Was ist neu

Kälteschlaf

Beitritt
15.10.2015
Beiträge
938
Zuletzt bearbeitet:

Kälteschlaf

„Doctor Jones muss weg“, sagt Nadia. „Heute noch. Mir egal, wie du das anstellst.“
Die Kälte, mit der sie das sagt, lässt mich buchstäblich vor dem Telefonhörer zurückweichen. Dann setzt zuverlässig die innere Stimme ein, die Nadia verteidigt. Selbstschutz, ist doch klar. Letztlich geht es ja um ihr Leben, Jones würde sie glatt umbringen. Sie oder er, was soll man da machen?
Dabei hat sie ihn doch auch einmal geliebt.

*

Alien war der erste Film, den wir damals in der winzigen Zweizimmerwohnung sahen, in die wir nach knapp drei Monaten Beziehung gezogen waren. O-Ton, Director's Cut – klar, als Studenten zählten wir uns zur intellektuellen Elite. Zum Einzug hatten wir uns selbst die Tetralogie auf DVD geschenkt, Blu-ray und HD-Fernsehen waren damals noch nicht erschwinglich, jedenfalls für uns. Während Sigourney Weaver von dem außerirdischen Biest durch die Gänge der Nostromo gehetzt wurde, lehnte Nadia in meinem Arm, die Beine unter den Körper gezogen. Statt an den gruseligen Stellen ihr Gesicht in meiner Brust zu vergraben, wie es andere vor ihr getan hatten, erklärte sie mir die Bildästhetik von Ridley Scott und H. R. Giger, bis ich leicht genervt ihren Mund mit meinem verschloss und ihr das Weinglas aus der Hand nahm. Das Alien fand gerade sein drittes Opfer, als wir, bereits halbnackt, zum Bett wechselten. Dass wir nur selten hollywoodreif zur selben Zeit kamen, störte uns nicht, ich hatte ja noch zehn gesunde Finger. Wir saßen rechtzeitig wieder auf der Couch, nun endlich schweigend, als Lieutenant Ripley das Monster endgültig erlegte und sich gemeinsam mit dem zweiten überlebenden Crewmitglied für den Kälteschlaf bereitmachte: mit dem Kater Jones.
Am nächsten Morgen waren wir uns einig, dass auch wir eine Katze mit diesem Namen haben wollten. Der Doctor schlich sich erst später dazu, weil unser Jones – der in seinen schwarz-weißen Kuhflecken wenig Ähnlichkeit mit seinem rotgetigerten Filmvetter hat – so einen weisen, leicht entrückten Blick aufsetzt, wenn er uns von der Fensterbank aus beobachtet. Beim Kochen; beim Debattieren; beim Lieben. Beim Streiten.

„What's up, Doc?“ Ich grinse ihn freudlos an, nachdem ich das Telefon weggelegt habe. „Wir müssen uns nach einer neuen Bleibe für dich umsehen, mein Junge.“ Er hat mich das ganze Gespräch lang mit seinem unnachahmlichen Blick angesehen, als würde er mich analysieren. Auf jeden Fall versteht er, wenn man seinen Namen nennt.
Wohin mit ihm? Ich bin der Frage zu lange aus dem Weg gegangen, hätte mir längst eine Lösung überlegen müssen. Jetzt bin ich in Zeitdruck, und das macht es nicht leichter.

Bei Nadias ersten Niesanfällen hatten wir noch gewitzelt: Katzenhaarallergie, haar-haar! Doch die Schnelligkeit, in der sie sich über verstopfte Nase und Hustenattacken bis zum ausgewachsenen Asthma steigerte, war nach Ansicht des Allergologen rekordverdächtig, und das Lachen verging uns. Die Batterie von Tests, die Nadia durchlief, brachte wie üblich keine eindeutigen Ergebnisse, Tierhaare waren nur eine von mehreren Möglichkeiten. Als der Arzt das Wort „psychosomatisch“ ins Spiel brachte, ging Nadia an die Decke. Für sie war das gleichbedeutend mit „Hypochonder“, „Münchhausen-Syndrom“ und „Klapsmühle“ – völlig indiskutabel.
So oder so war uns längst klar, dass es tatsächlich am Kater lag, zum Handeln konnte ich mich trotzdem nicht überwinden. Bis Nadia vorgestern fast gestorben wäre.

Ins Tierheim bringen oder gar aussetzen könnte ich ihn nie. Umbringen ist nicht mal einen Gedanken wert. Ihn in die viel zitierten „liebevollen Hände“ abzugeben, wäre die einzig realistische Option. Natürlich nicht so kurzfristig, da hätte ich mich eher kümmern müssen. Hätte, sollte, müsste. Es gibt noch eine andere Möglichkeit, sagt mir sein Blick. „Vergiss es“, raunze ich ihn an, erschrocken reißt er die Augen auf, als ich seine Futtervorräte in einen Karton feuere. „Wer verlässt denn bitte seine Frau für eine Katze? Das steht doch in keinem Verhältnis.“

Der Eigensinn der Katzen ist sprichwörtlich, und Doctor Jones hat uns niemals verraten, warum er irgendwann nicht mehr zu Nadia auf den Schoß sprang, sondern nur noch zu mir. Von ihr nimmt er gerade noch gnädig das Futter entgegen, aber natürlich lässt er sich damit nicht seine Zuneigung abkaufen, er ist schließlich kein Hund. Irgendwann gab sie es auf, und seitdem ist Jones nicht mehr unsere, sondern meine Katze.

„Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass sie das mit Absicht macht“, sage ich zu Jones, während ich sein Katzenklo leere, um es einzupacken. Er trägt jetzt wieder seinen Akademikerblick. „Ein Asthma entwickeln, um dich aus dem Haus zu treiben? Jetzt hör aber auf. Nadia ist einfach krank, so was soll vorkommen.“ Jones blinzelt. „Körperlich krank“, setze ich hinzu.

Als wir beide unser Studium fast zeitgleich beendet hatten, fand ich sofort einen gut dotierten Job, Ingenieure mit Programmierkenntnissen waren als Seiteneinsteiger in der IT-Branche heiß begehrt. Nadia entschied sich, noch ein Promotionsstudium anzuhängen, weil sie sich als Kunsthistorikerin von einem Doktortitel bessere Berufschancen versprach. Ich zog das nie in Zweifel, unterstützte sie ohne Zögern, Geld brachte ich ja genug nach Hause, und wir waren uns immer einig, dass materieller Wohlstand sowieso nicht das Wichtigste war. Nur in gedankenlosem Scherz sagte ich einmal, sie könne wohl hinter einer promovierten Katze nicht zurückstecken. Nadia ging wortlos aus dem Zimmer, ich sah, wie sie mit den Tränen kämpfte. Ich habe nie gewagt, den Vorfall wieder anzusprechen, nicht einmal, um mich zu entschuldigen.

Die Katze. Jean Gabin und Simone Signoret. Soll auch toll sein, aber mit französischem Kino konnte ich noch nie viel anfangen. Für den O-Ton reicht es da bei mir nicht, und in der Synchronfassung klingen die Dialoge meistens irgendwie gestelzt. Jedenfalls kenne ich von diesem Film nur die Inhaltsangabe aus der Fernsehzeitschrift: ein altes, verbittertes Ehepaar; er liebt die Katze abgöttisch, sie ist eifersüchtig – mit irgendwelchen dramatischen Folgen. Warum kommt mir das jetzt in den Sinn? Nadia und ich sind erst Anfang dreißig, als verbittert würde uns wohl niemand beschreiben, und ein Psychodrama findet hier auch nicht statt.

„Natürlich ist bei uns nicht alles Gold, was erwartest du nach ... warte mal ... insgesamt acht Jahren? Ist doch völlig normal, dass sich da ein bisschen Routine breitmacht, ein paar Konflikte anfallen.“ Jones schaut mich nur an, als wolle er mich zum Weiterreden auffordern. Wir haben nie geklärt, welche Art von Doktor er wohl sein könnte, aber Psychiater wäre naheliegend. „Jedes Ehepaar streitet über irgendwas. Ob es nun Katzenhaare sind oder Geld oder Tapeten oder Politik. Deswegen verlässt man doch nicht seine Frau, schon gar nicht, wenn sie gerade eine schwere Krankheit durchmacht.“

Dabei wollten wir so vieles besser machen als unsere Altvorderen. Jedenfalls anders als Nadias Eltern, die unsere Hochzeitsfeier ruiniert hatten, indem sie sich mit den neuen Partnern des jeweils anderen lautstark über die Scheidungsgründe austauschten. Nicht, dass meine eigenen Eltern viel besser gewesen wären, als sie Nadias Familie ob ihrer Herkunft mit Nichtachtung straften. Unsere Hochzeitsnacht bestand in einem erschöpften Schlaf, nachdem wir einander geschworen hatten, unseren eigenen Kindern niemals so etwas anzutun.
Erst gar keine zu bekommen, war nicht die Lösung, die ich dafür im Sinn hatte. Doch Nadia wusste viele Gründe: Wir waren noch mitten im Studium. Sie fühlte sich einfach noch nicht bereit. Die Welt war so unsicher. Katzen könnten ein Ungeborenes mit Toxoplasmose gefährden. Die Aktivitäten, bei denen wir überhaupt ein Kind zeugen könnten, sind ohnehin längst auf nahezu Null reduziert, dafür hat es die Asthmaschübe nicht gebraucht.

Nadias letzter Anfall kam aus dem Nichts, eigentlich war ihre Medikation gut eingestellt, den Inhalator brauchte sie so selten, dass sie manchmal vergaß, wo sie ihn hingelegt hatte. Als ich sie auf dem Wohnzimmerteppich fand, konnte sie mir schon nicht mehr sagen, wo ich suchen musste, und bis ich das Ding gefunden hatte, war sie so dunkelblau angelaufen wie die Figuren in den Cartoons, über die wir früher zusammen gelacht hatten. Die Ärzte bestanden darauf, sie ein paar Nächte zur Beobachtung in der Klinik zu behalten. Und ich versuche nun planlos, ihre Rückkehr nach Hause vorzubereiten.

Jetzt habe ich alles im Auto. Kratzbaum, Schlafkorb, Katzenklo, Futtervorräte, Spielzeuge und jede Menge weiteren Kram. Die Rückbank musste ich umklappen, mir war nicht bewusst, dass so ein kleines Fellknäuel so viel Zeug braucht. Irgendwie ist mein Rollkoffer mit in das Gepäck geraten, den ich sonst immer für Dienstreisen benutze. Da passen genug Sachen für eine Arbeitswoche hinein.
Ich setze Doctor Jones in seiner Transportbox auf den Beifahrersitz und wir fahren los. Wohin, weiß ich immer noch nicht. „Kälteschlaf, Jonesy“, sage ich zu ihm. „Das wär's jetzt. Und dann einfach warten, bis ein Rettungsteam uns findet.“

*

Als ich nach Hause zurückkehre, packe ich als Erstes meinen Koffer wieder aus. Dann habe ich noch drei Stunden Zeit, bevor Nadia aus der Klinik kommt; natürlich mit dem Bus, um nicht in meinem katzenverseuchten Auto mitfahren zu müssen. Bis dahin sollten zumindest aus dem Haus möglichst alle Tierhaare beseitigt sein. Ein Ding der Unmöglichkeit, aber vielleicht reichen ja neunzig Prozent, unterstützt durch Nadias Überzeugung, dass sie nun vor der pelzigen Gefahr sicher ist.
„Hallo Schatz“, werde ich sagen, „ich bin froh, dass du wieder zuhause bist.“ Danach werde ich uns ein gutes Essen zubereiten, wir werden uns mit einem Glas Wein auf die Couch setzen und vielleicht etwas fernsehen. Und dann versuchen wir wieder fest daran zu glauben, dass wir bis an unser Lebensende zusammen glücklich sein können, weil unser größtes Problem gelöst ist.
Und morgen muss ich in Ruhe darüber nachdenken, wie Doctor Jones und ich aus diesem Dilemma herauskommen. Länger als eine Woche wird meine Schwester ihn nicht bei sich haben wollen.

 

He Holg nochmal,

Es ist immer nett, nach einiger Zeit noch mal einen kleinen Nachschlag an Lob zu bekommen,

Sag an ... :D

Dazu hatte ich schon eine kleine Diskussion

Mja, daran siehst du vll, dass dein Bild schwer vorstellbar ist. Also auch deine Erklärung, so witzig wie sie ist, das ist einfach kein eingängiges Bild. Aber genau das sollte man doch erreichen als Autor.
Sieht für mich nach einem Darling to kill aus ;)

Mit der Formulierung "zuverlässig" bin ich dabei schon ein bisschen in dem ironischen, teils sarkastischen Tonfall drin, mit dem der Prot seine Lebens- und Gefühlslage selbst beschreibt.

Ich versteh schon, warum du das Wort gewählt hast. Meine Kritik bezog sich ja auf eine ganz andere Ebene. Ich meinte die Sprachmelodie. Dieser Viersilber stört hier in meinem Ohr. Aber wie gesagt, ist nur i-Tüpfelchen. Bekrittel das auch nur in Geschichten, die ansonsten für mich top sind. Wenn eh alles nur grob gezimmert ist, fang ich damit erst gar nicht an. Hier aber ist es mir eben aufgefallen, weil das meiste rund ist und flüssig zu lesen.

Danach werde ich uns ein gutes Essen zubereiten, wir werden uns mit einem Glas Wein auf die Couch setzen und vielleicht etwas fernsehen. Und dann versuchen wir wieder fest daran zu glauben, dass wir bis an unser Lebensende zusammen glücklich sein können, weil unser größtes Problem gelöst ist.
Ja, finde ich besser so. Das zusammen finde ich wieder sperrig, aus oben erklärten Gründen. Man kann es auch weglassen, würde den Sinn nicht entstellen.
Und ja, kursiv markieren in einem Zitat, das kursiv ausgegeben wird, ist natürlich doof :dozey:
Hast aber zielsicher meine monierte Stelle erkannt ;)

Irgendein Grund, warum du "Gespräche" durch Kursivschrift betonst? Magst du Katzen sonst nicht so?
Weil es kein Gespräch ist. Ist ja ein Monolog, der als Gespräch getarnt ist.

Davon abgesehen finde ich die Filme selbst klasse.
:thumbsup:

Insofern ist das also kein Aus-der-Affäre-ziehen, sondern gewollt.
Mja, liest sich aber so :aua:
Ich wäre ja zufrieden, wenn das Filmthema wieder aufgegriffen werden würde am Ende, dann wäre das für mich rund. Aber ich halt ja schon den Mund :sealed:

Eine schicke Woche dir

grüßlichst
weltenläufer

 

Noch mal hallo weltenläufer,

Dazu hatte ich schon eine kleine Diskussion
Mja, daran siehst du vll, dass dein Bild schwer vorstellbar ist. Also auch deine Erklärung, so witzig wie sie ist, das ist einfach kein eingängiges Bild. Aber genau das sollte man doch erreichen als Autor.
Sieht für mich nach einem Darling to kill aus
Aber ich liebe meine Darlings! :cry:
Nee, im Ernst: Die Diskussion mit Peeperkorn ging ja in die entgegengesetzte Richtung. Er hatte angezweifelt, dass man anders als "buchstäblich" vom Hörer zurückweichen kann; du hingegen kannst dir nicht vorstellen, wie es doch geht.
Also für mich ist das ein Patt zwischen euch beiden, also entscheidet der Autor: das Wort bleibt. :D

Ich versteh schon, warum du das Wort gewählt hast. Meine Kritik bezog sich ja auf eine ganz andere Ebene. Ich meinte die Sprachmelodie. Dieser Viersilber stört hier in meinem Ohr.
Ich habe mir den Satz jetzt ein paarmal vorgelesen und höre da echt kein Problem mit den vier Silben.
Um Loriot zu paraphrasieren: Vielleicht stimmt da mit deinem Ohr was nicht. ;)

Das zusammen finde ich wieder sperrig, aus oben erklärten Gründen. Man kann es auch weglassen, würde den Sinn nicht entstellen.
Na ja, ich finde, es macht schon einen Unterschied, ob sie zusammen glücklich sind oder getrennt ...

Weil es kein Gespräch ist. Ist ja ein Monolog, der als Gespräch getarnt ist.
Ach deshalb. Jo, da hast du Recht, der Doktor ist etwas maulfaul. Aber das ist ja das Prinzip der Psychoanalyse: den Patienten einfach reden, reden, reden lassen. Ein Bekannter von mir war lange Jahre in Behandlung, der hat erst nach sechs Wochen gemerkt, dass sein Therapeut inzwischen verstorben war. (Ta-taa, ta-taa, ta-taa ...)

Ich wäre ja zufrieden, wenn das Filmthema wieder aufgegriffen werden würde am Ende, dann wäre das für mich rund. Aber ich halt ja schon den Mund
Ist ja nicht so, dass ich nicht darüber nachdenken würde. Habe z.B. überlegt, ob Nadia das Alien ist, vor dem Prot und Jones sich in der Rettungskapsel (Auto) in Sicherheit bringen oder so. Aber das ist mir dann zu plump, da finde ich es schöner, wenn der geneigte Leser sich solche Assoziationen selber macht, sofern er es denn will. Und was schön Subtiles ist mir da noch nicht eingefallen.
Na, noch ist nicht aller Tage Abend.

Eine schicke Woche dir
Und zwei für dich!

Grüße vom Holg ...

 

Hallo @Holg,

ich hab gerade eine Kurzgeschichte von Stephen King gelesen (L.T.s Theorie der Kuscheltiere) die gut zu deiner passt ;) Zu deiner Geschichte: Gut und humorvoll aufgebaut. Man kann sich dank der Ich-Perspektive gut in die Geschichte hineinversetzten. Das Ende war cool und vor allem nicht so leicht vorhersehbar, alles in allem eine gute Geschichte.

Gruß Ian

 

Hallo Ian Barrens,

vielen Dank für den Hinweis auf die Stephen-King-Geschichte. Die kannte ich noch nicht und musste gugeln (im Internet gibt es ja zum Glück alles, auch ein KingWiki). Hast Recht, da gibt es interessante Parallelen; wer weiß, wie meine Story verlaufen wäre, wenn ich die von King vorher gekannt hätte. :D

Ich freue mich, dass dir meine Geschichte gefällt, vor allem auch, dass du den Schluss magst. Den haben mir ja einige als zu unentschieden um die Ohren gehauen, aber ich habe dran festgehalten. Schön, dass du mich darin bestätigst. :)

Grüße vom Holg ...

 

Hallo The Incredible Holg,

ja, wäre dieser Wettbewerb nicht, hätte ich nicht angefangen, die mir noch unbekannten Geschichten zu lesen. Dann wäre mir diese feine kleine Geschichte entgangen.

Ich muss gestehen, dass das Thema Katzen mit all seinen Facetten bei mir ja schon von Haus aus geeignet ist, mein Interesse zu wecken. Insoweit hast du es bei mir ausnahmsweise recht leicht, mich einzufangen, denn ich lese Katzenthemen mit der rosaroten Katzenbrille.
Ach Quatsch, ich kann sehr wohl noch mit der genügenden Distanz urteilen. Jedenfalls bilde ich mir das fest ein.

Deine Geschichte hat mir aus folgenden Gründen gut gefallen und dabei lass ich die Tatsache, dass es um Katze geht, einfach mal aus.
Es ist ein so herrlich typisches Alltagsthema, das du zur Geschichte verarbeitet hast und es ist dir trotzdem gelungen, das flott lesbar umzusetzen. Ich mag den leicht ironischen Blick auf das Geschehen.

Das Thema Katzenallergie kann schließlich wirklich jeden erwischen, der eine Katze bei sich leben hat. Es schwingt also die ganze Geschichte über der Gedanke mit, was man selbst eigentlich tun würde, wenn es zum Schwur käme. Ich fühlte mich recht unbehaglich dabei, denn ich wüsste es wirklich nicht.

Du greifst innerhalb des Ablaufs genau diese mulmigen Gefühle, die man als Leser hat, auf und beantwortest sie durch deinen Protagonisten und führst ihn dabei noch obendrein in die Irre.

Denn einerseits streust du geschickt den Verdacht, dass das Frauchen nur aus psychologischen Gründen diese Allergie entwickelt hat und andererseits baust du die Beziehung zwischen Prota und Kater immer verdichteter auf. So verdichtet, dass ich am Ende gedacht habe, dass jetzt was ganz ganz Schlimmes passiert ist. Von Wegzug des Prota, also Auswanderung mit dem Tier bis hin zur Ermordung des Katers, war ich auf alles gefasst. Die Geschichte gewinnt zum Ende hin richtig viel an Spannung.

Danke, dass du zur Fraktion der HappyEnd-Schreiber gehörst, wozu ich mich meist nicht zähle und es somit nie von anderen Autoren fordern würde. Aber hier bin ich dir echt verdammt dankbar, dass du den Kater bei der Schwester zwischengelagert hast. Aufatme. :D
Siehste, man vergisst glatt, dass es nur eine Geschichte ist, so gut beschreibst du es. So echt wirkt es.

Gefallen hat mir sehr gut, wie du die Beziehung beschreibst. Du zitierst hierfür Filme und auch wenn man sie vielleicht nicht gesehen hat, kann man nachvollziehen, was da zwischen den beiden läuft. Innovative Verpackung, gelungen!
Insgesamt wieder mal der lebende Beweis dafür, dass man mit ganz normalen Alltagsthemen unter Hinzunahme von frischer Verpackung gute Geschichten herstellen kann.

Lieben Gruß

lakita

 

Bea

danke für deinen Hinweis. Echt peinlich, dass ich schon. Aber so hat Holg es halt doppelt und zum großen Teil überschneidet es sich inhaltlich auch nicht so arg. Was besagt, dass ich zwar eine hochvergessliche Kritikerin bin, aber inhaltlich in der Lage, neue Facetten zu sehen. *Selbstlob*

Trotzdem ist es schrecklich, wie vergesslich ich Katzenhalterin bin! :D Ich hatte nach einem Beitrag von mir gesucht, weil ich mir echt nicht vorstellen konnte, diese Geschichte noch nicht bewundert zu haben, denn immerhin das Thema Katzen ist ja so wirklich meins. Ich habe nichts gefunden und auch mein Erinnerungsvermögen hat mich komplett genarrt. Oder nennt man das doch schon Alzheimer?

Nochmals! lieben Gruß

lakita

 

Hallo lakita,

das Schöne daran, etwas vergesslich zu sein, ist ja, dass man immer wieder über dieselben Witze lachen kann. Oder sich an denselben Geschichten erfreuen. :D

Okay, genug gefrotzelt. Vielen lieben Dank für dein Lob. Ich war erst verblüfft, nach so langer Zeit noch mal einen Komm zu der Geschichte zu bekommen. Aber klar - der Wettbewerb. Und es ist wirklich schön, dass die Story immer noch dieselbe Wirkung bei dir hat. Das scheint mir gar nicht selbstverständlich, wenn man das Ende schon kennt, denn auch wenn man es nicht aktiv im Sinn hat, ist man dann ja nicht mehr unbedingt überrascht. Kurz gesagt: Freu!

Das Thema Katzenallergie kann schließlich wirklich jeden erwischen, der eine Katze bei sich leben hat. Es schwingt also die ganze Geschichte über der Gedanke mit, was man selbst eigentlich tun würde, wenn es zum Schwur käme. Ich fühlte mich recht unbehaglich dabei, denn ich wüsste es wirklich nicht.
Ja, das ist eine fiese Situation. So ein Tier ist ja doch ein Familienmitglied.
An der Konstellation in der Geschichte hat mich gereizt, dass ja die Beziehung des Paares schon lange in einer ebenso schwierigen Lage ist. Nur kann man in solchen Dingen offenbar leichter einfach wegschauen. Erst als es der Katze ans Fell zu gehen droht, ist der Prot gezwungen, die Augen aufzumachen. Die Frage, wie wichtig ihm die Katze ist, bringt ihn zu der Frage, wie wichtig ihm seine Ehe ist, weil er letztlich beides gegeneinander abwägen muss.

So verdichtet, dass ich am Ende gedacht habe, dass jetzt was ganz ganz Schlimmes passiert ist. Von Wegzug des Prota, also Auswanderung mit dem Tier bis hin zur Ermordung des Katers, war ich auf alles gefasst.
Na, was du mir so alles zutraust ... ;) Der Prot spoilert doch recht früh selbst: Umbringen ist nicht mal einen Gedanken wert. (Klar, das könnte gelogen sein; indem er das denkt, ist ja der Gedanke, den er angeblich nicht mal aufwenden würde, auch schon da ...)
Auswandern mit dem Tier halte ich hingegen für ein logisches Ende. Nur dass der Prot noch nicht so weit ist, sich das einzugestehen. Und der wahre Grund ist eben nicht die Krankheit seiner Frau, sondern das Scheitern seiner Beziehung.

Danke, dass du zur Fraktion der HappyEnd-Schreiber gehörst
... wobei "happy" eben relativ ist. Alle noch am Leben, aber nicht ohne Blessuren.

Außerdem kann ich auch anders ... :baddevil:

Siehste, man vergisst glatt, dass es nur eine Geschichte ist, so gut beschreibst du es. So echt wirkt es. (...)
Insgesamt wieder mal der lebende Beweis dafür, dass man mit ganz normalen Alltagsthemen unter Hinzunahme von frischer Verpackung gute Geschichten herstellen kann.
Das sind die Kommentare, für die das Schreiben lohnt! :bounce:

Vielen lieben Dank für deinen neuerlichen Besuch - du darfst gerne in einem Jahr wiederkommen! :D


Hallo Bea Milana,

vielen Dank auch für deinen freundlichen Kommentar!

Nun will ich aber nicht abtreten, ohne erwähnt zu haben, dass mir deine Geschichte auch sehr gut gefallen hat, vor allem der leichte Erzählton, mit dem du die beiden Dramen schilderst. Alles andere wurde bereits gesagt und ich kann dem nichts Neues, außer einem fetten Lob, hinzufügen.
Das schlucke ich gerne auch ohne Garnitur, danke sehr! :D


Grüße vom Holg ...

 

Hallo Holg,

wie gut, dass es diese Top-2016-Sache gibt, sonst hätte ich diese Geschichte glatt verpasst - und das wäre echt tragisch gewesen. Meint auch mein Nachbarkater, der jeden Morgen zu einem Plausch bei mir vorbei kommt und dem ich die Story vorgelesen habe (der versteht jedes Wort, ich schwöre, ist wahrscheinlich auch promoviert oder so). Na ja, er meint jedenfalls, dass mit Nadja hätte keine Zukunft und eigentlich, tief im Innern, sei das deinem Prot schon klar. Aber, ist halt alles nicht so einfach ...
Dir ist da eine schöne kleine Psycho-Studie gelungen, die ich sehr gerne gelesen und an der ich nichts zu kritisieren habe. Echt klasse!

Viele sonnige Grüße,

Eva

 

Hallo Eva Luise Groh,

vielen Dank für deinen Besuch! Ich finde es auch toll, dass der Top-2016-Wettbewerb noch einmal neue Leute in meine Geschichte bringt - natürlich umso mehr, wenn ich dabei so ein uneingeschränktes Lob bekomme. :D Herzlichen Dank auch dafür!

Katze sind weise (oder täuschen es zumindest ziemlich überzeugend vor), und dein Nachbarkater hat sicher Recht: Eigentlich weiß mein Prot längst, welchen Weg er und Doctor Jones zu gehen haben. Bitte bestelle dem Kater schöne

Grüße vom Holg ...

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Holg,

eine haarige, verschnupfte Geschichte. Arme Nadia.
Ich hätte die Katze schon viel, viel früher aus dem Haus verbannt, spätestens dann, als sich Jones mehr dem Erzähler zugewandt hatte.

Sehr feine Spitzen hast du gesetzt und inhaltlich kann ich außer dem Schluss (der ist mir nämlich zu harmlos) und den vielen Namen und den Filmen (die ich nicht kenne) nichts meckern. Mich nervt das dann immer so, dass ich dann etwas außen vor bin, weil ich vielleicht einiges auch gar nicht verstehen kann, wie z.B. den Kälteschlaf. Der kommt sicher in einem Film vor, den ich nicht kenne.

Überhaupt hätte der Erzähler doch besser einen Platz außerhalb für Nadia suchen sollen, dann hätte er sich auch das Putzen sparen können :D

Mir gefällt dieser Humor, von mir aus gerne noch etwas überspitzter und dann: ab in die Satire.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo bernadette,

lieben Dank für deinen Kommentar! Ich sehe, du fühlst mehr mit Nadia als mit dem Prot oder dem Kater. Wenn sich die Sympathien so über die Personen (na ja, Tiere eingeschlossen) verteilen, habe ich anscheinend einiges richtig gemacht. Denn genau so wollte ich es haben: ohne eindeutig "Böse" oder "Schuldige".

Die Filmreferenzen - tja, das ist natürlich so eine kleine Marotte von mir, aber hier fand ich sie auch einfach passend. Eigentlich ist Alien der einzige Film, den ich (ein bisschen) als bekannt voraussetze (über Die Katze erläutert der Erzähler alles, was er - und auch ich selbst - weiß), und da habe ich mal unterstellt, dass den die meisten kennen oder zumindest eine grobe Idee von der Handlung haben. Ist ja eigentlich ein Stück Popkultur, ein moderner Klassiker. Kälteschlaf kommt auch in vielen anderen SF-Filmen vor, in denen ohne Überlichtgeschwindigkeit zwischen den Sternen gereist wird. Klar, wer SF so völlig meidet, ist ein bisschen außen vor, aber wirklich handlungstragend sind diese Referenzen ja nicht.

Und das Ende ist zugegebenermaßen unspektakulär. Du nennst es harmlos, aber ich wollte halt die Entschluss- und Handlungsunfähigkeit des Prot stehenlassen, statt sie irgendwie aufzulösen. Es ist halt eine Alltagsgeschichte, und ich denke, es ist tatsächlich Alltag, dass manche Leute ihre Probleme aufschieben, bis es nicht mehr geht ... :Pfeif:

Überhaupt hätte der Erzähler doch besser einen Platz außerhalb für Nadia suchen sollen, dann hätte er sich auch das Putzen sparen können

Das finde ich eine sehr schöne Idee! :lol: Wenn ich mit der Geschichte stärker in Richtung Humor/Satire gegangen wäre (was ich nicht vorhatte), wäre das eine prima Auflösung gewesen: Nadia im Frauenhaus abzusetzen. Oder eine Anzeige in der Zeitung: Ehefrau in gute Hände abzugeben. 8 Jahre benutzt, leichte Gebrauchsspuren und kleinere Defekte, aber voll funktionsbereit ... :D

Vielleicht greife ich diese Idee ja ein andermal auf. Danke dafür! ;)

Grüße vom Holg ...

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom