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Jeder ist ersetzbar

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03.05.2016
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Jeder ist ersetzbar

Sonntag dachte ich darüber nach. Ich dachte, dass es an der Zeit wäre einen Mann zu finden, der mir wirklich wichtig ist. Dass es sinnvoll wäre, zu lieben und wertzuschätzen und nicht Brofists mit mir selbst auszutauschen, sobald ich einen zur Türe bringe. Viele Male, die Türe schließend. Ein letzter Blick. Ein Kuss, der mir unangenehm ist. Oder nur eine Umarmung; das andere Zeichen. Die Variante, die immer etwas an meinem Selbstbewusstsein nagt, obwohl sie logisch betrachtet sehr viel besser ist, denn sie bedeutet, dass nicht noch ein weiterer glaubt, das Eis zwischen uns brechen zu müssen. Dass ein weiterer glaubt, es wäre nur Schüchternheit.

Oder wenn ich einen zur U-Bahn bringe. Wenn ich verstohlen auf mein Handy schaue und dann auf die Fahrplantafel, um zu prüfen, ob die Dates reibungslos ineinander übergehen. Meistens klappt es, und das macht mich fahrlässig. Einmal lief ich wortlos an Mann 2 vorbei, Hand in Hand mit Mann 1, der zur Bahn gebracht werden musste. Den Treffpunkt, der auf dem Weg lag, hatte ich selbst ausgesucht, um Zeit zu sparen. Mann 2 sprach es nicht an, als ich zu ihm zurück kehrte und fragte, wie sein Abend war. Keine Ahnung wieso.

Manchmal befürchte ich, dass meine Mitbewohner glauben könnten, ich wäre nymphoman. Dabei habe ich kein Problem anzuecken oder dieses Label aufgesetzt zu bekommen. Es ist nur so, dass ich gerne ganze Klischees erfülle. Ich mache das Bild gerne komplett. Mit Kostümen und Filmmusik und Vorankündigungsplakaten. Und die Nymphomanin trifft es nicht. Davon bin ich fast überzeugt.

Ja, es ist so, ich besitze Frühstücksmodule, Essen, das lange hält. Hotel-Packungen Nutella, Marmelade, Honig, veganer Aufstrich und Kondensmilch. Mymuesli Probepackungen und H-Milch in 0,5 Liter Tetras. Dosenwurst und Aufbackbrötchen - Körner, Lauge, Croissants. Für jeden etwas dabei und trotzdem effizient und billig.

Ja, es ist so. Wenn mich einer anfasst und auszieht, sage ich nicht nein. Nie. Wenn einer fragt, ob ich es auch will, sage ich "ja", aus purem Stumpfsinn. Ich müsste sonst recherchieren, was im Kino kommt und eigentlich ist es zu kalt, um nach draußen zu gehen, und seine Hände sind so warm. Und ich müsste einen Standpunkt haben, und ich müsste wissen, wen oder was ich denn wirklich mag, wenn nicht den, der hier zwischen meinen Beinen liegt, wen dann?

Neulich dachte ich also darüber nach. Ich überlegte, was ich mir wünsche - „Keine Ahnung, irgendwas zum Spielen“ - und was sich Männer von mir wünschen könnten - „Irgendwas mit Frau“ - und dann dachte ich, dass ich eventuell eine eingeschränkte Wahrnehmung haben könnte. Ich dachte dann ziemlich schnell an eine Krankheit, dass ich eventuell psychopathisch oder soziopathisch wäre. Dass es behandelbar wäre, metaphorisch gesagt, mit Salbe und Pflaster. Und irgendwann, wenn man es abzieht, ist heile, rosa Haut darunter. Auf jeden Fall musste ich das recherchieren. Ich benötigte eine Diagnose, um meine Selbstoptimierung starten zu können. Clean Eating hatte ja auch geklappt. Und dann bemühte ich Wikipedia. Der Anfang von Allem.

Wie immer passten 25% der Symptome (unter Anderem hatte ich schon Gonorrhoe, aber nur die Form, die Augen befällt). Genauer gesagt, passten gefühlte 25% der Symptome einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Jemand, der über das normale Maß damit beschäftigt ist anderen zu gefallen aber kein Einfühlungsvermögen besitzt. Jemand, der übermäßige Ansprüche an sich und die anderen stellt. Jemand, der andere verletzt, weil er nicht spürt, was er zumutet, sondern immer nur vor Zeichen von Zurückweisung davon läuft. Ich dachte ernsthaft darüber nach, wie viel „narzisstisch gestört“ in mir enthalten ist. Oder ob mich ein Psychologe wieder wegschicken würde mit dem Hinweis: "Sie sind gesund. Sie sind nur ein typisches Kind dieser Zeit". Eine wie die anderen.


Und irgendwie hatte ich wohl nicht genug Selbsthass an diesem Tag für mich übrig. Ich war eineinhalb Stunden laufen gewesen, hatte mich gesund ernährt, etliche Termine für die nächste Woche ausgemacht, die Waschmaschine lief und der Lichteinfall war gut oder es befand sich einfach nur keinen Staub auf meinen Regalen. Also gingen meine Gedanken dazu über andere verantwortlich zu machen bzw. das Problem gesellschaftlich zu sehen. Ich hatte genug Beweise, dass es nicht nur mir so ging. Jammernde Freunde und Vice-Reportagen.

Ich fragte mich, warum man Menschen scheinbar mehr und mehr als austauschbar wahrnimmt. Weil man mehr Menschen kennenlernt? Weil man sich zu wenig Zeit nimmt, zu häufig umzieht, Grundvertrauen verloren geht oder weil man egoistischer wird und nur die eigenen Bedürfnisse befriedigt. (Ja, ich dachte in "man-Sätzen) Oder werden alle ähnlicher?

Ich fragte Siri: "Was ist Ähnlichkeit?" Und landete wieder auf Wikipedia und im tiefsten Dschungel der Begriffs-Definitionen. Ein Artikel zum Thema "Identität" hielt mich fest. "Die Identität ununterscheidbarer Dinge": „Wenn zwei Dinge nicht identisch sind, müssen sie sich irgendwie unterscheiden“, stand darin, „und sei es nur durch ihre Lage im Raum“. Klon 1 steht links, Klon 2 steht rechts, macht zusammen zwei. Wir werden besonders, weil man uns an einem bestimmten Ort befindlich wahrnimmt. Also sollte man Raum und Zeit schätzen lernen, den Zauber des Zufalls?

Ich weiß nicht, ob ich repräsentativ bin, aber ich lernte nur wieder: Jeder ist ersetzbar., also nehme, was da ist.

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"Ähnlichkeit ist ein Phänomen in dem Vorgang der Unterscheidung, das nicht ohne Betrachtung des Betrachters vollständig erklärt werden kann."

Irgendwas mit Luhmann und so

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Hej Alida Motesi,

vielen Dank für deine "stumpfsinnige Geschichte" und dass du mich an deinen Gedanken dieser Zeit teilhaben lässt, an diesen Neurosen, an Zweifeln und der Möglichkeit für alles eine Erklärung zu haben und eine Lösung zu finden. Ich habe es sehr genossen und bin voll des Mitgefühls für eine junge Frau, die einfach nur leben und lieben möchte, aber bereits resigniert und abgestumpft ist.

Gut getroffen.

Freundlicher Gruß, Kanji

 
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Hola Alida Montesi,

ich möchte Dich willkommen heißen im Klub der Streitbaren.
Dein Text ist sehr gut geschrieben, und fehlerfrei ist er obendrein. Hut ab!

Nur lese ich leider keine Kurzgeschichte im Verständnis der Wortkrieger.
Du schreibst für’s Feuilleton, oder Tagebuch – schöne, geistvolle und nicht bitterernste Überlegungen halt.
Bei solcher Lektüre kann ich mein Hirn ausschalten, denn der Autor denkt für mich.
Er entwirft kein Bühnenbild, das ich mir vorstellen kann; lebendige Personen vermisse ich, auch Bilder, die mich in irgendeiner Form ansprechen.
Du lieferst Radio, doch ich möchte fernsehen – am liebsten in Farbe.

Ich meine, dass Deine gescheiten Gedanken eine gute Vorlage für eine interessante KG sein könnten. Zwei Protagonisten würden genügen, und dann lass sie aufeinander los!

Und bitte bedenke, dass das nur meine ganz persönliche Ansicht ist.

Schöne Grüße!
José
PS:

Jeder ist ersetzbar., also nehme, was da ist.
Punkt und Komma beißen sich. Also nimm ...

PSPS: Das sehe ich jetzt erst: Erotik!
Hab ich was übersehen?

 
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Danke José, für die Begrüßung, das Lob und den Hinweis, wie die Textform "im Verständnis der Wortkrieger" auszusehen hat. Ich verspreche, ab sofort nur noch Kurzgeschichten zu posten.
Einen schönen Tag dir!


Kanji vielen Dank! Auch wenn ich mir erst nicht sicher war, ob du das Stumpfsinnige nicht auch auf die Darbietung meines Textes beziehst.
Die Sonne scheint, ich interpretiere heute nur Gutes hinein.

 

Hej, ich nochmal,

Gottogott, das war wohl missverständlich ohne Emoticons - ich bin durch und durch positiv gestimmt für deinen Text. :)

Die "Stumpfsinnigkeit" ist für meinen Geschmack rundherum stimmig - inhaltlich und stilistisch (z.B. mit sich wiederholenden Satzanfängen.

Ich müsste mir wirklich öfter mal mehr Mühe geben - auch mit den Kommentaren.

Weiterhin einen schönen sonnigen Tag .

 

eben nein, das ist keine Geschichte, das ist nur irgendein Text. Das ist irgendwas, vielleicht eine Personenbeschreibung, die nach irgendwas sucht, das ich nicht verstehe und nicht verstehen will. Ich weiß nicht, was ich mit dem Text hier anfangen soll. Dafür ist mir das alles viel zu blass, alle Figuren sind Randfiguren, jeder Mann in ihrem Leben sowas von unnötig, kurz: Sie kommt mir wie eine Schlampe vor, die mit jedem Schlafen würde, wenn er nur höfflich fragt. Bäh. Brutal von mir? Kann sein, denn schlussendlich ist das hier keine Kurzgeschichte. Ich kann nicht einmal sagen, dass die Handlung flach ist, denn dann würde ich ja behaupten, es gebe sie, aber das tut sie nicht. Keine Handlung, keine Atmosphäre, kein roter Faden, nur Gedanken und Gedanken allein funktionieren nur dann, wenn man sie mit einer Handlung verbindet. So ist das nur irgendwas, das mich nicht überzeugt und sogar so weit zu langweilen begonnen hat, dass ich jetzt diese wütenden Worte schreibe.

Das hätte auch aus meiner Tastatur sein könne, aber maria.meerhaba, wenn sie nun genau das vorhatte, die Alida, dann wäre es doch zumindest stilistisch gelungen ... a wicked thought.

lg

Thomas

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Alida Montesi,

erschrick Dich bitte nicht zu Tode, es ist nur das schlechte Gewissen, das mich zu diesem Post zwingt. Denn dieses Versprechen wollte ich Dir wirklich nicht abpressen:

Ich verspreche, ab sofort nur noch Kurzgeschichten zu posten.

Nur keine überstürzte Betriebsamkeit!
Bin nur verwundert, dass Du Dich in ein Kurzgeschichten-Forum einträgst, ohne Dich vorher kundig zu machen. Die Technik dazu hast Du.

Dieses süffisante

‚wie die Textform "im Verständnis der Wortkrieger" auszusehen hat.’

kommt arg von oben herab.
Tut mir leid, dass ich Dir geschrieben habe, denn wie eine preußische Vorschrift war es bestimmt nicht gemeint.
Trotzdem gibt es – selbstverständlich äußerst dehnbar – einige Merkmale der Kurzgeschichte, die ich anfangs auch nicht kannte. Schadet nicht, wenn man sie kennt. Sich dran zu halten, ist Privatsache. Letztlich stellen wir unsere „Werke“ wegen einer guten Resonanz ein, sonst könnten wir sie in der Schublade lassen.
Warum die Leser besonders Geschichten mit erkennbarer Handlung, interessanten Prots, Spannungsbogen und einem möglichst überraschenden Ende mögen, weiß ich auch nicht.


Ronnie

Eine Kurzgeschichte im Verständnis der Wortkrieger was dieser schön formulierte Satz von JoFe genau zu bedeuten hat, dahinter bin ich schlussendlich auch noch nicht gestiegen; arbeite aber an der Entschlüsselung.

Bemühe Dich nicht. Du kannst mich auf den Arm nehmen, es zumindest versuchen – allerdings sind hundertzwanzig Kilo ’ne ganze Menge.
Ich glaube nicht, dass Du das stemmst.

Konzentrieren wir uns auf unsere nächste Geschichte!
José

 

Hallo!

Nun ... ich - an allen Orten für meine Wahllosigkeit bekannt - stoße mich tatsächlich enorm an der nicht vorhandenen Kurzgeschichte. Außerdem glaube ich der Person nicht wirklich, dass sie durch und durch so simpel gestrickt sein soll.

Gelesen habe ich das trotzdem ganz und nicht mal ungern. Ich lese eben immer gerne das, was ich selbst als ein wenig "seltsam" empfinde. Insofern eigentlich alles gut. Oder? :)

Aber dieses "Brofists" oder wie das heißt - schrecklich. Ich dachte erst an Brot. Dann an Fisting. Dann an gar nichts mehr. Brrrrr.

LG

 
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Liebe Alida Montesi,
das Positive zuerst: Du machst kaum Fehler, setzt die Wörter richtig, dein Satzbau stimmt (meistens). Auch der Inhalt einzelner Sätze ist in Ordnung, nimmt man sie nur für sich allein. Das Textganze scheint mir das Problem. Eine Geschichte ist es natürlich nicht. Aber was ist es dann? Eine Selbstbespiegelung der Protagonistin auf einem sprachlich scheinbar hohen Niveau, allerdings mit der sehr trivialen Erkenntnis ‚Jeder ist ersetzbar’. Oder wie soll ich die Überschrift deines Textes einordnen?
Was ich lese, ist ein Hin und Her, ein Flickenteppich ausrissartiger Statements und Gedanken einer Frau, die irgendwie nach irgendwas sucht, nach Identität, nach Lösungen, wie Kanji es sieht.
Mir erschließt sich diese Frau leider nicht. Ich kann nicht erkennen, was ihr eigentliches Problem ist, was sie eigentlich sucht und will. Es bleibt im Irgendwas, endet im Irgendwas. Irgendwas mit Luhmann oder so – Irgendwas über Ähnlichkeit, verbunden mit einer kryptischen Definition, die wohl besagen soll, dass alles subjektiv ist. Ich bin beeindruckt.
Dabei scheint es in deinem Text manchmal sogar in die Tiefe menschlichen Seins zu gehen:

Ich fragte mich, warum man Menschen scheinbar mehr und mehr als austauschbar wahrnimmt. Weil man mehr Menschen kennenlernt? Weil man sich zu wenig Zeit nimmt, zu häufig umzieht, Grundvertrauen verloren geht oder weil man egoistischer wird und nur die eigenen Bedürfnisse befriedigt. (Ja, ich dachte in "man-Sätzen) Oder werden alle ähnlicher?

Doch, wenn ich genau hinsehe, wird da eine Schein-Frage konstruiert, die mit Platitüden beantwortet wird.
So geht es mir bei den meisten deiner Sätze: Sie tun, als würden sie etwas Wichtiges aussagen, fragt man aber nach ihrem Inhalt und ihrem Bezug zu den anderen Sätzen, so erlebt man solche Sequenzen:
Ein letzter Blick. Ein Kuss, der mir unangenehm ist. Oder nur eine Umarmung; das andere Zeichen. Die Variante, die immer etwas an meinem Selbstbewusstsein nagt, obwohl sie logisch betrachtet sehr viel besser ist, denn sie bedeutet, dass nicht noch ein weiterer glaubt, das Eis zwischen uns brechen zu müssen. Dass ein weiterer glaubt, es wäre nur Schüchternheit
.
Manchmal befürchte ich, dass meine Mitbewohner glauben könnten, ich wäre nymphoman. Dabei habe ich kein Problem anzuecken oder dieses Label aufgesetzt zu bekommen. Es ist nur so, dass ich gerne ganze Klischees erfülle. Ich mache das Bild gerne komplett. Mit Kostümen und Filmmusik und Vorankündigungsplakaten. Und die Nymphomanin trifft es nicht. Davon bin ich fast überzeugt.
Und die Konsequenz aus allem:
Jeder ist ersetzbar(.), also nehme (nimm), was da ist.
Wir würden uns jetzt sicher im Kreis drehen, wenn ich deinen Text nach der Begründung für diese Aussage befragte.

Es gibt natürlich Texte, die die Selbstreflektion eines Menschen zum Inhalt haben. Da denkt dann jemand über sein Handeln, sein Leben oder seinen Charakter nach. Das sind in der Regel Texte, die auf Erkenntnis abzielen, die dem Leser etwas geben bzw. mitgeben möchten. Das tut dein Text mMn nicht. Deine Protagonistin dreht sich um die eigene Achse und verharrt dort.
Nebenbei: Was deinem Text auch fehlt, obwohl er eine solche Ebene beschreiten möchte, ist Witz bzw. (Selbst)Ironie. Du versuchst so etwas:

Wie immer passten 25% der Symptome (unter Anderem hatte ich schon Gonorrhoe, aber nur die Form, die Augen befällt). Genauer gesagt, passten gefühlte 25% der Symptome einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.
Hm.
Bleibt deine Fähigkeit, dich auszudrücken. Sie mag beeindrucken. Aber das taten auch des Königs neue Kleider.

Liebe Alida Montesi, du hast sicher bemerkt, dass dies leider nicht mein Text war, ich ihm nicht viel abgewinnen konnte. Deshalb bin ich gespannt auf deinen nächsten. Denn formulieren kannst du ja.
Liebe Grüße
barnhelm

 

@ Barnhelm: Danke dir für dein ausführliches Kommentar und die positive Bewertung meiner Ausdrucksfähigkeit. Gerne versuche ich etwas neues und hoffe, dass du mich wieder liest.

 

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