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Mein Liebster

Ana

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21.05.2016
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Mein Liebster

Er steckte so gut wie immer in Schwierigkeiten, doch dieses Mal schien es anders zu sein. Er war von einer eisernen Ruhe erfasst worden und das machte mir Angst. Ich sah das Unglück näherkommen und nun war es wohl so weit. Er hatte Feuer im Kamin gemacht und sich dann zu mir gedreht:“ Bald ist es vorbei, vertraue mir. Ich liebe dich.“ Das war alles, was er mir geben konnte. Er ließ sich auf dem Tisch, mir gegenüber, nieder und legte eine Plastiktüte gefüllt mit dutzenden von Geldbündeln darin vor sich hin.
Ich studierte jede seiner Bewegungen. Er schien ruhig zu sein, doch, wenn man genau hinsah bemerkte man seine Zweifel. Seine Augen starrten ins Nichts, nur gelegentlich zuckten sie in Richtung Tür. Die Adern auf seiner Stirn waren angeschwollen, wie immer dann, wenn wir uns stritten. Sein linker Mundwinkel zitterte leicht so als würde er angestrengt ein Schluchzen oder Wimmern unterdrücken. Seine schmalen, langen Finger waren verkrampft, sodass seine Knöchel weiß hervortraten.
Ich wagte kaum zu atmen, doch ich wusste nicht wieso. Die ganze Situation wirkte wie erstarrt. Das Ticken der Uhr dröhnte mir in den Ohren, wie ein Hammerschlag schallte es mir jedes Mal durch den Kopf.
Auf der Straße schrie eine Katze. Eine Autotür öffnete sich und schwere Schritte kamen auf unser Haus zu. Jemand klopfe energisch an die Tür und er zuckte zusammen. Nach einer kurzen Pause klopfte es nochmal, diesmal so heftig, dass ich dachte die Tür falle jeden Moment aus den Angeln. Doch er rührte sich nicht, nur seine Hand griff langsam nach der Plastiktüte. Es war still vor der Tür, so still, dass sich die kleinen Härchen auf meinem Rücken aufstellten. Plötzlich hörte ich das Klicken einer geladenen Pistole. Ein ohrenbetäubender Lärm von durch die Luft sirrenden Kugeln zerriss die Stille. Ich schrie auf und er zerrte mich näher an dem Kamin heran, weg von der explodierenden Haustüre.
Ein Mann in weißem Anzug, eine Sonnenbrille verdeckte seine Augen, trat über die Trümmer ein in unser Zuhause. Ihm folgten drei brutal aussehende Kolosse, mit tätowierten Armen und Muskeln wie sie sonst nur Bodybuilder haben. Mein Geliebter stand auf, die Tüte fest umklammert in der Rechten. Mit einer schnellen Bewegung warf er das Geld ins Feuer wo es augenblicklich zu lichterloh zu brennen begann. Langsam nahm der Mann seine Sonnenbrille ab und musterte ihn kopfschüttelnd mit schwarzen, ausdruckslosen Augen. Er zog sein weißes Jackett aus und hob fast bedauernd die Schultern. Ich ahnte was passieren würde und wollte dazwischen gehen, doch meine Beine waren wie gelähmt. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah ich zu, wie mein Geliebter ausholte und dem Mann fest ins Gesicht schlug. Sein Kopf flog zur Seite und er fasste sich an sein Kinn. Dann lachte er leise. Er schnipste mit den Fingern und einer seiner Kumpane reichte ihn einen stählernen Schlagstock. Ich erlangte die Kontrolle über meine Beine wieder und sprang vor den Mann. Ich schüttelte ihn und flehte ihn an, doch er starrte mich nur an und einer der drei Kolosse riss mich zur Seite und hielt mich fest.
Der Mann trat ihm brutal in den Bauch und er klappte zusammen. Ich schrie und versuchte mich aus den armen des Mannes zu winden der mich festhielt, doch ich hatte keine Change.
Mein Liebster krümmte sich auf dem Boden und der Mann hob den Schlagstock. Mit einem furchterregenden Surren raste die Waffe Richtung Boden und traf schließlich auf seinen Körper. Mit einem unerträglichen Knacken hörte ich wie seine Knochen brachen und die Tränen flossen mir heiß über das Gesicht. Ich kreischte und wand mich in dem verzweifelten Versuch meinem Aufpasser zu entkommen. Seine haselnussbraunen Augen sahen suchend zu mir auf und ich erwiderte seinen traurigen Blick. Die ganze Zeit, während ein Schlag nach dem anderen seine Knochen brach, blickten wir uns in die Augen. Mit jedem Schmerzensschrei brüllte er mir auch seine Liebe entgegen, und ich schrie zurück.
Als sie endlich fertig waren, lag er reglos am Boden. Die Männer verließen uns. Ich sackte zusammen und kroch zitternd zu meinem Geliebten. Sein ganzer Körper war mit Blut verschmiert und seine Gliedmaßen standen in unnatürlichen Winkeln von ihm ab. Vorsichtig legte ich seinen Kopf in meinen Schoß. Seine Lippen zitterten und er öffnete den Mund, so als wolle er etwas sagen, doch es kam nur ein leises Stöhnen heraus. Ich schluchzte auf und küsste zärtlich seine aufgeplatzten Lippen. Als ich mich wiederaufrichtete, war alles Leben aus seinen Augen entwichen.

 

Liebe Maria,
Erstmal danke für dein Kommentar.
Die Distanz in der Geschichte ist beabsichtigt. Ich wollte dass der Leser keinen persönlichen Bezug zu den Personen hat. Es war zum Teil eine Anspielung auf unsere Abgestumpftheit, eben wie du gesagt hast, wie ein Zeitungsartikel. Solange wir zu der Person keinen persönlichen Bezug zu der Person haben kümmert uns nicht was mit ihm/ihr passiert. Aber ich habe es wohl etwas übertrieben und werde sie bei Zeiten nochmal überarbeiten.

Zu den Fragen die du hast, ein paar von ihnen sind absichtlich offen geblieben. Ich wollte es wie einen flüchtigen Blick durch ein Fenster wirken lassen. Man kennt die Personen nicht, weiß nicht wieso das passiert was passiert und schließlich wendet man sich wieder ab und geht weiter. Ich werde einige Textstellen nochmals überarbeiten, welche nicht klar scheinen aber ein Paar Fragen kann ich beantworten.
Dass er das Geld in die Flammen geworfen hat hat die Männer gekümmert, deswegen haben sie ihn getötet, wegen dem Geld. Zu seiner Freundin; sie wollte reagieren, ihm helfen aber am Anfang war sie so geschockt dass fremde Männer plötzlich ihre Wohnungstüre einschießen dass sie sich anfänglich nicht rühren kann, als sie es kann und vor springt wird sie weg gezogen und fest gehalten. also ich hatte ihren Charakter keinesfalls als teilnahmslos gedacht, eher als hilflos in der Situation, auch weil sie damit überrumpelt wurde.
Lg Ana

 

Hey Ana,

und Willkommen bei den wortkriegern.

Ich habe deine Geschichte gleich nach dem Einstellen gelesen und hätte Dir den gleichen Kommentar wie Maria druntergeschrieben, wenn ich denn einen geschrieben hätte. Warum ich mich jetzt melde, ist wegen deiner Antwort.

Ich wollte es wie einen flüchtigen Blick durch ein Fenster wirken lassen. Man kennt die Personen nicht, weiß nicht wieso das passiert was passiert und schließlich wendet man sich wieder ab und geht weiter.

Dasselbe tut der Leser ja auch mit der Geschichte. Also, dass hast Du ganz wunderbar hinbekommen. Warum aber willst Du so eine Geschichte erzählen? Eine die man liest und gleich wieder vergisst und sich fragt, ob man in der Zeit nicht hätte was besseres tun können. Abwaschen zum Beispiel? Ich bin verwirrt.

In diesem Sinne
Fliege

 

Hallo Fliege,
Erstmal danke für dein Kommentar.
Ich habe mich bei meinem letzten Kommentar bisschen blöd ausgedrückt, verzeiht mir das (der letzte Schularbeiten-Durchlauf dieses Jahr, da gibt mein Hirn immer den Löffel ab).
Diese Geschichte war so etwas wie ein Experiment. Ich wollte eine gewisse Distanz bewahren, den Leser ohne viele Erklärungen lassen, ihm so zu sagen interpreationsfreiheit geben. Aber da bin ich wohl über's Ziel hinaus geschossen. Ich hatte nicht beabsichtigt den Leser unbeeindruckt zu lassen und es als Zeitverschwendung zu empfinden die Geschichte gelesen zu haben.
Ich wäre euch dankbar wenn ihr mir vielleicht ein paar Tips geben könntet wie ich "die goldene Mitte" dabei finden könnte ?
Lg, Ana

 

Hey Ana,

Du sprichst da zwei Punkte an, die ich Dir gern beantworten möchte.

Diese Geschichte war so etwas wie ein Experiment. Ich wollte eine gewisse Distanz bewahren, den Leser ohne viele Erklärungen lassen, ihm so zu sagen interpreationsfreiheit geben.

Interpretation heißt nicht, ich gebe Dir fünf Fakten und den Rest denkst Du Dir allein aus. Als Leser will ich Geschichten lesen. Wenn ich mir welche ausdenken mag, schreibe ich eine. Generell: Fragen, die ein Text aufwirft, aber nicht aus sich selbst heraus beantwortet schaffen ein unbefriedigendes Lesegefühl. Du versprichst dem Leser eine Geschichte, er will eine und am Ende hat er mehr Fragen als Antworten. Leser wollen Geschichten von A-Z und nicht von E-M und O-Q und dann noch Z. Es sind in sich geschlossene Miniromane sozusagen. Und genau darin liegt dann auch das Schwierige. Charaktere schaffen, Handlung szenisch aufbereiten, Spannungsbogen, alles schön komplex und auf wenig Raum. Eine gute Kurzgeschichte zu schreiben, da übt man schon eine Weile dran. Und eine Distanz zum Leser ist immer ein ko-Argument. Du willst keine Distanz, sondern ihn berühren. Du musst ihn berühren, sonst zuckt er mit den Schultern wie bei einer Zeitungsmeldung von einem Unfall mit 6 Toten. Wenn unter den Toten nun aber der beste Freund ist, ja dann zuckt keiner mehr mit den Schultern, sondern flennt Rotz und Wasser. Also musst Du aus deinen Figuren sowas wie beste Freunde machen. Und das geht nur mit Nähe, nie mit Distanz.

Ich wäre euch dankbar wenn ihr mir vielleicht ein paar Tips geben könntet wie ich "die goldene Mitte" dabei finden könnte ?

Lesen, Kommentieren, Lesen, Kommentieren und üben, üben, üben ...
Es gibt keine Handlungsanweisung. Schreiben, Feedback holen, überarbeiten. Ein Gespür entwickelst Du, wenn Du die Geschichten anderer liest und kommentierst. Weil Du da selbst nicht so nah am Text bist, Du hast nicht im Kopf, was der Autor im Kopf dazu hat. Aus den Fehlern anderer für sich selbst lernen. Festzustellen, der Text funktioniert für mich nicht- WARUM? Und während Du Dir über das WARUM Gedanken machst, lernst Du unglaublich viel. Genauso, wenn man was liest und sagst: Wow. Wie hat er das gemacht?
Das geht nicht in ein, zwei Tagen, das braucht jede Menge Erfahrung und Übung. Kann Monate bis Jahre dauern. Ging allen so. Und ich meine wirklich allen. Auch die ganz Großen sind nicht vom Himmel gefallen. Musst Du wissen, ob es Dir das wert ist. Aber man spürt selbst, wie man wächst, wie man besser wird. Das ist schön :).

Hab einen schönen Tag!
Fliege

 

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