen Aufbau, du nimmst dir viel Zeit schon am Beginn, wo die Beziehung beendet wird. Ich finde das gut, aber das liegt natürlich auch daran, dass du gut schreibst, die Erzählstimme mochte ich wirklich sehr.

Schwerer getan habe ich mich mit den Unfall-Szenen. Der Beginn ist gut, aber für meinen Geschmack sind da zu viele Einschübe. Wären sie nicht so kurz gewesen, ich glaube, ich hätte den einen oder anderen übersprungen. Die Rückblicke fand ich viel interessanter; jetzt kann man natürlich sagen, das ist ein Kompliment, dass du da so viel Spannung und Interesse erzeugt hast, aber leider empfand ich die Einschübe irgendwann als störend, und so soll es natürlich nicht sein. Mich haben die einfach nicht gepackt, weil lange Zeit auch nicht klar war, was da genau vor sich geht. Wenn ich die Geschichte jetzt mit diesem Wissen nochmal lesen würde, wärs vielleicht anders. Ich denke, die kann man reduzieren, zwei oder drei in der Mitte einfach streichen (gerade die ganz kurzen) ohne dass da was verloren geht.

Dann kommen mir einige Teile der Geschichte konstruiert vor. Kommen wir gleich zum, wie ich finde, schlimmsten Teil:

Es war ein Foto von*ihr. Und sie*war*hübscher, schlanker und jünger als ich. Doch neben ihr, den Arm um die schmalen, fast jungenhaften Hüften gelegt, stand nicht mein Mann.
Sondern ich.
Dieses Mal hatte das Leben beschlossen, einen verdammt großen Stein nach mir zu werfen.

Das ist natürlich ein toller Twist, aber wie soll ich mir das vorstellen? Kittie hat ein Foto von sich und der Erzählerin im Geldbeutel? Warum, um alles in der Welt? Da könnte es ja auch ihr neuer Lover sehen und die eine oder andere Frage stellen. Ich versteh da überhaupt das Motiv nicht, und es passt nicht in die Geschichte. Deshalb brauchst du dann auch diesen Teil:

Den Einbruch bei ihr zuhause erwähnte sie mit keinem Wort. Ich erfuhr nie, ob sie erschüttert gewesen war, als sie nachhause gekommen war und das zersplitterte Fenster und das Durcheinander in ihrem Schlafzimmer vorgefunden hatte. Ob sie wütend gewesen war, ob sie Angst gehabt hatte.

Ja, warum erzählt sie nichts davon? Weil sie misstrauisch ist? Weil sie denkt, die Erzählerin ist ihr auf die Schliche gekommen? Aber sie trifft sich weiterhin mit ihr? Das geht für mich einfach nicht auf, ich krieg da keine plausible Erklärung hin, und der Text kann mir auch keine liefern. Es wirkt einfach so, dass alles halt so ist, weil es die Geschichte braucht. Weil sie so funktioniert.

Dabei könntest du die Erzählerin doch einfach ein Foto mit Kittie und dem neuen Mann finden lassen. Warum muss sie selbst (die Erzählerin) da drauf sein? Es geht doch nur darum, dass sie Kittie erkennt.

Generell die Motivation von Kittie:

"Weil ich denke, dass eine Frau, deren Mann sie betrügt, ein wenig Rache verdient hat."

Das geht für mich auch nicht auf. Als Kittie und die Erzählerin sich zum ersten Mal begegnen (und die Rache beginnt), war die Beziehung bereits beendet, es gab also streng genommen keinen "Betrug" mehr. Warum kommt sie jetzt erst, warum nicht in der Zeit, als es tatsächlich ein Betrug war?
Und warum kommt sie überhaupt? Ich versteh das nicht was sie bezweckt, es muss ihr doch klar sein, dass dieses Spiel nicht aufgehen kann. Sie schadet sich damit doch nur selbst.

Zum Ende: Man kann es so lesen, dass die Erzählerin wahnsinnig wurde, oder dass es sich wirklich um übernatürliche Geschehnisse handelt. Ich mag ersteres lieber, aber um diesen Wahnsinn noch zu unterstreichen, hätte es eigentlich auch folgendermassen ablaufen können:

- die Erzählerin findet das Foto mit Kittie und sich selbst darauf, aber sie bildet sich das nur ein
- sie führt Kittie und ihren Ex zusammen, weil sie denkt, Kittie sei dessen Neue (wie in deiner Version), aber in Wahrheit kennen sich die beiden gar nicht und streiten dementsprechend jeden Kontakt ab
- die Erzählerin glaubt ihnen nicht und tötet beide

Das würde ihren Wahnsinn noch ein wenig mehr unterstreichen. Bleibt dann aber immer noch die Frage nach Kitties Motivation, aber immerhin wäre sie nicht mehr persönlich involviert und würde sich (indirekt) selbst schaden.

Also du merkst, inhaltlich hab ich mit der einen oder anderen Stelle Probleme. Insgesamt hat mich die Geschichte aber wirklich gut unterhalten, ich finde das wie gesagt toll geschrieben und sehr spannend.

Grüsse,
Schwups

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Tamira,

lass das mal ruhig hier stehen. Wir schauen in den Kopf von jemandem, der zwei Menschen mit einer Kreissäge zerteilt. Das darf man ruhigen Gewissens als Horror verkaufen.

Und ich fand's auch richtig gut. Selbst die eine zentrale Ungereimtheit passt für mich dazu. Das ist wie bei Michael Myers: Wie soll der jetzt so schnell die Treppe hochgekommen sein?

Diese zentrale Ungereimtheit ist auch meines Erachtens Kitties Motivation. Du hast das selbst gemerkt und lässt die Ich-Erzählerin das gegen Ende fragen. Aber wenn du mal ehrlich bist, und wir kennen uns ja nun lange genug: Eine richtige Antwort gibst du nicht.
Ich denke, manchmal hat eine Frau ein bisschen Rache verdient. Das wäre ein cooler erster Satz für deine Geschichte. Aber der reicht nicht, um wirklich überzeugend darzulegen, warum die Kittie sich da so abstrus verhält. Ich dachte auch erst, die wäre so ein Tyler Durden, dass die Protagonistin sich die ausgedacht hat, um die Dinge zu tun, die sie sich selbst nicht traut. Auch weil sie ja wegen psychischer Geschichten Pillen nimmt, hätte das gepasst.

Richtig gut gefallen hat mir der schwarze Humor. Dass sie nicht gedacht hätte, dass in einem Cabrio so wenig Platz ist, das fand ich großartig. Und diese Punktlandungen.


"Naja, alles, außer der Kreissäge."

Und ich so JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!!!!!!!!!


Zwei stilistische Sachen, die sich da durchziehen: Du machst öfter mal sehr lange Einschübe. Ich glaube, es gibt keine Möglichkeit, die richtig zu machen, sprich die werden den Leser immer raushauen. Deshalb würde ich in den entsprechenden Fällen zwei Sätze draus machen.

Und: Der junge Mann ging mir ein bisschen auf den Geist. Ich kenne das so von Erste-Hilfe-erfahrenen Leuten, dass die sich namentlich vorstellen, „Wer bist du? Ich bin der Ulli.“ Ist wahrscheinlich psychologische Kriegsführung, soll beruhigend wirken, wird dann auch in so einem Wir-kriegen-das-schon-hin-Ton gemacht. Wäre eine Möglichkeit, deiner Ich-Erzählerin auf recht glaubwürdige Art den Namen dieser Figur mitzuteilen. Nur so ein Vorschlag.

Und sonst (Ich habe wie immer nicht unterschieden zwischen wirklich falschen Sachen und solchen, die ich anders machen würde. Nimm mit, was du brauchen kannst):


trainiert durch die Gesellschaft und Knigge-Kurse

Würde ich rausnehmen, ist so „Ich erkläre euch mal eben, wie's läuft“. Der Satz wird schlanker, schöner, gerade beim wichtigen Einstieg.


schüttelt die Glassplitter von ihrer Hand und legt ihre Finger auf meine Schulter und streichelt sie mit ihrem Daumen.

schüttelt die Glassplitter von ihrer Hand, legt ihre Finger auf meine Schulter und streichelt sie mit ihrem Daumen.


Ein junger Mann, gutaussehend mit seinen großen, dunklen Augen und den tiefen Grübchen im Mundwinkel, sieht mich an und fragt etwas

starrt, sonst sehe – sieht


"Nicke einfach",

Als Imperativ „Nick“ ist im Gesprochenen gängiger.


will sagen: wie könnte ich jemals wieder ruhig sein?

Wie


als er sagte: "An dir liegt es nicht".

.“ Ist ja ein kompletter Satz.


immer wieder über die Lippen

„über“ raus


Als hätte er Angst, dass ich eine Szene machen würde. Dass ich ausflippen würde.

„könnte“ klingt für mich an der Stelle sinnvoller.


Dass ich labil wäre. "Oder?"

Schick.


nachhause

nach Hause


Aber mir fiel keine Situation ein, da ich das, was für ihn Langeweile war, als Beständigkeit betrachtete.

Häh? Er dachte, ich sei gelangweilt, dabei freute ich mich nur über die Beständigkeit unserer Beziehung.

und sämtliche Frauen, mit dem ich ihn je

denen


ging dann in den Dachboden,

auf


Anschließend ging ich in unser Badezimmer, das blitzte und glänzte und mit keinem Fleckchen verriet, wie lange wir es uns geteilt hatten, nahm meine Medikamente zur Hand

hatten. Ich nahm


diesen karikaturesken Augenbrauen.

Das klingt so uncool nach Feuilleton.


aufgeregt.", sagt K

aufgeregt“, sagt


Mit dem Verschwinden der medikamentösen Ruhe und Gelassenheit, kam die Depression zurück. Als würden sie sich einen Sitzplatz teilen und könnten nie gleichzeitig Besucher dieses Dramas namens Leben sein.

Gemeint ist: Die Depression löst Ruhe und Gelassenheit ab. Abgesehen davon, dass ich mit einer Depression jetzt nicht verbinde, dass die Leute wie von der Tarantel gestochen durch die Gegend springen, musste ich das dreimal lesen, um es zu verstehen.

Den letzten Satz des Absatzes würde ich killen. Wie spitzige Kiesel, die einen an der Stirn treffen. Das wäre auch so eine Punktlandung.


„neue Frisur?“

N


Als ich ein paar Millimeter von ihr weg rutschte, rieben unsere Jeans aneinander, knisterten, als wollten sie Feuer erzeugen.

Das halte ich für Quatsch, auch weil sie sich da ja erst total umständlich nach oben bewegen müsste, um diese Reibung zwischen den Schenkeln entstehen zu lassen.


wie ein Mädchen in den 20ern, deren Liebster

dessen, auch wenn sie anderswo immer drüber lachen. Ist nun mal das Mädchen.


"Oh mein Gott!", höre ich einen leisen Aufschrei, dessen Richtung ich jedoch nicht deuten kann.

Da bleibe ich ja bei King. Lieber fünfmal hintereinander „sagte“. Das Wort ist so unscheinbar, da brauchst du dich nicht mit solchen Ungetümen drum herum zu drücken. Geht auch ganz anders: Jemand schreit „Oh mein Gott!“, aber ich habe keine Ahnung, aus welcher Richtung das kommt. ... und, und, und


seine Habseligkeiten der letzten Jahre streifen

Wozu „der letzen Jahre“?


Und bereits nach so kurzer Zeit - nach uns - waren sie ein wir.

Ist zwar völlig logisch, habe ich aber erst beim fünften Lesen geschnallt.


Die Szene, in der er die Wohnung ausräumt, ist dann echt so ein bisschen der Gipfel. Das hat den Eindruck, als solle die Kittie einfach nur als mega-durchtriebendes Miststück dastehen, um der Protagonistin einen Grund für den Einsatz der Kreissäge zu liefern.


Zerstückeln wollte ich eigentlich niemanden.
Aber der Kofferraum eines Cabrios ist wirklich winzig.

Das ist wie gesagt echt geil, aber ich würd's ohne Absatz machen.


Und das wollte ich allein tun.

Das ist dann auch so eine Augenroll-Szene: Natürlich muss sie das allein tun, weil's sonst nicht mehr funktioniert. Ich würde sie das zumindest kurz erklären lassen. Ich hatte Angst, Kittie könnte denken, dass ich damit die Grenze von meinem bisschen Rache zum Stalking überschreite.


als würde das, was dort stand, meine ganze Aufmerksamkeit besitzen.

als wäre das, was dort stand, meiner ganzen Aufmerksamkeit würdig.


das Miststück einfach immer fröhlich und konnte schlafen, wie ein Baby - und das, obwohl sie meine Ehe zerstört hatte.

es statt sie ... streng genommen jedenfalls.


Sammel-Karten -, sowie

Kein Komma.


Unter deinen Selbstzweifeln und den Hass auf die Frau,

dem Hass


Aber wenigstens schreit jetzt niemand mehr.

Auch geil als Ende für den Absatz, wegen des Kontrastes mit dem sauberen Badezimmer und dem Zimtduft.


wobei ich jedoch eisern auf jegliche Smileys verzichtete, was Kittie, sehr zu meinem Bedauern, jedoch nicht zu bemerken schien

Das zweite „jedoch“ raus.


Den Einbruch bei ihr zuhause

zu Hause. Ist jedenfalls Erstschreibweise, meine ich.

nachhause

Ebenso, zumal du es irgendwo vorher selbst anders schreibst.


Sie hält die Fassade perfekt aufrecht.

Das ist sehr ausgelutscht, zigfach gehört. Du könntest es Kittie-spezifisch machen, die Katze ist ja an dieser Stelle so gut wie aus dem Sack: Sie achtet darauf, das weiterhin alles so perfekt sitzt wie ihr Make-up und ihre Haare.


hatte sie freudig gesagt

freudig raus


Fast hätte ich ihn wieder fortgeschickt.

Das ist auch stark, wie die Protagonistin den Leser zum Komplizen macht, der weiß, dass das eigentlich negative Wegschicken hier etwas überaus Zuvorkommendes hätte, weil es dem Opfer die Säge erspart.


sagte ich dann und nickt in Richtung

nickte (Hast du mal The Stand auf Deutsch gelesen? Ich sag nur Nick nickte, und zwar in seinen Kapiteln pro Absatz acht Mal :) )


dass sie mich beide auch ihre eigene Art so hintergangen hatten,

auf


Kittie's und meiner Freundschaft

Kitties


Möglichkeiten auf Lapdances

für


mein Mann

Fällt mir gerade erst auf … hat der auch keinen Namen? Würde ich ihm geben.


"Es freut mich ja so, deinen neuen Freund kennen zu lernen", sagte ich dann zu Kittie und lächelte. "Er kommt mir auch so bekannt vor."

Ich finde sie albern an der Stelle und würde sie einfach nur gucken und die peinliche Berührtheit des Momentes genießen lassen. Oder knapper: Vorstellen muss ich euch ja wohl nicht.


vor hatte

vorhatte


„Was, zum Teufel, macht er hier!“

?


und flüchtete an die andere Seite der Küche.

Zur statt an


Was hattest du dir daraus nur erhofft“

Davon statt daraus


„Was hattest du nur vor“, sagt mein Mann kopfschüttelnd,

Warum plötzlich Präsens?


Im nächsten Augenblick steckte das Messer in seiner Halsbeuge und er stürzte keuchend – kurzzeitig pfiff er wie ein Teekessel - zu Boden.

Gerade in so einer Actionszene versaut's der Einschub echt.


wenn man den Dunstabzug, der stur vor sich hin schnaubte außer Acht ließ -, in denen niemand etwas sagte

Den braucht man nicht außer Acht zu lassen, der sagt ja wirklich nichts.

als sah man in ihren Augen tatsächlich Leid

als hätte ich in ihren Augen tatsächlich Leid gesehen


entschwunden

Schnörkeliges Wort für eine sonst eher Auf-dem-Boden-der-Tatsachen-Erzählstimme.


eine Grapefruit auf den Boden fallen, ohne zu zerplatzen

Es wäre natürlich lustiger, wenn der Kopf wirklich platzen würde. Ach, vergiss es.


Mehrmals verlieren meine Hände den Halt im feuchten Gras und die Decke, die man über mich gelegt hat, umschlingt mich, hält mich fest an Ort und Stelle, als wolle sie mich am Flüchten hindern, doch beim vierten oder fünften Versuch schaffe ich es schließlich.

. Beim vierten oder …


alle jedoch halten mehrere Armeslängen Abstand von mir,

wovon oder von wem sonst?


Das japanische Küchenmesser steckte noch immer bis zum Heft in seinem Hals

War das vorher schon erwähnt, dass es japanische sind? Würde ich machen.


Und dabei hätte er sicher die beiden Leichen in meiner Küche bemerkt

:lol:


Mein Plan

Ich würde sie nicht ihren Plan erklären lassen wie ein James-Bond-Bösewicht, sondern einfach zeigen, was sie tut.


dass das Problem die fehlende Beweglichkeit der beiden war.

Auch: :lol:


„Du steckt ziemlich in der Scheiße.“

Klischee.


befanden sich zudem zwei Leichen – zumindest in Summe

Der Gag zündet bei mir nicht ganz. Was soll das heißen, „zumindest in Summe“? Es sind natürlich mehr Teile, aber deswegen doch nicht mehr Leichen.


als ich zu weit ins Bankett fuhr und ich riss stark am Lenkrad,

und das Lenkrad verriss


wie mein Publikum zeitgleich immer leiser und leiser wird

gleichzeitig; laufen wir beide die 100 Meter gleichzeitig, laufen wir gegeneinander, laufen wir sie zeitgleich, bin ich vielleicht letzte Woche gelaufen und du heute, und wir haben beide elf Sekunden gebraucht.


oder erste Hilfe

Ist meine ich ein Eigenname.


Im Sekundentakt wechselt sein Blick zwischen mir und dem Kopf meines Mannes, der aus der Öffnung einer Mülltüte aus dem Kofferraum, der beim Aufprall aufgesprungen ist, hervor lugt.

Das ist eine starke Szene, deshalb würde ich sie auch in knapperen, einschublosen Sätzen fassen.


„Wieso hast du mir das angetan?“

Ich glaube, sinngemäß fragt sie das jetzt zum dritten Mal. An dem Absatz könnte man ganz gut verdeutlichen, wo sich die Geschichte noch straffen lässt.


Kittie steht neben mir, wie eine Erinnerung völlig unversehrt, und lächelt mich an.

Da würde ich jetzt um des Horror willens mehr von machen. Sie könnte zum Beispiel nackt sein, und man sieht die Schnittstellen von der Kreissäge, und immer wieder fummelt sie beim Reden daran herum und scheint sie richten zu wollen, damit sie so perfekt sitzen wie ihre Haare.


lenke ich sanft nach rechts und spürte

Zeitsprung.


Liebe Grüße
Proof

 

Hallo Tamira

nur mal kurz: die Geschichte habe ich mit Vergnügen und dem rechten Maß an Schauder genossen.
Gelungene Perspektivwechsel, sprachlich super umgesetzt. Mit dem richtigen Schuss an Leichtigkeit.

Es gibt eine Stelle, wo dich aus meiner Sicht der Mut verlassen hat und es einen Tick unlogisch wird. Ich habe mal einen japanischen Krimi gelesen, in dem drei befreundete Frauen, nachdem eine von ihnen im Affekt den Ehemann umgebracht hat, der das Geld mit Spiel und Huren durchbrachte, den Mann getötet hat. Die Freundinnen kamen zusammen und beschlossen den Leichnam zu zerstückeln und in Müllsäcken verpackt, auf die Müllcontainer Tokios zu verteilen. Was dazu führte, dass die Frauen von Jacuzi angeheuert wurden, um Leichen zu zerstückeln. Na ja, da wird auf mehr als zwanzig Seiten beschrieben, wie schwierig und aufwändig es ist eine Leiche zu zerteilen. In deiner Geschichte geht das zu schnell. Zudem könntest du damit mehr "Horror" erzeugen.

viele Grüße
Isegrims

 

Hallo ihr Lieben und: huch!
Vielen Dank, dass ihr euch durch die doch recht lange Geschichte gearbeitet (für Proof scheint es wirklich in Arbeit ausgeartet zu sein - sorry dafür!) habt.

Ich hoffe, dass ihr tatsächlich - zumindest größten teils? - Spaß dabei hattet.


Erst einmal zur Motivation dieser Frauen:
Ihr seid Männer. (Bei Isegrims bin ich mir, zugegeben, nicht sicher. Ich denke aber an einen Wolf. Und - ja, ich weiß, dass das nicht wirklich so ist - in meinem Kopf sind Wölfe Männer.)
Und, ich sage es nur ungern, Frauen sind häufig eifersüchtig. Ich bin es. Sehr.

Ich erinnere mich an eine Frau, die in meiner Arbeit aufschlug, mit folgendem Anliegen:
Mein Auto muss auf beiden Seiten neu lackiert werden. Meine Versicherung muss bezahlen. Ich war es nicht selbst - ich weiß, wer es war - aber ich kann es nicht beweisen. Es war die Ex von meinem Freund.
Schön über alle vier Türen wurde "HURE" und "SCHLAMPE" mit einem Schlüssel eingekratzt. Mit richtig viel Kraft. Man konnte richtig sehen, wie sich die Übeltäterin mit vollem Gewicht gegen das Auto gelehnt hat.
Ich dachte so über die mir unbekannte Frau: Ja, ich kann das verstehen.

Männer sind da vielleicht anders. Und viele Frauen sind auch nicht so.
Aber ich kenne doch einige.

Kitties Motivation, aus meiner Sicht, ist folgende:
Sie will wissen, mit welcher Frau ihr Mann vorher ins Bett gegangen ist.
Daher sagt sie, bzw. ihre Überreste, auch später:

"Das meine ich ernst", sie beugt sich nahe zu mir. "Vielleicht nicht am Anfang, da wollte ich nur wissen, wer sie war. Aber später ...", ihre Lippen sind so nah an meinem Ohr, dass ich ihren Atem spüre, obwohl das nicht sein kann, "... da habe ich dich wirklich lieb gewonnen."

Aber: Schwups! Danke! Das mit dem Foto: du hast vollkommen Recht.
Ich wollte eigentlich ein Foto, auf dem die beiden zu sehen sind.
Erste Version: Es stand ein gerahmtes Foto auf dem Frisiertisch. Kurz, bevor ich die Story postete, dachte ich dann: Boah, wie unlogisch. Der Mann würde das Foto ja sehen. Auch, wenn ich Männer nicht gut kenne, denn ihr seid ein ähnliches Buch mit 7 Siegeln, dachte ich: Das fände er wohl schon scheiße.
Also änderte ich es auf die Börse.
Was aber auch nicht sonderlich logisch ist (was mir in dem Moment aber echt nicht auffiel. Ich dachte nur: na, ein Glück, dass du das Foto nicht auf dem Frisiertisch hast stehen lassen. Und tätschelte mir imaginär die Schulter. Ja, klar, Tamira: Voll clever ...)
Heute Morgen dachte ich dann: Sie könnte das Handy vergessen.
Aber, mal ehrlich: Wer vergisst heutzutage sein Handy?

Ich plane nun: Die Prota verlässt rechtzeitig die Wohnung, versteckt sich, peinlich berührt, in einem Gebüsch und sieht ihren Mann zusammen mit ihrer Freundin.


Die Einschübe.
Ja, das ist so ein Ding, das ich neuerdings für mich entdeckt habe.
Proof: du hättest die Geschichte vor einem Monat nicht lesen sollen. Die - Einschübe - zogen sich über unzählige Zeilen. Ich habe schon viel gelöscht, aber ich muss wohl nochmal drüber gehen.
Manchmal ist das so ne Art "Geilheit auf Stil", die keinen interessiert, außer den Autor selbst ...

Die Namen.
Auch so ein Ding. Ich erwähne ungern Namen, wenn der Prot ein Icherzähler ist.
Mein Mann:
Ich denke da immer an meine Eltern, die sich gegenseitig nie beim Namen nennen, seit sie geschieden sind.
Sie: Euer Vater.
Er: Eure Mutter.

Ich denke mir, wenn mich mein Mann für eine andere Frau verlassen würde, wäre er mein Mann. Allein deswegen, um jedem klar zu machen, dass er meiner ist.
Und sie die andere Frau.

Die Medikamente.
Antidepressiva bekommt man sehr leicht verschrieben.
Dir geht es nicht gut? Hier, nimm davon eine jeden Abend und es wird besser.
Und wenn man sie nicht mehr nimmt, wird man seltsam. Nicht nur wie zuvor, sondern ... anders seltsam. Irgendwie ein bisschen verrückt. (Klar, man zerstückelt dadurch nicht Leichen oder produziert welche.)
Alles um einen rum scheint einen zu provozieren und nur zu passieren, damit es einem - dem offenbaren Mittelpunkt des Universums - schlecht geht. Man denkt stundenlang über jeden Scheiß nach, bis man echt alles gefunden hat, was einen verletzen kann.
Klar, das ist eine Geschichte. In der Realität ist das vermutlich noch nie passiert, nur weil jemand die Antidep nicht mehr nimmt.

Nein, nein. Ich bin hier nicht verrückt. :)

Das Zerteilen der Leichen.
Wir haben zuhause eine Kreissäge. Wenn die läuft und einer von uns daran sägt (keine Sorge, ich nicht) denke ich immer - wenn das Mal gut geht. Kommt da mal versehentlich eine Hand rein, kann man sich richtig vorstellen, wie das Sägeblatt das Blut in alle Richtungen spritzt an die Decke, an die Wand - man hört schon alles kreischen. Egal, ob das Blatt scharf ist - die Zacken allein würden schon echt ihre Arbeit tun.
Nur: eine Kreissäge ist so klein. Zumindest die, die man zuhause hat, um Holz zu zerschneiden. Also dachte ich: vermutlich würde ich mit der Kreissäge anfangen, wenn ich mir nicht allgemein so viel Gedanken ums Zerstückeln von Leichen machen würde, und dann feststellen, dass es nicht funktioniert.
Vermutlich würde ich dann eine Axt nehmen und das wäre echt Schwerstarbeit - ich glaube, eine Wirbelsäule zu zerhacken ist echt schwer. Vor allem als kleine Frau.

Isegrims, ich werde nochmal darüber nachdenken. Vielleicht mehr Zeit vergehen lassen.
Beschreiben werde ich es vermutlich jedoch nicht genauer. Das ist nicht mein Ding. Ich meine, ich steh auf Slasher-Filme, aber selbst darüber schreiben? Ich weiß nicht, ob das nicht ziemlich peinlich rauskommen würde. (ich bin eigentlich ein ziemliches Mädchen ...)

Aber: das Cabrio ergibt so eine tolle Vorlage!
Ich fahre (bzw. fuhr es bis vor kurzem) selbst ein 2sitziges Cabrio. Der Wagen selbst ist der Hammer, Spaß hoch zehn, aber: Heckantrieb. Schlechte Fahrbahn - ein wenig (auch gesagt: viel) zu viel Gas in einer Kurve - da kann man schon relativ leicht mal von der Fahrbahn abkommen.
Aber der Kofferraum ist ein Alptraum. Er ist schon sehr tief, aber so schmal. Ich glaube nicht, dass ich mich so zusammenfalten könnte, um da hinein zu passen (ich konnte keine Getränke mehr einkaufen). Das reine Kofferraumvolumen in Liter betrug gut 130l - da hat theoretisch schon einiges Platz - wenn man es im Tetris-Format geliefert bekommt. Aber zwei Leichen? No way.

Lange Rede, kurzer Sinn: Vielen Dank für die Hinweise, ich werde sie auf jeden Fall wahrnehmen.

1. Das Foto kommt raus, die Prota sieht die beiden zusammen. Und vermutlich erwähnt Kittie mal den Einbruch (ala: Die Nachbarschaft hier ist auch nicht mehr das, was sie mal war: Wenn der Deckel meiner Mülltonne am Tag vor der Entleerung nicht mehr zugeht, bekomme ich gehässige Briefe unter der Tür durchgeschoben. Aber zerschlägt jemand mein Fenster will keiner was bemerkt haben.)
2. Die Einschübe werde ich nochmal überarbeiten. Ggf. auch die Unfallszenen (z. B. die, leider, überflüssige Szene über "Zerstückeln wollte ich eigentlich niemanden") kürzen oder teilweise löschen.
3. Boah, Fehler. Sorry und danke, Proof. Manchmal habe ich riesige Tomaten auf den Augen.

Das liest sich jetzt alles wie aus der Feder einer völlig durchgeknallten Frau. (Ich habe es nochmal durchgelesen ... oh Mann, sorry ... ich bin auch wirklich nüchtern ...)

Aber eigentlich bin ich schon eine recht nette Person.
Und handsam.
Ziemlich langweilig also. :)

LG
Tamira

P.S.: The Stand habe ich, obwohl ich echt sehr viel von King gelesen habe und - ja, ich gebe es offen zu - noch immer lese, bis heute nicht angefangen.
Keine Ahnung.
Früher war Endzeit super uncool.
Heute wäre es wieder in, aber das Buch wiegt tausend Kilo!
Und, soweit ich weiß, gibt es darin keine Zombies - und das ist schon mal ein echter Minuspunkt.
Soll man es denn lesen?


P.P.S.: Ich hoffe, ich habe alles beantwortet. Wenn nicht, tut es mir Leid. :)

 
Zuletzt bearbeitet:

"Du solltest dir die Nägel lackieren", sagte Kittie, während sie zur Tür ging.
"Wieso?"
Sie zuckte mit den Schultern. "Das kommt so gelangweilt."
:D

Zerstückeln wollte ich eigentlich niemanden.
Aber der Kofferraum eines Cabrios ist wirklich winzig.
:D

(Stellvertretend für ein Unmenge von zitierwürdigen Sätzen.)

Tamira, ich finde die Geschichte echt großartig.
Also da gefällt mir wirklich alles daran: der herrlich abgefahrenen Plot, die spannende Dramaturgie, die vielen schrägen Details, die traurigen, tragischen, witzigen Figuren - zuvorderst natürlich die Ich-Erzählerin - und vor allem der Erzählerin (also deine :D) hinreißende Erzählsprache.

Wobei ich sagen muss, dass du mir den Anfang nicht gerade leicht gemacht hast:

Man kann ihnen die Angst ansehen. Die Gesichter selbst bleiben ruhig, doch ihre Augen können sie nicht kontrollieren.
"Früher warst du genauso", sagt Kittie durch ein lautes Pfeifen hindurch. "Ein Beobachter. Schön weit hinten, von wo aus du nur noch alles schemenhaft hast erkennen können. Das war doch auch kein Leben."
Ich schweige nur. Sie hockt neben mir, …
Also das hab ich echt dreimal lesen müssen, bis mir so halbwegs klar war, was ich mir da vorstellen soll.
Ich versteh nicht recht, warum du da nicht gleich mit dem „Ich“ der Ich-Erzählerin beginnst, sondern mit dem Pronomen „man“ mich erzählperspektivisch quasi aufs Glatteis führst.
Stünde da: Ich kann (bzw. wir können) ihnen die Angst ansehen, wüsste ich nämlich gleich, dass mit „ihnen“ nicht die beiden Figuren - wobei ich an dieser Stelle natürlich noch nicht wissen kann, dass es zwei sind - gemeint sein können, die in den nächsten Sätzen auftauchen. Genau so aber hab ich es beim ersten Mal gelesen, also dass „sie“ (respektive „ihnen“) die zwei(?) Personen sind, die in den nächsten Zeilen in Dialog zueinander treten, und nicht irgendwelche andere Personen, die von diesen (zwei?) Personen gesehen werden. Und war dementsprechend irritiert, als sich dann plötzlich die vermeintlich auktoriale Erzählinstanz in Luft auflöst und einer Ich-Erzählerin Platz macht. Äh, kannst du mir folgen, Tamira? Nein? Egal.

… der Sicherheitsgurt baumelt aus dem Fenster, nicht ganz aufgerollt, und nur ihr Haar folgt der Schwerkraft. Ihr Schoß ist voller Glassplitter, die sie immer wieder durch ihre langen, dünnen Finger rieseln lässt. Wie der Sand einer Sanduhr rinnen die kleinen Scherben auf ihre Schenkel …
Äh, und welche Kraft lässt den Sicherheitsgurt baumeln und die Glassplitter rieseln? (Oder baumeln und rieseln die hinauf?)

Das Pfeifen in meinen Ohren wird etwas leiser, doch dadurch nur von einem kaum weniger nervendem [nervenden] Stimmengewirr abgelöst,
Hä?
Damit dieser Satz funktioniert, müsstest du diese eigenartige Partikel/Adverb/Adverb-Kombination raushauen und z.B. durch ein schlichtes „jedoch“ oder „allerdings“ ersetzen, oder meinetwegen durch „dann jedoch“ oder „dann allerdings“.

Und schon wieder die Schwerkraft:

der Sicherheitsgurt ist alles, was mich von der Schwerkraft trennt.
Die Formulierung gefällt mir auch nicht recht, auch wenn ich natürlich weiß, was du damit sagen willst. („Der Sicherheitsgurt bewahrt mich davor, den Auswirkungen der Schwerkraft zum Opfer bla bla ...“) Das Verb "trennt" passt einfach nicht, denk noch mal drüber nach.

Der kleinen [Die kleine] Menschenmenge, die sich um das Wrack versammelt, würdigt sie kaum eines Blickes.
(Vermutlich stand da irgendwann: ... schenkte sie keinen Blick. Stimmt's?)

... schüttelt die Glassplitter von ihrer Hand und legt ihre Finger auf meine Schulter und streichelt sie mit ihrem Daumen.

Tja, nach diesen ersten Zeilen war ich ehrlich gesagt noch einigermaßen skeptisch, das schien mir alles ein wenig zu … na ja, zu nachlässig halt, verfasst zu sein.
Aber diese Skepsis verflog sehr schnell. Nach den ersten Absätzen hatte mich die Story dann sehr bald voll am Schlafittchen und ließ mich bis zum Ende auch nicht mehr los.

Tatsächlich mochte ich gegen Ende diese arme, betrogene, vollkommen durchgeknallte Frau schon dermaßen gerne, dass ich - und jetzt lach mich bitte nicht aus - bei diesem Satz:

Mein Retter hilft mir zu seinem Wagen – ein Caravan und ich denke „das ist mal ein souveränes und praktisches Auto“ –
… kurz noch auf ein Happyend zu hoffen begann. (Der Art, dass sie jetzt mit dem Typen in sein Auto steigt, die beiden vom Unfallort flüchten und dann der aufgehenden Sonne entgegen fahren. :D) Was ich damit sagen will, Tamira: Dir ist es einfach wunderbar gelungen, mir die Figuren nahezubringen, die wirken trotz ihrer … nun ja, etwas extravaganten Verhaltensweisen einfach unheimlich echt.


So, beim zweiten Lesen sind mir jetzt noch ein paar Bugs aufgefallen:

Ich versuche[,] ihm in die Augen zu sehen,

jahrelanges Training kam ihm jetzt zu Gute [zugute],

Nur seine Lippen und Lider - sie verrieten ihn, zuckten beide,
Äh, kann man, wenn sich’s um vier Dinge handelt (zwei Lippen, zwei Lider) von beiden sprechen? (Ernstgemeinte Frage an die Grammatikexperten hier.)

An dem Tag, an dem ich Kittie kennen lernte [kennenlernte]

sowie ein klein zusammen gefaltetes [zusammengefaltetes] Foto

dass mein Mann zusammen schrak [zusammenschreckte]

was auch immer ich vor hatte [vorhatte]

ich kann den sauren Geruch von frisch Erbrochenem wahr nehmen [wahrnehmen].

weiter vor mir zurück weicht [zurückweicht]

den Rücken zu zukehren [zuzukehren]


Zitat Duden:
Bei zusammengesetzten Verben handelt es sich um Verben, die zusammen mit einer Vorsilbe (Präfix) ein neues Verb mit (meist) anderer Bedeutung bilden.:teach:

Während die beiden Männer schnauften und stöhnten[,] saßen Kittie und ich

verdammt noch Mal [mal],

und suchte nach etwas persönlichem [Persönlichem)

Auch hier fand ich nichts kompromittierendes [Kompromittierendes]


Unter deinen Selbstzweifeln und den [dem] Hass auf die Frau,

Sie hält [hielt] die Fassade perfekt aufrecht.

Ich fing an[,] sie noch mehr zu verabscheuen

Seine Füße erzeugten auf den Fließen [Fliesen]

… und aufstöhnte.
„Was hattest du nur vor“, sagt mein Mann kopfschüttelnd, greift hinter sich und drückt die Klinke hinunter, ohne die Tür zu öffnen. Er sieht mich an und in seinen Augen sehe ich das, was ich nicht mehr ertragen kann: Mitleid.
Ja, was hatte ich vor?
Im nächsten Augenblick steckte das Messer
Soll das einen dramaturgischen Effekt erzielen, dass du hier ins Präsens wechselst?

Ich versuchte[,] meine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu widmen,

Hat mir echt getaugt, Tamira.

offshore

 

Hallo Tamira,

ich kann leider nichts anmerken, was nicht schon gesagt wurde. Starke Geschichte, holpriger Anfang. Die Erwähnung der Augenbrauen des Helfers hat mich irgendwann ein wenig genervt. Aber nur ganz ganz leicht und unterschwellig. Es war viel zu spannend, um sich wirklich an sowas aufzuhängen. An sich müßte man nochmal wirklich Satz für Satz durchgehen. Möglichkeiten für Feinschliff gäbe es einige.

Liebe Grüße
Zantje

 

Hallo ihr beiden.

Ich habe ein echt schlechtes Gewissen, dass die Überarbeitung in dieser (Sarkasmus: an) unfassbar hohen Geschwindigkeit (Sarkasmus: aus) von Statten geht ...

Meine Ausrede: ich bin selbstständig, arbeite viel und schreibe super langsam. :D

Ne, sorry. Ich werde mich am Wochenende wirklich dran setzen und vor allem am Anfang feilen. Mit dem habe ich wohl echt in die Tonne gelangt.

Das Gemeine: Daran habe ich echt lange gesessen. Die Geschichte hätte erst ganz anders werden sollen (Kittie war Tyler Durden mäßig echt nicht real und die Protagonistin rächt sich allein an ihrem Mann und allen anderen Männern stellvertretend), der Anfang war aber schon immer da.
Nur: Ich habe ihn wohl gut tausend Mal umgeschrieben, etwas eingefügt, etwas gelöscht, usw.

Ab der Stelle, an der Kittie und die Prota zum ersten Mal vor dem Haus der "neuen Frau" sitzen und dann die Reifen seines Wagens mehr oder weniger aufschlitzen, habe ich nur wenig geändert. Der Stil war mir da mehr oder weniger "wurscht", ich wollte nur noch die Geschichte erzählen.

Tjaaa...


Ernst:
Ich erröte. :)
Also, wegen der netten Worte einerseits, aber auch wegen der dummen Fehler andererseits ...
Ne, im Ernst: Dein Lob freut mich sehr und (wie schon erwähnt) trotz meiner langsamen Überarbeitung werde ich deine Anmerkungen früher oder später auf jeden Fall berücksichtigen.


Zantje:
Auch hier, der Anfang. Da sieht man mal, wie betriebsblind man oft ist. (Die Augenbrauen fand ich amüsant. Ich finde Männer mit markanten Augenbrauen immer irgendwie ein wenig seltsam.)
Aber schön, dass es spannend war. :)

Eure Mühen gehen nicht ins Leere. Danke für die viele Zeit und dass die Geschichte selbst (von den blöden Fehlern und der Übertriebenheit abgesehen) überzeugen konnte freut mich ungemein. Ganz echt. Ich habe so lange nichts mehr geschrieben und hatte keine Ahnung, ob das überhaupt auch nur ansatzweise erträglich geworden ist.

LG
Tamira

 

Hallo Tamira,

ich bin durch Novak auf dich gestoßen und neugierig geworden. Denn Horror lese ich auch sehr gerne und irgendwie ist diese Geschichte von dir leider an mir vorbeigerutscht. Nun habe ich sie aber um so aufmerksamer gelesen.

Anfangs war ich ein wenig verwirrt. Musste erst einmal sortieren, wer spricht hier eigentlich. Ich dachte beim ersten Absatz irgendwie, da sitzt ein Mann hinter dem Steuer (so doof eigentlich, nur weil auf dem Beifahrersitz eine Frau sitzt!) und war dann durcheinander, weil im nächsten Absatz eine Trennungsszene aus der Sicht einer Frau geschildert wird. Beim dritten Absatz liefen die Fäden dann aber zusammen und ich hab's kapiert. Und obwohl ich am Anfang so wirr war, finde ich den Einstieg gut. Ich bin manchmal Fan davon, wenn man es dem Leser nicht zu einfach macht.

Dieser Satz hier ist bei mir hängen geblieben:

Und bereits nach so kurzer Zeit - nach uns - waren sie ein wir.
Das sind nicht viele Worte, aber sie drücken viel Schmerz aus, verletzten Stolz, Trauer.

Und dann, irgendwann in der Mitte, plötzlich das:

Zerstückeln wollte ich eigentlich niemanden. Aber der Kofferraum eines Cabrios ist wirklich winzig.
Oha, denke ich mir, was kommt denn da noch ...?

Und dann kommt der erste Ausraster mit einer grandiosen Wucht. Ich sehe die wütende Frau, wie sie das komplette Schlafzimmer auseinandernimmt. Der Ort, an dem der sexuelle Betrug stattfand und noch stattfindet. Dann dieses winzige Foto im Geldbeutel. Da musste ich wieder nachdenken. Wen sieht sie da neben sich? Eine Freundin? Kittie? Gut gemachte Szene!

Eine lange Zeit lang passierte nichts.
Der Dunstabzug saugte vor sich hin – ich fühlte mich, als würde ich neben dem Triebwerk eines Flugzeuges stehen - und die Soße spritzte über den Rand, hinterließ überall rote Flecken. Ich stellte die Herdplatte zurück. Draußen begann es zu regnen.
Als ich mich zu den beiden umdrehte, sah ich, dass sie sich nicht bewegt hatten. Mein Mann stand an der Tür und starrte Kittie an. Kittie stand breitbeinig über dem umgefallenen Barhocker und starrte mich an.
Ich ließ meinen Blick zwischen den beiden hin und her wandern.
"Vorstellen muss euch einander wohl nicht", sagte ich dann zu Kittie und lächelte.
Ganz starke Szene! Die roten Flecken der Tomatensoße lassen mich an Blut denken. Irgendwas passiert hier gleich. Und dann ihr Sarkasmus. "Vorstellen muss ich euch wohl nicht!" Da musste ich sogar kurz auflachen. Das ist böse! Aber gut!!

Und dann das Finale. Großartig. Blutig. Ein klein bisschen eklig (was für mich aber reicht!) und dann die Vorstellung, dass da eine Frau voller Blut (ich stelle sie mir ein bisschen vor wie Carrie) mit Säcken voller Leichenteile in einem Auto umherfährt. Und einen Unfall baut. Jetzt verstehe ich auch, warum die Leute vor ihr zurückschrecken.

Eine Frage bleibt jedoch: Hatte Kittie tatsächlich eine Affäre mit dem Mann der Protagonistin? Sie funkelt ihn in der Küche wütend an, flieht sogar auf die andere Seite der Küche. Ist das alles Show? Oder ist die ganze Situation noch viel tragischer und die beiden kennen sich gar nicht? Denn das Gespräch am Schluss im Auto zwischen den beiden, das bildet sich deine Protagonistin ja nur ein. Ich bin echt unschlüssig. Oder hatten die beiden eine Affäre, Kittie wusste aber nicht, dass sie sich gerade mit der Exfrau ihres neues Typs anfreundet? Wäre auch ziemlich tragisch ...

So oder so, hat mir sehr gut gefallen!
Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo RinaWu,
danke, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Geschichte zu lesen. Dass sie dir gefallen hat, freut mich sehr!

Ich habe so ein paar Macken. Eine davon ist es, dass der Aufbau einer Geschichte nicht linear sein kann. Man muss einmal in der Zeit wechseln oder in der Perspektive. Da letzteres bei einem Icherzähler nicht geht, blieb nur ersteres.
Weshalb ich denke, dass das sein muss, sei dahin gestellt. Ich habe nämlich keine Ahnung. *g*
Das macht das ganze natürlich für den Leser vielleicht etwas anstrengend. Da ich es aber selbst (als äußerst genüsslicher Leser! Ich lese sozusagen für mein Leben gerne) nicht mag, wenn ein Autor denkt, dass ich, der Leser, doof bin, will ich diesen Fehler selber nicht machen. Was aber manchmal ebenfalls dazu führt, dass es für den Leser anstrengend wird.
Beides zusammen, tja ... :D
Aber schön, dass du den Anfang danach nicht schlecht fandest.

Zu deiner Frage:
In meiner Vorstellung hat Kittie schon eine Affäre mit "dem" Ehemann. Sie ist schrecklich neugierig auf seiner alte Frau und will wissen, mit welcher Frau "ihr" Mann zuvor zusammen gelebt hat. Eigentlich hat sie dieselben Gedanken wie die Prota, nur wusste sie, wo sie die alte Frau finden konnte.
Sie geht einen Schritt weiter und versucht an die Prota heran zu kommen. Sie freundet sich tatsächlich mit ihr an und ich glaube, sie hat auch großes Mitleid mit ihr und empfindet aufgrund dessen auch etwas Hass auf den Mann, weshalb sie, Kittie, der Prota auch dabei hilft, die Reifen seines Wagens zu zerstechen.

Alles blabla und wird so genau in der Geschichte auch nicht erzählt. ;)
Aber in meinem Kopf ist Kittie ein echt durchtriebenes Miststück.


Also, danke fürs lesen und für die lieben Worte. :)

P.S.:
Darf man das sagen? Mein Lieblingssatz ist ebenfalls die Erwähnung des kleinen Kofferraums eines Cabrios. Ich habe selbst einige Zeit lang ein Cabrio gefahren und der Kofferraum ist klitzeklein!

 

Hallo nochmal Tamira,

ich fand den Anfang nicht nur danach gut, sondern einfach gut! Dass man sich anfangs in eine Geschichte einfinden muss, ist überhaupt nicht schlimm, sondern fordert ja den Kopp und das ist nie verkehrt. Anstrengung lohnt sich dann, wenn die Geschichte in sich schlüssig und gut komponiert ist. Und das war deine Geschichte meiner Meinung nach.

Oha, dann ist Kittie tatsächlich mieser, als ich es wagte, mir vorzustellen. Das Schlimme ist, ich möchte nicht mal ausschließen, dass es solche Frauen tatsächlich gibt.

Einen sonnigen Tag wünscht dir
RinaWu

 

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